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2008 | Buch

Staatliche Parteienfinanzierung und politischer Wettbewerb

Die Entwicklung der Finanzierungsregimes in Deutschland, Schweden, Großbritannien und Frankreich

verfasst von: Michael Koß

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einleitung: Staatliche Parteienfinanzierung und die Konvergenz von Parteienfinanzierungsregimes

1. Einleitung: Staatliche Parteienfinanzierung und die Konvergenz von Parteienfinanzierungsregimes
Auszug
Der Prozessbevollmächtigte der Deutschen Friedensunion und des Bundes der Deutschen, Heinrich Hannover, konnte gar nicht wissen, wie Recht er haben sollte, als er 1968 vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) diesen gewagten Vergleich anstellte. Eigentlich war es Hannover nur darum gegangen, für die von ihm vertretenen Kleinparteien zu erreichen, dass die Zugangshürde für die staatliche Parteienfinanzierung in der Bundesrepublik abgesenkt würde. Damit sollte er schließlich auch Erfolg haben. Ganz nebenbei jedoch sagte Hannover den bemerkenswerten Siegeszug der staatlichen Parteienfinanzierung voraus, der 1968 noch keineswegs abzusehen war. Zu diesem Zeitpunkt verfügten neben Deutschland lediglich Länder wie Schweden, Uruguay (wo 1954 erstmals direkte staatliche Zuwendungen an Parteien eingeführt wurden) und Costa Rica über eine staatliche Parteienfinanzierung.

Konzeptionelle Grundlagen

2. Die vergleichende Analyse von Parteienfinanzierungregimes
Auszug
Wie können Parteienfinanzierungsregimes vergleichend analysiert werden? Diese Frage steht im Mittelpunkt des folgenden Kapitels. Zunächst sollen dazu der Begriff des Parteienfinanzierungsregimes sowie die verschiedenen Einnahmearten von Parteien (staatliche, private und illegale Mittel) näher erläutert werden (Kapitel 2.1). Aus dem Verhältnis der verschiedenen Einnahmearten zueinander ergibt sich auch die Auswahl der Vergleichs fälle. Dieser Zugang, der eine kleine Zahl von Fällen primär über die Unterschiede zwischen Parteienfinanzierungsregimes, also die abhängige Variable, auswählt und qualitativ zu vergleichen sucht, soll in den sich anschließenden methodologischen Ausführungen thematisiert werden (Kapitel 2.2). Den Abschluss des Kapitels bildet ein Ausblick auf den häufig postulierten, doch kaum beweisbaren Zusammenhang zwischen dem Wandel von Parteienfinanzierungsregimes und Parteiensystemen (Kapitel 2.3).
3. Die Einführung einer staatlichen Parteienfinanzierung aus der Perspektive des neuen Institutionalismus
Auszug
Im Folgenden gilt es, den soeben beleuchteten konzeptionellen Problemen vieler Thesen über die staatliche Parteienfinanzierung, die aus deren Theorieferne resultieren, zu entgehen. Deshalb wird nun zunächst die Perspektive des neuen Institutionalismus dazu verwendet, die (wenigen) bereits existierenden Erklärungsversuche für die Einführung bzw. Reform der staatlichen Parteienfinanzierung zu gliedern. Gleichzeitig soll so auch ein Überblick über die Debatte um den neuen Institutionalismus sowie die Vor- und Nachteile der drei wichtigsten neoinstitutionalistischen Ansätze gegeben werden. Auf diese Weise bildet dieser zweite Literaturüberblick in zweierlei Hinsicht die Folie, vor der dann im nächsten Kapitel die Hypothesen dieser Arbeit entwickelt werden sollen.
4. Die Hypothesen: Der Konsens der Parteien und seine Operationalisierung
Auszug
In diesem Kapitel geht es darum, die Hypothesen vorzustellen, die im dritten Teil der Untersuchung überprüft werden sollen. Zunächst gehe ich auf den Zusammenhang zwischen einem Konsens der Parteien und der Einführung bzw. Reform der staatlichen Parteienfinanzierung ein (Kapitel 4.1). Die Einführung bzw. Reform der staatlichen Parteienfinanzierung stellt einen so grundlegenden Eingriff in den politischen Wettbewerb dar, dass dafür die Zustimmung aller relevanten Parteien benötigt wird. Dann gilt es, die Hypothese vom Konsens der Parteien als notwendiger Bedingung für die Reform der staatlichen Parteienfinanzierung zu operationalisieren, anders formuliert: diejenigen hinreichenden Bedingungen herauszuarbeiten, die gegeben sein müssen, damit die Parteien einen Konsens über ihre Finanzierung erzielen können (Kapitel 4.2). Dazu werden auf der Grundlage des akteurzentrierten Institutionalismus die institutionellen Entscheidungspunkte, die Ziele der Parteien und die Diskurse über die Korruption in der Politik als unabhängige Variablen herangezogen.
5. Zwischenfazit: Institutionelle Entscheidungspunkte, Ziele von Parteien, Korruptionsdiskurse und der Vergleich von Parteienfinanzierungsregimes
Auszug
Nachdem nun die Variablen, die den Konsens der Parteien und damit auch die staatliche Parteienfinanzierung erklären sollen, vorgestellt worden sind, werden im Folgenden diejenigen Erkenntnisse des konzeptionellen Teils der Arbeit zusammengefasst, die für den Fortgang der Untersuchung von zentraler Bedeutung sind. Das Augenmerk richtet sich dabei vor allem auf zwei Aspekte: Zunächst werde ich den Zusammenhang zwischen den unabhängigen Variablen, also die konkreten Konstellationen von Institutionen, Zielen der Parteien und Korruptionsdiskursen, die potenziell zu einer Reform der staatlichen Parteienfinanzierung führen, näher beleuchten (Kapitel 5.1). Danach können die unabhängigen Variablen auch zur Begründung der Fallauswahl herangezogen werden (Kapitel 5.2).

Überblick über die Parteiensysteme und Parteienfinanzierungsregimes

6. Die untersuchten Parteiensysteme
Auszug
In diesem Teil der Untersuchung geht es darum, wichtige Kontextinformationen für die Analyse der jeweiligen Entscheidungsprozesse über die staatliche Parteienfinanzierung zu erarbeiten. Auf diese Weise sollen auch die im ersten Teil der Untersuchung geäußerten Erwartungen, welche Variablen die Reform der Parteienfinanzierung in den einzelnen Ländern beeinflusst haben, weiterentwickelt werden. Im Mittelpunkt der folgenden, knappen Analyse der Parteiensysteme steht die Frage, ob zu den Zeitpunkten wichtiger Reformen (oder gescheiterter Reformvorhaben) der staatlichen Parteienfinanzierung ein Wandel maßgeblicher Eigenschaften der Parteiensysteme feststellbar ist.
7. Die untersuchten Parteienfinanzierungsregimes
Auszug
Nachdem die Grundzüge der untersuchten Parteiensysteme bekannt sind, sollen nun die jeweiligen Parteienfinanzierungsregimes näher betrachtet werden. Zugleich wird damit die Auswahl der Fälle näher begründet. Da sich die Fallauswahl zunächst nach den unterschiedlichen Einnahmestrukturen der Parteien in den untersuchten Ländern richtete, geht es im Folgenden vornehmlich darum, welche Rolle den Einnahmen der Parteien aus privaten (Kapitel 7.1), illegalen (Kapitel 7.2) und staatlichen Mitteln (Kapitel 7.3) in den einzelnen Ländern zukommt. Im Zusammenhang mit den Einnahmen aus illegalen Mittel der Parteien (ergo der Korruption in der Politik) soll auch auf die jeweiligen Transparenzregeln in der Parteienfinanzierung eingegangen werden.

Die Entscheidungen über die staatliche Parteienfinanzierung

8. Der überschätzte Einfluss der Institutionen: Deutschland
Auszug
Dieses Zitat des CDU-Abgeordneten Hugo Scharnberg fiel 1954 im Zuge der parteiinternen Beratungen des Parteiengesetzes. Es verdeutlicht, dass in der CDU schon zu diesem Zeitpunkt alle diejenigen, die sich vor allem um das Ziel der Programmverwirklichung (ergo dem Fortbestand der Parteiorganisation) kümmerten, für eine staatliche Parteienfinanzierung eintraten. Ganz im Sinne der Erwartungen dieser Untersuchung waren allerdings diejenigen innerhalb der CDU, die vornehmlich die Stimmenmaximierung, also die Konkurrenz mit dem politischen Gegner, im Auge hatten, skeptischer. Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht die Frage, wie es dazu kam, dass man in Deutschland bis 1968 einhellig der in der Einleitung zitierten Auffassung anhing, eine staatliche Parteienfinanzierung lasse sich ebenso wenig aufhalten wie der außereheliche Beischlaf. Vordergründig überrascht dies nicht, gelten doch die deutschen Parteien gemeinhin als konsensorientiert. Deshalb sollten die Parteien in der Lage gewesen sein, einen Konsens über ihre staatliche Finanzierung zu finden. Was indes durchaus überrascht, sind die Ursachen, auf die sich dieser Konsens gründete. Entgegen der großen Erzählung vom „semi-souveränen Staat“ (Katzenstein 1987; 2005; Helms 2003) oder vom „grand coalition state“ (M. Schmidt 2002), in dem vornehmlich die institutionellen Rahmenbedingungen die Parteien zum Einvernehmen zwingen, waren es, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, nicht zuletzt die originären Intentionen der Parteien selbst, die für einen Einstieg in die staatliche Parteienfinanzierung sprachen.
9. Der unterschätzte Einfluss der Institutionen: Schweden
Auszug
Dieses Zitat des Parteivorsitzenden und Premierministers Per Albin Hansson, das 1936 im Exekutivausschuss der schwedischen Sozialdemokraten fiel, hatte zwar nichts mit Fragen der Parteienfinanzierung zu tun, verdeutlicht aber dennoch sehr eindringlich die Haltung der SAP in den Entscheidungen über die staatliche Parteienfinanzierung in Schweden. Wie zu zeigen sein wird, war es den Sozialdemokraten vor allem in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre möglich, den Oppositionsparteien ihren Willen in Fragen der staatlichen Parteienfinanzierung nachgerade aufzuzwingen, ohne dass die „breite Mehrheit“ ernsthaft in Frage gestellt war. Auch hier sollte eine solche breite Mehrheit eigentlich wenig überraschen, gilt Schweden doch noch mehr als Deutschland als Konsensdemokratie (Elder/Thomas/Arter 1982; Sannerstedt 1987). Ähnlich wie in Deutschland sind jedoch auch in Schweden die Ursachen für diesen Konsens durchaus überraschend und erklärungsbedürftig. Nach allgemeiner Lesart sind es in Schweden anders als in Deutschland nicht die Institutionen, sondern die kulturell determinierten Interessen der Akteure, die eine konsensorientierte Politik begründen. Der politische Prozess folgt nach dieser Lesart einem normativen Muster: „Public business, the argument runs, should be transacted in a spirit of cool objectivity with the minimum of partisanship and the cooperation of all“ (Elder 1970: 11). Diese Beschreibung passte so gar nicht zu den Umständen, unter denen die staatliche Parteienfinanzierung in Schweden 1965 eingeführt wurde. Letzten Endes setzten sich jedoch jene „kühle Objektivität“ und Kooperation durch, die Neil Elder 1970 beschrieb, allerdings aus prosaischeren Gründen als von ihm und den meisten Beobachtern unterstellt: durch eine institutionelle Aufwertung der Opposition, die der schlichten Machtpolitik der Sozialdemokraten Einhalt gebot.
10. Zunehmende Diskrepanz zwischen Parteizielen und Korruptionsdiskurs: Großbritannien
Auszug
Diese Aussage aus einem Positionspapier des Labour nahe stehenden Institute for Public Policy Research (IPPR) fasst den aktuellen Stand der Diskussion über die staatliche Parteienfinanzierung in Großbritannien konzise zusammen. Mittlerweile treten nahezu alle Experten und eine Reihe von Politikern für eine staatliche Subventionierung des Parteienwettbewerbs ein — nur finanzieren sich die Parteien nach wie vor nahezu ausschließlich aus privaten Quellen, da die Spitzen der beiden wichtigsten Parteien, Labours und der Konservativen, allgemeine staatliche Zuwendungen beharrlich ablehnen. Dieses Kapitel geht der Frage nach, wie es zu dieser Diskrepanz zwischen bekundetem Reformeifer und Aufrechterhaltung des Status Quo kommen konnte.
11. Die cohabitation und der intensivere Korruptionsdiskurs als Wendepunkt: Frankreich
Auszug
Dieser Ausspruch Charles de Gaulles erhellt eindrücklich den fundamentalen Unterschied des französischen Parteienwettbewerbs zu dem in den anderen untersuchten Ländern. In Frankreich kommt den Parteien nicht das zentrale Gewicht zu, das sie in Schweden und Großbritannien traditionell innehaben und das sie sich in Deutschland nach 1949, nicht zuletzt mithilfe ihrer staatlichen Finanzierung, erkämpft haben. Deshalb und vor dem Hintergrund dessen, was in den Kapiteln 6 und 7 über das französische Parteiensystem bzw. Parteienfinanzierungsregime herausgearbeitet wurde, ergeben sich erste Erwartungen, warum in Frankreich die Einführung einer staatlichen Parteienfinanzierung lange nicht gelang und warum dann schließlich Ende der 1980er Jahre eine Reformphase einsetzte: Grundsätzlich dürfte die Institutionenordnung der Fünften Republik einer staatlichen Parteienfinanzierung im Weg gestanden haben. Da die französische Verfassung darauf abzielte, die Exekutive von legislativer Kontrolle weitgehend zu entkoppeln, war eine Zusammenarbeit von Regierung und Opposition in Frankreich ähnlich unnötig wie in Großbritannien (Hayward 1982: 124 f.).
12. Fazit und Ausblick: Warum Parteienfinanzierungsregimes konvergieren
Auszug
In dieser Untersuchung konnte ich zeigen, dass die Einführung und Reform der staatlichen Parteienfinanzierung in Deutschland, Schweden, Großbritannien und Frankreich von einem Konsens der im Parlament vertretenen und nicht marginali-sierten Parteien abhängt. Ein solcher Konsens wird umso wahrscheinlicher, je mehr institutionelle Entscheidungspunkte den Parteien zur Verfügung stehen, je geringer die Bedeutung des Ziels der Stimmenmaximierung für die Parteien ist und je intensiver der Diskurs über die Korruption in der Politik geführt wird, in dem eine staatliche Parteienfinanzierung als Mittel zur Eindämmung korruptiver Praktiken propagiert wird. Damit konnten nicht allein die zentralen Hypothesen dieser Arbeit bestätigt werden. Dieser empirische Befund stellt gleichzeitig eine erste Antwort auf die bislang ungeklärte Frage dar, wie die Entwicklung von Parteienfinanzierungsregimes vergleichend und multikausal begründet werden kann. Zusätzlich konnte die Analyse von Parteienfinanzierungsregimes auf diesem Wege empirisch wie theoretisch kontextualisiert, d.h. in Beziehung zu anderen Eigenschaften politischer Systeme und zu Erkenntnissen der vergleichenden Politikwissenschaft gesetzt werden. Im Folgenden werde ich darauf eingehen, welcher Verlauf der Reformdiskussion vor allem für Großbritannien, das einzige hier untersuchte Land, in dem das Regime der Parteienfinanzierung aktuell kontrovers diskutiert wird, zu erwarten ist und inwiefern die Ergebnisse dieser Arbeit generalisierbar sind. Zunächst soll jedoch der Einfluss der institutionellen Entscheidungspunkte, der Parteiziele und der Korruptionsdiskurse auf den Konsens der Parteien über ihre staatliche Finanzierung in den einzelnen Ländern sowie der Zusammenhang zwischen diesen Variablen näher erläutert werden.
Backmatter
Metadaten
Titel
Staatliche Parteienfinanzierung und politischer Wettbewerb
verfasst von
Michael Koß
Copyright-Jahr
2008
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-91185-4
Print ISBN
978-3-531-16350-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-91185-4