Ein Unternehmen ist ein offenes, sozio-technisches System, das eine Organisation besitzt und den Zweck verfolgt, Leistungen für Dritte bei Erzielung eines Gewinnes zu erbringen. Als offenes System sind Abhängigkeiten und Beziehungen zum Umfeld vorhanden, die über Schnittstellen ausgedrückt werden können (Bild 1.1).
Der Begriff des Materialflusses kann zunächst sehr weit gesehen werden. In Anlehnung an die VDI-Richtlinie 3300 ist der Materialfluss die räumliche, zeitliche und organisatorische Verkettung aller Vorgänge bei der Gewinnung, Bearbeitung und Verteilung von Gütern innerhalb festgelegter Bereiche. So gesehen, ist aus der Sicht des Unternehmens zwischen einem externen Güterfluss und einem innerbetrieblichen Materialfluss (MF) zu unterscheiden. Die hierfür eingesetzte Technik für den Stück- und Schüttguttransport ergibt sich aus Bild 2.1.
Für die Auswahl und Festlegung eines Transportmittels bei vorgegebener Transportaufgabe spielt das Transportgut eine entscheidende Rolle. Dies gilt gleichermaßen für die Planung eines Lagers. Transport- und Lagergut des innerbetrieblichen Materialflusses sind feste, flüssige und gasförmige Stoffe.
Die primäre Aufgabe des innerbetrieblichen Transportes ist die Raumüberbrückung zwischen dem Transportursprung, der Quelle, und dem Transportziel, der Senke. Die Raumüberbrückung entspricht der Funktion Transportieren (synonym hierfür ist Fördern) als logistische Funktion des Materialflusses (vgl. Kap. 2.1).
Ein Stetigförderer erzeugt einen kontinuierlichen Transportgutstrom. Er arbeitet über einen längeren Zeitraum ununterbrochen, sodass sein Antrieb für Dauerbetrieb auszulegen ist. In der Regel besitzt ein Stetigförderer nur einen Antrieb und zeichnet sich durch geringen Energiebedarf, große Betriebssicherheit und einfache Bauweise aus. Die Be- und Entladung kann während des Betriebes, oft an allen Stellen der Transportstrecke erfolgen. Flurgebundene Stetigförderer transportieren das Gut waagerecht, geneigt und senkrecht, haben einen festgelegten Transportweg und benötigen viel Bodenfläche. Flurfreie Stetigförderer sind in der Regel schienengebunden.
Unstetigförderer sind Transportmittel, die Schütt- oder Stückgut diskontinuierlich von einer Aufgaben- zu einer Abgabenstelle transportieren. Ihre unstetige Arbeitsweise erfolgt häufig in Arbeitsspielen. Weiterhin ist der Arbeitsablauf gekennzeichnet durch den Wechsel von Last- und Leerfahrten, durch Stillstandszeiten für das Be- und Entladen und durch Anschlussfahrten. Somit können die Antriebe für Aussetz- oder Kurzzeitbetrieb ausgelegt werden. Die Be- und Entladung geschieht im Stillstand, die Last kann nur an bestimmten Stellen mit dem Lastaufnahmemittel aufgenommen und abgegeben werden.
Der Wareneingang ist die Schnittstelle des Unternehmens zum Beschaffungsmarkt und der Warenausgang zum Absatzmarkt. Hier findet der Warenumschlag zwischen dem externen Güterfluss und dem innerbetrieblichen Materialfluss statt. Umschlagen als eine Funktion der innerbetrieblichen Logistik (s. Bild 1.3) bedeutet den Wechsel der Ladung von einem Verkehrsmittel auf ein innerbetriebliches Transportmittel bzw. von diesem auf ein Verkehrsmittel. Durch diesen Wechsel entstehen Zeitverzögerungen in der Materialflusskette.
Die VDI-Richtlinie 2860 (Montage- und Handhabungstechnik; Handhabungsfunktionen und -einrichtungen) versteht unter Handhaben das Schaffen, definierte Verändern oder vorübergehende Aufrechterhalten einer vorgegebenen, räumlichen Anordnung von bestimmten Körpern in einem Bezugskoordinatensystem, wobei weitere Bedingungen vorgegeben sein können, wie z. B. Zeit, Menge und Bewegungsbahn. Im Rahmen der planerischen Betrachtung der Materialflusstechnik soll hier unter Handhaben das Durchführen einer Lage- und/oder Richtungsänderung des Transportgutes ohne größeren Transportweg verstanden werden. Einige der benötigten Handhabungsmittel werden im Einzelnen und im Zusammenwirken mit einem System aufgezeigt. So gesehen, sind Einzel- und Gruppenarbeitsplätze in Fertigung und Montage Thema dieses Kapitels. Ebenso dienen Vorrichtungen und Geräte zum vereinfachten, erleichterten, schnelleren oder automatischen Stapeln sowie bei Lageänderung von Stückgütern. Hierbei spielen Roboter jeglicher Art eine große Rolle, aber auch die beschriebenen Stetig- und Unstetigförderer.
In einem Produktionsbetrieb ist zwischen ungewollter Lagerung (Aufenthalt) und gewollter Lagerung (Kap. 2.1) zu unterscheiden. Wenn aber Güter, aus welchem Grund auch immer, lagern, dann ist dadurch Kapital gebunden, Fläche belegt und sind Betriebsmittel beansprucht, was Kosten bedeutet. Man müsste also versuchen, Lagerungen zu vermeiden, d. h. für Fertigung und Montage wird das benötigte Material erst bei Bedarf beschafft bzw. angeliefert. Diese verbrauchssynchrone Materialanlieferung (JIT, s. Kap. 1.3.1) spart z. B. Kapitalbindungs- und Lagerkosten. Nachteile entstehen bei verzögerter Anlieferung (Witterung, Unfall, Streik usw.) durch Störung des Produktionsablaufes. Diese Art der Lagerhaltung lässt sich bei lang anhaltendem Produktionsprogramm und guter Organisation durchführen, z. B. in Teilbereichen der Automobilindustrie. Im Produktionsbetrieb wird in der Regel das Prinzip der Vorratshaltung aus verschiedenen Gründen benutzt, z. B.
zur Sicherung der Materialversorgung für die Produktion
zur Sicherung der Lieferfähigkeit für den Absatzmarkt
zum Ausgleich der zeitlichen und mengenmäßigen Bedarfsschwankungen zwischen Beschaffungs-, Produktions- und Absatzbereichen
zur Sortierung der Lagergüter und zum Zusammenstellen von Fertigungs-, Montage- oder Kundenaufträgen (Kommissionierung)
zur Veredlung von Gütern, z. B. bei Reife- und Trocknungsprozessen (Bier, Wein, Käse, Holz)
zur Spekulation mit Gütern in Erwartung steigender Preise, befürchteter Verknappung, drohenden Streikes oder saisonbedingter Lieferungen, wie z. B. Kaffee, Papier, Tabak.
Je nach Art und Menge kann Schüttgut im Freien oder in speziellen Behältern, wie z. B. im Silo, gelagert werden. Sie stehen sowohl im Freien als auch in Gebäuden (Bild 10.1).
Die Kommissionierung entspricht der Auslagerung vorgegebener Artikel zur Erstellung eines Auftrags, der aus einem oder mehreren Auftragspositionen besteht und die Menge jedes einzelnen Artikels angibt. Unter der Funktion Kommissionieren ist das Zusammenstellen eines Kundenauftrages von bestimmten Teilmengen aus einer bereitgestellten Gesamtmenge nach vorgegebenen Bedarfsinformationen zu verstehen. Die Teilmengen bestehen aus Artikeln, die aus dem Sortiment (= Gesamtmenge) für einen Auftrag (= Bedarfsinformation) gesammelt werden.
In allen Industrieunternehmen haben erhebliche Investitionen im Materialfluss für Transport-, Lager- und Informationssysteme in den letzten Jahren stattgefunden. Der Mechanisierungs- und Automatisierungsgrad hat einen hohen Stand erreicht. Umfangreiche Planungen sind erforderlich, damit diese langfristig festgelegten Investitionen technisch, wirtschaftlich und organisatorisch richtig und vertretbar sind. Da Güter, Kapazitäten, Raum, Personal, Zeit und Kapital der Verteuerung und Verknappung unterliegen, müssen sie rationell eingesetzt werden. Dies wird nur durch Planung erreicht.
Die Informationslogistik hat das Ziel, die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung zu stellen. Wichtigste Voraussetzung dafür ist eine Synchronisation von Material- und Informationsfluss. Die operativen Funktionen der Informationslogistik sind das Erfassen, Speichern, Verarbeiten und Ausgeben von Daten, die für Steuerung und Überwachung des Material- und Informationsflusses in Transport- und Lagersystemen notwendig sind. Nach Bild 1.3 sind zwischen vorauseilenden, nacheilenden und begleitenden Materialflussinformationen zu unterscheiden.