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2002 | Buch

Strafmildernde Selbstanzeige und Korruptionsbekämpfung

Eine rechtsökonomische Analyse

verfasst von: Stephan Gneuß

Verlag: Deutscher Universitätsverlag

Buchreihe : Ökonomische Analyse des Rechts

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Über dieses Buch

In zahlreichen Rechtssystemen gibt es temporär oder dauerhaft die Regelung, dass Rechtsverletzungen nach freiwilliger Selbstanzeige geringer geahndet werden, als wenn sie ohne Selbstanzeige entdeckt werden. Unter ökonomischen Gesichtspunkten hat dies verschiedene Vorteile: Zum einen reduziert dies die Kosten der Strafverfolgung, und zum anderen sind die Auswirkungen von Straftaten in einigen Bereichen - zutreffend ist dies beispielsweise für Umweltschäden - geringer, wenn früher geeignete Gegenmaßnahmen getroffen werden können. Die ökonomische Theorie hat in den vergangenen Jahren gezeigt, dass Selbstanzeigeme­ chanismen besonders vielversprechend sind, wenn mehrere Straftäter beteiligt sind. Sofern nur der erste gestehende Täter in den Genuss von Straferleichterungen kommt, entsteht für beide Täter ein dem Gefangenendilemma vergleichbarer Anreiz, die Straftat auf Kosten des Mittäters zu gestehen. Dieser Mechanismus ist Juristen unter dem Begriff "Windhund­ rennen" geläufig und hat in den jüngsten Jahren verstärkt und erfolgreich, dabei US­ amerikanischem Vorbild folgend, Eingang in das europäische Wettbewerbsrecht gefun­ den. Umso überraschender ist es, dass Selbstanzeigemechanismen in Korruptionsfallen nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen, obwohl deren Vorzüge bereits auf dem 61. Deut­ schen Juristentag 1996 hervorgehoben wurden. Die Analyse von Straferleichterungen bei Selbstanzeige in Korruptionsfällen ist Gegenstand der Arbeit von Herrn Gneuß und schließt damit bezüglich der ökonomischen Analyse ein wichtige Lücke. Sie entstand im Rahmen eines von der Fritz Thyssen-Stiftung geförderten Forschungsprojekts des Instituts für Ökologie des Unternehmensführung an der European Business School und wurde in Frankfurt am Main angenommen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
Das Thema Korruption ist aus den täglichen Nachrichten kaum wegzudenken. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht irgendwo auf der Welt ein spektakulärer Korruptionsfall ans Licht kommt. Während sich vor Jahren die Korruptionsproblematik noch primär auf den afrikanischen und asiatischen Bereich zu beschränken schien, geraten zunehmend mehr Korruptionsfälle aus Deutschland an die Öffentlichkeit. Nicht zuletzt die Vorgänge in Zusammenhang mit der „Leurra Affäre“ und die Korruptionsfälle bei der Deutschen Bahn AG lassen die Rufe, die einen zunehmenden moralischen Verfall der Gesellschaft beklagen, lauter werden.1 Eine solche Aussage impliziert jedoch, dass Korruption in früherer Zeit weniger ausgeprägt war. Diese Behauptung lässt sich bei genauerer Analyse nicht stützen. Schon ca. 2000 vor Christus können erste Hinweise auf Bestechungszahlungen nachvollzogen werden.2 Die vielfältigen Quellen, die auf Korruption im Laufe der Weltgeschichte hinweisen, lassen den Schluss zu, dass Korruption seit jeher ein verbreitetes Phänomen ist, dessen Ursachen eher in den gesellschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen zu suchen sind als in moralischen Entwicklungen.
Stephan Gneuß
2. Bedeutung und Ausmaß der Korruption
Zusammenfassung
Um sich dem Thema Korruption im Rahmen einer empirischen und ökonomischen Analyse nähern zu können, ist es zunächst notwendig, sich die begriffliche Unschärfe des Ausdrucks bewusst zu machen. Im Folgenden wird daher zunächst die Bedeutung des Begriffs Korruption als Sammelbegriff für verschiedene bestechungsähnliche Tatbestände erläutert. Im Mittelpunkt steht hierbei die Klärung der Frage, welche konkreten Tatbestände dem Begriff Korruption zugeordnet werden können. Anschließend wird auf die Problematik der Definition von Tatbestandsvoraussetzungen für die Korruptionstatbestände eingegangen. Dabei soll geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen die Korruptionstatbestände als erfüllt gelten können.
Stephan Gneuß
3. Analyse der strafrechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland
Zusammenfassung
Die folgende Analyse der strafrechtlichen Rahmenbedingungen fokussiert auf den deutschen Rechtsbereich. Ein internationaler Rechtsvergleich bezüglich der Gesetzgebung im Rahmen der Korruptionsbekämpfung kann Essen/Überhofen/Huber (1997), Überhofen (1999) sowie in einer Zusammenfassung Ahlf (1998) entnommen werden. Auf eine explizite Darstellung der rechtlichen Situation im Ausland wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit verzichtet. An den relevanten Stellen sind jedoch kurze Verweise zur internationalen Rechtslage zu finden. Auch zivilrechtliche Aspekte sollen nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein. In diesem Zusammenhang wird auf die Arbeit von Sethe (1999) verwiesen, die einen Überblick über die zivilrechtliche Situation im Zusammenhang mit der Korruption gibt.
Stephan Gneuß
4. Ökonomische Analyse
Zusammenfassung
Die ökonomische Analyse der Korruptionsproblematik ist auf Grund der vielfältigen Korruptionsformen (siehe Abschnitt 2.2) sowie der Nähe der Thematik zu anderen Themenbereichen ein sehr breit gefächertes Gebiet. Aus diesem Grund können Arbeiten aus recht unterschiedlichen Bereichen der ökonomischen Literatur herangezogen werden. Als Basis für die meisten Arbeiten kann das Grundmodell kriminellen Verhaltens von Becker (1968) bezeichnet werden. Hierauf aufbauend untersuchen die meisten Modelle Einflussfaktoren der Korruption unter wohlfahrtstheoretischen Gesichtspunkten. Insbesondere Arbeiten aus dem Bereich der „Principal-Agent-Theorie“ finden eine recht weite Verbreitung, da hier Korruption im Grunde nur einen Spezialfall der Kollusion darstellt, der rechtlich verboten ist.
Stephan Gneuß
5. Experimentelle Analyse der Korruption und der Selbstanzeige
Zusammenfassung
Experimentelle Arbeiten, die sich explizit auf die Korruptionsthematik beziehen, gibt es ausgesprochen wenige. Zur Thematik der Selbstanzeige existieren nach Kenntnis des Verfassers überhaupt keine Experimente. Das einzige dem Verfasser bekannte Experiment, das sich annähernd mit dieser Problematik beschäftigt, stammt von Alm/McKee/Beck (1990) und untersucht die Auswirkungen einer Steueramnestie auf das Niveau der Steuerhinterziehung. Als Ergebnis konstatieren die Autoren, dass die Steuerhinterziehung nach Durchführung der Amnestie steigt, da die Teilnehmer mit der Durchführung weiterer Amnestien rechnen. insofern unterstützt das Ergebnis die Resultate der ökonomischen Analyse. Als weiteres Ergebnis halten die Autoren fest, dass der negative Präventionseffekt der Amnestie kompensiert werden kann, wenn die Amnestie mit einer Verschärfung der Strafverfolgungsparameter einhergeht. Bemerkenswert ist, dass der Abschreckungseffekt höher ist, als wenn eine identische Verschärfung der Strafverfolgungsparameter ohne Amnestie stattfindet.
Stephan Gneuß
6. Experimente zur Analyse der Auswirkung einer strafmildernden Selbstanzeige auf das Korruptionsniveau
Zusammenfassung
Im Folgenden werden die Ergebnisse einer experimentellen Analyse vorgestellt, die erste Anhaltspunkte zur Analyse der Auswirkung einer strafmildernden Selbstanzeige auf das Korruptionsniveau liefern soll. Im Mittelpunkt stehen dabei insbesondere die dem Korruptionsverhalten zu Grunde liegenden Verhaltensanreize.
Stephan Gneuß
7. Fazit
Zusammenfassung
Die Dringlichkeit neuer Instrumente der Korruptionsbekämpfung ist vor dem Hintergrund der vorliegenden Daten und Statistiken nur schwer zu beurteilen. Ein grundsätzliches Problem ergibt sich bereits daraus, dass eine einheitliche Definition des Begriffes Korruption nicht existiert. Die existierenden statistischen Erhebungen für den bundesdeutschen Bereich orientieren sich daher alle an den gesetzlich definierten Tatbeständen, die gemeinhin der Korruption zugeschrieben werden. Ein eindeutiger zeitlicher Trend bezüglich der Korruptionsentwicklung lässt nicht erkennen. Jedoch weisen die meisten Statistiken nach einem sinkendem Niveau gegen Ende der 90er Jahre auf ein steigendes Korruptionsniveau im Jahre 2000 hin. Eine abschließende Interpretation der Daten ist nicht möglich. Dies liegt zum einen daran, dass eine Vergleichbarkeit der einzelnen Jahresdaten nur begrenzt gegeben ist, da u.a. mit Einführung des „Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption“ im Jahre 1997 auch einige Änderungen bei der Datenerfassung vorgenommen wurden. Zum anderen existieren kaum Aussagen über die Schwere der zu Grunde liegenden Korruptionsdelikte. Stimmen aus der Praxis weisen jedoch auf eine zunehmende Bedeutung schwerer Korruptionsdelikte hin, so dass alles in allem davon ausgegangen werden muss, dass es sich bei Korruption nach wie vor um ein ernst zu nehmendes Problem in Deutschland handelt.335
Stephan Gneuß
Backmatter
Metadaten
Titel
Strafmildernde Selbstanzeige und Korruptionsbekämpfung
verfasst von
Stephan Gneuß
Copyright-Jahr
2002
Verlag
Deutscher Universitätsverlag
Electronic ISBN
978-3-663-11533-5
Print ISBN
978-3-8244-7756-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-663-11533-5