Das gewohnte Bild: Industrieroboter werken in Reih und Glied etwa in der Automobilindustrie entlang einer Fertigungsstraße. Eine europäische Forschungsinitiative hatte sich zum Ziel gesetzt, diese Phalanx aufzubrechen und eine speziell auf die Anforderungen kleiner und mittlerer Produktionsbetriebe zugeschnittene Robotik zu entwickeln.
Hohe Variantenvielfalt und Qualitätsanforderungen sowie kleine Losgrößen erschweren bislang den wirtschaftlichen Einsatz klassischer Robotersysteme in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU). Die Entwicklungspartner aus Forschungseinrichtungen und Unternehmen des vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) koordinierten EU-Projekts SMErobotics präsentieren in diesen Tagen auf der Hannover Messe Technologiebausteine für Systemintegratoren und Ausrüster innovativer Robotersysteme sowie direkt einsetzbare Anwendungen für den Mittelstand. Präsent wollen sie auch auf der Messe Automatica Mitte Juni in München sein.
Um KMU mehr Automatisierung zu ermöglichen, hat die Initiative speziell auf deren Bedürfnisse zugeschnittene intelligente Robotersysteme entwickelt. Sie arbeiten ohne trennende Schutzeinrichtungen mit und neben ihren menschlichen Kollegen. Neue Technologien zur intuitiven Programmierung sowie zur robusten sensorüberwachten Programmausführung erlauben Unternehmen, Robotersysteme auch bei vielen Produktvarianten effizient einzusetzen und auf diese Weise den Durchsatz und die Qualität ihrer Produkte weiter zu verbessern. Die Stufen der Beziehungsintensität zwischen Mensch und Roboter in der automatisierten Produktion analysiert Springer-Autor Michael Haag in "Zukunft der Arbeit in Industrie 4.0" ab Seite 59.
Schlüsselkomponente Software
Ein Ziel von SMErobotics ist, dass Anwendungsfachkräfte Roboter einfach instruieren sowie verlässlich und zeitsparend bedienen können. Dies wird durch die Programmierung von Montage- und Handhabungsaufgaben mittels intuitiver grafischer Bediensysteme erreicht. Eine robuste, skill-basierte Programmausführung soll zudem den transparenten Umgang mit Ungenauigkeiten in der Umgebung und an Werkstücken ermöglichen. Dies ist sehr wichtig für KMU, weil Robotersysteme hier oft von Hand vorbereitete Werkstücke bearbeiten müssen, die Toleranzen oder Abweichungen zu Konstruktionsdaten aufweisen. Der Einsatz von Sensoren zur Werkstücklokalisierung und -vermessung macht in solchen Fällen eine feste Positionierung und Halterungen für Werkstücke weitgehend unnötig.
Anwendungen für Schweißprozesse und flexible Montage
Mit mehrere in ersten Praxistests erprobten Roboterzellen und Arbeitsplätzen für die Mensch-Roboter-Kollaboration demonstrieren die Forschungspartner den praktischen Nutzen der Softwarekomponenten in typischen Produktionsszenarien von KMU. Bei der CoWeldRob des IPA handelt es sich beispielsweise um eine Schweißzelle für die Losgröße 1. Robuste 3D-Sensorik, umfangreiche Technologie- und Prozessmodelle und eine intuitive grafische Bedienoberfläche ermöglichen das Nahtschweißen von vormontierten Bauteilen mit wenigen Handgriffen. Das System scannt neue Werkstücke, identifiziert die zu schweißenden Nähte und schlägt dem Schweißer geeignete Parameter für den Schweißprozess vor. Ebenso identifiziert und lokalisiert das System bekannte Werkstücke und generiert das Schweißprogramm dann vollautomatisch.
Dass etwa auch Montageprozesse mit Toleranzen im Mikrometerbereich möglich sind, zeigen die Robotik-Forscher anhand einer Präzisionsmontage, die ohne aufwendige, produktspezifische Fixierungen und Führungseinrichtungen auskommt. Die Zelle, die derzeit bei einem Endanwender im Testbetrieb läuft und zukünftig in die laufende Produktion integriert werden soll, montiert beispielsweise Ventilbaugruppen in mehreren, hintereinander ausgeführten Schritten. Hierzu gehört auch das Einfädeln eines Schiebers mit nur drei Mikrometern Toleranz. Tests zeigen nach Angaben der Initiative eine um 30 Prozent reduzierte Fehlerrate in der Montage des Schiebers gegenüber der manuellen Ausführung.
Für mittelständische Unternehmen, die einen Robotereinsatz ins Auge fassen wollen, haben die Forscher ein Online-Tool entwickelt, mit dem Endanwender schnell und individuell die Anschaffung eines Robotersystems sowie für dessen Rentabilität kalkulieren können.