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24.03.2015 | Nutzfahrzeuge | Schwerpunkt | Online-Artikel

Neue EU-Vorschriften für Lkw

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

4 Min. Lesedauer

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Das Europäische Parlament hat kürzlich für sparsame, sichere und klimafreundliche Lkw gestimmt. Ein Überblick der Maßnahmen.

Die Modernisierung der Vorschriften der Europäischen Union (EU) für schwere Nutzfahrzeuge soll es den Herstellern ermöglichen, aerodynamischere Lkw zu entwickeln, mit denen der Kraftstoffverbrauch um sieben bis zehn Prozent reduziert, der Ausstoß von Treibhausgasen eingedämmt und die Straßenverkehrssicherheit verbessert werden kann.

Besonders im Fokus steht dabei die Form der Fahrzeuge und damit die Verkehrssicherheit. Laut Angaben der Europäischen Kommission könne die aktuelle Ziegelsteinform des Vorderteils des Fahrerhauses im Vergleich zu anderen Bauformen bei Zusammenstößen zu schweren Verletzungen führen. Zudem ist das Sichtfeld des Fahrers kleiner. Dies sei besonders für Radfahrer und Fußgänger an Kreuzungen gefährlich. Durch eine abgerundetere Form vergrößere sich das Sichtfeld des Fahrers, und im Falle eines Zusammenstoßes bei geringer Geschwindigkeit - in der Regel im innerstädtischen Verkehr - verringert sich die Gefahr einer ernsthaften Verletzung.

Verbesserte Aerodynamik soll Kraftstoffverbrauch senken

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Ein weiterer Faktor ist die Aerodynamik. Der Verkehrssektor in der EU ist, was seinen Energiebedarf angeht, zu etwa 96 Prozent von Erdöl beziehungsweise Erdölprodukten abhängig. Die verbesserte Aerodynamik der Fahrzeuge soll den Kraftstoffverbrauch im Lkw-Fernverkehr um sieben bis zehn Prozent senken, so die EU. Bei einem im Fernverkehr eingesetzten Lkw, der jährlich durchschnittlich 100.000 Kilometer zurücklegt, bedeute dies für die Verkehrsunternehmen Einsparungen von rund 5000 Euro pro Jahr. Mautpflichtige schwere Nutzfahrzeuge legten laut Bundesamt für Güterverkehr im Jahr 2014 rund 28 Milliarden Kilometer auf dem gebührenpflichtigen Streckennetz in Deutschland zurück.

Aerodynamikmaßnahmen versprechen ein hohes Potenzial. Denn der Luftwiderstand macht 40 Prozent der Fahrwiderstände bei 85 km/h aus, erklärt Christian Wiehen, Chief Technology Officer des Zulieferers Wabco, im Interview mit der ATZ. Nutzfahrzeughersteller wie zum Beispiel MAN berichteten, so Wiehen, dass mit strömungsgünstigen Sattelzügen sogar 25 Prozent Verbrauchsreduzierung möglich seien. Wabco will zum Beispiel mit einem neuartigen "Tragflügel" am Lkw-Auflieger bis zu 1,5 l Dieselkraftstoff auf 100 km Fahrstrecke einsparen, wenn ein Sattelzug auf der Autobahn unterwegs ist.

Überladene Lkw kosten 950 Millionen Euro pro Jahr

Neben Verkehrssicherheit und Aerodynamik will die EU auch bei der Elektronik ansetzen. Bis zu einem Drittel aller kontrollierten Fahrzeuge seien überladen, was zu Straßenschäden führe und die Sicherheit beeinträchtige. Fahrzeugseitige, mit dem digitalen Fahrtenschreiber verbundene Wiegesysteme und Messstellen an den Hauptstraßen, die die Fahrzeuge während der Fahrt wiegen, sollen länderübergreifend einheitlichere Kontrollen ermöglichen. Die Überladung von Lastkraftwagen kostet den Steuerzahler schätzungsweise 950 Millionen Euro pro Jahr, gibt die EU an.

Darüber hinaus dürfen nach den Vorschriften Lastkraftwagen, die hauptsächlich im Stadtverkehr eingesetzt werden, und Busse zusätzliches Gewicht aufweisen, wenn dieses aufgrund schwererer Batterien für alternative Antriebssysteme (Hybrid-, Elektro-Antriebe) erforderlich ist. Das Ladevermögen der Lkw dagegen bleibe unverändert.

Aktuelle Regelung fast 20 Jahre alt

Die derzeit geltenden Vorschriften mit Spezifikationen für schwere Nutzfahrzeuge stammen aus dem Jahr 1996. Die EU-Kommission hatte 2013 vorgeschlagen, sie zu aktualisieren. In den nächsten Wochen stimmt auch der Rat der Europäischen Union über die EU-Vorschrift ab. Wenn sie zustimmen, könnten Unternehmen voraussichtlich ab 2018 aerodynamische Luftleiteinrichtungen und ab 2020 umweltfreundliche Führerhäuser auf den Markt bringen.

"Die heutige endgültige Zustimmung des Europäischen Parlaments ist ein wichtiger Erfolg und bringt uns unserem Ziel einen Schritt näher, die Sicherheit der Lkw auf unseren Straßen zu erhöhen", sagte EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc. "Der Vorschlag trägt dazu bei, die Emissionen und die Zahl der Todesopfer auf unseren Straßen zu senken, und wird die Kraftstoffkosten für die Verkehrsunternehmen verringern."

Gigaliner-Debatte

Um die Effizienz im Straßengüterverkehr zu erhöhen, sind auch seit Längerem sogenannte Lang-Lkw oder Gigaliner im Gespräch. Um die Chancen und Risiken von Lang-Lkw aufzuzeigen, führt die Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast) im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums gerade einen Feldversuch mit den bis zu 25,25 Meter langen und bis zu 44 Tonnen schweren Lastwagen durch. In einem Zwischenbericht spricht die Bast davon, dass Lang-Lkw im realen Einsatz bis zu 25 Prozent Kraftstoff und CO2 je transportierter Tonne einsparen könnten. Der Feldversuch läuft seit Januar 2012 und wird insgesamt fünf Jahre andauern. In folgenden Bundesländern fahren zur Zeit Lang-Lkw: Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Hessen, Thüringen, Sachsen und Bayern. Gerade haben der Autobauer Daimler und der Verband der Automobilindustrie (VDA) die Teilnahme Baden-Württembergs am Feldversuch begrüßt.

Allerdings sind die Gigaliner umstritten. Hauptargument vieler Verkehrsfachleute: Die Riesen-Lkw könnten eine Rückverlagerung des Güterverkehrs von der Schiene auf die Straße auslösen - und damit negative Umwelteffekte haben.

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