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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

5. Sozialprofil, Amtsführung und Problemlagen

verfasst von : Jörg Bogumil, David H. Gehne, Louisa Anna Süß

Erschienen in: Ehrenamtliche Bürgermeister in Deutschland

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der Befragung der eBm dargestellt. Insgesamt erreichte der Fragebogen eine Rücklaufquote von 23 % (n = 1491), die sich je nach Bundesland jedoch deutlich unterscheidet (s. Tab. 1.​2). Aufgrund der hohen Varianz der Rücklaufquote nach Bundesland wurde eine Gewichtung des Datensatzes vorgenommen, um die Über- bzw. Unterrepräsentation einzelner Bundesländer auszugleichen. Im Folgenden werden folgende Bereiche der Befragung vorgestellt: das Sozialprofil, politische Profil der eBm, die kommunalpolitischen Rahmenbedingungen, die Amtsführung, die Motivation und die Bedeutung von Parteien und Wählervereinigungen sowie Erfahrungen mit Anfeindungen im Amt.
In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der Befragung der eBm dargestellt. Insgesamt erreichte der Fragebogen eine Rücklaufquote von 23 % (n = 1491), die sich je nach Bundesland jedoch deutlich unterscheidet (s. Tab. 1.​2). Aufgrund der hohen Varianz der Rücklaufquote nach Bundesland wurde eine Gewichtung des Datensatzes vorgenommen, um die Über- bzw. Unterrepräsentation einzelner Bundesländer auszugleichen. Anschließend werden folgende Bereiche der Befragung vorgestellt: das Sozialprofil, politische Profil der eBm, die kommunalpolitischen Rahmenbedingungen, die Amtsführung, die Motivation und die Bedeutung von Parteien und Wählervereinigungen sowie Erfahrungen mit Anfeindungen im Amt.

5.1 Sozialprofil und politisches Profil

Zunächst soll das soziale und politische Profil der eBm in den Fokus gestellt werden, um eine Antwort auf die Frage zu geben, wer überhaupt dieses Ehrenamt übernimmt und welche Unterschiede es gibt.1 Das Sozialprofil umfasst hier Geschlecht, Alter, die Familiensituation, Bindung zur Gemeinde, Ausbildung und die berufliche Situation. Das politische Profil setzt sich zusammen aus der Amtszeit und der Frage nach der Mitgliedschaft in Parteien und Wählergruppen.

5.1.1 Alter, Geschlecht und Familiensituation

Mit 19 % sind deutlich weniger Frauen als Männer als eBm tätig. Es zeigen sich in den einzelnen Ländern Unterschiede, da 12 % der Befragten aus Sachsen-Anhalt und 34 % aus Niedersachsen weiblich sind. Setzt man dies in Relation mit dem Hauptamt, wird schnell ersichtlich, dass deutlich mehr Frauen als ehrenamtliche statt als hauptamtliche Bürgermeisterin tätig sind, da diese kommunale Spitzenposition nur in etwa von 10 % der Fälle Frauen besetzt wird (vgl. Heinelt et al. 2018, S. 29).
Die Altersstruktur der eBm weist darauf hin, dass eher Personen in der fortgeschrittenen Lebensphase in diesem Amt tätig sind. Der Mittelwert lag bei 56,7 Jahren, weibliche eBm waren mit 54,2 Jahren durchschnittlich etwas jünger als die männlichen Kollegen mit 57,2 Jahren. Zusätzlich variiert der Altersdurchschnitt nach Bundesland zwischen 54,9 Jahren in Bayern und 60,1 Jahren in Schleswig-Holstein. Auch die Verteilung der einzelnen Altersgruppen verdeutlicht den Altersunterschied bei Männern und Frauen (s. Abb. 5.1). Der Anteil der männlichen eBm über 60 Jahren lag über 40 %, bei Frauen dagegen fanden sich nur unter 30 % der Befragten in dieser Gruppe. Insgesamt gesehen finden sich nur sehr wenige jüngere eBm; nur knapp unter 10 % sind unter 30. Der durchschnittliche hauptamtliche Bürgermeister ist 52 Jahre alt und somit im Mittelwert ein paar Jahre jünger (Heinelt et al. 2018, S. 26).
Die familiäre Situation der eBm zeichnet sich maßgeblich dadurch aus, dass ein großer Teil verheiratet ist (84 %) und Kinder hat (87 %). Die Kinder von etwa Dreiviertel der Befragten sind älter als 14 Jahre und nur 10 % haben Kinder unter 6 Jahren. Dabei zeigt sich, dass mehr Frauen im Amt als ehrenamtliche Bürgermeisterin jüngere Kinder haben als ihre männlichen Kollegen. Diese Beobachtung muss im Zusammenhang mit der zuvor beschriebenen Altersstruktur der eBm gesehen werden.
Die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt bewerten 22 % als „sehr schwer“, wobei der Anteil der Frauen mit 27 % höher ist. Als „manchmal schwierig“ bezeichnete etwas mehr als die Hälfte der Befragten die Vereinbarkeit, wobei der Wert für Männer höher liegt als der für Frauen. Unterscheidet man hinsichtlich des Alters der Kinder zeigt sich, dass mehr Personen mit Kindern älter als 14 Jahren die Vereinbarkeit als „sehr schwer“ (22 %) bezeichnen als jene mit Kindern unter 6 Jahren (17 %). 72 % der Befragten mit Kindern unter 6 Jahren sehen diese Frage als „manchmal schwierig“ an, was ein bedeutend größerer Anteil ist als der Befragten mit älteren Kindern. Insgesamt muss jedoch einschränkend angemerkt werden, dass die Fallzahl der eBm mit Kindern unter 6 Jahren relativ gering ist und diese Zahlen nur begrenzt als repräsentativ angesehen werden können. Es lässt sich aber zusammenfassen, dass das eigene Geschlecht und das Alter der Kinder einen Einfluss auf die Einschätzung der Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt haben. Weitere Faktoren wie die Möglichkeiten der Kinderbetreuung in Einrichtungen und Unterstützungsstrukturen durch Familie und Freunde müssten in diese Fragestellung für ein differenziertes Bild miteinbezogen werden, was jedoch in diesem Forschungsvorhaben leider nicht möglich war.
In der Einschätzung der Schwierigkeit der Vereinbarkeit zeigen sich Effekte in den einzelnen Bundesländern. So scheint in Bayern das Problem stärker zu sein als in Sachsen-Anhalt. Diese Beobachtung hängt mit verschiedensten Faktoren zusammen, deren Interdependenzen im Folgenden auch jenseits der Vereinbarkeitsfragen analysiert werden und hier nur kurz angeschnitten werden. Die Anzahl der Einwohner der Kommune hat ebenfalls einen Einfluss auf die Einschätzung der Vereinbarkeit, wenn auch nur einen eher schwachen. Es zeigt sich, dass besonders in der Gemeindegrößenklasse unter 500 Einwohnern die Vereinbarkeit als leichter wahrgenommen wird, während eBm in Kommunen zwischen 2000 und 5000 Einwohnern diese öfter als herausfordernd wahrnehmen. Dies hängt sicherlich auch mit dem anfallenden Arbeitsaufwand zusammen, der in größeren Kommunen höher ist. Es lässt sich jeweils eine mittlere statistische Korrelation feststellen zwischen dem aufgebrachten Zeitaufwand für das Amt des eBm (0,322** Spearman) und der Anzahl des in der Kommune beschäftigten Personals (0,233** Spearman) mit der Einschätzung der Vereinbarkeit. Somit kann gezeigt werden, dass mit einem höheren Zeitaufwand und gesteigerter Personalverantwortung auch größere Herausforderungen der Vereinbarkeit zwischen Ehrenamt, Erwerbstätigkeit und Familie bestehen.
In Bayern bestand die Möglichkeit, diesen Fragenblock um einige Fragen zur Unterstützung der familiären Situation zu erweitern.2 Insgesamt gaben 61 % an Unterstützung zu erfahren. In dieser Gruppe ist die Kernfamilie der wichtigste Unterstützungsfaktor, da 93 % angaben, durch diese entlastet zu werden. Besonders die Ehefrau oder der Ehemann helfen im Privaten sowie in manchen Fällen auch in den Tätigkeitsfeldern des eBm, da einzelne Aufgaben der Verwaltung oder Repräsentation wie beispielsweise Präsente zu besorgen von ihnen übernommen werden. Unterstützung durch externe Dienstleister oder die stellvertretenden Bürgermeister geben nur einzelne eBm in Bayern an. Somit lassen sich exemplarisch die Unterstützungsstrukturen hauptsächlich in der Kernfamilie durch Ehepartner oder auch Kinder sehen. Der eBm trägt also nicht nur der Familie gegenüber Sorge, sondern kann durch diese auch Unterstützung in der Amtsausführung erfahren.

5.1.2 Bindung zur Gemeinde

Fast alle Befragten haben ihren Hauptwohnsitz in der Kommune, in der sie als eBm tätig sind.3 Sie leben dort durchschnittlich seit 42,2 Jahren. Mehr als die Hälfte ist auch dort aufgewachsen und etwas über 40 % auch geboren worden (s. Abb. 5.2). Die Sozialisation in der Kommune und ein damit einhergehendes Verbundenheits- und Heimatgefühl sind relevante Faktoren für eBm. Verwandtschaftliche Beziehungen sind für etwa ein Viertel wichtig, während berufliche Bindungen weniger relevant sind (s. Abb. 5.2).
Unterscheidet man dies nach Bundesländern, wird eine hohe Varianz in der Bedeutung der Sozialisation in der Gemeinde deutlich. In Sachsen-Anhalt (81 %), Bayern (71 %) und Sachsen (69 %) sind deutlich mehr eBm in der Kommune aufgewachsen als in Mecklenburg-Vorpommern (32 %), Thüringen (45 %) oder Schleswig-Holstein (50 %). Dies kann verschiedenste Gründe haben und sich von einer stärkeren Motivation der Alteingesessenen zum Engagement in manchen Bundesländern, über eine regional unterschiedlich ausgeprägte berufliche Mobilität bis hin zu einer inklusiveren Kultur des Ehrenamts und der Kommunalpolitik des ländlichen Raums erstrecken. Die Einwohnerzahl scheint eine eher geringfügige Rolle zu spielen. Lediglich leicht steigende Effekte lassen sich erkennen, dass eBm in den größeren Kommunen häufiger in der Kommune aufgewachsen sind und eher verwandtschaftliche Beziehungen haben, sowie berufliche Bindungen.

5.1.3 (Aus-)Bildung und berufliche Situation

Bezüglich der Sozialstruktur der eBm ist es von Interesse auch die schulische sowie berufliche (Aus-)Bildung zu erfassen, da diese im Vergleich von kommunalpolitischen Eliten eine wichtige Variable darstellt. 54 % der eBm haben eine Fachhochschul- bzw. Hochschulreife erlangt, ein Viertel die Realschule besucht, 14 % einen Haupt- bzw- Volksschulabschluss absolviert und 7 % die Ausbildung an einer polytechnischen Oberschule abgeschlossen. Es wird deutlich, dass mit steigender Einwohnerzahl auch der Anteil der eBm mit Fachhochschul-/bzw. Hochschulreife ansteigt. Außerdem ist das Bildungsniveau der weiblichen eBm höher als das der Männer, da der Anteil der Frauen mit Abitur mit 63 % deutlich höher ist als der der männlichen Befragten (51 %).
Der größte Anteil der eBm hat eine Lehre bzw. Berufsausbildung im dualen System (41 %) absolviert, 31 % einen Fachschulabschluss inklusive Meister- oder Technikerausbildung abgeschlossen und weitere 30 % einen Hochschulabschluss erworben. Zwei Prozent wurden außerdem noch promoviert (Mehrfachnennungen waren möglich). Ebenso ist ein Zusammenhang zwischen dem beruflichen Abschluss und der Größenklasse der Kommune zu erkennen. So haben in kleineren Kommunen eBm häufiger eine Lehre oder Berufsausbildung im dualen System absolviert, während mit der Einwohnerzahl der Anteil der eBm mit Fachschulabschluss und Hochschulabschluss steigt. Hier ist der Geschlechtsunterschied nicht so ausgeprägt, allerdings liegt der Anteil der weiblichen eBm mit Lehre/Berufsausbildung mit 48 % deutlich über dem der Männer mit 40 %. Im Vergleich zu hauptamtlichen Bürgermeistern wird deutlich, dass das Bildungsniveau bei Letzteren tendenziell höher ist, da 73 % über einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss verfügen. Es lässt sich somit eine Tendenz erkennen, dass eBm in größeren Kommunen sich bezüglich des höheren Bildungsabschlusses hauptamtlichen Bürgermeistern annähern.
Die deutliche Mehrheit der eBm ist berufstätig. Es zeigt sich, dass etwa ein Drittel in der Privatwirtschaft und etwa ein Viertel im Öffentlichen Dienst tätig sind. Handwerker und Landwirte stellen mit 6 % eine Minderheit dar. Da die hier betrachteten Bürgermeister ihre zeitintensive Tätigkeit im Ehrenamt ausüben, entstehen typische Vereinbarkeitsprobleme mit dem Hauptberuf. Dabei fühlen sich 67 % der Befragten durch den Arbeitgeber unterstützt.
Auffallend ist mit 27 % ein hoher Anteil an eBm, die nicht erwerbstätig sind. Innerhalb der Gruppe der nicht-Erwerbstätigen machen Rentner und Pensionäre mit 79 % die größte Gruppe aus. 12 % gaben an, ihre Erwerbstätigkeit wegen des Bürgermeisteramts aufgegeben zu haben. Hier zeigt sich eine deutliche Varianz zwischen den Bundesländern. Während eBm in Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern selten ihren Job aufgeben, ist dies in Bayern deutlich häufiger der Fall, wo fast 60 % der nicht-erwerbstätigen Befragten dies angaben. Dies hängt aber auch mit Besonderheiten des Amtes des eBm in Bayern zusammen, die weiter unten ausführlich erläutert werden. Zusätzlich zeigt sich, dass 87 % der nicht-erwerbstätigen Männer Rentner oder Pensionäre sind, während nur 41 % der Frauen dieser Gruppe angehören. Sie sind eher Hausfrau (24 %) oder haben die Erwerbstätigkeit wegen des Bürgermeisteramtes aufgegeben (30 %). Zusätzlich haben 42 % der befragten Frauen ihre Arbeitszeit reduziert und somit ein größerer Anteil als die männlichen Kollegen (33 %). Ob ein eBm Kinder hat oder nicht scheint einen nur geringen Einfluss auf die Arbeitszeit im Hauptberuf zu haben (M mit Kindern = 36,8 h/Woche; M ohne Kinder = 37,3 h/Woche).
Spiegelt man diese Beobachtung nun mit den Daten zur durchschnittlichen Arbeitszeit der eBm im Hauptberuf und der Arbeitszeitreduktion, zeigt sich ein komplexes Bild. Die durchschnittliche Arbeitszeit im Hauptberuf aller Befragten liegt bei 36,9 h pro Woche und ist damit unter dem Wert der Wochenarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte von 40,5 h.4 Die Spannweite erstreckt sich zwischen 41,2 h in Sachsen-Anhalt und 27,9 h in Bayern (vgl. Abb. 5.3).
Insgesamt haben 35 % der Befragten die Arbeitszeit in ihrem Hauptberuf aufgrund ihrer Tätigkeit als eBm reduziert. In Sachsen (82 %) und Bayern (84 %) sind diese Werte besonders hoch, daher sind auch die Mittelwerte der Arbeitszeit im Hauptberuf geringer (vgl. Abb. 5.3).
Es zeigen sich Varianzen in der beruflichen Situation der eBm und die Gründe dafür sind vielfältig. Hierbei treffen institutionelle Anforderungen durch die im rechtlichen Rahmen der Länder definierten Aufgaben und Kompetenzen des eBm sowie die finanzielle und infrastrukturelle Situation der Kommunen auf persönliche Präferenzen und die private Situation. Maßgeblich hängt es mit dem variierenden zeitlichen Aufwand für das Ehrenamt in den einzelnen Bundesländern (vgl. Abschn. 5.3) zusammen und daraus resultieren unterschiedliche Konsequenzen für die eBm. Zusätzlich spielen gesellschaftliche Erwartungen und weitere soziale Verpflichtungen eine Rolle, was am Beispiel der häufigeren Arbeitszeitreduktion und der Aufgabe des Berufs von weiblichen eBm deutlich wird, da Frauen oftmals mehr Arbeit im Care-Bereich leisten und die Teilzeiterwerbsquote unter ihnen generell höher ist (vgl. Süß 2023).
Diese Arbeitszeitreduktion, die von 35 % der Befragten durchgeführt wurde, führt zu einer Gehaltsminderung, aber auch perspektivisch einen geringeren Rentenanspruch, vor allem wenn man über einen sehr langen Zeitraum hinweg engagiert ist. Ist dieses Delta mit der Aufwandsentschädigung und anderen zusätzlichen Leistungen (wie z. B. dem Ehrensold in Bayern) nicht abzufangen, bedeutet dies einen realen finanziellen Verlust der Engagierten. Ein derartiges Ehrenamt muss man sich als Person finanziell leisten können. Somit ist davon auszugehen, dass diese eBm sich in einer zu einem gewissen Grad gesicherten ökonomischen Lage befinden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Sozialstruktur der ehrenamtlichen Bürgermeister sich von jener der hauptamtlichen Kollegen unterscheidet (vgl. Heinelt et al. 2018). Der Frauenanteil ist größer, das Durchschnittsalter höher und der Anteil an Hochschulabsolventen niedriger. Für ehrenamtliche Bürgermeister zeigen sich starke Varianzen in der beruflichen Situation, da viele die Arbeitszeit im Hauptberuf für das Ehrenamt reduziert haben. In der weiteren Auswertung wird die berufliche Lage der eBm immer wieder eine wichtige Rolle in verschiedensten Kontexten spielen.

5.1.4 Länge der Amtszeit

Das politische Profil der eBm ist gekennzeichnet durch die Länge der Amtszeit und ein mögliches Engagement in einer Partei oder Wählervereinigung. An der Befragung nahmen eBm mit unterschiedlich langer Erfahrung im Amt teil. Wenn auch insgesamt 48 % kürzer als 5 Jahre im Amt sind, üben 13 % dieses Ehrenamt seit mehr als 15 Jahren aus. Hierbei stechen Mecklenburg-Vorpommern mit 9 % der Befragten, die seit über 25 Jahren als eBm engagiert sind, und Brandenburg mit 52 % Studienteilnehmenden unter 5 Jahren im Amt raus. Im Mittelwert sind die Befragten 7,9 Jahre als eBm tätig.
Einzelne Beobachtungen hinsichtlich der Amtszeit fallen mit Bezug zu verschiedenen Faktoren auf, wie beispielsweise dem Geschlecht. Im Durchschnitt sind männliche eBm schon länger im Amt (M = 8,3 Jahre) als ihre weiblichen Kolleginnen (M = 6,4 Jahre). Auch zeigt sich, dass Parteimitglieder mit 9 Jahren durchschnittlich länger im Amt sind als diejenigen ohne Parteibuch. Es ergibt sich hier eine mittlere positive Korrelation zwischen der Länge der Amtszeit und der Dauer der Mitgliedschaft in einer Partei oder Wählervereinigung (0,486** Pearson). Die Mittelwerte variieren im Vergleich der Bundesländer mit durchschnittlichen Werten von 6,3 Jahren in Niedersachsen zu 9,3 Jahren in Sachsen-Anhalt. Anders als in den anderen Bundesländern werden die eBm in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein vom Rat gewählt. Allerdings lag die durchschnittliche Amtszeit dort bei überdurchschnittlichen 8,9 Jahren. Die Ratswahl des eBm birgt grundsätzlich das Risiko, bei wechselnden Mehrheiten im Rat in Folge von Wahlen das Amt des eBm zu verlieren. Bei stabilen Mehrheiten dagegen können auch lange Amtszeiten möglich sein. Bei Direktwahlen als Personenwahlen dagegen kommt ein starker Amtsbonus zum Tragen (vgl. Kap. 4), der hier sehr wahrscheinlich amtszeitverlängernd wirken kann. Bezieht man die Mehrheit im Rat in die Betrachtung ein, zeigt sich in Niedersachsen, dass die Amtszeit der eBm durchschnittlich mit 7,7 Jahren am längsten ist, wenn eine Fraktion die absolute Mehrheit hat und tendenziell kürzer in Fällen mit einer Mehrheitsbildung ohne Fraktionen (5,7 Jahre) oder bei einer dauerhaften Zusammenarbeit zwischen einzelnen Fraktionen und Gruppen (5,2 Jahre). In Schleswig-Holstein zeigt sich dieser Effekt aber nicht, sodass die Frage des Einflusses der Ratsmehrheit bei der Ratswahl der eBm im Ländervergleich unterschiedlich zu beantworten ist.
Des Weiteren wird deutlich, dass eBm in kleineren Gemeinden tendenziell länger das Amt bekleiden als in Kommunen mit über 5000 Einwohnern (vgl. Abb. 5.4). Daher kann in den kleineren Kommunen von einer größeren Kontinuität im Amt des ehrenamtlichen Bürgermeisters ausgegangen werden.
Die Länge der Amtszeit der eBm zeigt also deutliche Varianzen auf. Unsere Ergebnisse zeigen, dass viele eBm noch relativ frisch im Amt sind, da etwa die Hälfte der Befragten dieses Ehrenamt kürzer als 5 Jahre ausübt. Unterscheidet man in zwei Gruppen anhand der Frage, ob die eBm mindestens ein Mal wiedergewählt worden oder neu im Amt sind, fallen besonders Altersunterschiede auf. Die erstmalig Gewählten sind im Mittelwert 8 Jahre jünger (52 Jahre zu 60 Jahre). Dies deutet einen Generationswechsel an. Zusätzlich zu ihrem jüngeren Alter, sind die neuen eBm auch kürzer in der Kommune wohnhaft. Gleichzeitig sind sie seltener in der Gemeinde geboren und aufgewachsen. Es lässt sich schlussfolgern, dass entsprechend die Bindung zur Kommune dadurch auch etwas anders geprägt ist. Weitere Aspekte der Sozialstruktur unterscheiden sich zwischen diesen Gruppen, da neuere eBm tendenziell eher ledig und kinderlos sind. Wenn Kinder in den Familien vorhanden sind, sind diese eher jünger als die der erfahreneren eBm, was sicherlich auch mit den generellen Altersunterschieden und der entsprechenden Lebensphase zusammenhängt.
In der Amtsausführung zeigen sich weniger Varianzen zwischen neueren und erfahreneren eBm als hinsichtlich des Sozialprofils. Es könnte vermutet werden, dass eBm mit mehr Erfahrung und Routine manche Abläufe und Prozesse schneller erledigen als neuere. Die für das Ehrenamt aufgebrachte Zeit unterscheidet sich zwischen den beiden Gruppen kaum, weshalb man nicht von einer Zeitersparnis durch gewonnene Routinen oder institutionalisierte Netzwerke in VG und Gemeinderat im Laufe der Zeit ausgehen kann. Lediglich wenige Aufgaben priorisieren die eBm unterschiedlich. So schreiben die länger amtierenden Befragten dem Stellen von Förderanträgen eine größere Bedeutung zu, ebenso wie der Vernetzung mit anderen Gemeinden und der Wahrung der Selbstständigkeit und Identität der Gemeinde. In der Zusammenarbeit mit der Verwaltung, die zumeist auf Ebene der VG angesiedelt ist, da wenige Kommunen mit eBm eigenes Verwaltungspersonal beschäftigen, zeigen sich die neueren eBm tendenziell etwas unzufriedener. Sie nehmen den Kommunikationsaufwand mit der Verwaltung stärker als „sehr hoch“ wahr und wünschen sich mehr Unterstützung durch die Verwaltung bei anspruchsvollen Förder- und Bauanträgen. Wenn die Unterschiede auch nur relativ gering ausfallen, zeigt sich eine andere Perspektive und Erwartungshaltung der neuen eBm gegenüber der Verwaltung.
eBm in ihrer ersten Legislaturperiode sind häufiger kein Mitglied in einer Partei oder Wählergemeinschaft (57 %) verglichen mit ihren erfahreneren Kollegen (43 %). Die Motivation zur Kandidatur entstammte folglich auch weniger diesen Strukturen, sondern häufiger aus Unzufriedenheit mit der Arbeit des Vorgängers. Die Befragungsdaten verdeutlichen, dass erfahrenere eBm stärker in weiteren politischen Ämtern involviert sind, da deren Anteil im Kreistag oder anderen politischen Mandaten höher liegt. Neuere eBm sind neben ihrer Tätigkeit eher nicht weiterführend ehrenamtlich aktiv.
Insgesamt deutet sich also ein Generationenwechsel an. Die neue Gruppe der eBm unterscheidet sich in ihrer Sozialstruktur, der Bindung zur Gemeinde, der Eingliederung in lokale Strukturen der Wählervereinigungen, Parteien aber auch der Zivilgesellschaft sowie der Erwartungen an die VG.

5.1.5 Mitgliedschaft in Partei oder Wählervereinigung

Die Bedeutung von Parteien und Wählervereinigungen für das Amt des eBm wurden bereits im rechtlichen Rahmen der Bundesländer bzgl. des Nominierungsrechts im Vorfeld der Wahl beschrieben. Obwohl Parteien und Wählervereinigungen in ländlichen und kleinen Kommunen vorwiegend keine Rolle spielen, sind doch relativ viele eBm Mitglied in diesen Organisationen.
Insgesamt gaben 31 % der eBm an kein Mitglied in einer Partei oder Wählergemeinschaft zu sein. Es zeigen sich Effekte von Geschlecht und Gemeindegröße, da weibliche eBm (35 %) und eBm in Kommunen unter 500 Einwohnern (47 %) häufiger kein Partei- oder Wählergemeinschaftsmitglied sind. Der Anteil der Nichtmitglieder sinkt mit steigender Gemeindegröße. Je größer die Kommune ist, desto eher ist der eBm Mitglied in einer Partei. Gleichzeitig sinkt auch der Organisationsgrad in einer Wählervereinigung mit steigender Einwohnerzahl (vgl. Abb. 5.5). Diese Beobachtungen bestätigen geltende Annahmen der lokalen Politikforschung (Bogumil und Holtkamp 2023, S. 176) und gehen in Richtung des deutlich höheren Anteils der hauptamtlichen Bürgermeister mit Parteimitgliedschaft (72 %) (Heinelt et al. 2018, S. 56).
In der Gesamtbetrachtung sind die meisten eBm Mitglied in einer Partei (36 %) oder einer Wählervereinigung (30 %).5 Durchschnittlich liegt die Dauer dieser Mitgliedschaft bei 19,8 Jahren, weshalb von einer langfristigen Bindung an die Organisation auszugehen ist. Zwischen der Dauer der Tätigkeit als eBm und der Dauer der Mitgliedschaft in einer Partei bzw. Wählervereinigung ist eine mittlere statistische Korrelation zu erkennen (0,486** Pearson). Daraus lässt sich ableiten, dass es zwar einen engen Zusammenhang zwischen einer langen Tätigkeit als eBm und einer langen Mitgliedschaft gibt, dies aber nicht unbedingt der Fall sein muss.
Parteien spielen für ehrenamtliche Bürgermeister in ländlichen Räumen je nach Bundesland eine unterschiedlich große Rolle. In Sachsen-Anhalt sind 72 % kein Mitglied in einer Partei oder Wählervereinigung, in Brandenburg 50 % und in Rheinland-Pfalz 45 %, während in Schleswig-Holstein dieser Anteil bei nur 7 % und in Niedersachsen bei 17 % liegt. Es zeigt sich auch hier wieder die relativ gesehen hohe Relevanz von politischen Organisationen in den beiden Bundesländern, in denen der eBm nicht durch Direktwahl der Bürgerschaft, sondern durch eine Wahl im Gemeinderat bestimmt wird (vgl. Kap. 2).
Die Mitgliedschaft in einer Partei oder Wählervereinigung lässt sich weiter in einzelne Organisationen differenzieren.6 Die Wählergemeinschaften sind meistens lokal gegründet und haben keine überregionale Vernetzung, da sie sich nur für Belange innerhalb einer Kommune bzw. VG einsetzen möchten. Lange führten Wählergemeinschaften ein Schattendasein in der deutschen Politikwissenschaft. Durch ihre begrenzte Aktivität auf der kommunalen Ebene entsprechen sie nach Parteiengesetz nicht den Bedingungen einer Partei und sind vielmehr als Nichtpartei zu verstehen. Sie streben explizit nach der Beeinflussung von Politik in Form der Teilnahme an Kommunalwahlen (Angenendt 2021, S. 627). Viele dieser Gemeinschaften tragen auch den Namen der Gemeinde in ihrer eigenen Bezeichnung. Eine Besonderheit machen die „Freien Wähler“ (FW/FWG) aus, die zwar eine Wählergemeinschaft sind und sich bewusst in Abgrenzung zu Parteien verstehen, aber einen überregionalen Organisationsgrad aufweisen und in manchen Bundesländern sogar im Landtag bzw. in der Landesregierung (Rheinland-Pfalz; Bayern) vertreten sind (Wurthmann et al. 2023). Diese Gruppierung stellt trotz des Vorkommens in mehreren Bundesländern nur in Bayern einen relevanten Faktor hinsichtlich der Mitgliedschaft der eBm dar. Der Übersichtlichkeit halber sind in der folgenden Abbildung Wählergruppen und Freie Wähler zu einer Gruppe zusammengefasst worden. Unter den Parteimitgliedern finden sich auch vereinzelt Mitglieder von Grünen, FDP und der Linkspartei, die zur Kategorie Sonstiges zusammengefasst wurden. Allerdings befand sich kein Mitglied der AfD unter den Befragten.
In einzelnen Bundesländern zeigen sich Varianzen nicht nur im Anteil der eBm mit Mitgliedschaften in Parteien oder Wählervereinigungen (vgl. Abb. 5.6), sondern auch in welcher konkreten Partei sie Mitglied sind. Unter allen Mitgliedern bilden CDU/CSU-Mitglieder die größte Gruppe (37 % der befragten Mitglieder). Deutlich höher lag dieser Anteil in Bayern mit 60 % CSU-Mitgliedern, am niedrigsten in Sachsen-Anhalt mit 14 % CDU-Mitgliedern. Der Anteil der eBm als SPD-Mitglieder lag insgesamt bei 15 %, in Niedersachsen aber bei 33 %, während in Sachsen in unserer Stichprobe keine SPD-Mitglieder zu finden waren. Ein deutlich wichtigerer Faktor sind in einigen Ländern Mitgliedschaften von eBm in Wählergruppen und bei den Freien Wählern. In Schleswig-Holstein sind 62 % der eBm WG/FW-Mitglieder, in Thüringen 58 % und in Mecklenburg-Vorpommern 55 %. Unter den relativ wenigen Mitgliedern in Sachsen-Anhalt sind ein hoher Anteil an Sonstigen zu finden.
Folglich zeigt auch die Parteimitgliedschaft der ehrenamtlichen Bürgermeister typische Tendenzen der Kommunalpolitik in ländlichen Räumen auf, da Parteien allgemein weniger relevant sind als in Großstädten. Zusätzlich bildet sich das Parteiensystem anders ab. Vor allem CDU/CSU sind in ländlichen Räumen stark verhaftet, während die Bedeutung der SPD große regionale Unterschiede aufweist und kleinere Parteien in dieser ehrenamtlichen Spitzenposition keine Rolle spielen.
Jenseits des Ehrenamts als Bürgermeister, gaben 20 % der Befragten an noch mindestens ein weiteres politisches Mandat auszuüben. Ein großer Anteil ist Mitglied in der Versammlung der Verwaltungsgemeinschaft, übernimmt dort den Vorsitz oder wurde in den Kreistag gewählt. Somit ist davon auszugehen, dass viele eBm ihre Kommune in politischen Gremien höherer Ebenen vertreten. Zudem sind besonders die weiblichen eBm in der Versammlung der VG involviert, da nicht nur ein höherer Anteil von ihnen dort einen Sitz hat, sondern sie auch eher den Vorsitz der Verwaltungsgemeinschaft übernehmen als ihre männlichen Kollegen. Dafür sind die männlichen Befragten eher im Bereich der Partei auf Orts- oder Kreisebene aktiv.

5.1.6 Ehrenamtliches Engagement

Auch außerhalb der politischen Arena ist die deutliche Mehrheit von 90 % der Befragten noch weitergehend ehrenamtlich engagiert. Nur 10 % gaben an keine weitere ehrenamtliche Tätigkeit auszuüben. Innerhalb dieser Gruppe deutet sich an, dass diese Quote in kleineren Kommunen höher ist als in größeren und eBm in größeren Kommunen noch häufiger in weiteren Projekten ehrenamtlich engagiert sind. Frauen gaben häufiger an nicht weiter ehrenamtlich engagiert zu sein (14 %) als die männlichen eBm (10 %).
Etwa ein Drittel der eBm sind in einem Verein engagiert. Es zeigt sich, dass mit zunehmendem Alter der Befragten sich diese Form des Engagements der eBm verringert und jüngere Personen in diesem Amt besonders in Vereinen aktiv sind. Die Mitarbeit in Zweckverbänden macht einen weiteren relevanten Bereich des Engagements aus. In diesem zeigt sich eine Geschlechterdisparität, da 35 % der engagierten männlichen und nur 18 % der weiblichen eBm in dieser Form der interkommunalen Zusammenarbeit involviert sind.
Somit ist das Bürgermeisteramt nicht die einzige Tätigkeit, die die hier betrachtete Gruppe im Ehrenamt ausübt. Es ist folglich davon auszugehen, dass eBm durch ihr Engagement ein breites Netzwerk vor Ort haben und allgemein über eine hohe Motivation verfügen sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Gleichzeitig bedeutet dies auch eine weitere zeitliche Belastung neben Beruf, Amt des eBm und familiären Verpflichtungen.

5.1.7 Zusammenfassung

EBm sind hauptsächlich Männer Mitte fünfzig, verheiratet und mit älteren Kindern. Sie sind sesshaft und mit ihrer Gemeinde verbunden. Etwas mehr als die Hälfte haben eine Fachhochschul- bzw. Hochschulreife erlangt, aber der Anteil der Hochschulabschlüsse lag bei nur 30 %, der Anteil der eBm mit einer Lehre bzw. Berufsausbildung im dualen System aber bei 41 %. Hier unterscheidet sich das Profil deutlich von dem der hauptamtlichen Bürgermeister, von denen Dreiviertel einen akademischen Abschluss haben (vgl. Heinelt et al. 2018, S. 31), aber auch von den Ergebnissen von Befragungen von Rats- und Kreistagsmitgliedern in NRW (vgl. Bogumil et al. 2018, S. 39).
Die deutliche Mehrheit der eBm ist berufstätig, etwas mehr als ein Viertel nicht erwerbstätig, davon ist die überwiegende Mehrheit in Rente. Die durchschnittliche Arbeitszeit liegt bei 36,9 h die Woche, insgesamt haben 35 % der Befragten die Arbeitszeit in ihrem Hauptberuf aufgrund ihrer Tätigkeit als eBm reduziert. Dies führt zu einer Gehaltsminderung, aber auch perspektivisch einen geringeren Rentenanspruch, vor allem wenn man über einen sehr langen Zeitraum hinweg engagiert ist. Ein derartiges Ehrenamt muss man sich als Person finanziell leisten können, auch wenn die Aufwandsentschädigungen bei sehr unterschiedlicher Höhe im Bundesländervergleich dies zum Teil kompensieren kann. Etwa ein Fünftel der eBm bezeichnen die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt als sehr schwer, etwas mehr als die Hälfte der Befragten als manchmal schwierig. Das eigene Geschlecht und das Alter der Kinder haben einen Einfluss auf diese Einschätzung. Für eine differenzierte Analyse müssten aber weitere Faktoren wie die Möglichkeiten der Kinderbetreuung in Einrichtungen und Unterstützungsstrukturen durch Familie und Freunde einbezogen werden, was in dieser Studie nicht möglich war.
36 % der eBm sind Mitglied einer Partei, 30 % in einer Wählergruppe organisiert und 31 % sind Nicht-Mitglieder. Der Anteil der Nichtmitglieder sinkt mit steigender Gemeindegröße. Je größer die Kommune ist, desto eher ist der eBm Mitglied in einer Partei. Gleichzeitig sinkt auch der Organisationsgrad in einer Wählervereinigung mit steigender Einwohnerzahl. Damit entsprechen die Ergebnisse dem Forschungsstand zur Rolle und Bedeutung von Parteien in Kommunalpolitik und – verwaltung (Bogumil und Holtkamp 2023, S. 176).
Frauen sind im Amt des eBm deutlich unterrepräsentiert, auch wenn ihr Anteil mit 19 % etwas höher liegt als bei den hauptamtlichen Bürgermeistern mit ca. 10 % (Heinelt et al. 2018, S. 29). Weibliche eBm sind etwas jünger und etwas höher gebildet. Wenn sie nicht berufstätig sind, sind sie eher Hausfrau oder haben die Erwerbstätigkeit wegen des Bürgermeisteramtes aufgegeben. Zusätzlich haben etwas über vierzig Prozent der Befragten Frauen ihre Arbeitszeit reduziert und somit ein größerer Anteil als die männlichen Kollegen. Frauen in diesem Amt arbeiten also weniger in ihrem Hauptberuf und beziehen nicht nur gegenwärtig weniger Gehalt, sondern nehmen auch später eine niedrigere Rente in Kauf.

5.2 Kommunalpolitische Rahmenbedingungen

Die kommunalpolitische Situation einer Kommune ist von vielen Faktoren und auch individuellen Gegebenheiten abhängig, die im Rahmen des Fragebogens nicht im Detail erhoben werden konnten. Trotzdem wurden einige strukturelle Merkmale, wie die Gemeindegröße, die Mitgliedschaft in einer Verwaltungsgemeinschaft, Angaben zum in der Kommune angestellten Personal, zur Haushaltslage sowie zur Situation im Gemeinderat erfasst. Diese Rahmenbedingungen lassen wichtige Schlussfolgerungen auf die Situation in der Kommune zu und definieren Teile des Handlungsfeldes des eBm, weshalb sie einen Einfluss auf die Amtsausführung haben. Daher wird in weiteren Abschnitten der Analyse immer wieder auf die Rahmenbedingungen eingegangen, wenn diese Ansätze zur Erklärung der Varianz der Antwort der eBm bieten.

5.2.1 Gemeindegröße und Typ der Verwaltungsgemeinschaft

Eine wichtige Erkärungsvariable in kommunalwissenschaftlichen Studien ist die Gemeindegröße, gemessen über die Einwohnerzahl. Über Dreiviertel der Befragten eBm sind in Gemeinden unter 2000 Einwohnern tätig, 17 % in Gemeinden zwischen 2001 bis unter 5000 Einwohner und nur 3,4 % in Gemeinden über 5000, die sich aber fast ausschließlich in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz befinden. Im Vergleich zur Grundgesamtheit der eBm sind die Abweichungen in der Verteilung der Größenklassen relativ gering. In der Grundgesamtheit sind 83,8 % eBm in Gemeinden unter 2000 Einwohnende tätig (Stichprobe 79,3 %) und 16,2 % in Gemeinden über 2000 Einwohnende (Stichprobe 20,7 %). Eine weitere wichtige Rahmenbedingung ist definiert durch die Zugehörigkeit zu einem Typ von Verwaltungsgemeinschaft. Wie schon in Abschn. 2.​3 dargestellt, gibt es verschiedene Formen von Verwaltungsgemeinschaft zwischen Kreisebene und Gemeinde.
Der größte Anteil der eBm (37 %) gab an, dass ihre Gemeinde Mitglied in einer Verbandsgemeinde war, 30 % regierten in amtsangehörigen Gemeinden. Weitere Formen können Abb. 5.7 entnommen werden. Gemeinden mit eBm und ohne jede Mitgliedschaft in einer Verwaltungsgemeinschaft sind aufgrund der Besonderheiten der institutionellen Regelungen nur in Bayern zu finden. Dies bedeutet, dass einige bayerische eBm nicht auf Unterstützung durch die VG in der Erfüllung der Verwaltungsaufgaben zurückgreifen können, was tendenziell das Aufgabenprofil des eBm verlagern kann.

5.2.2 Eigenes Personal der Gemeinde

Zur Umsetzung der Beschlüsse des Gemeinderats und der Erfüllung der kommunalen Aufgaben benötigt es entsprechendes Personal. Dieses muss nicht unbedingt bei der durch einen eBm verwalteten Kommune angestellt sein, sondern kann auch über die Verwaltungsgemeinschaft beschäftigt werden. Wenn jedoch in einer Kommune eigenes Personal angestellt ist, kommt dem eBm die Funktion des Dienstherrn zu. Dies bedeutet auf der einen Seite einen gesteigerten Arbeitsaufwand und eine erhöhte Verantwortung den Beschäftigten gegenüber, aber auf der anderen Seite kann die Aufgabenerfüllung durch den direkten Zugriff auf das Personal stärker beeinflusst werden. So ist die Frage nach gemeindeeigenem Personal für viele eBm mit der kommunalen Selbstverwaltung verbunden, da die Realisierung der gemeindeeigenen Aufgaben mittelbar über die Beschäftigten getätigt wird. Sind diese ausführenden Kräfte jedoch bei der VG angesiedelt und auch für andere Kommunen zuständig, sind die Ressourcen begrenzt und ein gewisser Wettbewerb um die Kapazitäten der Angestellten entsteht. Zusätzlich liegt der Fokus dieser Beschäftigten eher auf der VG als der einzelnen Kommune, was aus Perspektive des eBm manchmal als nicht ausreichend wahrgenommen wird. Daher kann der Anordnung des Personals bei der Kommune oder der VG eine bedeutende Rolle zugeschrieben werden.
Im Rahmen der Befragung können die Beschäftigten in den unterschiedlichen Bereichen als Indikator für die kommunale Infrastruktur gesehen werden. Wenn die Kommune Träger einer Kindertagesstätte ist oder selbst einen Bauhof unterhält, muss dafür auch entsprechendes Personal angestellt sein. Wenn diese Aufgaben nicht vorhanden oder an die Verwaltungsgemeinschaft ausgelagert sind, ist das Tätigkeitsfeld der eBm verändert. Insgesamt gaben 83 % der Befragten an, dass ihre Kommune eigenes Personal beschäftigt. Der Großteil mit 78 % ist im Bereich des technischen Personals also des Bauhofs, Schwimmbads, Reinigungskräfte oder weiterer kleinerer Dienstleistungen tätig. Für den Bereich Kitas, Schule und Soziales haben ein Drittel der Kommunen Angestellte. Nur 17 % beschäftigen eigenes Verwaltungspersonal, da dieses in den meisten Fällen bei der Verwaltungsgemeinschaft angesiedelt ist.
Durchschnittlich sind 12,6 Personen in einer durch einen eBm verwalteten Kommune tätig. Es lässt sich eine mittlere statistische Korrelation zwischen der Anzahl des in der Kommune beschäftigten Personal und der Einwohnerzahl erkennen (0,530** Spearman). Ein differenzierter Blick in die einzelnen Größenklassen verdeutlicht diesen Zusammenhang und zeigt die deutlichen Varianzen auf. In den Klein- und Kleinstkommunen unter 500 Einwohnern sind es im Mittelwert nur 3,3 Angestellte. Mit der Gemeindegröße steigt die Anzahl des Personals der Kommune zunächst leicht und ab 5000 Einwohnern deutlich stärker an bis zu einem Wert von 86,3 Beschäftigten im Durchschnitt pro Kommune. Die Einwohnerzahl ist also ein Einflussfaktor auf die Anzahl der in der Kommune beschäftigten Angestellten. Dies hängt sicherlich eng mit der Infrastruktur der Gemeinde zusammen, die mit steigender Einwohnerzahl tendenziell umfassender wird.
Dieses Personal verteilt sich auf verschiedene Bereiche der kommunalen Aufgaben. Während viele der sehr kleinen Kommunen technisches Personal beschäftigen, nimmt der Anteil mit der Gemeindegröße zunächst zu, bis er einen leichten Rückgang der Gemeinden mit 5000 Einwohnern erkennen lässt. Kommunen, die kein eigenes Personal beschäftigen sind eher klein, wie die Angaben zur Beschäftigung des Personals über die VG verdeutlichen (vgl. Abb. 5.8). Je größer eine Kommune ist, desto eher ist auch Personal in Kitas und Schulen, aber auch eigenes Verwaltungspersonal angestellt. Somit tragen auch eBm in kleineren Kommunen Verantwortung besonders für das technische Personal. Mit der Einwohnerzahl wächst der Bedarf für eigene Angestellte, um den Aufgaben der Kinderbetreuung und ähnlichem, aber auch den steigenden Verwaltungsaufgaben gerecht werden zu können. Ein weiterer Einflussfaktor könnte der direktere Einfluss auf die Aufgabenerfüllung der Beschäftigten sein. Besonders das eigene Verwaltungspersonal kann für den eBm eine wichtige Stütze sein, da er als Dienstherr ein anderes Verhältnis zu ihnen hat als zu den Beschäftigten der Verwaltungsgemeinschaft, die zusätzlich noch andere Aufgaben für weitere Kommunen erfüllen müssen.
Folglich ist eine differenzierte Betrachtung notwendig, da in den einzelnen Bundesländern und Gemeindegrößenklassen zwar Tendenzen zu erkennen sind, jedoch die Realität in den einzelnen Kommunen weitaus komplexer ist. Dies zeigt auch der Bundesländervergleich auf. Vor allem die Kommunen in Bayern und Sachsen haben mit jeweils durchschnittlich 19,1 Personen relativ viel Personal angestellt. Sachsen-Anhalt kommt im Schnitt auf 5,8 Angestellte pro Kommune, was die Spannweite zwischen den einzelnen Bundesländern verdeutlicht (vgl. Abb. 5.9). Innerhalb der Bundesländer zeigen sich Streuungen. In Schleswig-Holstein zeigt sich exemplarisch, wie stark sich die Situation der einzelnen Kommunen unterscheiden kann und, dass ein allgemeiner Überblick stark generalisiert, weshalb eine Differenzierung notwendig ist. Der Mittelwert des in der Kommune beschäftigten Personals liegt dort bei 8,3 Personen, der Median jedoch deutlich niedriger. Der Median teilt das Sample in zwei gleich große Abschnitte und zeigt für diesen Fall, dass die Hälfte der Kommunen mit eBm in Schleswig-Holstein nur sehr wenige Beschäftigte haben. Einzelne Kommunen haben besonders viel Personal angestellt, was den Mittelwert nach oben hin beeinflusst.
Daher müssen weitergehend noch andere Faktoren mitgedacht werden. Man könnte eine positive Korrelation zwischen der Haushaltssituation und der Anzahl des Personals erwarten, jedoch ist diese statistisch nicht nachweisbar. Daher ist davon auszugehen, dass weniger die finanziellen Spielräume der Kommune, sondern eher die lokalen Gegebenheiten den Bedarf für eigenes Personal am stärksten beeinflussen. Ist beispielsweise ein neues Baugebiet ausgewiesen worden, in dem sich junge Familien ansiedeln, steigt die Nachfrage nach Kita-Plätzen. Diese können entweder durch einen externen Träger, die Verwaltungsgemeinschaft oder durch die Kommune selbst angeboten werden, was die Einstellung von Personal nach sich zieht. Hält eine Kommune den Bäderbetrieb eines eigenen Schwimmbades aufrecht, entsteht dadurch weiterer Bedarf für technisches Personal. Somit kann die Personalsituation der Kommune für eBm sehr unterschiedlich sein und sich auch durch Beschlüsse ändern, wenn beispielsweise die Trägerschaft der Kitas auf die VG übertragen wird.

5.2.3 Haushaltssituation

Die Befragten schätzen die Haushaltssituation ihrer Kommune eher im mittleren Bereich ein (vgl. Abb. 5.10). Im Bundesländervergleich zeigen sich Varianzen, da besonders eBm in Sachsen-Anhalt die finanzielle Lage deutlich schlechter als in den anderen Bundesländern bewerten. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen wird die Haushaltslage der Kommune mit eBm positiver wiedergegeben als in den anderen Bundesländern, jedoch verbleiben auch diese Werte eher in der mittleren Kategorie (vgl. Abb. 5.10). Trotzdem lassen sich wichtige Varianzen und Zusammenhänge identifizieren, da die Haushaltssituation einen Einflussfaktor auf die Arbeit des eBm darstellt.
Es lässt sich keine eindeutige Tendenz des Einflusses der Einwohnerzahl der Kommune auf die Haushaltssituation feststellen. Es wird jedoch deutlich, dass Kommunen mit 2001 bis 5000 Einwohnern im Mittelwert aus Sicht der eBm die beste finanzielle Lage aufweisen (M = 2,9) und auch Gemeinden unter 500 Einwohnern eher eine bessere Haushaltslage haben (M = 2,8) als Kommunen mit über 5000 Einwohnern (M = 2,5). Die Varianzen bleiben jedoch marginal, weshalb die Einwohnerzahl hier keinen relevanten Faktor für die Haushaltssituation der Kommune darstellt.

5.2.4 Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat und Konflikthaftigkeit

Neben der finanziellen Lage als Rahmenbedingung hat auch die politische Situation in der Kommune einen Einfluss auf die Arbeit des eBm. Er ist nicht der einzige Akteur der politischen Arena der kommunalen Ebene. Er ist auf den durch die Bürger gewählten Gemeinderat und dessen Beschlüsse angewiesen, um Projekte auf den Weg zu bringen, den Haushalt zu verabschieden und den eBm mit gewissen Tätigkeiten zu beauftragen, aber diesen und die Verwaltung auch zu kontrollieren. Besonders die Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat haben einen Einfluss auf die politische Situation in der Kommune, da diese die Entscheidungsfindung und Beschlussfassung erleichtern oder auch erschweren können.
Aufgrund von Wahlergebnissen bei Ratswahlen lässt sich – außer im Fall von absoluten Mehrheiten – in der Regel nicht ableiten, welche Formen der Zusammenarbeit verschiedener Gruppen und Fraktionen im Gemeinderat während der Regierungsphase vorliegen. Daher wurden die eBm gefragt, wie sich diese in ihrer Gemeinde gestaltet. Der Großteil (45 %) der befragten eBm gab an, dass in ihrer Kommune eine Mehrheitsbildung ohne Fraktionen stattfindet. In etwa einem Viertel der Gemeinden besitzt eine Fraktion die absolute Mehrheit, in 18 % findet eine dauerhafte Zusammenarbeit zwischen einzelnen Fraktionen oder Gruppen statt und ein deutlich kleinerer Anteil nehmen die Gemeinderäte mit keiner bzw. stetig wechselnder Mehrheit ein.
Auch in den Gemeinderäten setzen sich Tendenzen der Kommunalpolitik in ländlichen Räumen fort, die bereits im Nominierungsverhalten durch Parteien und Wählergemeinschaften zu erkennen sind (vgl. Kap. 4): In Sachsen-Anhalt sind Parteien und Wählervereinigungen auch in den Gemeinderäten von geringer Bedeutung, da hier eine Mehrheitsbildung ohne Fraktion sehr häufig und eine absolute Mehrheit einer einzelnen Fraktion selten vorhanden ist. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein hingegen, wo eBm deutlich häufiger Mitglied in einer Partei oder Wählervereinigung sind (vgl. Abschn. 5.1) oder durch diese zur Wahl nominiert werden (vgl. Abschn. 5.1), kommt es öfter zur absoluten Mehrheit einer Fraktion oder einer gefestigten Zusammenarbeit zwischen einzelnen Fraktionen und deutlich seltener zur Mehrheitsbildung ohne Fraktionen (vgl. Abb. 5.11). Dies steht in engem Zusammenhang mit dem Wahlverfahren zum eBm, die in Niedersachsen und Schleswig-Holstein durch den Rat gewählt werden. Der eBm geht somit aus dem Gemeinderat hervor und benötigt dort bereits eine Mehrheit, um in das Amt gewählt zu werden. Die Mehrheitsfindung für Personenwahlen durch den Rat wie auch bei Beigeordneten oder Dezernenten, können eine Grundlage für stabile Zusammenarbeit von Fraktionen nach einer Gemeinderatswahl sein. Dies ist zwar auch mit einer Mehrheitsbildung ohne Fraktion möglich, jedoch reduzieren Mehrheiten von Fraktionen oder verstetigte Kooperationen mehrerer Fraktionen den Kommunikationsaufwand und die Überzeugungsarbeit im Vergleich zu einer Mehrheitsfindung ohne diese Gruppierungen in der späteren Ausführung des Amtes durch den eBm.
Auch ist durch die Abwesenheit einer absoluten Mehrheit einzelner Fraktionen eine dauerhafte Zusammenarbeit einzelner Fraktionen und Gruppen in einigen Bundesländern notwendiger als in anderen, wie die Beispiele Sachsen-Anhalt und Brandenburg zeigen (vgl. Abb. 5.11). Dies bedeutet mehr Koordinierungsaufwand zwischen den einzelnen Gruppierungen des Gemeinderats und prinzipiell auch mehr Konfliktpotenzial.
Neben den beschriebenen Varianzen in einzelnen Bundesländern, die im Zusammenhang mit der Bedeutung von Parteien und auch dem Wahlverfahren zum eBm verstanden werden müssen, hat auch die Gemeindegröße einen Einfluss auf die Ratsmehrheit in Kommunen mit eBm. In Klein- und Kleinstkommunen findet die Mehrheitsbildung weitgehend ohne Fraktionen statt, der Anteil dieser Form der Mehrheitsbildung nimmt aber mit steigender Einwohnerzahl ab.
Im Gegensatz dazu nimmt die Häufigkeit der dauerhaften Zusammenarbeit einzelner Fraktionen und Gruppen in der Tendenz zu. Das Vorkommen absoluter Mehrheiten einer Fraktion steigt in den einzelnen Größenklassen an, aber fällt zu den größten betrachteten Kommunen über 5000 Einwohnern wieder ab. In dieser größten Gruppe existiert im Gemeinderat häufiger als in den kleineren Kommunen keine bzw. stetig wechselnde Mehrheiten. Auch hier zeigt sich erneut, dass Parteien und Wählervereinigungen in kleinen Kommunen eine nachgeordnete Rolle spielen und je größer die Kommune ist, desto mehr Relevanz den Fraktionen im Rat zugeschrieben werden kann.
Die eBm wurden gebeten zu bewerten, wie stark die Beziehungen im Gemeinderat durch politischen Konflikt charakterisiert sind. Dazu stand eine Skala von 0 („völlig konfliktfrei“) bis 10 („äußerst konfliktbehaftet“) zur Verfügung. Im Durchschnitt bewerten die eBm das Konfliktniveau als niedrig (M = 3,65). Allerdings steigt der Wert mit der Gemeindegröße an und lag in Gemeinden unter 500 Einwohnern bei 2,8 und in Gemeinden über 5000 Einwohnern bei einem mittleren Konfliktniveau von 5,4.
So ist die Konflikthaftigkeit in Gemeinderäten, in denen Mehrheiten auch ohne die Notwendigkeit von Fraktionen gefunden werden können, deutlich geringer ebenso wie in kleineren Kommunen. Jedoch ist diese Art der Zusammenarbeit im Gemeinderat vor allem in kleineren Gemeinden vorhanden, weswegen diese Faktoren in einem engen Zusammenhang gesehen werden müssen. Gleichzeitig zeigt sich, dass mit steigender Einwohnerzahl die Zusammenarbeit von Fraktionen in stetigen oder wechselnden Konstellationen häufiger wird, was mit einer steigenden Konflikthaftigkeit einher geht.
Die gemessene Konflikthaftigkeit im Gemeinderat steht in einem Zusammenhang mit unterschiedlichen Faktoren. So kann eine mittlere statistische Korrelation mit dem durch den eBm aufgebrachten Zeitaufwand für Parteiversammlungen festgestellt werden (0,353** Spearman). Auch ist ein leicht höherer Zeitaufwand für die individuelle Vorbereitung (0,124** Spearman) und die Sitzungen des Rates (0,181** Spearman) zu erkennen, wie auch dem insgesamt aufgebrachten Zeitaufwand (0,187** Spearman). Neben den einzelnen Elementen des Zeitaufwands für das Ehrenamt, hat auch die Anzahl des in der Kommune beschäftigten Personals einen statistischen Zusammenhang in leichter Ausprägung (0,241** Spearman). Zwischen der Dauer der Amtstätigkeit und der Konflikthaftigkeit ist ein leichter negativer statistischer Zusammenhang zu erkennen (− 0,128** Spearman). Dies bedeutet, dass neuere eBm die Konflikthaftigkeit eher als hoch ansehen. Die statistische Korrelation ist hierbei zwar nur relativ schwach, aber es zeigt sich die Tendenz, dass bei einer eher hohen Konflikthaftigkeit eBm kürzer im Amt sind. Eine Unterscheidung in eBm in ihrer ersten Amtszeit und die mindestens einmal Wiedergewählten zeigt, dass der Mittelwert der Konflikthaftigkeit bei den kürzer im Amt tätigen höher (M = 3,9) ist als den Erfahreneren (M = 3,5), wenn auch nur marginal.
Folglich hängen Bundesland, Größe der Kommune, Amtserfahrung, die Mehrheitsfindung und auch die Konflikthaftigkeit im Gemeinderat eng zusammen, woraus sich für die eBm ein unterschiedlicher politischer Kontext und daraus folgend Koordinations- und Moderationsaufwand ergibt.

5.2.5 Zusammenfassung

Dreiviertel der Befragten sind in Gemeinden unter 2000 Einwohnern tätig. Beinahe alle Gemeinden sind Mitglied in einer Form von Verwaltungsgemeinschaft zwischen Gemeinde und Kreis, wobei alle wichtigen Formen in der Stichprobe abgedeckt sind. Die überwiegende Mehrheit der ehrenamtlich verwalteten Gemeinden beschäftigt in unterschiedlich hohem Ausmaß eigenes Personal, sodass der eBm als Vorgesetzter und Dienstherr gefragt ist, was sich auch auf den Arbeitsaufwand auswirkt (vgl. Abschn. 5.3). Eigenes Personal eröffnet dem Amtsinhaber aber auch unmittelbaren Einfluss auf die ausgeübten Tätigkeiten und damit erhöhte Gestaltungsspielräume.
Die Haushaltssituation der Gemeinden wird von den Befragten als mittelgut bewertet, bei relativ kleinen Varianzen je nach Gemeindegröße oder Bundesland, mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt, wo eBm diese als schlecht bewerten. Auch in den Gemeinderäten setzen sich Tendenzen der Kommunalpolitik in ländlichen Räumen fort, die bereits im Nominierungsverhalten durch Parteien und Wählergemeinschaften zu sehen sein wird. Parteien spielen eine relativ geringe Rolle für die Mehrheitsbildung, außer in knapp einem Fünftel der Fälle, in denen eine Partei eine absolute Mehrheit hat. Ansonsten dominiert eher die Mehrheitsbildung ohne Fraktionen bzw. das Regieren ohne oder mit wechselnden Mehrheiten. Diese Varianten eröffnen dem eBm die Rolle des Moderators bei der Mehrheitsfindung, vor allem wenn er selbst nicht parteigebunden ist. Die Bedeutung von Parteien nimmt aber auch in unserer Studie mit steigender Gemeindegröße graduell zu.

5.3 Amtsführung der ehrenamtlichen Bürgermeister

5.3.1 Tätigkeit und Zeitaufwand

Etwa 25 h in der Woche werden durchschnittlich für das Ehrenamt als Bürgermeister aufgebracht. Dabei unterscheiden sich die Werte im Bundesländervergleich, nach Gemeindegröße und persönlicher beruflicher Tätigkeit. Diese Varianzen visualisiert der Boxplot in Abb. 5.12, der die Lage- und Streuungsmaße einer Verteilung darstellt.7 Während eBm in Brandenburg nur etwa 12 h pro Woche für ihr Amt aufwenden, entspricht der Wert von fast 40 h in Bayern einem Vollzeitäquivalent (vgl. Abb. 5.12). Diese Beobachtung verdeutlicht, weshalb viele bayerische eBm ihre Arbeitszeit reduziert oder ihre Erwerbstätigkeit ganz aufgegeben haben (vgl. Abschn. 5.1). Weiterführend visualisiert der untenstehende Boxplot, dass nicht nur der Bundesländervergleich deutliche Varianzen aufzeigt, sondern auch innerhalb der Bundesländer durch die Größe der Boxen und durch die abgebildeten Whisker eine Streuung zu erkennen ist. Dies bedeutet, dass es beispielsweise in Bayern große Unterschiede bezüglich des aufgebrachten Zeitaufwands in einzelnen Gemeinden gibt. In Brandenburg ist nicht nur der Mittelwert der niedrigste, sondern auch die Streuung ist besonders niedrig. Daraus lässt sich schließen, dass nicht nur im Durchschnitt eBm in Brandenburg weniger Zeit in ihr Ehrenamt investieren, sondern auch in seltenen Fällen über 20 h in der Woche aufbringen, während dies in anderen Ländern die Norm ist (vgl. Abb. 5.12).
Des Weiteren hat auch die Größe der Gemeinde einen Einfluss auf den Zeitaufwand, da in den kleinen und Kleinstgemeinden die eBm weniger Zeit für ihr Ehrenamt aufbringen als in größeren Gemeinden. Im Mittelwert arbeiten eBm in Kommunen unter 500 Einwohnern 13,6 h in der Woche für ihr Ehrenamt, während in den Gemeinden über 5000 der Wert bei 26,6 liegt.
Die Infrastruktur der Kommune und die Existenz gemeindeeigener Einrichtungen beeinflussen ebenso den Zeitaufwand des eBm, da diese mit Personal einhergehen, welches angeleitet und betreut werden muss. Die Anzahl der beschäftigten Personen weist eine mittlere Korrelation mit der eingesetzten Arbeitszeit auf (− 0,250** Pearson). Der Zeitaufwand betrug in Gemeinden bis 5 Beschäftigte 16,2 h/Woche und stieg stetig bis auf über 30 h in Kommunen mit mehr als 25 Beschäftigten. Ist in der Kommune selbst kein Personal angestellt, sondern über die Verwaltungsgemeinschaft, ist der Zeitaufwand deutlich geringer.
Die Ergebnisse zeigen eine mittlere negative Korrelation zwischen dem Zeitaufwand für das Ehrenamt als Bürgermeister und der Arbeitszeit im Hauptberuf (− 0,237** Pearson). Es ist also davon auszugehen, dass Befragte mit einer zeitintensiven Tätigkeit als eBm weniger Stunden in ihrem Hauptberuf arbeiten. Dies wird bestätigt durch die Daten zu Nicht-Erwerbstätigen und aus einzelnen Branchen. Nicht-erwerbstätige eBm wenden mit 24,3 h im Durchschnitt mehr Zeit für ihr Ehrenamt auf als Beschäftigte im Öffentlichen Dienst (M = 18,5 h), der Privatwirtschaft (M = 19,3 h) und im Handwerk bzw. der Landwirtschaft (M = 15 h). Besonders hoch sind die Werte für eBm, die ihre Erwerbstätigkeit für das Ehrenamt aufgegeben haben mit durchschnittlich 40,1 h in der Woche. Somit scheinen Zeitaufwand für das Ehrenamt und die berufliche Lage eng zusammen zu hängen, während die familiäre Situation weniger direkt in Verbindung steht. Ob ein eBm eigene Kinder hat und in welchem Alter diese sind scheint keinen Einfluss auf den eingesetzten Zeitaufwand zu haben. Trotzdem zeigt sich statistisch eine mittlere positive Korrelation zwischen dem Zeitaufwand und der wahrgenommenen Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt (0,274** Spearman). So investieren jene, die die Vereinbarkeit dieser drei Bereiche als besonders schwer empfinden tendenziell auch viel Zeit in die Tätigkeit als eBm.
Folglich spielen verschiedene Faktoren zusammen und obwohl sich gewisse Einflussfaktoren, wie das Bundesland oder die Größe der Kommune abzeichnen, können auch strukturelle Aspekte in der Kommune (Schwimmbad, Kita, etc.) oder die persönlichen zeitlichen Kapazitäten den Zeitaufwand der eBm beeinflussen.
Weder aus der Forschungsliteratur noch aus dem rechtlichen Rahmen konnte die Frage, was ein ehrenamtlicher Bürgermeister eigentlich tut, vollständig beantwortet, sondern lediglich umrissen werden. Um das breite Aufgabenportfolio eines eBm erfassen und auch die wahrgenommene Relevanz der einzelnen Tätigkeiten messen zu können, wurde der Zeitaufwand für einzelne Aufgaben abgefragt.
Nicht nur unterschiedliche Tätigkeitsfelder zeigen hier Varianzen auf, sondern auch der Vergleich der Bundesländer ermöglicht ein differenzierteres Bild (vgl. Abb. 5.13). Keine Aufgabe ist eindeutig die wichtigste, sondern das Bild zeigt die Vielfalt an ähnlich wichtigen Aufgaben, die eBm im Alltag erledigen müssen.
Insgesamt werden 14 % für die Sitzungen des Rates aufgewendet, etwas höher war dieser Anteil in Bayern (16 %) und Brandenburg (17 %). Repräsentative Aufgaben nehmen 13 % der Zeit in Anspruch, hier sind die Anteile Niedersachsen und Bayern mit knapp 15 % etwas höher als beispielsweise in Rheinland-Pfalz mit 9 %. Für Bürgergespräche werden im Durchschnitt 14 % der Zeit aufgewendet, in Brandenburg dagegen 18 % und in Sachsen-Anhalt 19 %. Den größten Anteil der Zeit beansprucht insgesamt gesehen die individuelle Vorbereitung der eBm mit 19 %, deutlich weniger Zeit investieren hier die Bürgermeister in Niedersachsen mit 14 %. In Parteiversammlungen (2 %) und Sitzungen der Zweckverbände (6 %) verbringen eBm im Vergleich deutlich weniger Zeit. Für die verschiedenen Formen der Verwaltungsgemeinschaften verwenden die eBm 15 % ihrer Zeit, deutlich mehr aber in Mecklenburg-Vorpommern (18 %) und in Sachsen-Anhalt (22 %).

5.3.2 Relevanz der Aufgaben

Um einen Überblick über das breite Aufgabenportfolio der eBm zu bekommen, wurden die Befragten aufgefordert, 14 verschiedenen Tätigkeiten einen Bedeutungsgrad zuzuordnen.8 Diese Abfrage konnte nicht abschließend alle Aufgaben eines eBm abdecken, weshalb mit einer offenen Kategorie noch weitere Aufgaben ergänzt werden konnten, die im Folgenden jedoch zu einer besseren Darstellung nicht einzeln präsentiert, sondern unter „Sonstiges“ subsumiert werden.
Die durchschnittlichen Werte der Angaben der Befragten lassen deutlich die Tendenz erkennen, dass Bürger und die durch sie gewählten kommunalpolitischen Gremien im Fokus der Arbeit stehen. Im Selbstverständnis der eBm ist es die zentrale Aufgabe Ansprechpartner und Fürsprecher der Bürger zu sein (M = 3,6). Des Weiteren wird der Gewährleistung der Umsetzung der Gemeinderatsbeschlüsse (M = 3,5) und der Förderung neuer Projekte in der Gemeinde (M = 3,4) eine hohe Bedeutung zugeschrieben (vgl. Abb. 4.​5). Weniger wichtig ist die Realisierung des Programms der eigenen Partei bzw. Wählergruppe (M = 2,02) sowie die Umsetzung der eigenen politischen Vorstellungen (M = 2,0) (vgl. Abb. 5.14).
Wenn auch in der Tendenz viele Aufgaben eine ähnliche Relevanz besitzen, wie Ansprechpartner und Fürsprecher der Bürger vor Ort zu sein und neue Projekte in der Gemeinde zu fördern, zeigt der Vergleich der Gemeindegrößenklassen Varianzen auf. Das Selbstverständnis als Ansprechpartner und Fürsprecher der Bürger ist unabhängig von der Einwohnerzahl ein zentraler Aspekt der Tätigkeit der eBm. Für eBm in kleineren Gemeinden ist das Stellen von Förderanträgen wichtiger als in größeren Kommunen ebenso wie die Umsetzung der Gemeinderatsbeschlüsse, die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements sowie die Wahrung der Selbstständigkeit und Identität der Gemeinde. In größeren Kommunen sehen eBm die Repräsentation nach Außen und die Vermittlung wichtiger Informationen an die Bevölkerung als wichtiger an als in kleineren (vgl. Abb. 5.15). Daraus lässt sich schließen, dass die vermittelnde Rolle des eBm zwischen der Kommune und übergeordneten Organisationen wie der Verwaltungsgemeinschaft und dem Kreis aber auch Nachbarkommunen mit der Einwohnerzahl an Relevanz zunimmt. In kleineren Kommunen scheinen gemeindeinterne Prozesse und Faktoren relevanter zu sein und der eBm sich neben seiner Funktion in der politischen und administrativen Arena auch als wichtiger Akteur für die soziale Kohäsion des Ortes versteht (vgl. Abb. 5.15).
Dass Parteipolitik in ländlichen Räumen eine untergeordnete Rolle spielt, zeigt sich auch hier, da etwa die eBm in Kommunen unter 500 Einwohnern die Umsetzung des Programms der eigenen Partei oder Wählergruppe durchschnittlich nicht als Aufgabe des Bürgermeisters ansehen, während dieser Wert mit steigender Einwohnerzahl leicht ansteigt. Eine ähnliche Tendenz ist bei der Umsetzung der eigenen politischen Vorstellung zu erkennen, da auch hier besonders viele eBm in sehr kleinen Gemeinden dies eher nicht als ihre Aufgabe ansehen verglichen mit größeren Kommunen. Es lässt sich also feststellen, dass diesen Aufgaben nicht nur weniger Bedeutung in den besonders kleinen Kommunen zugeschrieben wird, sondern auch viele eBm diese explizit nicht als Teil ihres Tätigkeitsbereichs empfinden, was eine geringere Bedeutung parteipolitischer Strukturen und individueller politischer Vorhaben bestätigt.
Um die Vielzahl der Aufgaben zusammenfassend zu analysieren, wurde eine Faktorenanalyse durchgeführt, um latente Dimensionen der Aufgabenerfüllung sichtbar zu machen (vgl. Abb. 5.1).9 Das Verfahren ergab drei Dimensionen (Tab. 5.1).
Tab. 5.1
Drei Dimensionen der Aufgaben von eBm
Aufgaben
Faktor 1:
Bevölkerung und Vernetzung
Faktor 2:
Kernaufgaben Rat
Faktor 3:
Politische Agenda
Förderung des bürgerschaftlichen Engagements
0,794
  
Sozialen Zusammenhalt stärken
0,788
  
Der Bevölkerung wichtige Informationen vermitteln
0,642
  
Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden stärken
0,597
  
Ansprechpartner und Fürsprecher der Bürger sein
0,557
  
Vorsitz im Gemeinderat
 
0,761
 
Haushaltsplanung gestalten
 
0,711
 
Umsetzung der Gemeinderatsbeschlüsse gewährleisten
 
0,555
 
Für Umsetzung der eigenen politischen Vorstellungen sorgen
  
0,831
Programm der eigenen Partei/Wählergruppe umsetzen
  
0,77
Quelle: Eigene Darstellung. Erklärte Gesamtvarianz 54,6 %, KMO-Kriterium 0,778, Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Rotationsmethode: Varimax, drei Faktorlösung nach Kaiser-Kriterium. Faktorladungen kleiner als 0,5 werden nicht ausgewiesen
  • Faktor 1 „Bevölkerung und Vernetzung nach Außen“ umfasst fünf Aufgaben, von denen vier verschiedene Aspekte in Bezug zur Bevölkerung umfassen sowie die Stärkung der Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden.
  • Faktor 2 „Kernaufgaben mit Bezug zum Rat“ bündelt drei Aufgaben, die in Bezug zum Rat bzw. dessen Kernaufgaben stehen.
  • Faktor 3 „Politische Agenda“ vereint zwei insgesamt weniger wichtige Aufgaben, die die eigene politische Agenda der eBm und die Umsetzung des Programms von Partei/Wählergruppe betreffen.
Diese explorativ statistische Dimensionsbildung lässt sich nun in drei Skalen übersetzen, für die die zugeordneten Aufgaben entsprechend zu Mittelwertskalen zusammengefasst werden.
Insgesamt gesehen ist die Skala in Bezug zum Rat (M = 3,3) etwas wichtiger als die in Bezug auf die Bürger (M = 3,2). Von mittlerer Bedeutung sind die Aufgaben in Bezug auf die Programme von Parteien und Wählergruppen sowie die Umsetzung eigener politischer Vorstellungen (M = 1,9). Die Unterschiede zwischen den Ländern hinsichtlich der Skala Aufgaben Bürger sind nicht sehr groß. Bei der Skala Aufgaben Rat ist der Wert in Mecklenburg-Vorpommern (M = 3,4), Sachsen (M = 3,4) und Sachsen-Anhalt (M = 3,6) etwas höher als im Durchschnitt. Hinsichtlich der Skala Agenda ist der Mittelwert in Niedersachsen (M = 2,1) und Sachsen-Anhalt (M = 2,4) etwas höher und in Mecklenburg-Vorpommern (M = 1,8) und Sachsen (M = 1,6) niedriger.
Im Vergleich der Größenklassen sind die Unterschiede der Skalenmittelwerte nicht besonders groß, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die strukturellen Unterschiede zwischen den Gemeindegrößenklassen keine besonders großen Unterschiede in der Bedeutungszuschreibung verschiedener Aufgaben von eBm begründen (vgl. Abb. 5.16).
Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten die Breite der Aufgaben gezeigt werden konnte, werden nun zwei wichtige Bereiche der Tätigkeit der eBm vertieft: die Zusammenarbeit mit der Verwaltung und das Verhältnis der eBm zum Rat.

5.3.3 Zusammenarbeit mit der Verwaltung

Insgesamt wurden den Befragten acht Aussagen vorgelegt, zu denen sie Stellung nehmen sollten.10 Allgemein zeigen sich die Befragten zufrieden mit der Kooperation, da 85 % die Zusammenarbeit mit der Verwaltung als reibungslos bezeichnen.11 Insgesamt gesehen wird allen Aussagen eher zugestimmt (Werte über 3), mit Ausnahme von der Aussage zum Kompetenzgerangel mit dem Leiter der VG (M = 1,7) sowie der Frage der Aussage zu fehlender Unterstützung durch die Verwaltung bei Bauanträgen (M = 2,2). Sehr vielen sind die Strukturen der VG in Form von Kompetenzen, Zuständigkeiten und Ansprechpartner zu verschiedenen Themen bekannt (M = 3,4) und selbst bei konfliktbehafteten Themen besteht in den meisten Fällen Bereitschaft Konsens zu erzielen (M = 3,3). Viele sehen sich in ihrer Arbeit als eBm durch die Verwaltung unterstützt (M = 3,2) und die Zusammenarbeit klappt reibungslos (M = 3,2). Gleichzeitig merkt ein großer Teil der Befragten einen hohen Kommunikationsaufwand mit der Verwaltung an (M = 3,0) (vgl. Abb. 5.17). In der Gesamtbetrachtung scheint das Bild also eher positiv und die Zusammenarbeit harmonisch zu sein.
Differenziert man nach ausgewählten Bundesländern, zeigen sich jedoch Varianzen (ohne Abbildung). Sachsen-Anhalt sticht erneut hervor, da die Zufriedenheit mit der Verwaltungszusammenarbeit insgesamt geringer ist, was sich auch in den einzelnen Variablen abbildet. In diesem Bundesland wird der Kommunikationsaufwand häufiger als sehr hoch angesehen, es kommt vermehrt zu Kompetenzgerangel mit der Leitung der VG, es fehlt eher an Unterstützung aus der Verwaltung bei den hohen Anforderungen für Förder- und Bauanträge und die Verwaltung wird weniger in einer Dienstleisterfunktion wahrgenommen. Ähnliche Entwicklungen aber etwas weniger stark ausgeprägt zeigen sich auch für den Freistaat Sachsen. Auf der anderen Seite nehmen die eBm in Bayern und Brandenburg die Verwaltungszusammenarbeit in vielen Punkten tendenziell positiver wahr.
Unterschieden nach Gemeindegröße zeigen die Daten, dass die kleineren Kommunen tendenziell zufriedener mit der Verwaltungszusammenarbeit sind, da sie den Kommunikationsaufwand als weniger hoch ansehen, die Zusammenarbeit eher als reibungslos bezeichnen und der Verwaltung stärker ein Selbstverständnis als Dienstleister für den Bürgermeister und die ehrenamtliche Politik zuschreiben. Jedoch sind diese Beobachtungen nicht auf alle Bereiche per se übertragbar und müssen in einzelnen Bereichen der Verwaltungstätigkeit gesehen werden. Beispielsweise sehen sich die eBm der größeren Kommunen mit über 5000 Einwohnern stärker unterstützt im Bereich der Förder- und Bauanträge (vgl. Abb. 5.18).
Für eine integrierte Analyse werden die Einzelaussagen im Folgenden zu einer Skala zusammengefasst, die eine Gesamtaussage über die Zufriedenheit mit der Verwaltungszusammenarbeit ermöglicht. Dazu werden im ersten Schritt drei der Aussagen12 invertiert, damit die Skalenrichtung zu den anderen Items passt (hoher Wert = größere Zufriedenheit). Dann wird aus den Einzelwerten ein Mittelwert als neue Variable berechnet (Skala Zufriedenheit Verwaltung).13 Der Mittelwert der neuen Variablen liegt bei 2,9 und die Standardabweichung bei 0,7 (n = 1488) (vgl. Tab. 5.2). Insgesamt gesehen sind die befragten eBm eher zufrieden mit der Zusammenarbeit mit der Verwaltung.
Tab. 5.2
Vergleich der Mittelwerte der Verwaltungszusammenarbeit
Bundesland
Mittelwert
Verwaltungsgemeinschaft
 
Schleswig-Holstein
3,2
kein Mitglied in Verwaltungsgemeinschaft
3,3
Bayern
3,2
Amt
3,1
Niedersachsen
3,0
Samtgemeinde
3,1
Mecklenburg-Vorpommern
3,0
Verwaltungsgemeinschaft
3,0
Brandenburg
3,0
Verwaltungsverband
3,0
Rheinland-Pfalz
2,8
Sonstiges
2,9
Thüringen
2,8
Verbandsgemeinde
2,9
Sachsen
2,8
Insgesamt
3,0
Sachsen-Anhalt
2,7
  
Insgesamt
2,9
  
Einwohnerzahl
 
Haushaltssituation
 
unter 500
3,1
1 ^sehr schlecht^
2,9
500–1000
3,0
2
2,9
1001–2000
2,9
3
3,1
2001–5000
2,8
4
3,1
über 5001
2,8
5 ^sehr gut^
3,0
Insgesamt
3,0
Insgesamt
3,0
Quelle: Eigene Erhebung, eigene Darstellung, Darstellung des Mittelwerts zwischen 1 „trifft gar nicht zu“ und 4 „trifft völlig zu“, n = 1415–1439
Im Vergleich der Länder ist die Zufriedenheit in Schleswig-Holstein und Bayern überdurchschnittlich, in Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt unterdurchschnittlich und in den restlichen Ländern durchschnittlich. Mit Blick auf die Gemeindegröße sinkt die Zufriedenheit mit wachsender Einwohnerzahl. Beim Typ der Verwaltungsgemeinschaft fällt insbesondere die kleine Gruppe der eBm ohne Mitgliedschaft ins Auge, die den höchsten Mittelwert mit 3,3 aufweist, gefolgt von Amt und Samtgemeinde. Etwas unterdurchschnittlich war der Wert der Verbandsgemeinden. Eine bessere Bewertung der Haushaltssituation führt auch tendenziell zu einer besseren Bewertung der Verwaltungszusammenarbeit. Insgesamt gesehen sind das aber nur graduelle Unterschiede, sodass bei der Verwaltungszusammenarbeit bei den eBm mehr Ähnlichkeiten in der Bewertung als Unterschiede erkennbar sind.
Trotz der allgemein eher positiven Bewertung der Verwaltungszusammenarbeit äußerten viele eBm Vorschläge zur perspektivischen Verbesserung. Diese betreffen verschiedenste Aspekte der Verwaltung, sind oft sehr spezifisch und zeigen zum Teil konträre Positionen auf. Trotz der Breite an Anregungen sind allgemeinere Bedarfe erkennbar. So wünschen sich viele eBm eine bessere Personalausstattung, die nicht nur eine größere Anzahl, sondern auch eine höhere Qualifizierung der Beschäftigten beinhaltet. In der Qualität des Personalmanagements bzw. der Personalführung und der Kommunikation zwischen der Verwaltung und dem eBm aber auch innerhalb der Verwaltung identifizieren viele Befragte Verbesserungspotenziale.
Differenziert nach einzelnen Bundesländern zeigen sich unterschiedliche Bedarfe. Mehr und besser qualifiziertes Personal schlagen besonders eBm aus Rheinland-Pfalz und Bayern vor, während ihre Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt eher einen Verbesserungsbedarf in der Personalführung sehen. Eine verbesserte Kommunikation ist in Thüringen, Niedersachsen und Brandenburg gewünscht. In Thüringen sehen mehr eBm die Probleme in einer schwierigen finanziellen Lage begründet und plädieren für eine stärkere Ressourcenausstattung, um die Verwaltungszusammenarbeit verbessern zu können. In Schleswig-Holstein identifizieren viele eBm die Notwendigkeit für eine allgemeine Entbürokratisierung, um administrative Prozesse besser bewältigen zu können. Eine Pauschallösung zur verbesserten Zusammenarbeit ist also nicht anwendbar und zielführend.

5.3.4 Entscheidungsstrukturen des Rates und Konkordanzdemokratie

Der von der Bürgerschaft gewählte Rat ist in allen Bundesländern das oberste Organ der Gemeinde. Die Kernkompetenzen des Rates sind in allen Bundesländern recht ähnlich ausgestaltet und umfassen die Verabschiedung des Gemeindehaushaltes sowie grundsätzliche Entscheidungen für die Gemeinde (z. B. Flächennutzungspläne), Kontrollrechte gegenüber der Exekutive und den Bürgermeistern sowie die Wahl von haupt- oder ehrenamtlichen Beigeordneten, falls diese vorgesehen sind (vgl. Egner 2013, S. 26–27). In Niedersachsen und Schleswig-Holstein beinhaltet die Wahlfunktion auch die Wahl der eBm. Wie schon an verschiedenen Stellen gezeigt, ist der Einfluss von Parteien in kleineren Gemeinden eher gering. Für diese Konstellation wurde der Begriff der kommunalen Konkordanzdemokratie geprägt, die von einer geringen Parteipolitisierung von Rat und Bürgermeisteramt in der Nominierungs-, Wahlkampf-, Wahl- und Regierungsphase bei gleichzeitig starker Bürgermeisterdominanz ausgeht. Der Gegenbegriff der kommunalen Konkurrenzdemokratie geht von einer starken Parteipolitisierung in allen Phasen aus und eher schwachen Bürgermeistern (vgl. Bogumil und Holtkamp 2023, S. 177).
Wir haben nun die eBm gebeten, die Entscheidungsfindung im Rat und die Bedeutung von Vorentscheidungsstrukturen und Konflikt zu bewerten.14
Der Aussage, dass bei Entscheidungen Partei- und Fraktionsgrenzen keine Rolle spielten (M = 3,3), wurde zugestimmt, noch etwas deutlicher sogar befürworteten die Befragten die Aussagen, dass bei Entscheidungen von zentralem Interesse eine breite Zustimmung angestrebt werde (M = 3,7). Abgelehnt werden dagegen die Aussagen zur starken Vorentscheiderrolle der Fraktionen (M = 1,7) sowie die Aussage, dass die Beziehungen im Rat stark von politischem Konflikt geprägt seien (M = 1,5) (vgl. Abb. 5.19). Dieses Antwortmuster deutet insgesamt auf starke konkordante Entscheidungsmuster im Rat hin.
Vergleicht man das Antwortmuster der eBm in den verschiedenen Gemeindegrößenklassen, bestätigt sich das Bild einer konkordanten Entscheidungsstruktur vor allem in den kleineren Gemeinden unter 2000 Einwohnern. Bei „Entscheidungen von zentralem Interesse“ liegt die Zustimmung in Gemeinden unter 500 Einwohnern bei einem Mittelwert von 3,8 und sinkt auf 3,4 bei Gemeinden über 5000 Einwohnern. Das Antwortmuster ändert sich graduell in Richtung Konkurrenzdemokratie mit wachsender Gemeindegröße, wie an der Aussage zur Bedeutung von politischem Konflikt abzulesen ist. Diese These wird unter 500 Einwohnern klar abgelehnt (M = 1,2) und in Gemeinden über 5000 Einwohner aber schon unentschieden bewertet (M = 2,2) (vgl. Abb. 5.20).
Für eine zusammenfassende Analyse werden die Einzelaussagen im Folgenden zu einer Skala zusammengefasst, die eine Aussage über konkordante Entscheidungsmuster im Rat aus Sicht der eBm ermöglicht. Dazu werden im ersten Schritt zwei der Aussagen15 invertiert, damit die Skalenrichtung zu den anderen Items passt (hoher Wert = mehr Konkordanz). Dann wird aus den Einzelwerten ein Mittelwert als neue Variable berechnet (Skala Konkordanz Rat).16 Der Mittelwert der neuen Variablen liegt bei 3,4. Insgesamt gesehen bewerten die Befragten eBm die Entscheidungsstrukturen als konkordant. Das Antwortverhalten der eBm ist bei diesem Thema recht konsistent, die Variable zur Konflikthaftigkeit der Beziehungen im Gemeinderat (vgl. Kap. 2) korreliert hoch negativ mit der Konkordanzskala (Pearson r = − 0,72**): je höher eBm das Konfliktniveau im Rat einschätzen, desto weniger konkordant bewerten sie die Entscheidungsmuster (vgl. Tab. 5.3).
Tab. 5.3
Mittelwerte Konkordanz-Skala Rat
Bundesland
Mittelwert
Sachsen
3,6
Schleswig-Holstein
3,5
Sachsen-Anhalt
3,5
Bayern
3,5
Rheinland-Pfalz
3,5
Mecklenburg-Vorpommern
3,4
Thüringen
3,4
Brandenburg
3,4
Niedersachsen
3,3
Gesamt
3,5
Einwohnerzahl
 
unter 500
3,6
500–1000
3,5
1001–2000
3,5
2001–5000
3,3
über 5001
2,9
Gesamt
3,5
Mehrheitsverhältnisse Gemeinderat
 
Mehrheitsbildung ohne Fraktion
3,6
Dauerhafte Zusammenarbeit zwischen einzelnen Fraktionen oder Gruppen
3,5
Absolute Mehrheit einer Fraktion
3,4
Keine bzw. stetig wechselnde Mehrheiten
3,1
Gesamt
3,5
Quelle: eBm LAND Befragung 2022, eigene Darstellung, Darstellung des Mittelwerts zwischen 1 „trifft gar nicht zu“ und 4 „trifft völlig zu“, n = 1458–1468
Im Vergleich der Bundesländer sind kaum Abweichungen festzustellen, Sachsen hatte mit 3,6 den höchsten Mittelwert, Niedersachsen mit 3,3 den niedrigsten. Im Vergleich der Gemeindegrößenklassen lässt sich auch hier feststellen, dass mit steigender Gemeindegröße der Konkordanzmittelwert sinkt von 3,6 bei unter 500 Einwohnern bis auf 2,9 bei über 5000 Einwohnern. Mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat findet sich das höchste Maß an Konkordanz bei der Konstellation Mehrheitsbildung ohne Fraktionen (M = 3,6), gefolgt von der dauerhaften Zusammenarbeit (M = 3,5) und der absoluten Mehrheit (M = 3,4). Der niedrigste Wert lag bei keiner bzw. wechselnder Mehrheit vor (M = 3,1). Insgesamt gesehen ist die Varianz zwischen den Bundesländern geringer als bei den unterschiedlichen Gemeindegrößenklassen. Auch innerhalb der Länder ist der Effekt festzustellen, dass der Mittelwert des Konkordanzindex mit steigender Gemeindegröße sinkt (z. B. Bayern bis 500 Einwohner 3,8, über 5000 Einwohner 2,5).

5.3.5 Einschränkende Faktoren der Amtsführung

Nachdem skizziert wurde, welche Aufgaben für eBm besonders wichtig sind, wie sie die Zusammenarbeit mit der Verwaltung und wie die Entscheidungsmuster im Rat bewerten, sollen nun in der Amtsausführung hemmende Faktoren identifiziert werden. Diese liegen in verschiedenen Bereichen. Dass jede Person in einer politischen Position kontrolliert werden muss, liegt in der Natur eines demokratischen Staates. Diese Kontrolle findet bei kommunalen Spitzenpositionen hauptsächlich durch den Gemeinderat und die Bürger in Form der Wahl (Wiederwahl oder Abwahl) und direkter Partizipationsverfahren wie Bürgerentscheiden statt. Auch die Kommunalaufsicht übt eine formale Kontrollfunktion aus. Diese Akteure beschränken de jure die Handlungsfähigkeiten, um Willkür zu vermeiden und erfüllen damit einen staatlichen demokratischen Auftrag, der im gesetzlichen Rahmen definiert ist. Zusätzlich gibt es jedoch weitere Aspekte, die de facto über die rechtlichen Regelungen hinaus eine beschränkende Wirkung auf die Tätigkeiten des eBm ausüben.
Im Rahmen der Untersuchung konnte festgestellt werden, dass diese im Alltag der Befragten eine unterschiedlich große Rolle spielen. Am stärksten nehmen die eBm eine Überregulierung durch höhere Ebenen des politischen Systems (EU, Bund, Land, Kreis) als beschränkend wahr (M = 3,4), gefolgt von den begrenzten finanziellen Mitteln der Kommune (M = 3,1), dem fehlenden Gestaltungsspielraum in der Gemeinde selbst (M = 3,0) und dem Fehlen von passenden Fördermitteln (M = 3,0). Etwas weniger stark limitiert fühlen sie sich durch fehlendes/überlastetes Personal (M = 2,7). Schwaches bürgerschaftliches Engagement (M = 2,4) wird schon nicht mehr so stark als Einschränkung wahrgenommen, die mangelnde Unterstützung der Verwaltungsgemeinschaft (M = 2,0) sogar als eher nicht zutreffend bewertet (vgl. Abb. 5.21). Somit bezieht sich die Kritik eher auf allgemeine bürokratische Anforderungen sowie auf die Unterfinanzierung der Kommune und der als limitiert wahrgenommenen Entscheidungsgewalt der kommunalen Akteure für lokale Fragen, statt auf die konkrete Zusammenarbeit mit der VG.
In den einzelnen Bundesländern werden diese einschränkenden Faktoren als unterschiedlich stark bewertet (ohne Abbildung). So kann erneut besonders in Sachsen-Anhalt und Sachsen eine stärkere Unzufriedenheit der eBm mit den Strukturen der Amtsausführung identifiziert werden (s. Abschn. 5.3). Besonders die finanzielle Situation scheint hier verstärkt zu belasten. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein bewerten die eBm die potenziell einschränkenden Faktoren als weniger ausgeprägt, weshalb daraus geschlossen werden kann, dass sie sich in der Ausführung ihres Ehrenamts weniger durch diese strukturellen Faktoren eingeschränkt fühlen als eBm aus Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Die Gründe für diese Varianzen sind vielfältig. Besonders auf der Landesebene lassen sich zentrale Punkte identifizieren, da die Kommunen durch landesrechtliche Regelungen einen höheren bürokratischen Aufwand haben können oder auch der kommunale Haushalt von Zuwendungen des Landes profitieren kann. Zusätzlich zeigen die Werte der einzelnen Bundesländer deutlichere Varianzen auf als andere Unterscheidungsfaktoren. So ist kein statistischer Zusammenhang zwischen den wahrgenommenen einschränkenden Faktoren und der Einwohnerzahl zu erkennen. Auch ob ein eBm im öffentlichen Dienst oder der Privatwirtschaft beschäftigt ist, spielt keine Rolle in der Wahrnehmung dieser Faktoren. Lediglich leichte Gendereffekte in einzelnen Aspekten lassen sich identifizieren. So kritisieren weibliche eBm eher ein schwaches bürgerschaftliches Engagement und fehlendes und überlastetes Personal in der Verwaltung, jedoch weniger stark eine Überregulierung durch höhere Ebenen des politischen Systems.
Die Einzelaussagen werden wie oben zu einer Skala zusammengefasst, die eine Aussage über Einschränkungen aus Sicht der eBm ermöglicht. Aus den Einzelwerten wird ein Mittelwert als neue Variable berechnet (Skala Einschränkungen Amtsführung).17 Der Mittelwert der neuen Variablen liegt bei 2,8 (vgl. Tab. 5.4). Insgesamt gesehen bewerten die Befragten eBm die Einschränkungen der Amtsführung unentschieden mit einer leichten Tendenz zur Zustimmung.
Tab. 5.4
Mittelwerte der Skala Einschränkungen Amtsführung und strukturelle Rahmenbedingungen
Bundesland
Mittelwert
Sachsen-Anhalt
3,01
Mecklenburg-Vorpommern
2,95
Sachsen
2,91
Rheinland-Pfalz
2,88
Brandenburg
2,87
Thüringen
2,84
Schleswig-Holstein
2,76
Bayern
2,74
Niedersachsen
2,66
Gesamt
2,80
Einwohnerzahl
Mittelwert
unter 500
2,79
500–1000
2,82
1001–2000
2,79
2001–5000
2,82
über 5001
2,74
Gesamt
2,80
Quelle: eBm LAND Befragung 2022, eigene Darstellung, Darstellung des Mittelwerts zwischen 1 „überhaupt nicht“ und 4 „sehr stark“, n = 1466–1467
Auch bei der gebildeten Skala sind die Unterschiede zwischen den Ländern und Gemeindegrößenklassen eher graduell. Bei den Ländern gibt es eine leichte Tendenz, dass in Ostdeutschland die Einschränkungen als etwas größer wahrgenommen werden. Weitere strukturelle Rahmenbedingungen wie die Form der VG haben keinen Einfluss. Daher kann festgestellt werden, dass vor allem strukturelle Faktoren der Bürokratie und der Finanzen die Arbeit der eBm im ländlichen Raum einschränkt.
Wie oben beschrieben gibt es de facto die Arbeit des eBm beschränkende strukturelle Faktoren, die sich besonders zwischen den Bundesländern unterscheiden. Darüber hinaus wird aber auch das private Leben der eBm durch das Ehrenamt eingeschränkt. In der Wahrnehmung der Befragten wiegt der Item „Familie und Privates kommen zu kurz“ (M = 3,0)18 am schwersten, gefolgt von „Privatleben wird öffentlich“ (M = 2,6) und „begrenzte Gestaltungsmöglichkeiten“ (M = 2,4). Weniger stark wird die unzureichende finanzielle Aufwandsentschädigung (M = 2,3), die gesundheitliche Belastung (M = 2,3) und eine Belastung durch politische Konflikte (M = 2,1) als persönliche Begleiterscheinung bewertet (vgl. Tab. 5.5). Somit beeinflusst die ehrenamtliche Tätigkeit als Bürgermeister die Befragten in verschiedenen Bereichen des Privatlebens in einem unterschiedlichen Ausmaß.
Tab. 5.5
Persönliche Begleiterscheinungen
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Quelle: eBm LAND Befragung 2022, eigene Darstellung, Darstellung des Mittelwerts zwischen 1 „überhaupt nicht“ und 4 „sehr stark“, n = 1453–1463
Führt man anknüpfend an diesen allgemeinen Überblick weitere Differenzierungen durch, können Zusammenhänge deutlich werden. So sind – wie auch unter Berücksichtigung der beschränkenden strukturellen Faktoren – Varianzen zwischen den Bundesländern zu erkennen.
Insgesamt bewerten eBm in Schleswig-Holstein diese Aspekte als am stärksten in ihr Privatleben einschneidend, gefolgt von Bayern und Rheinland-Pfalz (ohne Abbildung). Somit kann also davon ausgegangen werden, dass die Belastung durch persönliche Begleiterscheinungen aufgrund der Tätigkeit als eBm in diesen Bundesländern stärker sind als in anderen. Auch einzelne Items zeigen große Varianzen zwischen den Ländern. In Brandenburg gaben die eBm an, dass die Familie weniger stark zu kurz komme als eBm in Bayern dies taten. Die Wahrnehmung dieser persönlichen Begleiterscheinungen sind in einem direkten Zusammenhang mit der aufgebrachten Zeit für das Amt des eBm zu sehen, die in Bayern im Durchschnitt höher ist als in Brandenburg. Einzelne Begleiterscheinungen sind dabei stärker mit einem hohen Zeitaufwand verbunden als andere. So zeigen sich in allen betrachteten Bundesländern mittlere positive Korrelationen mit der Aussage, dass Familie und Privates zu kurz kommen (0,385** Spearman). Des Weiteren besteht auch jeweils ein Zusammenhang des Zeitaufwands mit gesundheitlichen Leiden durch die Belastung (0,289** Spearman) und dem Eindruck, dass das Privatleben öffentlich wird (0,251** Spearman). In einem geringeren Ausmaß lässt sich eine steigende Belastung durch politische Konflikte (0,219** Spearman) oder der unzureichenden finanziellen Aufwandsentschädigung (0,202** Spearman) mit einem hohen Wert an für das Ehrenamt aufgebrachten Zeit, feststellen.
Jenseits der strukturellen Merkmale der Kommune kann das individuelle Sozialprofil der eBm Varianzen besser erklären. Besonders der Familienstand hat einen Einfluss auf die Wahrnehmung dieser Fragen. So messen ledige und geschiedene eBm dem größeren öffentlichen Interesse an ihrem Privatleben einen eher hemmenden Wert zu als Verheiratete. Man könnte annehmen, dass eBm mit Kindern sich eher eingeschränkt fühlen in Hinblick auf Zeitressourcen für die Familie oder weniger Schutz des Privatlebens. Jedoch zeigt die Befragung ein anderes Bild, da eBm ohne Kinder in diesen beiden Punkten höhere Werte angaben. Somit lässt sich davon ausgehen, dass eBm diese persönlichen Begleiterscheinungen unabhängig davon perzipieren, ob sie Kinder haben oder nicht. Ebenso wenig sind Geschlechtereffekte zu beobachten. Das Alter der Befragten hingegen scheint einen Einfluss zu haben. So sind leichte negative Korrelationen zu erkennen, weshalb davon auszugehen ist, dass jüngere eBm sich von diesen Faktoren etwas stärker beeinflusst fühlen als Ältere.
Im Rahmen der Befragung wird deutlich, dass diese Faktoren auch in einem Zusammenhang mit der beruflichen Situation der eBm stehen. So schätzen beispielsweise Angestellte im öffentlichen Dienst diese Faktoren als größere Belastung für das Privatleben ein verglichen mit Handwerkern oder Landwirten. Ehrenamtliche Bürgermeister, die ihre Arbeitszeit im Hauptberuf reduziert haben, sehen diese Faktoren als tendenziell stärker das Privatleben beeinflussend.
Wenn auch deutliche Tendenzen in den Bundesländern identifiziert werden konnten, sind vor allem die persönliche Situation im privaten wie beruflichen Leben sowie die für das Ehrenamt aufgebrachte Zeit Einflussfaktoren für das Ausmaß der wahrgenommenen persönlichen Begleiterscheinungen.
Auch die Einzelvariablen zu persönlichen Begleiterscheinungen werden zu einer Skala zusammengefasst, die aufgrund des Zusammenwirkens der Einzelpunkte die persönliche Belastung der eBm messen soll. Aus den Einzelwerten wird ein Mittelwert als neue Variable berechnet (Skala Persönliche Belastungen).19 Der Mittelwert der neuen Variablen liegt bei 2,4 (vgl. Tab. 5.6). Insgesamt gesehen bewerten die Befragten eBm die persönlichen Belastungen weniger stark.
Tab. 5.6
Mittelwerte der Skala Persönliche Belastungen
Bundesland
Mittelwert
Bayern
2,60
Rheinland-Pfalz
2,49
Sachsen-Anhalt
2,43
Thüringen
2,40
Sachsen
2,36
Schleswig-Holstein
2,31
Mecklenburg-Vorpommern
2,29
Niedersachsen
2,29
Brandenburg
2,23
Insgesamt
2,45
Einwohnerzahl
 
unter 500
2,26
500–1000
2,44
1001–2000
2,50
2001–5000
2,57
über 5001
2,56
Insgesamt
2,45
Quelle: eBm LAND Befragung 2022, eigene Darstellung, Darstellung des Mittelwerts zwischen 1 „überhaupt nicht“ und 4 „sehr stark“, n = 1468–1469
In Bayern (M = 2,6) und Rheinland-Pfalz (M = 2,5) liegt der Skalenmittelwert etwas höher, als in Niedersachsen (M = 2,3) und Brandenburg (M = 2,2). Mit Blick auf die Gemeindegröße scheint die persönliche Belastung in größeren Gemeinden etwas höher zu sein als in kleinen Gemeinden.

5.3.6 Zusammenfassende Bewertung der Möglichkeiten im Amt

Abschließend wurden die eBm gebeten, zu sechs allgemeineren Aussagen in Bezug auf ihre Möglichkeiten im Amt und ihre Beziehung zur Bürgerschaft Stellung zu nehmen.20 Die höchste Zustimmung erhält die Aussage, dass die Erwartungen der Bürgerschaft an die Leistungen von Gemeinden und Staat stark gewachsen seien (M = 3,4). Diese Aussage beschreibt offenbar eine wichtige Rahmenbedingung der Amtsführung der eBm. Von den weiteren Aussagen sind drei eher positiv formuliert, zwei negativ. Trotz der vielleicht schwierigeren Rahmenbedingungen glauben aber noch viele eBm daran, dass sie die Zukunft ihrer Gemeinde gestalten können (M = 3,2). Auch fühlen sie sich in ihrem Amt respektiert (M = 3,2). Weniger klar war allerdings die Einschätzung, ob die Bürgerschaft ausreichend Verständnis für die Aufgaben und Rolle als Bürgermeister habe (M = 2,9), hier hat immerhin schon ein Viertel die Aussage abgelehnt (addierter Anteil der Angaben „trifft gar nicht zu“ und „trifft eher nicht zu“) (vgl. Abb. 5.22).
Beinahe ausgeglichen ist die Einschätzung der eBm hinsichtlich der Aussage, man könne die hohen Erwartungen der Bürgerschaft nicht erfüllen (M = 2,5), 33 % kreuzten „trifft eher zu“ und 12 % „trifft völlig zu“ an. Anders als bei der Aussage, dass das Ansehen sich in den letzten Jahren verschlechtert habe (M = 2,4), die die Mehrheit der Befragten ablehnt (59 % addierter Anteil von „trifft eher nicht zu“ und „trifft gar nicht zu“).
Zwischen den Bundesländern gibt es bei einzelnen Aussagen kleine Unterschiede. Höhere Erwartungen an Gemeinden und Staat sehen die eBm in Bayern (M = 3,7), etwas weniger in Sachsen-Anhalt und Thüringen (jeweils M = 3,1). In Sachsen- Anhalt (M = 3,5) und Bayern (M = 3,4) sind die Werte bei der Gestaltung der Zukunft der Gemeinde überdurchschnittlich, in Thüringen eher darunter (M = 3,0). In Bayern und Rheinland-Pfalz (jeweils M = 3,5) ist die Zustimmung zu Aussagen über die Verschlechterung des Ansehens etwas höher. Im Vergleich der Gemeindegrößenklassen ließen sich keine größeren Abweichung feststellen.
Für eine integrierte Analyse werden die Einzelaussagen im Folgenden zu einer Skala zusammengefasst, die eine Gesamtaussage über die Zufriedenheit im Amt bietet. Die erste Aussage zu den gestiegenen Erwartungen im Allgemeinen wird nicht aufgenommen, da diese sich nicht direkt auf die eBm bezieht. Dann werden im ersten Schritt zwei Aussagen21 invertiert, damit die Skalenrichtung zu den anderen Items passt (hoher Wert = größere Zufriedenheit). Die mit der Skala gemessene Zufriedenheit bedeutet, dass ein eBm die Zukunft der Gemeinde gestalten kann, sich respektiert fühlt, glaubt, dass die Bevölkerung ausreichend Verständnis hat, er die hohen Erwartungen erfüllen kann und das Ansehen des Bürgermeisters sich auch nicht verschlechtert hat. Dann wird aus den Einzelwerten ein Mittelwert als neue Variable berechnet (Skala Zufriedenheit im Amt).22 Der Mittelwert der neuen Variablen liegt bei 2,9 (vgl. Tab. 5.7). Insgesamt gesehen sind die Befragten eBm eher zufrieden im Amt.
Tab. 5.7
Skala Zufriedenheit im Amt der eBm
Bundesland
Mittelwert
Niedersachsen
3,03
Schleswig-Holstein
3,03
Sachsen-Anhalt
3,02
Mecklenburg-Vorpommern
3,00
Sachsen
2,99
Brandenburg
2,97
Bayern
2,96
Thüringen
2,88
Rheinland-Pfalz
2,84
Insgesamt
2,94
Quelle: eBm LAND Befragung 2022, eigene Darstellung, Darstellung des Mittelwerts zwischen 1 „trifft gar nicht zu“ und 4 „trifft völlig zu“, n = 1461
Die Zufriedenheit im Amt ist etwas höher ausgeprägt in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern und etwas niedriger in Thüringen und Rheinland-Pfalz. Hinsichtlich der Gemeindegrößenklassen sind nur geringe Unterschiede feststellbar. Allerdings hat die Haushaltssituation einen mittleren positven Einfluss auf die Zufriedenheit im Amt (0,248** Spearman) die Einschätzung der Konflikthaftigkeit einen moderaten negativen Einfluss, je geringer der Konflikt, desto größer die Zufriedenheit (− 0,190** Spearman).
Im Großen und Ganzen scheinen die eBm durchaus gefordert, aber nicht überfordert zu sein. Sie sehen sich als respektierte Gestalter, auch wenn die Bevölkerung nicht immer Aufgaben und Rolle der Ehrenamtler richtig einordnen kann.
Um den Einfluss der verschiedenen Aspekte der Amtsführung auf die Zufriedenheit im Amt zu analysieren, wird abschließend eine multiple lineare Regression durchgeführt. Abhängige Variable ist die Skala Zufriedenheit im Amt, als unabhängige Variablen gelten die Skalen Persönliche Belastungen, Einschränkungen im Amt, Konkordanz und Zufriedenheit mit der Verwaltungszusammenarbeit (vgl. Tab. 5.8).23
Tab. 5.8
Modellzusammenfassung multiple lineare Regression Zufriedenheit im Amt
Abhängige Variable Zufriedenheit Amt
    
      
95,0 % KI
 
Prädiktoren
b
SE
Beta
T
p
Untergrenze
Obergrenze
(Konstante)
3,547
0,131
 
26,998
0,000
3,289
3,805
Persönliche Belastung
− 0,220
0,022
− 0,254
− 9,950
0,000
− 0,264
− 0,177
Konkordanzskala
0,116
0,018
0,151
6,339
0,000
0,080
0,152
Einschränkungen
− 0,237
0,025
− 0,242
− 9,496
0,000
− 0,286
− 0,188
Verwaltungszusammenarbeit
0,064
0,019
0,082
3,328
0,001
0,026
0,102
Anmerkungen: N = 1450; R2 = 0,249; korr. R2 = 0,247; F (4, 1445) = 119,58; p < 0,001
Quelle: eBm LAND Befragung 2022, eigene Darstellung, n = 1461
Alle einzelnen Zusammenhänge im Modell sind signifikant. Die Modellzusammenfassung zeigt, dass die Persönliche Belastung und die wahrgenommenen Einschränkungen ein negatives Vorzeichen haben, d. h. wenn diese Werte ansteigen, sinkt der Wert der Skala für die Zufriedenheit im Amt. Die beiden anderen Prädiktoren haben ein positives Vorzeichen, steigen die Werte auf den Skalen Konkordanz und Verwaltungszusammenarbeit an, dann steigt auch der Wert auf der Skala der Zufriedenheit im Amt. Auf dieser Grundlage lassen sich die folgenden Aussagen zur Zufriedenheit im Amt formulieren: Ein eBm mit hoher Zufriedenheit im Amt ist auch zufrieden mit der Verwaltungszusammenarbeit, schätzt die Entscheidungsmuster im Rat als konkordant ein, hat eine geringe persönliche Belastung und sieht wenig Einschränkungen im Amt. Ein eBm mit geringer Zufriedenheit im Amt dagegen ist unzufrieden mit der Verwaltungszusammenarbeit, schätzt den Rat als weniger konkordant ein, nimmt höhere persönliche Belastungen und viele Einschränkungen im Amt wahr.

5.4 Anfeindungen im Amt

Kommunalpolitiker sind immer häufiger Anfeindungen oder gar Gewalt im Amt ausgesetzt. So betonte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schon 2019, dass Kommunalpolitiker nicht „Fußabtreter der Frustrierten, weder im Internet noch auf den Straßen und Plätzen unserer Republik“, (Bundespräsidialamt 2019) sein dürften. Der Fokus bisheriger Befragungen lag nicht auf dem ländlichen Raum (vgl. Blätte et al. 2022; KOMMUNAL 2020). Wie bereits dargestellt, unterscheidet sich Kommunalpolitik in urbanen und ländlichen Räumen (vgl. Schneider 1979, 1991, 1998). Folglich muss kritisch geprüft werden, ob die Erkenntnisse der zuvor zitierten Studien auf ehrenamtliche Bürgermeister im ländlichen Raum übertragbar sind. Weitestgehend wird angenommen, dass Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen und körperliche Angriffe in größeren Kommunen häufiger stattfinden als in kleineren. So zeigt die Studie von Forsa im Auftrag des Magazins KOMMUNAL, dass in Kommunen unter 5000 Einwohnern 58 % und in Kommunen über 100.000 Einwohnern 79 % der befragten Bürgermeister Erfahrungen dieser Art gemacht haben. Insgesamt, gaben im Jahr 2020 64 % der teilnehmenden Bürgermeister an bereits beleidigt, bedroht oder gar tätlich angegriffen worden zu sein (vgl. KOMMUNAL 2020). Im Rahmen der „Großstadtbefragung 2022“ kamen Blätte et al. zu dem Ergebnis, dass 60 % der kommunalen Repräsentanten im Ehren- wie im Hauptamt Erfahrungen mit Beleidigungen, Bedrohungen oder tätlichen Übergriffen gemacht haben (vgl. Blätte et al. 2022, S. 11). Diese Befragung richtete sich nicht nur an kommunale Spitzenpolitiker (z. B. Bürgermeister), sondern auch an Ratsmitglieder.
Die Befragung der ehrenamtlichen Bürgermeister im ländlichen Raum zeigt auf, dass 55 % bereits mindestens einmal Erfahrungen mit Anfeindungen oder Hass im Amt gemacht haben (vgl. Abb. 5.23). Ein Drittel von ihnen haben diese bereits mehrfach erlebt. Somit liegen die Werte unterhalb der Angaben der durch KOMMUNAL beauftragten Forsa-Umfrage und der Befragung von Blätte et al. (2022), die jedoch beide deutlich größere Kommunen in das Sampling aufgenommen haben. Es ist davon auszugehen, dass in kleineren Kommunen solche Vorfälle seltener geschehen. In der hier betrachteten Befragung von eBm sind diese Tendenzen ebenfalls zu erkennen, da in Kommunen unter 500 Einwohnern 54 % angaben, noch keine Erfahrungen dieser Art gemacht zu haben, während der Wert in Kommunen der Größenklasse 2001 bis 5000 nur bei 32 % liegt.
Deutliche Varianzen zeigen sich nicht nur bei der Gemeindegröße, sondern auch zwischen den Bundesländern. Ehrenamtliche Bürgermeister in Sachsen-Anhalt berichten am häufigsten von Anfeindungen und Hass im Kontext ihres Amtes, gefolgt von Bayern und Rheinland-Pfalz. Vergleichsweise seltener scheinen diese Vorfälle eBm in Niedersachsen und Sachsen zu betreffen, jedoch ist der Gesamtanteil immer noch hoch (vgl. Abb. 5.23).
Andere Studien zeigten, dass Erfahrungen mit Beleidigungen, Bedrohungen oder tätlichen Übergriffen gegenüber Kommunalpolitikern unabhängig von persönlichen Merkmalen, wie politischer Orientierung, Geschlecht oder Migrationsgeschichte ist (vgl. Blätte et al. 2022, S. 11). Bei der eBm-Befragung gaben Frauen etwas häufiger an angefeindet worden zu sein (37 %) als die männlichen eBm (36 %) und deutlich häufiger, diese Erfahrungen mehrfach gemacht zu haben (weiblich = 23 %; männlich = 18 %). Somit scheinen sich in der ehrenamtlich ausgeführten kommunalen Spitzenfunktion und dem Tätigkeitsfeld im ländlichen Raum Unterschiede zu Mandatsträgern in Großstädten zu zeigen.
Zusätzlich zeigt sich, dass jene, die in der Gemeinde geboren wurden und verwandtschaftliche Beziehungen haben, etwas seltener angefeindet werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Personen in der Gemeinschaft der Kommune gut bekannt sind. Persönliche Kontakte können als hemmender Faktor wirken, da nicht persönlich bekannte Bürgermeister (im Ehrenamt wie im Hauptamt) eher als Projektionsfläche der Unzufriedenheit dienen können durch die abstrahierende persönliche Distanz.
Des Weiteren scheint auch die Partei eine Rolle zu spielen. So erfahren eBm, die Mitglied einer Partei sind, häufiger Beschimpfungen. Diese Beobachtung setzt sich fort, da die durch eine Partei nominierten eBm, ebenso häufiger diese Erfahrungen machen. Besonders eBm, die ohne eine formale Nominierung gewählt wurden, sind seltener von Anfeindungen betroffen, ebenso wie durch eine Wählervereinigung zur Wahl vorgeschlagene. Dies zeigt sich auch daran, dass Mitglieder einer Wählervereinigung auch seltener diese Erfahrungen machten. Diese Beobachtung hängt mit der Größe der Kommune zusammen, da mit steigender Einwohnerzahl sowohl die Häufigkeit der Anfeindungen als auch die Relevanz von Parteien zunimmt, da die politische Konkurrenz tendenziell intensiver wird. Je höher die eBm die Konflikthaftigkeit im Gemeinderat einschätzen, desto eher machen sie Erfahrungen mit Anfeindungen und Hass im Rahmen ihrer Tätigkeit als eBm. Viele eBm sind weiterführend in der politischen Arena aktiv durch weitere Mandate. Die Anzahl der noch weiter politisch aktiven eBm, die Erfahrungen mit Anfeindungen gemacht haben, ist deutlich erhöht. Somit kann insgesamt ein gewisser Zusammenhang festgestellt werden zwischen der (Partei-)Politisierung des Engagements der Befragten und den Erfahrungen mit Hass und Hetze. Die Struktur und Situation in der Kommune hat eher einen Einfluss auf die Häufigkeit der Anfeindungen als persönliche Merkmale oder die private Lebenssituation.
Auch die Art und Gelegenheit der jeweiligen Vorfälle unterscheiden sich. Im Rahmen der Untersuchung konnte festgestellt werden, dass etwa 80 % der Befragten, die angaben, Erfahrungen mit Anfeindungen und Hass im Amt gemacht zu haben, persönlich beleidigt oder bedroht wurden. 32 % dieser Gruppe wurde nicht im persönlichen Kontakt, sondern durch Briefe oder Faxe bedroht. Von Hassmails und Bedrohungen in sozialen Medien berichteten 21 %. Weitere 13 % entfielen auf die Kategorie „Sonstiges“, die ein breites Spektrum an Vorfällen abdeckt. Noch extremere Erfahrungen in Form von körperlichen Angriffen machten 3 % derjenigen, die angaben, Erfahrungen mit Hass im Amt gemacht zu haben. Wenn dieser Wert auch recht niedrig sein mag, erstrecken sich die Vorfälle von einem Bespucken bis hin zu Morddrohungen gegen die eigene Person oder die Familie. Diese Vorfälle sind nicht nur äußert bedrohlich für die Betroffenen, sondern auch strafrechtlich relevant.
Die zuvor genannten Vorfälle ereigneten sich besonders im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen (46 %). Weniger häufig bei privaten Tätigkeiten (36 %) und in den Diensträumen (29 %). Etwa ein Viertel sah sich mit diesen Vorfällen zu Hause konfrontiert, was ein zusätzlicher Eingriff in die Privatsphäre der eBm ist. In kleineren Kommunen wurden eBm eher bei privaten Tätigkeiten und zu Hause angefeindet als in größeren. Dies kann ebenso im Zusammenhang mit einer größeren sozialen Nähe in den kleineren Kommunen der ländlichen Räume stehen, da durch persönliche Kontakte der Zugang in das Private eher gegeben ist und durch die räumliche Nähe im Alltag mehr auch zufällige Kontakte (wie z. B. beim Erledigen alltäglicher Aufgaben wie Einkaufen in der begrenzten Anzahl an Geschäften vor Ort) und somit Möglichkeiten für diese Vorfälle bestehen. Folglich betreffen Anfeindungen, Gewalt und Drohungen auch ehrenamtliche Bürgermeister in ländlichen Räumen. In größeren und parteipolitisierteren Kommunen finden diese Vorfälle eher statt als in kleinen und Kleinstkommunen. Wenn es dort zu Vorfällen kommt, finden diese aber häufiger in privaten Kontexten statt.
Insgesamt ist anzumerken, dass die Wahrnehmung einer Situation als bedrohlich oder einer Aussage als hassbezogene Anfeindung sehr unterschiedlich sein kann. In den geführten Experteninterviews und der Debatte der Forschungsergebnisse in Workshops wurde deutlich, dass viele eBm in ihrem Selbstverständnis als Ansprechpartner der Bürger Kritik, die auch Herausforderungen außerhalb der Kompetenz des eBm und des Referenzrahmens der Kommune betreffen, abfangen. Auch wenn diese von anderen als Anfeindung begriffen werden könnte, sehen viele eBm dies als Teil der Tätigkeit an und berichteten von langjährigen Erfahrungen, die deren Resilienz im Umgang mit kritischen Erfahrungen steigerten. Ab wann eine Aussage „Hass“ oder „Hetze“ ist, konnte im Rahmen dieser Befragung nur durch die Perzeption der eBm erhoben werden. Trotzdem gibt es gesetzliche Grenzen, die diese Frage präziser beantworten und durch Rechtsprechung fortlaufend klarer definieren.
Wenn eBm Ziel von Angriffen, Hass und Hetze werden, müssen sie bestmöglich davor geschützt werden bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung. Der persönliche Umgang mit diesen Vorfällen – besonders wenn es sich um anonyme Drohungen handelt – ist nicht einfach. Jedoch gibt es mittlerweile diverse Unterstützungsstrukturen von Seiten verschiedener Akteure (staatlich wie nicht-staatlich). So wurde beispielsweise im Jahr 2020 in Bayern ein Online-Meldeverfahren für Online-Straftaten eingeführt, welches sich speziell an Amtsträger richtet (vgl. Bayerisches Staatsministerium der Justiz). Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) gibt regelmäßig Positionspapiere zu diesem Thema heraus und arbeitet mit Partnern an Unterstützungsformaten. So ist beispielsweise das Portal „Stark im Amt“ gemeinsam mit der Körber-Stiftung, dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Landkreistag mit Unterstützung des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier entstanden, um in einem präventiven Ansatz gegen Gewalt gegenüber Kommunalpolitikern vorzugehen (vgl. Körber-Stiftung). Dafür braucht es aber auch finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern, um Angebot dauerhaft zu erhalten. Daher ist es nicht sinnvoll, wenn bei Unterstützungsangeboten wie „Hate aid“ oder in der Politischen Bildung die Bundeszuschüsse gekürzt werden.

5.5 Motivation, Nachwuchs und Wechsel zur Hauptamtlichkeit

5.5.1 Motivation zur Kandidatur

Die Wege ins Amt eines ehrenamtlichen Bürgermeisters sind vielfältig, oft individuell und von verschiedensten Faktoren beeinflusst. Trotz dieser Unterschiede lassen sich im Rahmen der Befragung allgemeine Beweggründe identifizieren, die eBm zur Kandidatur motiviert haben. Den eBm wurden zehn Aussagen zur Motivation vorgelegt, von denen sie im Rahmen einer Mehrfachauswahl die kennzeichnen konnten, die für sie relevant waren. Dabei steht die Gestaltung der Kommune für die meisten im Fokus, da 75 % der Befragten mit ihrer Kandidatur das Bild der Kommune nachhaltig gestalten wollten. Die Werte in den einzelnen Bundesländern schwanken jedoch stark zwischen 65 % in Schleswig-Holstein und 93 % in Sachsen-Anhalt.
Zentral sind für mehr als 64 % aller Befragten der Einsatz für die Bürger jenseits von Parteien und Wählervereinigungen. Alle weiteren Aussagen wurden deutlich seltener von den Befragten ausgewählt (vgl. Abb. 5.24). Hier zeigt sich erneut die recht geringe Bedeutung von Parteien und Wählergruppen hinsichtlich der Programmatik und der Rekrutierung in ländlichen Räumen. Die Umsetzung des Programms der eigenen Partei oder Wählergruppe wurde insgesamt nur von 13 % der eBm genannt, eine Kandidatur nach Aufforderung durch den Parteivorstand war nur für 9 % relevant. Vergleicht man die Antwort zwischen den Mitgliedern von Parteien und Wählergruppen und den Nicht-Mitgliedern, fällt vor allem das Profil der Nicht-Mitglieder (blaue Linie) ins Auge. Diese betonen die Unabhängigkeit noch etwas stärker als die anderen Befragten, wurde etwas häufiger vom Amtsvorgänger zur Kandidatur motiviert, während die parteibezogenen Aussagen deutlich weniger wichtig für sie waren. Befragte Mitglieder von Wählergruppen sahen ihre Kandidatur etwas häufiger als Protest gegen verkrustete Strukturen in der Kommunalpolitik. Allerdings überrascht vielleicht, dass insgesamt gesehen bei den Mitgliedern von Parteien und Wählergruppen das Umsetzen der Programme keine größere Bedeutung hat. Parteimitglieder betonen im Vergleich zu den anderen Gruppen noch etwas stärker den Wunsch, politisch zu gestalten.
Die befragten eBm haben unterschiedlich lange Amtszeiten und mussten sich damit auch abhängig von der Länge der Wahlperioden in den Bundesländern unterschiedlich häufig bereits einer (Wieder-)Wahl stellen. Die größte Gruppe der Befragten hat bisher eine Wahl gewonnen. Nominierungen können in den einzelnen Bundesländern auf unterschiedliche Weise erfolgen und durch verschiedene Akteure ausgeführt werden. Die Unterschiede der Nominierung bestätigt die Annahme, dass die Relevanz von Parteien in kleinen und Kleinstkommunen sehr gering ist, aber mit der Gemeindegröße zunimmt. Im Vergleich der Länder sind Parteien und Wählergruppen dort wichtiger, wo der Bürgermeister vom Rat gewählt wird und nicht durch die Bürger. Fast Zweidrittel der Befragten hatten keine Gegenkandidaten bei ihrer letzten Wahl, je länger sie im Amt sind, desto höher wurde dieser Anteil. Allerdings unterscheidet sich die Konkurrenzsituation deutlich in größeren Kommunen über 2000 Einwohner, wo schon mehr als die Hälfte mindestens einen Gegenkandidaten hatte. Die Motivation zur Kandidatur speist sich vor allem aus dem Wunsch, das Bild der Gemeinde zu gestalten und sich für alle Bürgerinnen und Bürger einzusetzen. Auch hier spielen Parteien und Wählergruppen eine untergeordnete Rolle.

5.5.2 Bereitschaft zur Kandidatur

Bereits zuvor in der Wahlanalyse wurde vertieft die Frage nach dem Kandidatenangebot zur Wahl des eBm behandelt (s. Kap. 4). Weiterführend wurde durch die Befragung auch die Perspektive, der derzeit sich im Amt befindlichen eBm hinsichtlich einer erneuten Kandidatur bei der nächsten Wahl und der potenziellen Nachwuchsgewinnung erfasst. Auch wenn diese Entscheidung von sehr vielen strukturellen wie individuellen Faktoren abhängig ist, können die Antworten einen Eindruck über die Motivation der eBm geben, ihre Tätigkeit fortzusetzen.
Nur 34 % der Befragten möchten erneut kandidieren, jedoch zeigen sich 37 % noch unsicher. 27 % der befragten eBm schließen eine weitere Kandidatur aus (vgl. Abb. 5.25). In Sachsen erklärten sich mit 66 % besonders viele gegenwärtig als eBm Tätige bereit erneut zu kandidieren. Im Gegensatz dazu möchten nur 27 % der Befragten in Niedersachsen dies tun, während fast die Hälfte eine weitere Kandidatur ausschließt (vgl. Abb. 5.25). Daher ist in Sachsen von einer höheren Kontinuität im Amt des eBm in den nächsten Jahren auszugehen, während in Niedersachsen eine höhere Fluktuation erwartet werden kann. Besonders in Bayern und Rheinland-Pfalz äußerten sich die Befragten als noch unsicher bzgl. einer erneuten Kandidatur. Daraus folgt ein nicht unerhebliches Potenzial, welches durch Ansprache und Mobilisierung der Akteure vor Ort im Gemeinderat oder der Bürger aber auch der politischen Ebene der VG mobilisiert werden könnte.
Bezüglich dieser Frage lassen sich einzelne Einflussvariablen identifizieren. Vor allem das Alter spielt dabei eine zentrale Rolle, da die Befragten, die eine erneute Kandidatur ausschließen, im Mittelwert deutlich älter (M = 63,0 Jahre) sind als die, die nochmals kandidieren möchten (M = 54,7 Jahre) oder die sich noch unentschlossen zeigen (M = 54,8 Jahre). Die gemessenen Werte können jedoch nicht allein über die Altersstruktur der gegenwärtig im Amt befindlichen eBm erklärt werden.
Des Weiteren scheinen strukturelle Daten der Kommune, wie die Einwohnerzahl, die Haushaltssituation oder die Konflikthaftigkeit im Gemeinderat keinen Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen eine erneute Kandidatur zu haben. Auch die Sozialstruktur hat nur in einzelnen Variablen, wie beispielsweise dem Geschlecht, einen geringen Einfluss. Vielmehr kann festgestellt werden, dass der aufzubringende Aufwand relevant ist. So gaben jene eBm, die nicht erneut kandidieren möchten, im Mittelwert einen höheren Zeitaufwand für das Ehrenamt an. Der Faktor „Zeit“ neben Erwerbsarbeit, familiärer Verpflichtungen und weiterem Engagement, ist ein zentraler Aspekt der Debatte um die Bereitschaft zur erneuten Kandidatur als eBm.
Zusätzlich scheint es ein Geschlechtergefälle zu geben. Frauen sind nicht nur mit 19 % derzeit im Amt unterrepräsentiert, sondern es sind nur etwa ein Viertel von ihnen zu einer erneuten Kandidatur bereit (38 % der Männer). Auch wenn ein etwa gleich großer Anteil der Frauen und Männer definitiv eine weitere Kandidatur ablehnt (27 %), zeigen sich fast die Hälfte aller Frauen unsicher bzgl. einer erneuten Kandidatur. Dies bedeutet auf der einen Seite, dass sich der bestehende Frauenanteil reduzieren könnte durch eine niedrigere Bereitschaft der Amtsinhaberinnen für eine weitere Kandidatur. Auf der anderen Seite besteht durch den großen Anteil an Unentschlossenen aber auch die Möglichkeit diese Frauen überzeugen zu können. Direkte Ansprache durch in der Kommunalpolitik Aktive oder das persönliche Umfeld bereitet Frauen häufig den Weg in lokale politische Gremien (vgl. Holtkamp und Wiechmann 2023, S. 45) und vielleicht könnten ähnliche Mechanismen diese unterrepräsentierte Gruppe so auch in diesen Positionen halten.
Der Fragebogen umfasste zusätzlich konkrete Gründe, weshalb eBm nicht erneut kandidieren möchten oder sich gegenwärtig noch unsicher sind. Hier wurden ebenfalls das eigene Alter sowie zeitliche Gründe häufiger genannt, aber darüber hinaus wird auch die zunehmende Bürokratie oftmals als Ursache angegeben (vgl. Abb. 5.26). Insgesamt entscheiden sich nur in Ausnahmefällen eBm aufgrund konkreter Anfeindungen und Bedrohungen nicht nochmals zu kandidieren. Für die Gruppe der noch Unentschlossenen, sind besonders die zunehmende Bürokratie und zeitliche Gründe ein Argument für ihre Überlegungen. Die eBm, die aufgrund des Alters nicht erneut kandidieren möchten, sind im Mittelwert 66,8 Jahre alt und haben durchschnittlich das Amt schon 12 Jahre lang ausgeübt. Für jüngere und kürzer als eBm Tätige stellen zeitliche Gründe den zentralen Punkt für Überlegungen dieser Art dar. Verglichen mit hauptamtlichen Bürgermeistern zeigen sich Parallelen, da 80 % Altersgründe nennen, weshalb sie nicht erneut zur Wahl antreten möchten (KOMMUNAL 2020).
Zusätzlich wird deutlich, dass 13 % der eBm in ihrer ersten Amtszeit nicht erneut zur Wahl antreten möchten. Fast die Hälfte von Ihnen zeigen sich noch unsicher (43 %). Dies lässt auf eine gewisse Unzufriedenheit und enttäuschte Erwartungen der neueren eBm schließen und deutet darauf hin, dass diese perspektivisch nicht für weitere Amtszeiten zur Verfügung stehen werden, was den Nachwuchsmangel verstärken könnte. Für diese Gruppe sind Altersgründe weniger relevant als für die erfahreneren eBm. Ein Viertel der eBm in ihrer ersten Amtszeit, die nicht wieder kandidieren möchten oder sich noch unsicher sind, gaben zeitliche Gründe an. Somit sind auch hier die strukturellen Gegebenheiten der Kommune oder die persönlichen Merkmale weniger von Belang, sondern für neuere eBm vielmehr die im Alltag für das Ehrenamt zu entbehrenden zeitlichen Ressourcen.
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass es eine Vielzahl an Gründen gibt, weshalb die gegenwärtig engagierten eBm nicht erneut kandidieren möchten, wobei das eigene Alter, der steigende bürokratische Aufwand und die zur Verfügung stehenden Zeitressourcen die zentralsten Ursachen sind. Abgeglichen mit den Daten der Wahlanalyse (vgl. Kap. 5), zeigt sich, dass wenige Posten vakant bleiben. Im Zweifel lassen sich Amtsinhaber häufig noch von einer weiteren Amtszeit überreden oder andere Personen werden durch das entstandene Vakuum zu einer Kandidatur überzeugt, damit der Posten besetzt werden kann. Trotzdem weisen die Befragungsdaten darauf hin, dass ein großer Teil der aktiven eBm aus dem Amt ausscheiden wird. Viele der angegebenen Gründe lassen sich schwer ändern, wie beispielsweise das höhere Lebensalter oder die zeitlichen Ressourcen. Eine Entbürokratisierung von staatlicher Seite könnte eBm entlasten, jedoch sind viele Akteure involviert und komplexe Verwaltungsprozesse lassen sich nicht kurzfristig umstellen. Für viele eBm stellt auch auf der sozialen Ebene das Anspruchsdenken der Bürger und die Diskussionskultur im Alltag einen Grund dar nicht erneut kandidieren zu wollen. Hier könnten diskursiv und durch stärkere Aufklärung auf die Aufgaben und Kompetenzen des eBm hingewiesen werden, um eine bessere Kultur und mehr Verständnis für den Bürgermeister im Ehrenamt zu etablieren. Dabei könnten ähnliche Ansätze wie im Kampf gegen Hass, Hetze und Anfeindungen genutzt werden.

5.5.3 Nachwuchsgewinnung

Eine Reduktion dieser Probleme könnte nicht nur aktuelle eBm zu einer erneuten Kandidatur motivieren, sondern auch potenziell interessierte Kandidaten motivieren. Der Frage nach dem Nachwuchs bzw. vielmehr dem fehlenden Nachwuchs wurde bereits in der Wahlanalyse in Kap. 5 nachgegangen. Auch im Rahmen des Fragebogens wurde diese Frage in die Analyse miteinbezogen, um die Einschätzung der Befragten in den Fokus zu rücken. Diese ist sicherlich nicht generalisierbar, jedoch bilden die Daten die Wahrnehmung der gegenwärtig aktiven eBm mit ihrer Stellung als Honoratioren und ihrem Einblick in die kommunalpolitischen Diskurse und Rekrutierungspotenziale der eigenen Kommune ab.
Insgesamt sehen lediglich 17 % der Befragten einen potenziellen Nachfolger im Amt. Große Unterschiede sind in den einzelnen Bundesländern zu erkennen, da in Sachsen und Bayern der Kandidatenpool etwas größer zu sein scheint als in Thüringen oder Rheinland-Pfalz (vgl. Abb. 5.27).
Wenn auch im Durchschnitt etwa ein Drittel der eBm erneut kandidieren möchten und etwas mehr als ein Drittel potenziell überzeugt werden könnte, weisen die Zahlen darauf hin, dass es fehlende Interessierte für das Amt und somit in der Folge auch weitere vakante Stellen geben könnte. Daher ist die Frage, wie neue potenziell Interessierte für das Amt gewonnen werden können und welche Mechanismen dabei zielführend sein könnten, ebenfalls Bestandteil des Forschungsvorhabens gewesen.
Nach Einschätzung der Befragten wäre eine Entbürokratisierung (M = 3,524) und die Vereinfachung von Förderanträgen (M = 3,5) die effektivsten Mittel, um das Interesse an dem Amt des eBm zu erhöhen. Somit richtet sich diese Kritik direkt an bürokratische Verfahren, die als Belastung ihrer Arbeit und hinderliche bzw. sogar abschreckende Faktoren für Interessierte gesehen werden. Auch die bessere finanzielle Ausstattung der Gemeinde (M = 3,2) könnte gegen den Nachwuchsmangel helfen. Neben dem Gesetzgeber werden weitere Akteure adressiert, da auch von Seiten des Arbeitgebers ein gesteigertes Verständnis und eine größere Unterstützung einen positiven Effekt auf die potenziellen Kandidierenden haben könnte. Neben den Arbeitgebern wird auch den aktiven Kommunalpolitikern eine Relevanz zugeschrieben, da eine direkte Ansprache durch den Vorgänger oder Mitglieder des Gemeinderats (M = 3,0) den Zugang zur Position vereinfachen können.
Die Zustimmungsraten dieser Maßnahmen sind relativ hoch, weshalb ihnen ein großer Einfluss zugeschrieben werden kann. Etwas geringere Werte, aber trotzdem nicht zu vernachlässigende Argumente, kommt aufseiten der Verwaltung einer besseren technischen Ausstattung zu (M = 2,9). Erst dann folgt das Argument einer besseren finanziellen Aufwandsentschädigung (M = 2,8). Daher ist den strukturellen Faktoren, die das Arbeitsumfeld eines eBm konstruieren, eine deutlich höhere Relevanz in Hinblick auf Nachwuchsfragen zuzuschreiben. Der finanzielle Aspekt der Aufwandsentschädigung ist somit für aktuelle eBm eher von nachgeordneter Bedeutung. Zusätzlich ist auch die Option, dass Aufgaben durch Mitarbeiter der VG (M = 2,7) oder dem Stellvertreter oder Mitglieder des Gemeinderats (M = 2,6) übernommen werden kein präferiertes Mittel der eBm zur Nachwuchsgewinnung, ebenso wenig wie ausgeweitete Möglichkeiten im Home Office oder flexibel zu arbeiten (M = 2,4).
In der Einschätzung einzelner Maßnahmen zur Nachwuchsgewinnung lassen sich Varianzen zwischen den Geschlechtern identifizieren. Insgesamt schreiben die befragten Frauen den einzelnen zuvor genannten Mechanismen zur Nachwuchsgewinnung eine größere Notwendigkeit zu. Lediglich die Maßnahme der Entbürokratisierung erachten Männer (M = 3,5) relevanter als Frauen dies tun (M = 3,4). Die stärksten Varianzen zeigen sich in den Fragen der Übernahme von Aufgaben durch Stellvertreter oder Gemeinderatsmitglieder (M männlich = 2,5; M weiblich = 2,9) und der direkten Ansprache durch Vorgänger (M männlich = 2,9; M weiblich = 3,2). Daraus lässt sich ableiten, dass Frauen nicht nur mehr Bedarf für Veränderungen des Zugangs zum Amt, des Arbeitsumfeldes und der Unterstützungsstrukturen sehen, sondern auch in einzelnen Facetten eine andere Wahrnehmung der Mittel zur Nachwuchsgewinnung haben. Berücksichtigt man diese, könnte man durch direkte Ansprache und eine gewisse Arbeitsteilung die Repräsentation von Frauen in diesem Amt erhöhen.
Neben dem Geschlecht scheint auch das Alter einen Einfluss auf die Einschätzung der Maßnahmen zur Nachwuchsförderung zu haben. Jüngere eBm weisen der besseren technischen Ausstattung der Verwaltung und einer flexibleren Gestaltung und der Nutzung des Home-Office einen höheren Wert zu als ihre älteren Kollegen. Zusätzlich wünschen sie sich eher ein gesteigertes Verständnis und Unterstützung durch den Arbeitgeber, da sie sich in einer anderen Lebensphase befinden und somit Fragen der beruflichen Karriere in der sogenannten „rush hour“ des Lebens zwischen 25 und 45 Jahren deutlich zentraler sind als bei älteren eBm, die bereits im Ruhestand sind oder kurz vor diesem stehen. Zusätzlich sehen sie in der Reduktion der Arbeitsbelastung in Form einer Übernahme von einzelnen Aufgaben durch die Verwaltungsgemeinschaft, aber auch Stellvertreter oder Ratsmitglieder eher ein Mittel, um mehr Nachwuchs für das Amt zu gewinnen. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass für jüngere eBm die Vereinbarkeit mit dem Beruf und eine Reduktion des Arbeitsaufwands für das Ehrenamt ebenso wie eine besser technische Ausstattung der Verwaltung zentrale Punkte sind.
Des Weiteren lassen sich Effekte in Verbindung mit der familiären Situation erkennen. So sehen besonders Eltern jüngerer Kinder und jene, die die Vereinbarkeit als schwieriger einschätzen die Übernahme von Aufgaben durch andere und ein gesteigertes Verständnis durch den Arbeitgeber als zentrale Mechanismen zur Nachwuchsgewinnung. Folglich sind verschiedene Maßnahmen notwendig, um mehr potenziell Interessierte von einer Kandidatur für das Amt des eBm zu überzeugen, wobei die Kritik der aktuell in diesem Amt tätigen am stärksten im Bereich des bürokratischen Aufwands gesehen wird.
Im Rahmen der Wahlanalyse konnte bereits dargelegt werden, dass nur relativ wenige Positionen des eBm in Deutschland vakant bleiben (s. Kap. 4). Wenn auch die Konkurrenz bei den Direktwahlen nicht sonderlich hoch ist, zeigt sich doch, dass sich Interessierte zur Kandidatur bereit erklären. Auf Grundlage der oben beschriebenen Befragungsdaten, könnte sich jedoch in den nächsten Jahren die Situation ändern. Wenn die Wahlanalyse gezeigt hat, dass nur ein Drittel der Amtsinhaber nicht mehr zur Wahl antritt, deutet die Befragung darauf hin, dass etwa nur ein Drittel eine Wiederwahl anstrebt. Ein besonders relevanter Teil sind hier die noch unsicheren eBm, die eventuell überzeugt werden können. Um den Pool der potenziell Interessierten zu erweitern, konnten im Rahmen der Befragung verschiedene Maßnahmen aufgezeigt werden. Unterschiedliche unterrepräsentierte Gruppen, wie Frauen oder jüngere Personen nannten hierbei andere Präferenzen, weshalb deren Berücksichtigung eventuell auch zu einer besseren Ansprache dieser Gruppen führt und deren Unterrepräsentation im Amt des eBm reduzieren kann.

5.5.4 Hauptamtlichkeit als Alternative zum Ehrenamt

Wie bereits ausgeführt, verlangt die Position des ehrenamtlichen Bürgermeisters den Engagierten viel ab. Von dem aufzuwendenden Zeitaufwand über die steigenden bürokratischen Anforderungen bis hin zur getragenen Verantwortung übersteigt diese kommunale Spitzenposition oftmals das Ausmaß des Ehrenamts. Daher finden immer wieder Debatten statt, um die Position des ehrenamtlichen Bürgermeisters in eine hauptamtliche zu überführen. So zeigt das Beispiel des Freistaats Sachsen diese Entwicklung deutlich. Nach längeren Debatten wurde auf der landespolitischen Ebene beschlossen, dass Kommunen, die bislang ehrenamtlich verwaltet wurden, per Beschluss einen hauptamtlichen Bürgermeister einsetzen können. Dieses Optionsmodell gibt es in einer ähnlichen Form bereits in Bayern. Durch diese Regelung kann in den Kommunen je nach Bedarf und Kapazitäten eine Entscheidung getroffen werden und das Amt des Bürgermeisters eventuell attraktiver werden lassen. In Sachsen zeigte sich jedoch, dass diese Möglichkeit bislang nicht genutzt wird, da sich die Anzahl der ehrenamtlichen Bürgermeister aufgrund dieser Regelung nicht geändert hat (Stand Januar 2023).25 Es liegt also nah zu vermuten, dass es Gründe für die Beibehaltung des ehrenamtlichen Bürgermeisterpostens gibt.
Hinsichtlich der Frage der Einführung der Hauptamtlichkeit für ehrenamtliche Bürgermeister zeigen sich in den Befragungsdaten größere Varianzen, die vor allem entlang der Bundesländer deutlich werden. Insgesamt sprechen sich etwa ein Drittel der Befragten für die Hauptamtlichkeit aus. Die Spannweite zwischen den Bundesländern ist dabei jedoch sehr groß, da in Bayern 64 % der Befragten dafür sind, während in Niedersachsen der Wert nur 14 % beträgt (vgl. Abb. 5.28). Die erweiterte Befragung in Bayern macht deutlich, dass etwa ein Viertel der Befragten, die eine erneute Kandidatur nicht ausschließen, nur nach Beschluss des Gemeinderats für die Einführung der Position des Bürgermeisters im Hauptamt erneut zur Wahl anzutreten möchten. Für das Bundesland Bayern, in dem bereits die Option der Einführung der Hauptamtlichkeit im Kommunalrecht festgeschrieben ist, ist für die bereits im Ehrenamt amtierenden eBm die Einführung der Hauptamtlichkeit eine Bedingung für eine erneute Kandidatur.
Setzt man diese Daten in Bezug zu dem aufgebrachten Zeitaufwand der eBm im Wochendurchschnitt, wird für Bayern deutlich, dass dieser mit 39,5 h pro Woche am höchsten ist und auch viele eBm ihre Berufstätigkeit für das Ehrenamt aufgegeben haben. Man könnte argumentieren, dass sie quasi schon jetzt wie ein hauptamtlicher Bürgermeister tätig sind, jedoch durch die Aufwandsentschädigung statt der Besoldung weniger Geld dafür bekommen. Insgesamt zeigen die Daten, dass der Zeitaufwand der eBm, die für die Einführung der Hauptamtlichkeit sind, mit durchschnittlich 27,7 h pro Woche deutlich höher ist als derjenigen, die dagegen sind (M = 16,9 h/Woche).
Zusätzlich hat auch die Gemeindegröße einen Einfluss auf die Einschätzung dieser Frage. Je mehr Einwohner in einer Kommune leben, desto eher präferieren die eBm die Einführung der Hauptamtlichkeit. In Kommunen unter 500 Einwohnern sind nur 13 % der Befragten für die Einführung der Hauptamtlichkeit, während die Hälfte der eBm der Kommunen über 5000 Einwohnern der Meinung sind, dass Bürgermeister nicht im Ehrenamt, sondern im Hauptamt tätig sein sollten.
Frauen plädieren tendenziell eher für die Einführung der Hauptamtlichkeit (41 %) im Vergleich zu den männlichen Befragten (30 %). Neben Geschlechtereffekten können auch Zusammenhänge mit dem Alter erkannt werden. So sind jüngere eBm eher der Ansicht, dass ihre Tätigkeit im Hauptamt ausgeführt werden sollte. Die Bindung zur Kommune steht bedingt mit dieser Frage in Verbindung. Befragte, die in der Gemeinde geboren sind und dort verwandtschaftliche Verbindungen haben, sprechen sich eher für die Beibehaltung der ehrenamtlichen Position aus. Es kann davon ausgegangen werden, dass durch die enge Verbindung zur Kommune und ausgebildete Netzwerke auch eine emotionale Beziehung mit der „Heimat“ besteht. Auf dieser Basis und vor allem in Anbetracht von Debatten über Gemeindestrukturreformen zur Kostenreduzierung und Effizienzsteigerung, aber auch die Sorge vor einer vermeintlichen Fremdverwaltung durch nicht in der Gemeinde ansässige Akteure, lassen sich die Ergebnisse der engen Bindung zur Kommune und der Ablehnung der Hauptamtlichkeit verorten.
Die berufliche Situation hat nur zu einem gewissen Grad einen Einfluss. Die eBm, die eine Hauptamtlichkeit präferieren, arbeiten durchschnittlich im Hauptberuf weniger Stunden in der Woche. Gleichzeitig gaben die eBm, die ihre Arbeitszeit für das Ehrenamt als eBm reduziert haben zur Hälfte an, dass sie für die Einführung der Hauptamtlichkeit sind, während sich die andere Hälfte dafür ausspricht das Ehrenamt beizubehalten. Sogar von den Befragten, die ihre Berufstätigkeit für das Ehrenamt aufgegeben haben, sind etwa ein Drittel dafür die Position im Ehrenamt beizubehalten. Somit kann die berufliche Situation und die Reduktion der Arbeitszeit bzw. die Aufgabe der Berufstätigkeit nicht als zentraler Einflussfaktor auf die Einschätzung der Einführung der Hauptamtlichkeit gesehen werden.
Folglich ist weniger die Lebenssituation, sondern sind eher persönliche Merkmale sowie die Größe der Kommune und das Bundesland Einflussfaktoren auf die Meinung bzgl. der Einführung der Hauptamtlichkeit.
Als Argumente führen jene, die für die Einführung der Hauptamtlichkeit sind, hauptsächlich an, dass komplexer werdende Verwaltungsaufgaben dies notwendig machen würde (85 %). Die Steigerung der Attraktivität des Amtes durch eine bessere Bezahlung sehen 64 % dieser Gruppe als Grund an. Zusätzlich merkten die Befragten an, dass die Doppelbelastung durch den Beruf und die zu hohe Belastung fürs Ehrenamt weitere Argumente sind, die jedoch seltener genannt wurden. Befürworter des Beibehaltens der Position des ehrenamtlichen Bürgermeisters führen das zentrale Argument der zu hohen Kosten für die Gemeinde an (82 %). Die Gefahr, dass durch die Hauptamtlichkeit ehrenamtliche Strukturen verdrängt werden könnten, nennen 61 %. Eine fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung wird von einer kleineren Gruppe als Argument herangezogen (35 %). In der Frage der Einführung der Hauptamtlichkeit treffen somit unterschiedliche Perspektiven aufeinander: Die Befürworter sehen eine gegebene Notwendigkeit aufgrund der Komplexität der Verwaltungsaufgaben, während die Kritiker mit einer entstehenden finanziellen Mehrbelastung der Kommune argumentieren.
Zusammenfassend lässt sich kein Trend in Richtung Hauptamtlichkeit identifizieren. Wenn auch einzelne Kommunen perspektivisch hauptamtliche Bürgermeister einsetzen, wird dies kein flächendeckendes Phänomen werden. Ehrenamtliche Bürgermeister werden vermutlich auch in Zukunft dominant sein trotz einer hohen Arbeitsbelastung, viel Verantwortung und steigendem bürokratischem Aufwand.
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Fußnoten
1
Auf bundeslandspezifische Auswertungen für Baden-Württemberg wird im Folgenden verzichtet, da die absolute Zahl der Befragten zu gering und daher Rückschlüsse wenig aussagekräftig sind.
 
2
Die erhobenen Daten wurden von Hans-Peter Mayer (Bayerischer Gemeindetag) in der Verbandszeitschrift des Bayerischen Gemeindetags analysiert. Die Publikation ist online verfügbar.
 
3
Die rechtlichen Regelungen sind hier unterschiedlich, da der eBm in manchen Bundesländern den Hauptwohnsitzt in der Kommune haben muss, während es in anderen fakultativ ist (vgl. Kap. 2).
 
4
Die Wochenarbeitszeit in Vollzeit kann je nach Branche und Tarif variieren. So gilt beispielsweise in Tarifverträgen in der Metall- und Elektroindustrie betreut durch die IG Metall eine Regelung von 35 h pro Woche als Vollzeiterwerbstätigkeit. Dies konnte in der Umfrage nicht umfassend abgebildet werden, weshalb die durchschnittliche Arbeitszeit im Hauptberuf in Stunden pro Woche als Referenz gewertet wird.
 
5
46 eBm (3 %) gaben an, Mitglied einer Partei und gleichzeitig einer Wählergruppe zu sein. Dies kann zutreffen, wenn sie von beiden Gruppierungen zur Bürgermeisterwahl nominiert wurden, was in einigen Bundesländern möglich ist. Diese Fälle werden aber im Weiteren nicht berücksichtigt.
 
6
In einer offenen Fragekategorie konnten Mitgliedschaften in Parteien oder Wählervereinigungen angegeben werden, die später codiert wurden. Dies ergab 82 gültige Antworten, die die Grundlage der Auswertung in Abbildung 17 bilden. Dabei wurde darauf geachtet möglichst trennscharf zwischen lokalen Wählergemeinschaften und Organisationen mit Parteicharakter zu unterscheiden.
 
7
Hinweise zum Lesen eines Boxplots: Der Boxplot zeigt das Minimum, das untere Quartil, den Median, das obere Quartil sowie das Maximum. Das Minimum bildet den niedrigsten und das Maximum den höchsten gemessenen Wert ab – also in diesem Fall den durchschnittlichen Zeitaufwand der eBm nach Bundesland. Hinzu kommen Ausreißer, die die durch Punkte dargestellt werden. Der Median wird hier durch einen waagrechten Strich in der Box abgebildet und zeigt genau die Mitte der Daten an und teilt diese in zwei Abschnitte. Die Box zeigt die mittleren 50 % der Werte an und ist in jeweils zwei gleich große Teile unterteilt: das untere und obere Quartil. Somit ist zwischen dem in der Klammer dargestellten Minimum und dem unteren Teil der Box 25 % der Werte dargestellt, bis zum Median 50 %, bis zum oberen Ende der Box 75 % und bis zur anderen Klammer mit dem Maximum 100 %. Somit lässt sich die Verteilung der Werte visualisieren: Sind die Klammern weit auseinander oder die Box größer, streuen die Werte stärker um den Median.
 
8
Dazu wurde eine Skala von 1 „geringe Bedeutung“ bis 4 „größte Bedeutung“ verwendet, zusätzlich konnten die Befragten die Option „Keine Aufgabe des Bürgermeisters“ auswählen.
 
9
Dazu wurde ausgehend von allen Aufgaben sukzessive vier Aufgaben aus der Analyse eliminiert, da sie zu wenig zur Gesamtaussage des Modells beitrugen (Repräsentation nach Außen, neue Projekte in der Gemeinde fördern, Förderanträge stellen und Selbstständigkeit der Gemeinde wahren). Die Variablen wurden standardisiert.
 
10
Die Kategorien reichten von 1 „trifft gar nicht zu“ bis 4 „trifft völlig zu“, zusätzlich wurde die Kategorie „keine Aussage möglich“ angeboten, die aber bei den folgenden Auswertungen nicht berücksichtigt wurde.
 
11
Zusammenfassung der Kategorien „trifft eher zu“ und „trifft völlig zu“.
 
12
Hoher Kommunikationsaufwand, fehlende Unterstützung und Kompetenzgerangel.
 
13
Um die interne Konsistenz zu bestimmen, wurde Cronbachs Alpha für die Skala Verwaltungszusammenarbeit (insgesamt acht Aussagen) berechnet. Die interne Konsistenz war hoch, mit Cronbachs Alpha = 0,83 für eine positive Bewertung der Zusammenarbeit.
 
14
Die Kategorien reichten von 1 „trifft gar nicht zu“ bis 4 „trifft völlig zu“.
 
15
Vorentscheidungen in Fraktionen und politischer Konflikt im Rat.
 
16
Um die interne Konsistenz zu bestimmen, wurde Cronbachs Alpha zunächst für die vier Aussagen berechnet. Um die Reliabilität zu steigern, wurde das Item zur „Vorentscheidung Fraktionen“ weggelassen. Die interne Konsistenz war dann mit Cronbachs Alpha = 0,67 für konkordante Bewertung akzeptabel.
 
17
Um die interne Konsistenz zu bestimmen, wurde Cronbachs Alpha für sieben Aussagen berechnet. Die interne Konsistenz war mit Cronbachs Alpha = 0,61 für konkordante Bewertung akzeptabel.
 
18
Mittelwert von 1 „überhaupt nicht“ zu 4 „sehr stark“.
 
19
Um die interne Konsistenz zu bestimmen, wurde Cronbachs Alpha für sieben Aussagen berechnet. Die interne Konsistenz war mit Cronbachs Alpha = 0,70 für das Ausmaß der Belastungen gut.
 
20
Die Kategorien reichten von 1 „trifft gar nicht zu“ bis 4 „trifft völlig zu“.
 
21
Hoher Kommunikationsaufwand, fehlende Unterstützung und Kompetenzgerangel.
 
22
Um die interne Konsistenz zu bestimmen, wurde Cronbachs Alpha für die Skala (insgesamt fünf Aussagen) berechnet. Die interne Konsistenz war akzeptabel, mit Cronbachs Alpha = 0,68 für eine hohe Zufriedenheit im Amt.
 
23
Alle Variablen sind aufgrund der Methode der Skalenbildung metrisch skaliert. Weitere Randbedingungen der multiplen linearen Regression wurden geprüft und es gab keine Auffälligkeiten. Die Prädiktoren sagen statistisch signifikant das Kriterium Zufriedenheit im Amt voraus, F(4, 1445) = 199,6, p < 0,001. Das Modell hat mit R-Quadrat von ,249 (korrigiertes r-Quadrat ,247) eine gute mittlere Varianzaufklärung.
 
24
Mittelwert, von 1 „trifft gar nicht zu“ bis 4 „trifft völlig zu“.
 
25
Die Anzahl der eBm in Sachsen hat sich von 125 (Stand September 2021) auf 124 (Stand Juli 2023) reduziert, jedoch aufgrund einer Gemeindefusion zwischen dem zuvor ehrenamtlich verwalteten mittelsächsischen Zschaitz-Ottewig und Ostrau, wo zuvor bereits ein hauptamtlicher Bürgermeister tätig war, zur Gemeinde Jahnatal (vgl. Sächsische.de, 03.01.2023, verfügbar unter: https://​www.​saechsische.​de/​doebeln/​lokales/​jahnatal-ostrau-zschaitz-personaldokumete​-zulassung-adresse-5802679-plus.​html (zuletzt abgerufen: 03.07.2023)).
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Sozialprofil, Amtsführung und Problemlagen
verfasst von
Jörg Bogumil
David H. Gehne
Louisa Anna Süß
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-43894-4_5

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