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2016 | Buch

Verunsicherte Gesellschaft

Prekarisierung auf dem Weg in das Zentrum

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Über dieses Buch

Die Beiträge des Bandes analysieren unter internationaler Perspektive transdisziplinär aktuelle Prekarisierungstendenzen in verschiedenen Ländern. Sie beziehen sich auf diverse gesellschaftliche Teilbereiche. Die AutorInnen zeigen auf, wie sich Prekarität jeweils konkret in unterschiedliche soziale Strukturen einschreibt.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung oder das Drama des Prekären
Zusammenfassung
Das Drama des Prekären lässt sich aktuell in seinen Begriffsgehalten durch die Ausrichtung auf unterschiedliche Bedeutungshorizonte und Sinnketten kennzeichnen, die immer stärker zu Verschiebungen innerhalb des gesamten Sozialzusammenhangs zu neigen scheinen. Damit verliert der Begriff des Prekären scheinbar an Schärfe, sodass er ins Beliebige abzudrehen scheint. Ein beliebter Vorwurf, der darauf zu verweisen scheint, dass aufgrund der Mehrdeutigkeit und „Beliebigkeiten“ ein soziales Phänomen seinen wissenschaftlichen Platz noch nicht gefunden hat. Andererseits lässt sich hervorheben, dass durch derartige Diskursivierungen verschiedene Akzente gesetzt werden, die aufzeigen, wie sich Prekarität an und in diversen sozialen Räumen und Orten sedimentiert, vervielfältigt, in das soziale Gefüge eindringt und sich dort festsetzt.
Rolf Hepp
Chapter 2. Social Precarity and Labor Markets Reforms in Europe
The Need to Go Beyond
Abstract
“Is precarity the only vision for the future?”: this question was posed to the participants at the end of a major three-day conference, 24–26 September 2014, on the theme “Europe at crossroads” organized in Brussels by the European Trade Union Confederation ETUC and its scientific institute of reference, ETUI, just in the politically critical stage of formation of the new European Commission, following the European Parliament elections, which took place in May 2014.
Marco Ricceri
Chapter 3. Precarization and Control—Delineating a Concept
Zusammenfassung
The role of a concept is to aid practice of life by enabling clear descriptions and valid analysis and argumentation. To do so, the concept must be clear, sharp, precise, and unequivocal. Words that refer to vague and ambiguous concepts or to a multiplicity of related more or less overlapping concepts cannot be the vehicles of good descriptions or valid analysis and argumentation.
Lennart Nørreklit
Chapter 4. Precarious Histories
The Precariousness in the Labor Market: Statistical Evidence and Regulatory Developments
Abstract
Since the eighties, and even more from the middle of the next decade, the flexibility of the work has been cited by many European experts and policy makers as inevitable and urgent need, inherent to the development of new economic system, post-Fordist production and organization. Like a magic formula, flexibility would allow companies to overcome the global economic downturns responding promptly to the instability of the markets, thereby contributing to the general increase of wellness. Apologists for flexibility—ironically often holders of solid permanent contracts—obviously focused on the labor market, which was considered too rigid and that’s why plagued by various dysfunctions, such as high youth unemployment and long-term as well as a low participation of women and people over 50th.
Francesca Della Ratta-Rinaldi, Patrizio Di Nicola, Ludovica Ioppolo, Simona Rosati
kapitel 5. Prekarisierung erfahren
Zur Aktualität einer qualitativen Gesellschaftsanalyse „von unten“
Zusammenfassung
Die zeitgenössische Arbeitswelt befindet sich in einem rapiden und grundlegenden Wandel, der nicht nur die Arbeitsprozesse als solche grundlegend verändert, sondern auch die Möglichkeiten der Lebensgestaltung und der alltäglichen Lebensführung der „Werktätigen“ insgesamt. Prozesse der Flexibilisierung und Prekarisierung, der Subjektivierung und Entgrenzung, Entkernung und Intensivierung sind hierbei eng miteinander verflochten. Bisher als „atypisch“ qualifizierte Arbeitsverhältnisse und -bedingungen werden zunehmend typisch und der unter der Aegide des modernen Wohlfahrtsstaates im Laufe eines langwierigen Prozesses arbeits- und sozialrechtlicher Regulierungen hervorgebrachte Status des Arbeitnehmers erlebt seit einem Vierteljahrhundert eine rasche Erosion.
Franz Schultheis
Kapitel 6. Was jetzt, was?
Bourdieu, Wegwerfleben, Geistesgegenwart und Sozialarbeit
Zusammenfassung
Wer aus Gewissensgründen der intellektuellen Redlichkeit vor den folgenden Ausführungen zurückschrecken zu müssen meint, sei vorweg mit Folgendem zu beruhigen versucht: Max Weber wird zwar zumeist gegen Linke beschworen, und zwar dann, wenn es um objektive, seriöse WissenschaftlerInnen geht oder um seriöse PolitikerInnen mit Augenmaß.
Egon Christian Leitner
Kapitel 7. Prekäre Übergänge
Zur Situation jugendlicher Berufseinsteiger am Beispiel Berliner Schulabgänger
Zusammenfassung
Seit Jahren verschlechtert sich die Situation für Jugendliche auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt in Berlin. Dadurch gestaltet sich der Übergang zwischen Schule und Beruf immer schwieriger. Er ist vermehrt durch erhöhte Risiken und Instabilitäten gekennzeichnet.
Sabine Kergel
Chapter 8. Precarious Work and Union Strategies
Abstract
On the occasion of the 2010 SUPI conference, union strategies in view of the ever increasing share of precarious jobs in overall employment was a topic of general discussion. Starting point were the indispensable elements of the social dimension of European integration, namely
  • the limitation or containment of economic and other forms of inequality,
  • a fair distribution of chances by equal access to continuous education, training, and skill development throughout life,
  • a robust welfare system that provides effective social-protection to all citizens, but especially to the most vulnerable.
Klaus Mehrens
Kapitel 9. Bildungssoziologie und Prekaritätsforschung
Castingshows als Prekaritätsnarration
Zusammenfassung
Im Rahmen dieses Artikels wird ein möglicher Beitrag der Bildungssoziologie zur wissenschaftlichen Verobjektivierung bzw. Erforschung von Prekarisierungsprozessen geleistet. Hierfür wird eingangs eine Schärfung des Verständnisses von Bildungssoziologie vorgenommen und mit Bezug auf Prekarisierungsprozesse hin forschungspraktisch geschärft.
David Kergel
Kapitel 10. Prekärsein in der Symptomgesellschaft
Zur Prekarisierung der Wahrnehmung durch mediokratische Operationen
Zusammenfassung
Kaum ein anderer Begriff wird zur Zeit mehr strapaziert und zugleich mehr missbraucht, als der Begriff der Krise. Als Medienfaktor hat der Einsatz des Begriffs der Krise Hochkonjunktur, bei gleichzeitiger phänomenologischer Verwässerung und epistemologischer Fragwürdigkeit, denn: Was ist Krise? – Der Begriff der Krise wölbt sich über dubiose Ereignisse und Machenschaften auf Finanzmärkten, über lobbyistische Deals zwischen Staats- und Marktwirtschaft, zwischen Wirtschaftskriegen und Globalisierungsmandaten, zwischen Medienimperien und Rüstungskartellen. Der medialisierte Begriff der Krise produziert insgesamt ein Medienpublikum der Sprachlosigkeit in Anbetracht der Ereignisse.
Yana Milev
Chapter 11. Precariat, or the New Proletariat?
Abstract
In the last few years a seemingly new term—precariat has appeared as a revelation in the Polish press. What is surprising to a number of journalists writing about it is the fact that some of the representatives of this seemingly new social class do accept the new status of remaining labour-insecure for life. What they find challenging in the situation is, perhaps paradoxically, the freedom of the potential mobility and change, the phenomena which do not attach them to singular institutions and places.
Tadeusz Rachwał
kapitel 12. Prekarisierung und Prekarität
Zur Differenzierung zentraler Begriffe
Zusammenfassung
Zum Einstieg soll an einen Schlüsseltext der Prekarisierungsforschung erinnert werden, der nichts an Aktualität verloren hat: „Prekarität hat bei dem, der sie erleidet, tiefgreifende Auswirkungen. Indem sie die Zukunft überhaupt in Ungewissem lässt, verwehrt sie den Betroffenen gleichzeitig jede rationale Vorwegnahme der Zukunft und vor allen Dingen jenes Mindestmaß an Hoffnung und Glauben an die Zukunft, das für eine vor allem kollektive Auflehnung gegen eine noch so unerträgliche Gegenwart notwendig ist (…). Zu diesen Folgen der Prekarität für die direkt Betroffenen gesellen sich die Auswirkungen auf die von ihr den Augenschein nach Verschonten. Doch sie lässt sich nicht vergessen. Sie ist zu jedem Augenblick in allen Köpfen präsent“ (Bourdieu 1998, S. 97).
Robert F. Riesinger
kapitel 13. Der „Arbeitskraftunternehmer“
Aspekte zur Konstruktion eines prekären Idealtypus
Zusammenfassung
Bourdieu und Wacquant haben in ihrem Aufsatz „Schöne neue Begriffswelt“ (Bourdieu und Wacquant, Globalisierungswelten. Kultur und Gesellschaft in einer entfesselten Welt, S. 71–77, von Halem, Köln, 2003) darauf hingewiesen, dass im Verlauf der neoliberalen Restrukturierung von Wirtschaft und Gesellschaft und den damit verbundenen Veränderungen des Arbeitsmarktes ein ganzes Arsenal an neuen Begriffen entstanden ist. Es sind dies unter anderem Begriffe wie Steuerung, Employability oder Nulltoleranz. Parallel dazu werden traditionelle Begriffe wie Identität und Flexibilität mit einem neuen Bedeutungshorizont verbunden und umgewertet.
Alexander Sieg
Chapter 14. Change of the Economy
Changing Social Production and Production of the Social
Zusammenfassung
Of course, it would be scandalous to recommend forgetting the welfare state as outdated model. On the contrary, the traditional problems of industrial societies and even the traditional problems of industrialisation persist to exist—and at the same time the knowledge of both their complex “terms and conditions” and the fact that they are by no means based on natural laws and as such unavoidable make it even more urgent that we have to look for radical solutions, going much beyond proposals for technical adjustments. In other words—and with Albert Einstein—imagination is more important than knowledge.
Peter Herrmann
Kapitel 15. Wege der Prekarisierung: Verschiebungen, Verdichtungen
Zusammenfassung
Neue Formen der Arbeit greifen in die Stabilität der Sozialzusammenhänge innerhalb der Gesellschaft nachhaltig ein. Dabei unterliegt das Verhältnis von Ökonomie und Sozialem tiefgreifenden Umänderungsprozessen, die in ihren Binnenwirkungen und Vernetzungstendenzen aus unterschiedlichen Richtungen zueinander in Relation gesetzt werden. Die verschiedenen Effekte und Feindifferenzierungen scheinbar minimaler Verschiebungen bringen in ihrem Zusammenspiel qualitative Veränderungen innerhalb der Sozialstruktur hervor, bei der sich eine Neukombination soziostruktureller Elemente entwickelt, die immanent eine gewaltige soziale Tragweite entwickelt.
Rolf Hepp
Kapitel 16. Wiedereingliederung von Häftlingen als Mythos und Zeremonie
Zusammenfassung
Der Gefängnisboom in Amerika nach der Bürgerrechtsbewegung ist nicht auf Profitstreben, sondern auf die Staatsführung zurückzuführen. Folglich müssen wir die Schimäre „Gefängnis-Industrie-Komplex“ vernichten und die daraus abgeleiteten Geschichten von der Industrie rund um die Wiedereingliederung von Gefangenen aufgeben. Diese düstere, ökonomische Metapher ist doppelt irreführend: erstens erfahren die meisten ehemaligen Strafgefangenen keine Wiedereingliederung, sondern eine anhaltende Zirkulation zwischen Gefängnis und ihren enteigneten Wohngegenden, aus der sie vertrieben wurden; zweitens sind die mit der Überwachung beauftragten Institutionen keine Marktteilnehmer, sondern Bestandteil des bürokratischen Feldes, wie es von Pierre Bourdieu charakterisiert wurde. Die Überwachung nach der Haftentlassung ist offizieller Bestandteil des „Prisonfare“, welches „Workfare“ durch organisatorische Isomorphie ergänzt und zur neoliberalen Umgestaltung des Staates beiträgt. Einrichtungen zur Wiedereingliederung sind kein Gegenmittel, aber eine weitere Regierungsmaßnahme zur Eindämmung von Straftaten, um Problemkategorien und -bereiche in der dualisierten Stadt zu bewältigen. Um die wirtschaftliche Irrationalität und bürokratischen Absurditäten bezüglich der Überwachung von Straftätern, ob in Freiheit oder hinter Schloss und Riegel, zu fassen, sollte unsere theoretische Inspiration nicht der radikalen Kritik des Kapitalismus, sondern der Neo-Durkheimschen Organisationssoziologie und der Neo-Weberschen Theorie des Staates als klassifizierende und stratifizierende Kraft entspringen.
Loïc Wacquant
Metadaten
Titel
Verunsicherte Gesellschaft
herausgegeben von
Rolf Hepp
Robert Riesinger
David Kergel
Copyright-Jahr
2016
Electronic ISBN
978-3-658-12902-6
Print ISBN
978-3-658-12901-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-12902-6

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