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19.12.2013 | Technische Informatik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Der Stand der Dinge zum IT-Fachkräftemangel

verfasst von: Peter Pagel

5 Min. Lesedauer

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Laut VDI sind über 100.000 Stellen für Ingenieure, Mathematiker und Informatiker derzeit nicht besetzt – was ist zu tun?

Ob die Zahl stimmt und ob eine derart große Menge von qualifizierten Kandidaten tatsächlich einen Job bekäme, wenn sie plötzlich da wären, weiß niemand. Aber auf Genauigkeit kommt es auch nicht an. Fakt ist, dass aufgrund der immer stärkeren Abhängigkeit der Unternehmen von IT und Technologie und der rasend wachsenden Durchdringung unseres Alltags mit Software und Computern der Bedarf nach entsprechenden Fachkräften derzeit massiv zunimmt. 

Die Situation sieht zunächst ähnlich aus wie die zum Ende der 90er Jahre - ist aber doch ganz anders. Damals gab es, ausgelöst durch die Jahrtausendumstellung (Y2K), die Einführung des Euros im bargeldlosen Zahlungsverkehr und den ersten Internet-Hype, drei nahezu zeitgleiche Bedarfswellen nach IT-Fachkräften, die sich entsprechend aufsummierten. Der Mitarbeiterbedarf stieg so rasant an, dass er durch ausgebildete Informatiker nicht mehr gedeckt werden konnte. Es wurden verstärkt Quereinsteiger und Mitarbeiter ohne abgeschlossene Ausbildung eingesetzt. Um Studenten anzuwerben, schickten manche Firmen ihre HR-Mitarbeiter sogar direkt in die Hörsäle. Viele Studenten haben damals ihr Studium abgebrochen - nicht wenige haben es später bereut.

Quereinsteiger – von der Lösung zum Problem

Die Konsequenzen dieser fatalen Personalpolitik: Dieser überhastete Aufbau der Teams, fehlende Ausbildungsmaßnahmen, schlechte Architekturen und unklare Softwareentwicklungsprozesse führten zu mangelhafter Qualität und damit zu großer Unzufriedenheit der Kunden. Gleichzeitig stiegen die Kosten rasant, weil die Teams überproportional aufgestockt wurden und die Gehaltsforderungen der „Möchtegern-Informatiker“ in die Höhe schossen. Die Gier der Privatleute, die an der Börse zockten, und die der Venture Capital Geber war aber groß genug, um das alles zu tolerieren. Kluge Leute stiegen dagegen rechtzeitig aus oder gar nicht erst ein. Denn das Pendel kam sehr schnell zurück. Nach dem Börsencrash im Jahr 2001 war das Misstrauen gegenüber den jüngsten IT-Wucherungen groß. Auch aufgrund einer bereits großen Zahl gescheiterter Projekte wurden nicht überlebensnotwendige IT-Vorhaben nahezu ausnahmslos eingestellt. Die sogenannte New Economy ging daraufhin fast vollständig den Bach runter. Auch renommierte Firmen mussten in großer Zahl Mitarbeiter entlassen. Aus der Traum!

Daraus hat die Industrie aber definitiv gelernt. Die Anforderungen an neue Mitarbeiter sind heute weit höher als vor 15 Jahren. Die Firmen haben verstanden, dass die immer größere Komplexität in der IT mit einer Schmalspurausbildung nicht zu bewältigen ist (im Übrigen auch ein Grund, warum der Bachelor gerade im Mittelstand nicht sonderlich hoch angesehen ist). Außerdem sitzt das Geld für Gehaltssteigerungen nicht mehr so locker. Die Krise an den Finanzmärkten hat hier Spuren hinterlassen. Für IT-Dienstleister und Berater kommt ein immer höherer Druck durch die Einkaufsabteilungen hinzu. Diese haben in den letzten Jahren die Beschaffung von IT-Leistungen massiv zu sich herangezogen und dadurch eine Reduktion der Tagessätze durchgesetzt. Es greift aber auch die größere Vorsicht der Unternehmenslenker. Jeder weiß, dass er flexibel auf Auftragsschwankungen reagieren können muss. Und im Dienstleistungsbereich sind die Gehaltskosten mit Abstand der größte Kostenblock. Trotzdem stellen die Firmen ein und sind besonders am jungen, gut ausgebildeten Nachwuchs interessiert.

Der Bedarf bleibt hoch

Daran sieht man, dass die Situation heute eine völlig andere ist. Dieses Mal geht es (zumindest generell, denn beschäftigungshemmende Konjunkturschwankungen wird es weiterhin immer wieder geben) um eine nachhaltigen Anstieg von Arbeitsplätzen in Technologie und IT. Die Durchdringung unseres Alltags durch das Internet, die Integration von mobilen Anwendungen in unzählige Geschäftsprozesse, Industrie 4.0, das sich aufbauende Internet der Dinge – das alles hat mit den oben genannten Bedarfswellen zum Ende des letzten Jahrtausends nur wenig zu tun. Aus diesen Themen resultiert die momentane Notwendigkeit an Fachkräften – und der wird eher noch steigen als fallen.

Eigentlich eine gute Nachricht, nur haben viele Firmen nicht realisiert, dass sie ihren Bedarf mit den bisher funktionierenden Mechanismen kaum noch decken können. Es gibt immer noch Personalabteilungen, von der Unternehmensleitung ganz zu schweigen, die glauben, dass alle Welt auf ihre offenen Stellen wartet. So ist das aber selbst im nichttechnischen Bereich nicht mehr und die verzweifelt gesendeten Signale kommen am Arbeitsmarkt nicht an.

Das Schalten von Online-Stellenanzeigen geht sehr einfach und ist gegenüber den Kosten für eine Anzeige in gedruckter Form auch relativ preiswert – weswegen das quasi alle machen. Das führt dazu, dass einzelne Anzeigen in der Masse untergehen. Das merkt man leicht daran, dass die Menge an Bewerbungen immer dann hochgeht, wenn die Anzeige kürzlich erneuert worden ist. Dann steht sie in der Trefferliste oben, wenn auch nur für kurze Zeit.

Der Stellenmarkt verändert sich

Anzeigen alleine reichen also nicht mehr. Nicht nur, dass sie schlicht nicht mehr gefunden werden, das Suchverhalten der Kandidaten verändert sich massiv. Genauso, wie Bücher, CDs oder Hotels aufgrund von Empfehlungen gewählt werden, werden zukünftig Jobs nur noch dann in die engere Wahl kommen, wenn Andere diese Entscheidung auch schon gefällt haben - und darüber ein positives Urteil abgeben. Wir müssen also wohl zur Kenntnis nehmen, dass Social Media auch für die Jobsuche eine immer größere Rolle spielt.

Wohl dem, dessen Mitarbeiter auf den einschlägigen Plattformen mit ihrer positiven Meinung nicht hinter dem Berg halten. Für Firmen, die ein Problem mit ihrer Unternehmenskultur haben, kann das aber jetzt richtig ungemütlich werden. Menschen neigen nun mal dazu, Negatives besonders negativ darzustellen und aus der Anonymität heraus fällt das umso leichter. Zwar weiß jeder, dass er nicht jede im Internet publizierte Kritik für bare Münze nehmen darf (welchem Restaurant geht nicht schon mal etwas daneben?), aber ein Trend ist schnell erkennbar und die damit erreichte Transparenz tötet jedes Interesse, wenn die Kandidaten Alternativen haben. Und die haben sie!

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