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2011 | Buch

Technik, Wissenschaft und Politik

Studien zur Techniksoziologie und Technikgovernance

verfasst von: Manfred Mai

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Der sozialwissenschaftliche Diskurs über Technik geht von der Gestaltbarkeit technischer Systeme aus. Angesichts der Risiken, die von Technologien ausgehen, ist die Frage der Techniksteuerung eine zentrale Frage für die Gesellschaft. Die Frage ist, wie weit die Steuerbarkeit technischer Systeme geht und ob es eine Eigendynamik der technischen Entwicklung gibt. Eine andere Frage ist, ob politische Akteure überhaupt in der Lage sind, längerfristige Ziele zu formulieren und durchzusetzen. Der Band greift zentrale Fragen der Techniksoziologie und Techniksteuerung auf und versucht sie für die Frage nach der politischen Technikgestaltung fruchtbar zu machen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Innovationspolitik – Akteure, Inhalte und Konflikte eines Politikfeldes
Zusammenfassung
Innovationspolitik gehört nicht zu den klassischen Politikfeldern und Ressorts1. Erst in jüngster Zeit gibt es z. B. in Nordrhein-Westfalen auf Landesebene (seit 2005) und in Österreich auf Bundesebene (seit 2009) den Begriff der Innovation als Bezeichnung für ein Ressort. Weil Innovationen dabei fast ausschließlich technisch-wissenschaftlich verstanden werden, sind sie mit den Zuständigkeiten für Wissenschaft, Forschung und Technologie – wie in Nordrhein-Westfalen – oder mit Verkehr, Technologie, Wissenschaft, Medien – wie in Österreich – zusammengefasst. Im Prinzip umfasst der Begriff der Innovation auch andere Politikbereiche: So gibt es z. B. in den Bereichen der Sozial- oder Rechtspolitik Innovationen, die nichts mit Technik zu tun haben.
Manfred Mai
Autonomie und Eigendynamik der Technik
Zusammenfassung
Die Fragen, ob Technik über eine Eigendynamik verfügt, die auch andere Bereiche der Gesellschaft überformt, und inwieweit sie politisch nach gesellschaftlichen Zielen gestaltet werden kann, sind nicht nur für die soziologische Theorie interessant. Letztere beantwortet diese Fragen mit einem Spektrum von Antworten, das vom Technikdeterminismus bis zu seinem Gegenteil, dem Sozialkonstruktivismus, reicht (zusammenfassend in: Dolata/Werle 2007; Weyer 2008). Die Frage nach der technischen Eigendynamik hat auch Konsequenzen für die politische Praxis. Die Sozialwissenschaften gehen überwiegend davon aus, dass der Staat als zentraler Akteur mit anderen Akteuren in Governancestrukturen eingebunden ist und so an der Entstehung, am Management und an der Weiterentwicklung technischer Systeme beteiligt ist (Mayntz 2004). Prinzipiell wird damit von der Theorie unterstellt, dass der Staat die technische Entwicklung gestalten kann und im Hinblick auf die Vermeidung von Risiken auch soll. Die Gestaltbarkeit der Technik als Steuerungsobjekt hängt – unabhängig von der Gestaltungsfähigkeit der Steuerungssubjekte – davon ab, ob und in welchem Ausmaß die technische Entwicklung eigendynamisch erfolgt.
Manfred Mai
Das Recht als Gestaltungsinstrument von Technik und Medien
Zusammenfassung
Das Recht ist nach traditioneller Auffassung der Staatsrechtslehre das wichtigste Instrument zur politischen Gestaltung der Gesellschaft: „Wie sollten Parlamente anders herrschen und wie sollte dem Volkswillen anders Rechnung getragen werden als über das Mittel des Gesetzes?“ (Lepsius 1999: 15). Diese Auffassung zeigt sich in der „Wesentlichkeitstheorie“ (erstmals BVerfGE 33/125 und konkreter in BVerfGE 83/130), wonach alle wesentlichen Entscheidungen durch den Gesetzgeber erfolgen sollen (Gesetzesvorbehalt). Empirische Studien in bestimmten Politikfeldern zeigen jedoch, dass rechtliche Regelungen die politisch gesetzten Ziele oft verfehlen. Das Verfehlen politischer Ziele ist im Wesentlichen ein Rechtsversagen.
Manfred Mai
Steuerungstheoretische Überlegungen über die veränderte Rolle des Staates bei technischen Infrastrukturen
Zusammenfassung
Technische Infrastrukturen und großtechnische Systeme erbringen für die Gesellschaft elementare Leistungen und bedürfen daher der staatlichen Gestaltung und politischer Verantwortung. Ihre Besonderheit als Steuerungsobjekt ergibt aus der technischen Innovationsdynamik, die sich nur beschränkt steuern lässt. Die Steuerungskrise des Staates ist im Wesentlichen auch eine Finanzkrise. Demgegenüber verbleibt immer noch die Möglichkeit, über die Gestaltung von Rahmenbedingungen Einfl uss auf Infrastrukturen zu nehmen. Auch bei einer Privatisierung verbleibt beim Staat die politische Verantwortung für ihre jeweiligen Folgen und Risiken.
Manfred Mai
Komplexität als Problem politischer Gestaltung – Thesen zur Governance in der Innovationspolitik
Zusammenfassung
Regieren in modernen Gesellschaften bedeutet vor allem Umgang mit Komplexität. Die Hauptursachen für die gegenüber vormodernen Gesellschaften gestiegene Komplexität sind die Zunahme der Arbeitsteilung und der sozialen Differenzierung. Die Triebkräfte dieses Differenzierungsprozesses sind die Säkularisierung, die Industrialisierung, die Verwissenschaftlichung oder allgemein: die zunehmende Rationalisierung der Welt (Max Weber). Als Folge der Ausdifferenzierung in immer mehr Teilbereiche und Subsysteme mit immer mehr spezifi schen Funktionen entstanden in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft immer mehr Akteure, die ihre jeweiligen Interessen und Autonomiespielräume gegenüber dem Staat aber auch gegenüber anderen Akteuren absichern wollten (Münch 1995: 28). Die Politik moderner Gesellschaften sieht sich daher mehreren organisierten Interessen mit jeweils konkurrierenden Macht- und Autonomieansprüchen gegenüber. Die Effi zienzsteigerung, die der Gesamtgesellschaft durch die Arbeitsteilung zugute kommt, bedeutet zugleich eine Erschwerung politischer Steuerung, da mehrere Einzelrationalitäten und Interessen koordiniert werden müssen: Zum einen, um Ziele durchzusetzen und zum anderen, um die Legitimität der politischen Entscheidung zu erhöhen.
Manfred Mai
Legitimationsprobleme der Wissenschaft in der modernen Gesellschaft – die Erwartungen von Wirtschaft und Medien
Zusammenfassung
Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung ist im Grundgesetz verankert. Wirtschaft und Politik erwarten von der Wissenschaft – im Wesentlichen von den Natur- und Ingenieurwissenschaften – eine verstärkte Orientierung an ökonomisch verwertbaren Innovationen. Nur so können z. B. ein höheres Wirtschaftswachstum und das Ziel der EU, Europa zum dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt zu entwickeln (Lissabon-Strategie), erreicht werden. Auch die Öffentlichkeit und die Medien verstärken den Druck auf die Wissenschaft, sich mehr konkreten gesellschaftlichen Problemen zuzuwenden anstatt an sich selbst gestellte Fragen zu beantworten. Durch diesen Erwartungsdruck wird die grundgesetzlich garantierte Autonomie der Wissenschaft zwar nicht aufgehoben. Aber dadurch wird ein Spannungsfeld erzeugt, das jedes Institut vor die Frage stellt, wie weit es bereit ist, auf die Erwartungen von Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit einzugehen.
Manfred Mai
Zur Aktualität der Technokratiedebatte
Ein Beitrag zum Verhältnis von Technik und Demokratie
Zusammenfassung
In den 1980er Jahren schien die Technokratiedebatte von Helmut Schelsky u. a. durch die Erkenntnis von der prinzipiellen Gestaltbarkeit technischer Systeme eigentlich erledigt. Politisch zeigte sich das in der Formulierung von sozialen, rechtlichen und ökologischen Anforderungen bei der Förderung neuer Technologien die sich u. a. im Leitbild der sozial-, umwelt- und verfassungsverträglichen Technikgestaltung konkretisierten. Heute zeigt sich, dass trotz einer breiten Demokratisierung der Technikgestaltung die Dominanz technischer Systeme und Infrastrukturen nicht geringer geworden ist: Sie prägen wie nie zuvor unsere Lebenswelt und auch politischen Strukturen. Dies ist zum einen die Folge einer neuen Qualität der Technologiepolitik, die eher indirekt mit neuen Strategien durch mehrere Ressorts erfolgt, und zum anderen die Folge neuer Bedürfnisse der Gesellschaft, die vor allem die neuen Medientechnologien in ihre Alltagspraxis integrieren.
Manfred Mai
Die politische Verantwortung für die Technik
Zum Verhältnis von System und Akteur
Zusammenfassung
Wegen der zentralen Bedeutung großtechnischer Systeme und Infrastrukturen für die Gesellschaft gehören der Schutz vor ihren Risiken und die Sicherstellung ihrer Funktionsfähigkeit im Rahmen der allgemeinen Daseinsvorsorge zu den wichtigen Staatsaufgaben. Die Frage nach der politischen Verantwortung für die Technik stellt sich also nicht nur im Zusammenhang mit Störfällen.
Manfred Mai
Moderne und antimoderne Strömungen in der Gesellschaft
Von der „konservativen Revolution“ zur Globalisierungskritik
Zusammenfassung
Die Welt mit ihren verschiedenen Kulturen, Gesellschaften und Staaten besteht aus einer Verfl echtung moderner und antimoderner Institutionen und Strömungen. Die verschiedenen Spannungen zwischen ihnen sind eine der wichtigsten Ursachen für den sozioökonomischen und politischen Wandel.
Manfred Mai
Technikfolgen-Abschätzung als Instrument der politischen Gestaltung
Zusammenfassung
Das Konzept der Technikfolgen-Abschätzung (technology assessment) ist Ende der 1960er Jahre entstanden. Ihm lag die Überlegung zugrunde, dass Politiker und Parlamentarier frühzeitig über die Risiken neuer Technologien und großtechnischer Systeme informiert werden, um refl ektierte Entscheidungen treffen und durchsetzen zu können. Diese Idee beruht auf Annahmen über die staatliche Steuerungsfähigkeit, die heute in Frage zu stellen sind, u. a. weil der Staat durch die Einbindung nichtstaatlicher Akteure in Governance-Strukturen auch auf die Selbststeuerungspotenziale anderer Akteure angewiesen ist.
Manfred Mai
Wissenschaftliche Politikberatung und Technikentwicklung
Zur Rationalität von Wissenschaft und Politik
Zusammenfassung
Mit der Ausweitung der Staatstätigkeit und der Entstehung von Politikfeldern ist der Bedarf an wissenschaftlicher Expertise als Grundlage politischer Entscheidungen stetig gestiegen. Das Instrument der Technikfolgen-Abschätzung ist im Prinzip nichts anderes als eine besondere Form der Politikberatung. Diese Besonderheit liegt nicht zuletzt in der Dynamik und Komplexität der technischen Entwicklung. Es ist daher zu vermuten, dass die bestehenden Befunde zur wissenschaftlichen Politikberatung (Instrumentalisierung, Funktionswandel) in den Politikfeldern einer Ergänzung bedürfen, die von einer besonderen Dynamik geprägt sind. Dynamische Politikfelder zeichnen sich dadurch aus, dass es schnell wechselnde Akteurskonstellationen und -strategien gibt, auf die die Politik reagieren muss. Um auch in Politikfeldern, die durch eine hohe Dynamik gekennzeichnet sind – typischerweise sind das die Bereiche Technik und Wissenschaft aber auch der Bereich Medien – refl ektierte Entscheidungen treffen zu können, bedarf es neuer Kooperation zwischen Wissenschaft und Politik.
Manfred Mai
Technische Normung – eine Mikroebene der Technikgestaltung
Zusammenfassung
Technische Normen, Richtlinien und Regeln sowie technische Standards werden von den So zialwis senschaften kaum untersucht. Weder die Klassiker der Industriesoziologie noch die der Techniksoziologie (zusammenfassend Dolata/ Werle 2007; Weyer 2008) widmen diesem Thema kaum mehr als eine Randnotiz. Dennoch fi nden sich außerhalb des Mainstreams sozialwissenschaftlicher Technikforschung einige Studien zu diesem Thema, die in unterschiedlichen Kontexten entstanden sind. So gibt es z. B. im Rahmen der Implementationsforschung im Umweltbereich die Frage nach dem Stellenwert technischer Regelwerke und Standards (Bohne 1987, Mayntz 1988). Hier stehen vor allem die Fragen im Vordergrund, welche Institutionen die Kompetenz haben, Standards im Immissionsschutz zu setzen. Dabei wird die Bedeutung des Interessensausgleichs und des Verhandelns zwischen Industrie und Verwaltung deutlich. Diese korporatistische Tradition im Kontext staatlicher Regulierung wird ergänzt durch techniksoziologische Studien, die in technischen Normen Elemente der Technikgenese sehen (Bolenz 1987, Dierkes/Knie 1994, Joerges 1989). Nicht zuletzt durch die Suche nach Mitgestaltungsmöglichkeiten vonseiten der Gewerkschaften wurde auch in der Industriesoziologie ein gewisses Interesse an der Normung geweckt (Eichener/Voelzkow 1992 und 1995). Die eigentlichen Diskussionen über technische Normen fi nden nach wie vor in den Ingenieur- und Rechtswissenschaften (Wolf 1986) statt. Die Sozialwissenschaften haben diese Debatten allerdings nur sehr selektiv rezipiert.
Manfred Mai
Ingenieure – Technische Intelligenz oder Profession?
Zusammenfassung
Die Diskussionen über die besondere Verantwortung von Ingenieuren für die Technik und ihre Folgen haben auch zu der Frage geführt, inwieweit die Berufsgruppe der Ingenieure eine Profession ist. Für eine Profession stellt sich die Frage nach ihrer Verantwortung anders als für andere Berufsgruppen, weil Professionen über eine eigene Standesethik und ein eigenes Standesrecht verfügen, die externe Regelungen der Verantwortlichkeit (Haftungsrecht) ihrer Mitglieder für ihr professionelles Handeln ergänzen und teilweise ersetzen. Im Folgenden soll geprüft werden, ob die Berufsgruppe der Ingenieure Merkmale einer Profession erfüllen und welche Konsequenzen eine Professionalisierung für die Frage nach der berufsspezifi schen Verantwortung der Ingenieure hätte.
Manfred Mai
Backmatter
Metadaten
Titel
Technik, Wissenschaft und Politik
verfasst von
Manfred Mai
Copyright-Jahr
2011
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-92763-3
Print ISBN
978-3-531-17903-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-92763-3

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