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2023 | Buch

"Thinspire me"

Zur Soziologie der sozialen Welt 'Pro-Ana' im Internet

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Über dieses Buch

Unter dem Motto „Pro-Ana“ treffen sich seit den späten 1990er Jahren vorwiegend junge Frauen im Internet, um gemeinsam magersüchtig zu werden. Wissenschaftlich wurde das Phänomen bisher vor allem hinsichtlich seiner potentiellen Gefahren untersucht. Im Dunkeln blieb dabei, was Pro-Ana eigentlich ist, welche Handlungen im Zentrum des Phänomens stehen oder wie sich Pro-Ana plattformübergreifend strukturiert. Dabei ist von besonderem Interesse, wie das soziale Gefüge der Teilnehmer*innen vor dem Hintergrund fast ausschließlich digital erfolgender Kommunikation dauerhaft bestehen kann. Über eine soziologische Websiteanalyse wird gezeigt, dass die Teilnehmer*innen die Online-Gemeinschaft in erster Linie als eine Motivationstechnik nutzen, die sie bei ihrem Vorhaben der drastischen Gewichtsreduktion unterstützt. Sie suchen diese auf, um sich in einer Art „Parallelprojektierung“ wechselseitig zum Abnehmen zu inspirieren und zu motivieren: Ihre Gleichheit in Bezug auf Projektziele und -dokumentationen ermöglicht es den Teilnehmer*innen, sich online etwa in Wettbewerben zu messen und einander als Gemeinschaft zu erfahren. Ihre Differenzen im Projektfortschritt bilden hingegen die Voraussetzung dafür, leuchtende Vorbilder unter ihren Mitstreiter*innen zu finden, die den Glauben an die Machbarkeit eines pro-anorektischen Gewichtsabnahmeprojekts in entscheidendem Maße stützen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Pro-Anorexie
Zusammenfassung
Dieses Kapitel führt in die Thematik der Pro-Anorexie ein. Auf die Darstellung der Geschichte der Anorexia nervosa, bei der ein besonderes Augenmerk auf den (populär-)wissenschaftlichen Bildern über die Anorexia nervosa und deren medialer Verbreitung liegt, folgt die Darstellung und kritische Diskussion des Forschungsstands zu Pro-Ana.
Anja Schünzel
Kapitel 2. Der theoretische Rahmen der Untersuchung
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der Studie expliziert. Den theoretischen Rahmen bildet der „kommunikative Konstruktivismus“. Fokussiert wird dabei insbesondere auf die Theorie des kommunikativen Handelns, bei der die Handlungen und Interaktionen der TeilnehmerInnen im Fokus des Forschungsinteresses stehen. In einem zweiten Schritt werden Konzepte der Mediensoziologie in den Rahmen einbezogen, um den medienspezifischen Aspekten des Phänomens theoretisch und empirisch Rechnung zu tragen. Daran anknüpfend folgt in Abschnitt 2.2 eine theoretische Reflexion der Website als zentraler Ort des Zusammentreffens der TeilnehmerInnen, die hier als „kommunikatives Dokument“ gefasst wird. Die Vorstellung der theoretischen Perspektive dieser Arbeit schließt mit dem Leibkörper, ein Konzept, das im kommunikativen Konstruktivismus ein spezifisches Verständnis des menschlichen Körpers markiert.
Anja Schünzel
Kapitel 3. Methodologie und Auswertungsverfahren
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden die methodologischen Grundlagen und das methodische Vorgehen der Untersuchung Pro-Anas vorgestellt. Es handelt sich bei der vorliegenden Untersuchung um eine ethnographische bzw. webnografische Studie, die mit Verfahrensschritten der „Wissenssoziologischen Diskursanalyse“ kombiniert wurde. Für die konkrete Untersuchung wurde ein eigenes methodisches Verfahren entwickelt, das über vier iterativ zu bearbeitende Analyseebenen verläuft: Kontext, Sequenz, Format und Sozialform. Dieses Mehrebenen-Analyseverfahren trägt der besonderen Komplexität des Untersuchungsgegenstands Rechnung, der nicht nur aus vielen verschiedenen, aufeinander bezogenen Orten (Websites) besteht, sondern auch multimedial verfasst ist.
Anja Schünzel
Kapitel 4. Wege in Pro-Ana
Zusammenfassung
In diesem Kapitel, welches den empirischen Teil der Studie einleitet, werden die Wege von (neuen) TeilnehmerInnen in die Welt der Pro-Anorexie nachgezeichnet. In Abschnitt 4.1 betrachten wir zunächst die typischen Motive von Personen sich Pro-Ana anzuschließen und begleiten sie dabei von ihrem ersten Kontakt mit Pro-Ana, über die initialen Schritte in der sozialen Welt (Abschnitt 4.2).
Anja Schünzel
Kapitel 5. Teilnahme an Pro-Ana
Zusammenfassung
In diesem zweiten empirischen Kapitel wird dargestellt, wie TeilnehmerInnen ihre persönlichen Weight-loss-journeys planen und realisieren. Wir begleiten die TeilnehmerInnen Schritt für Schritt durch diese aktive Phase ihrer Teilnahme an Pro-Ana, beginnend bei ihrer Registrierung und Vorstellung auf Pro-Ana-Websites. Dabei werden wir einen vertieften Blick auf die unterschiedlichen Orte werfen, an denen ein pro-anorektisches Weight-loss-journey typischerweise durchgeführt wird, bevor wir uns schließlich der Planung und Durchführung ihrer Journeys zuwenden. Im Kontext der Planung und Durchführung der Weight-loss-journeys wird die besondere Bedeutung der anderen TeilnehmerInnen sowie spezifischer Medien (der sog. Thinspirations) für den Projekterfolg besprochen.
Anja Schünzel
Kapitel 6. Das Weight-loss-journey als Handlungsprojekt
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden pro-anorektische Weight-loss-journeys handlungstheoretisch gedeutet. Es zeigte sich, dass eine Besonderheit des pro-anorektischen Handlungsprojekts darin besteht, dass die Motivation eine eigene Handlung im Projekt darstellt. Sie wird als sogenannte Thinspiration bewusst und planvoll sowohl durch die Betrachtung spezifischer Webmedien als auch durch die Interaktion mit anderen TeilnehmerInnen aufgesucht.
Anja Schünzel
Kapitel 7. Die Parallelprojektierung als Sozialform der Pro-Anorexie
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden die Interaktionsbeziehungen der TeilnehmerInnen an Pro-Ana in den Blick genommen. Es konnte die These entwickelt werden, dass sich TeilnehmerInnen in einer Art „Parallelprojektierung“ wechselseitig zum Abnehmen inspirieren und motivieren: Ihre Gleichheit in Bezug auf Projektziele und -dokumentationen ermöglicht es ihnen, sich online etwa in Wettbewerben zu messen und einander als Gemeinschaft zu erfahren. Ihre Differenzen im Projektfortschritt bilden hingegen die Voraussetzung dafür, leuchtende Vorbilder unter ihren MitstreiterInnen zu finden, die den Glauben an die Machbarkeit eines pro-anorektischen Gewichtsabnahmeprojekts in entscheidendem Maße stützen. Anders als zu vermuten wäre, stellt die physische Distanz der Onlinekommunikation kein Hindernis für die Sozialbeziehungen der TeilnehmerInnen dar, sondern wirkt vielmehr als ein stabilisierendes Moment dieser sozialen Welt.
Anja Schünzel
Kapitel 8. FatgainerInnen als Kontrastfall
Zusammenfassung
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, ob die Sozialform der „Parallelprojektierung“ im Wesentlichen Pro-ana-spezifisch ist oder vielmehr eine typische Form mediatisierter, gruppenförmiger Körperprojekte darstellt. Um diese Frage zu beantworten, wurde ein Fallvergleich zwischen Pro-Ana und einem ähnlich gelagerten Fall, der FatgainerInnen-Community, durchgeführt. FatgainerInnen sind Männer und Frauen, die das Projekt verfolgen, ihren Körperumfang durch besondere Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten radikal zu verändern. Im Gegensatz zu den TeilnehmerInnen an Pro-Ana wollen FatgainerInnen jedoch an Körperfett zunehmen. Auch sie setzen dabei auf die Unterstützung ihrer Community, die sie in selbstgestalteten Webforen und auf Bildblogs treffen. Es zeigte sich jedoch, dass die Sozialform der FatgainerInnen nicht der Parallelprojektierung entspricht, da ihnen das zentrale Moment der wechselseitigen, kontinuierlichen Handlungsmotivation fehlt. Sie brauchen die vielen anderen TeilnehmerInnen nicht zur Motivierung ihrer Körperprojekte.
Anja Schünzel
Kapitel 9. Schlussbetrachtung
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden die zentralen Erkenntnisse der Untersuchung des sozialen Phänomens Pro-Ana zusammenfassend entlang der Forschungsfragen vorgestellt und Möglichkeiten für weiterführende Forschung aufgezeigt.
Anja Schünzel
Backmatter
Metadaten
Titel
"Thinspire me"
verfasst von
Anja Schünzel
Copyright-Jahr
2023
Electronic ISBN
978-3-658-42842-6
Print ISBN
978-3-658-42841-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-42842-6

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