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28.01.2014 | Automobil + Motoren | Nachricht | Online-Artikel

Neue Formel-1-Saison, neues Reglement, neuer Silberpfeil

verfasst von: Katrin Pudenz

10:30 Min. Lesedauer

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Mit dem F1 W05 gehen Nico Rosberg und Lewis Hamilton in der bevorstehenden Formel-1-Saison 2014 an den Start. Am heutigen Dienstag, 28. Januar 2014, präsentierte das Mercedes-AMG-Petronas-F1-Team den neuen Silberpfeil, der erste komplett neue seit der Saison 1954, wie verraten wird, auf dem Circuito de Jerez in Südspanien. Das Jahr 2014 ist zudem für den Rennstall ein besonderes: Mercedes-Benz feiert 120 Jahre Motorsport sowie das 80-jährige Bestehen der Silberpfeile.

Darüber hinaus stellt die kommende Saison 2014 den größten Reglementumbruch in der Geschichte der Formel 1 dar. Der F1 W05 wurde entworfen, um die Herausforderungen dieser technischen Revolution zu bestehen, wie die Experten des Werksteams erläutern: Die ersten technischen Diskussionen über das Reglement und potenzielle Lösungen fanden bereits Ende des Jahres 2010 zwischen den Teams in Brackley und Brixworth statt. Seit Mitte 2011 die Regeln für die neuen V6 Hybrid Power Units veröffentlicht wurden, schlug Mercedes-Benz bei jeder wichtigen Leistungsentscheidung den Weg eines vollständig integrierten Konzepts ein. Die Einführung einer Beschränkung der Kraftstoffmenge auf 100 kg pro Rennen in Kombination mit einem maximalen Benzindurchfluss von 100 kg/h stellten die Ingenieure vor die Aufgabe, mit einer Reihe an neuartigen Techniken eine Steigerung der Effizienz um mehr als 30 Prozent zu erzielen. Die Ergebnisse ihrer Entwicklungsarbeiten sind der neue F1 W05 sowie die neue PU106A Hybrid Power Unit. Der neue Silberpfeil, wie das Team berichtet, erzeugt somit aus jeder verbrauchten Einheit Benzin über ein Drittel mehr Leistung als sein Vorgänger.

Einflüsse durch Regeländerungen

Toto Wolff, Executive Director (Business) von Mercedes AMG Petronas und Mercedes-Benz Motorsportchef, sagte: "Es ist stets aufregend, ein neues Auto zum ersten Mal zu enthüllen, aber umso mehr zu Beginn dieser bedeutsamen Saison 2014. Unser neuer Silberpfeil ist das Ergebnis eines zielgerichteten, integrierten Konzepts unserer beiden Technikmannschaften." Wolff fügte hinzu: "Dieses Auto ist das Endergebnis mehrerer Jahre intensiver Arbeit, aber uns ist klar, dass es erst der Anfang dieses Abenteuers ist. Vor uns liegen eine anstrengende Wintertestphase und eine lange Saison, in der sowohl die Performance als auch die Zuverlässigkeit entscheidend sein werden."

"In der Saison 2014 erleben wir wahrscheinlich die größten Regeländerungen in der Geschichte der Formel 1 und den Beginn einer neuen Ära", betonte Executive Director (Technical) Paddy Lowe. "Aus technischer und auch sportlicher Sicht ist dies eine unglaublich spannende Zeit für die Formel 1. Wir führen neue Technologien ein, die nicht nur im Rennsport, sondern auch in der weiten Welt der Automobilindustrie neu sind. Der Grundgedanke ist die Steigerung der Effizienz und die Tatsache, dass wir Rennen mit fortgeschrittenen Hybrid-Systemen bestreiten, die nur 100 kg Benzin verbrauchen, verbreitet ein großartiges Bild von der in der Formel 1 entwickelten Technik. Es geht aber auch um die Technik, die Mercedes-Benz im Vergleich zu unseren Wettbewerbern entwickeln kann - sowohl auf Seiten des Chassis, als auch auf Seiten der neuen Power Unit." Abschließend sagte er, dass das gesamte Team bei der Planung und Umsetzung des Projekts fantastische Arbeit geleistet habe: "Wir haben unsere gesetzten Meilensteine und Ziele erreicht, aber wir werden wie immer erst erfahren, wie erfolgreich unsere Arbeit war, wenn wir unter ernsthaften Bedingungen auf der Strecke fahren. (…) Bis zum ersten Rennen in sechs Wochen liegt noch viel Arbeit vor uns."

PU106A Hybrid Power Unit

Der F1 W05 wird von der neuen PU106A Hybrid Power Unit angetrieben. Der Verbrennungsmotor im Herzen der neuen Power Unit besitzt eine 1,6 Liter V6-Konfiguration mit einer maximalen Drehzahl von 15.000/min, nennt das Team Details. Um eine hohe Leistungsabgabe und Effizienz des Verbrennungsmotors zu erreichen, wurde ein Aufladungssystem eingeführt: ein einstufiger Turbolader und Kompressor.

Paddy Lowe erklärt zum neuen Antriebstrang: "Die Power Unit (PU) hat eine gänzlich andere Form und komplett andere Anforderungen als ihr Vorgänger. Es ist die größte Veränderung in der Formel 1 seit vielen Jahren. Es müssen viel mehr Komponenten gekühlt werden - mehr Hybrid-Systeme sowie der Ladeluftkühler des Turboladers. Beides wirkt sich auf die Kompaktheit des Autos sowie dessen Aerodynamik aus. Eine weitere Herausforderung ist das Gewicht. Obwohl das Mindestgewicht auf 691 kg angehoben wurde, ist dies viel schwieriger zu erreichen als im vergangenen Jahr. Der Grund dafür sind die zusätzlichen Komponenten in der Power Unit und die damit verbundenen Systeme, die erhöhten Kühlungsanforderungen und die neuen, stärkeren Seitenaufprallstrukturen, die von der FIA vorgeschrieben wurden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die thermische Herausforderung. Durch die Einführung eines Turboladers wird der Umgang mit der Hitze rund um das Auspuffsystem sowohl mit Blick auf die Fahrzeugintegrität als auch die Performance entscheidend. Wenn es gelingt, Verluste zwischen dem Motorblock und dem Turbo zu minimieren, kann diese Energie wiedergewonnen und für die Fahrzeugperformance genutzt werden. Die große Herausforderung sind die Isolierung und der Umgang mit der Hitze, und zwar sowohl aus Integritäts- als auch Performancegründen."

Lesen Sie mehr zum neuen Silberpfeil auf Seite 2.

Neuer Energierückgewinnung

Das neue Hybrid-Energie-Rückgewinnungssystem (ERS) ist eine zehnmal größere Herausforderung als sein Vorgänger Kers, wie die Experten betonen. Es beinhaltet elektrische Motoren, die sowohl kinetische als auch Abwärme-Energie verarbeiten können, wird erläutert. Dieses Hybrid-System sei wesentlich für die Fahrzeugperformance verantwortlich und stelle einen erheblichen Fortschritt bei der Systemleistung und Haltbarkeit dar. Jeder Fahrer darf pro Saison nur fünf Power Units straffrei einsetzen.


"Im Vergleich zu den bisherigen Kers-Systemen steht uns die doppelte Menge an kinetischer Energie zur Verfügung, die wir an der Hinterachse zurückgewinnen dürfen", erklärt Lowe weiter. "Das bedeutet, dass die Belastung der hinteren Bremsen und damit die erzeugte Hitze viel geringer sein werden. Die Energie wird durch automatische Systeme zurückgewonnen. Um eine fahrbare Bremsbalance zu erhalten, dürfen die Hinterradbremsen elektronisch kontrolliert werden. Hierzu haben wir ein Brake-by-Wire-System für die Hinterräder entwickelt. Sobald der Fahrer auf das Pedal tritt, steuert das System gemeinsam den hinteren Bremskreislauf und die Anforderungen der Energierückgewinnung. Auf diese Weise erfüllen die gesamte Bremskraft an der Hinterachse und die Bremsbalance von Vorder- zu Hinterachse die Anforderungen des Fahrers. Der wichtigste Faktor bei einem Brake-by-Wire-System ist das Fehlermanagement. Es ist ein sicherheitsrelevantes System und ein Großteil unserer Arbeit konzentrierte sich darauf, eine funktionierende Ausfallkontrolle zu gewährleisten."

Neue Fluidtechnik

Als das Lebens-Elixier der neuen Power Unit bezeichnet das Team die Fluidtechnik von Petronas. Techniker des malaysischen Mineralölkonzerns entwickelten Molekül für Molekül ein neues Benzin und Schmierstoffe, um den Herausforderungen für die 2014er Power Units zu begegnen, wird weiter berichtet. In diesem Jahr stelle die Benzin-Energiedichte einen der entscheidenden Leistungsparamater dar. Eine Effizienzsteigerung sei nun erstmals in der Geschichte der Formel 1 gleichbedeutend mit einer Performance-Steigerung. Der Beitrag von Petronas zur Bereitstellung von Fluidtechnik-Lösungen war unverzichtbar bei der Entwicklung der 2014er Power Unit, wird betont. Noch nie zuvor in der Geschichte der Formel 1 seien eine Power Unit und deren Benzin sowie Schmierstoffe in so enger Zusammenarbeit entwickelt worden.

Andy Cowell, Geschäftsführer von Mercedes AMG High Performance Powertrains in Brixworth, erklärte, dass die Steuergrößen jetzt der maximale Benzindurchfluss und die beschränkte Rennspritmenge seien. "Die grundsätzliche Frage lautet nun: Wie können wir die 100 kg an Benzin-Energie bestmöglich in mechanische Energie umwandeln? Diese Herausforderung hat uns dazu angetrieben, mit der unschätzbaren Unterstützung unserer Kollegen aus der Forschungs- und Entwicklungsabteilung in Stuttgart neue Spitzentechnologien zu entwickeln – sowohl im Verbrennungsmotor als auch beim ERS Hybrid-System. Dadurch können wir 30 Prozent mehr Leistung pro Benzin-Einheit erzielen, als dies noch beim V8-Motor der Fall gewesen ist. Das war bislang eine aufregende, aber lohnenswerte Herausforderung, die von einem starken Wettbewerbsgedanken und einem gemeinsamen Ziel geprägt wurde: Einen siegreichen Silberpfeil zu bauen. Der härteste Teil der Arbeit liegt zweifelsohne aber noch vor uns. Wir werden mit beiden Beinen fest auf dem Boden bleiben und unser Wintertestprogramm systematisch durcharbeiten, um in Melbourne so gut wie möglich vorbereitet zu sein."

Chassisintegration

Zudem wurde die Power Unit für eine optimale Integration in das Chassis des F1 W05 konstruiert. Das neue Auto ist das Ergebnis einer Entwicklungs-Philosophie, deren Ziel es war, die Platzierung neuer Systeme im Fahrzeug, etwa wegen des erhöhten Kühlungsbedarfs der Power Unit, zu optimieren und dadurch sicherzustellen, dass die Aerodynamik-Abteilung größtmögliche Freiheiten erhielt, um auf die einschneidenden Regeländerungen zu reagieren, beschreibt das Team seinen Ansatz. Im Vergleich zu 2013 schreibt das Reglement einen schmaleren Frontflügel, den Verlust des niedrigeren Heckflügels sowie eine Verkleinerung des oberen Flügels und einen zentralen Auspuff vor, der das "Exhaust Blowing" verhindert, das in den vergangenen drei Saisons zur Performance des Autos beitrug. Jede Komponente sei geprüft und neu entworfen worden, um so nah wie möglich an das Mindestgewicht von 691 kg heranzukommen. Entstanden sei ein sehr kompaktes Fahrzeug.

"Die aerodynamischen Veränderungen sind wahrscheinlich genauso einschneidend wie die Änderungen zu Beginn der Saison 2009", berichtet Paddy Lowe. "Im Wesentlichen gibt es drei Hauptelemente. Zunächst wurde der Frontflügel verschmälert – das hat einen wesentlichen Einfluss auf das Strömungsfeld des Autos, dessen erster Bestimmungspunkt der Luftfluss hinter dem Frontflügel ist. Der zweite Punkt ist der Verlust des „Exhaust Blowings“ am Heck des Autos, das in den vergangenen drei Jahren einen sehr großen Einfluss auf die Fahrzeugperformance hatte. Es war eine große Herausforderung, die gleiche Fahrbarkeit, die beim Beschleunigen am Kurvenausgang sehr stark war, mit nur einem zentralen Auspuffauslass zu erzielen. Schlussendlich wurde auch der Heckflügel verändert: Der untere Heckflügel wurde entfernt und die „Legalitäts-Box“ für den oberen Heckflügel um 10 Prozent von 220 mm auf 200 mm verkleinert. Bislang funktionierten der Unterboden sowie der untere und obere Heckflügel am Heck des Autos als ein Ganzes. Das hat sich nun geändert und stellt uns vor eine neue Aufgabe. Allgemein betrachtet müssen wir ungefähr den gleichen Flügeltyp einsetzen, den wir bisher bei einer Konfiguration mit wenig Luftwiderstand wie in Spa gefahren hätten. Dies führt zu geringeren Kurvengeschwindigkeiten, aber auch zu höheren Geschwindigkeiten auf den Geraden."

Lesen Sie mehr zum neuen Silberpfeil auf Seite 3.

Mercedes AMG Petronas F1 W05 - Technische Daten

Fahrwerk
Bauart Kohlefaser und Waben-Kompositstruktur
KarosserieKohlefaser, inklusive Motorabdeckung, Seitenkästen, Unterboden, Nase, Frontflügel und Heckflügel
Cockpit Entfernbarer Fahrersitz aus anatomisch geformter Kohlefaser, Sabelt Sechs-Punkt-Sicherheitsgurt, HANS-System
Sicherheitsstrukturen Cockpit-Überlebenszelle mit Aufprall- und Eindringungsschutz, vordere Crash-Struktur, vorgeschriebene seitliche Crash-Strukturen, integrierte hintere Crash-Struktur, Überrollbügel vorne und hinten
VorderradaufhängungKohlefaser-Querlenker und Torsionsfedern (Schubstreben) und Kipphebel
HinterradaufhängungKohlefaser-Querlenker und Torsionsfedern (Zugstreben) und Kipphebel
DämpferPenske
RäderAdvanti geschmiedetes Magnesium
ReifenPirelli
BremssystemCarbon / Carbon Bremsscheiben und -Beläge mit „brake-by-wire“ hinten
BremszangenBrembo
LenkungServounterstützte Zahnstange und Getriebeanordnung
LenkradKohlefaserkonstruktion
ElektronikECU nach FIA-Standard, Elektrosystem und Elektrik mit FIA-Zulassung
AusstattungMcLaren Electronic Systems (MES)
BenzinsystemATL mit Kevlar verstärkte Gummiblase
SchmierstoffePetronas
Getriebe
GetriebeAcht Vorwärtsgänge, ein Rückwärtsgang, Kohlefaser-Getriebegehäuse
SchaltungSequenzielle Halbautomatik mit hydraulischer Aktivierung
KupplungCarbonplatte
Abmessungen
Gesamtlänge
Gesamtbreite
Gesamthöhe
Gesamtgewicht
4800mm
1800mm
950mm
691 kg
Mercedes-Benz PU106A Hybrid - Technische Daten
Power Unit Spezifikation
TypMercedes-Benz PU106A Hybrid
Mindestgewicht145 kg
Umfang der Power Unit Verbrennungsmotor (ICE)
Motor-Generator-Einheit - Kinetisch (MGU-K)
Motor-Generator-Einheit - Hitze (MGU-H)
Energiespeicher (ES)
Turbolader (TC)
Kontroll-Elektronik (CE)
Power Unit Zuteilung:Fünf Power Units pro Fahrer und Saison
Verbrennungsmotor
Hubraum1,6 Liter
ZylinderSechs
Zylinderbankwinkel90°
Anzahl Ventile24
Max. Drehzahl ICE15.000/min
Max. Benzindurchfluss100 kg/h (über 10.500/min)
BenzineinspritzungHochdruck-Direkteinspritzung (max. 500 bar, eine Einspritzdüse/Zylinder)
Aufladungeinstufiger Kompressor und Abgasturbine an einer gemeinsamen Welle
Max. Drehzahl Abgasturbine125.000/min
Energierückgewinnungssystem
Bauart Integrierte Hybrid Energierückgewinnung mittels einer elektrischen Motor-Generator-Einheit
EnergiespeicherLithium-Ionen Batterie-Lösung, zwischen 20 und 25 kg
Max. Energiespeicher/Runde4 MJ
Max. Drehzahl MGU-K50.000/min
Max. Leistung MGU-K120 kW (161 PS)
Max. Energierückgewinnung/Runde MGU-K2 MJ
Max. Energieabgabe/Runde MGU-K4 MJ (33,3 Sek. bei voller Leistung)
Max. Drehzahl MGU-Lithium-Ionen Batterie-Lösung, zwischen 20 und 25 kgH125.000/min
Max. Leistung MGU-Hunbegrenzt
Max. Energierückgewinnung/Runde MGU-Hunbegrenzt
Max. Energieabgabe/Runde MGU-Hunbegrenzt
Schmiermittel
KraftstoffPetronas Primax
SchmierstoffePetronas Syntium


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