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2010 | Buch

Unabhängige Wirtschaftspolitik

Wissenschaftliche Politikberatung seit 1968 am Beispiel der Fünf Wirtschaftsweisen

verfasst von: Lea Arnold

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
„Die Krise in der Krise“ – so könnte die aktuelle Debatte in der deutschen Wirtschaftswissenschaft bezeichnet werden. Durch die jüngste Wirtschaftskrise hervorgerufen, muss sich das Fach vorhalten lassen, weder wirtschaftliche Entwicklungen voraussehen noch befriedigende Lösungen erarbeiten zu können. In den vergangenen Monaten entstand in diesem Kontext in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zwischen namhaften deutschen Wirtschaftswissenschaftlern eine Kontroverse, deren Mittelpunkt der Stellenwert ordnungspolitischer Maßnahmen bildet.2 So fordert die eine Seite eine stärkere Ausrichtung der deutschen Wirtschaftswissenschaft nach „internationalen Standards“3 und bezieht sich dabei auf die gängige Praxis in den Vereinigten Staaten, wo Ordnungspolitik in ihrem traditionellen Sinne als überholt angesehen und in der Wirtschaftswissenschaft verstärkt auf mathematische Modelle zurückgegriffen wird. Als Folge sollen deutsche Wirtschaftspolitiklehrstühle umstrukturiert werden, indem Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik nicht mehr strikt voneinander getrennt und verstärkt empirische Daten in wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen genutzt werden.4 Vorteil wäre eine bessere Verzahnung theoretischer wirtschaftswissenschaftlicher Ergebnisse mit „politikberatenden“5 Bereichen, da „die Trennung in Lehrstühle für Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik“ 6 die Politikberatung nicht verbessert habe.
Lea Arnold
2. Wissenschaftliche Politikberatung in der Wirtschaftspolitik
Zusammenfassung
Der SVR ist neben den Wissenschaftlichen Beiräten des BMWi und des BMF das älteste Gremium wissenschaftlicher Politikberatung im Bereich der Wirtschaftspolitik. Wirtschaftswissenschaftlicher Beratung kommen im Idealfall zwei Funktionen zu: Einerseits kann sie Argumente liefern, um sich über Gruppeninteressen oder kurzfristig attraktive, langfristig aber schädliche Lösungsvorschläge hinwegzusetzen. Andererseits kann wissenschaftliche Beratung die Urteilsbildung der Öffentlichkeit erleichtern, die damit im Idealfall wiederum eine „Kontrolle“ über die Qualität der Wirtschaftspolitik ausüben kann.35 In einem funktionierenden Dialog zwischen Wirtschaftswissenschaften und Politik sollen die Berater ökonomische Fehlentwicklungen und unerwünschte Nebenwirkungen erkennen.36 Ein immer wiederkehrender Konflikt ist, dass wirtschaftspolitische Entscheidungen in der Demokratie stets im Spannungsverhältnis zwischen Sachverstand und Mehrheitsmeinung gefällt werden müssen. Auch die Kritik an wirtschaftspolitischer Beratung wird meist an diesem Spannungsfeld festgemacht. Die Divergenzen zwischen Ökonomen und Politikern sind nicht zuletzt in dem begrenzt rationalen Verhalten, der sog. „bounded rationality“37, begründet. Ob dieses Verhalten jedoch lediglich den Politikern zu unterstellen ist, die Stimmenmaximierung für anstehende Wahlen betreiben, und ob Wissenschaftler im Gegensatz dazu rational handeln, wird auch einer der Schwerpunkte in der empirischen Untersuchung sein.38 Bevor die wirtschaftswissenschaftliche Beratung näher betrachtet wird, sollen zunächst die Charakteristika des Politikfeldes Wirtschaftspolitik dargestellt werden.
Lea Arnold
3. Institutionalisierte Formen wirtschaftswissenschaftlicher Politikberatung in Deutschland
Zusammenfassung
Neben dem SVR sind es die Wissenschaftlichen Beiräte des Bundeswirtschaftsund Bundesfinanzministeriums und die sechs großen Wirtschaftsforschungsinstitute, die als institutionalisierte Politikberatungsgremien angesehen werden können. Von einer institutionalisierten Form der Beratung kann gesprochen werden, wenn es sich um „eine zeitlich unbefristete, fachlich grob begrenzte Dauerberatung“117 handelt, die „zumeist kollektiven Akteuren aufgegeben“118 ist. Hierfür sind die Wirtschaftsforschungsinstitute, die Wissenschaftlichen Beiräte und der SVR beispielgebend. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden einige der bis heute größten Wirtschaftsforschungsinstitute, gefolgt von den Wissenschaftlichen Beiräten, die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurden. Diese Institute und Räte sind staatlich finanziert, um ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit zu gewährleisten.119
Lea Arnold
4. Einordnung des Sachverständigenrates in die Theorien der Wirtschaftspolitik
Zusammenfassung
In der Entstehungsgeschichte des SVR wurden sehr unterschiedliche Erwartungen an das neue wirtschaftswissenschaftliche Gremium deutlich. In der endgültigen Fassung des SVRG und der Praxis des SVR finden sich Elemente aller drei traditionellen Politikberatungsmodelle. Die Bildung des SVR ist ohne Zweifel durch das dezisionistische Beratungsmodell geprägt. Es sollte eine strenge Trennung zwischen wissenschaftlichen Beratern und politischen Entscheidungsträgern geben und damit auch eine deutliche Trennung von Werturteilen und Sachaussagen. Da der SVR jedoch die Urteilsbildung seiner Adressaten beeinflusst, ist auch ein technokratisches Element zu erkennen.227 Diese Überzeugung, dass durch geeignete Maßnahmen die Ziele der Politiker erreicht werden können, beruhte auf der Idee des Keynesianismus und der antizyklischen Fiskalpolitik.228 Doch auch das pragmatische Modell wird in der Literatur auf den SVR angewandt, da durch die Einbindung der Öffentlichkeit ein kritisches Wechselverhältnis entstehen kann.229 In der Theorie der traditionellen Wirtschaftspolitik wird davon ausgegangen, dass sich politische Entscheidungsträger als perfekte Agenten der Bürger verhalten.230
Lea Arnold
5. Empirische Untersuchung
Zusammenfassung
Aufbauend auf den grundsätzlichen Merkmalen der wirtschaftswissenschaftlichen Politikberatung mit Bezug auf den SVR soll die entpolitisierende Wirkung des Gremiums empirisch in Form einer Längsschnittanalyse untersucht werden. Die Datenbasis der empirischen Untersuchung setzt sich zusammen aus den jährlichen Gutachten des SVR und dem regelmäßig zwei Monate später erscheinenden JWB der Bundesregierung. Da der gesamte Zeitraum seit Gründung des SVR im Jahr 1964 betrachtet werden soll, wird sich die Untersuchung auf einige wirtschaftspolitische Themen der JG fokussieren, die zu Beginn jeder Phase als sog. „wirtschaftspolitische Themenschwerpunkte“ kurz dargestellt werden. Die Einteilung der Untersuchung in vier Phasen ergibt sich aus politischen Gegebenheiten. So ist in der ersten und dritten Phase die CDU stärkste Partei, in der zweiten und vierten Phase die SPD. Zum einen soll die Einteilung verdeutlichen, wie sich wirtschaftspolitische Grundsatzentscheidungen von CDU- und SPDgeführten Regierungen unterschieden und ob Veränderungen im Gremium231 konkrete Auswirkungen auf die JG und die JWB hatten. Zum anderen soll geprüft werden, ob die Vorschläge des SVR von der Regierung umgesetzt wurden.
Lea Arnold
6. Schlussbetrachtung
Zusammenfassung
Die Befassung mit dem SVR in seinen verschiedenen Facetten ist momentan en vogue. Während jedoch in der derzeitigen „Krise“ der Wirtschaftswissenschaften der Fokus sehr stark auf wissenschaftlichen Theorien zu ordnungspolitischen Grundsätzen und deren praktischer Anwendung in der Politikberatung gelegt wird, konnte durch die vorliegende Analyse zumindest für den SVR festgestellt werden, dass für die entpolitisierende Wirkung des Rates auch eine von außen wirkende Komponente berücksichtigt werden muss: der Einfluss der Politik.
Lea Arnold
Backmatter
Metadaten
Titel
Unabhängige Wirtschaftspolitik
verfasst von
Lea Arnold
Copyright-Jahr
2010
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-92557-8
Print ISBN
978-3-531-17553-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-92557-8