Wassergefährdung durch undichte Kanäle

Bedingt durch Verordnungen einiger Bundesländer [12, 80, 81, 82] und die wachsende Besorgnis in der Fachöffentlichkeit und in der Bevölkerung bezüglich der Umweltgefährdung durch undichte Kanalisationen haben die Kenntnisse über den Zustand der öffentlichen Kanalisationen in den vergangenen Jahren rasch zugenommen. So stieg der mittlere Untersuchungsgrad nicht begehbarer Kanäle von 34% im Jahre 1984/85 auf 58% im Jahre 1990, während der Untersuchungsgrad begehbarer Querschnitte in diesem Zeitraum im Mittel von 31% auf 75 zunahm [33, 34]. Die in vorgenannten Erhebungen berücksichtigten Kanaluntersuchungen wurden ausschließlich durch eine optische Inspektion bewerkstelligt. Auch gegenwärtig ist dies die häufigste Art der Kanalinneninspektion, da die Anwendung der TV-Kamera-Technik in den Eigenkontrollverordnungen der Bundesländer, die eine Inspektion der Kanalisationsanlagen vorgeschrieben haben, obligatorisch ist. Lediglich die o.g. Bundesländer fordern in Sonderfällen über die TV-Befahrung hinausgehende Inspektionsmethoden.

Erste Erkenntnisse über die Auswirkungen von Abwasserexfiltrationen wurden im Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene seit Anfang der 80iger Jahre durch Untersuchungen an Kanalbaustellen gewonnen. Die Ergebnisse waren Anlaß für die Notwendigkeit weiterer systematischer Forschungsarbeiten, um Aussagen zur Umweltrelevanz von Kanalschäden für die Schutzgüter Boden und Grundwasser zu gewinnen. Erhebungen hatten gezeigt, daß für die Sanierung undichter Kanäle Investitionskosten von volkswirtschaftlicher Bedeutung erforderlich sind. Im Interesse eines umfassenden Boden-, Grundwasser-und Gewässerschutzes ergab sich somit die dringende Notwendigkeit, Art und Umfang undichter Kanäle bezüglich ihrer Umweltrelevanz zu untersuchen und die Schadensarten bzw. -klassen im Hinblick auf ihre Sanierungsdringlichkeit zu bewerten.

Das vor uns liegende Sanierungsprogramm zur Wiederherstellung oder Verbesserung der Entwässerungssysteme in der Bundesrepublik Deutschland besitzt einen so gewaltigen Umfang, daß es sich in Abhängigkeit von der jeweiligen Größe des Kanalnetzes sowie von Art und Umfang der Schäden aus technischen und fmanziellen Gründen über einen längeren Zeitraum erstrecken muß. Bei größeren Kanalnetzen wird die Sanierung sogar eine Daueraufgabe darstellen. Aus diesem Grunde sind Instandhaltungsstrategien aufzustellen, in denen Prioritäten für die Planung und Durchführung von Maßnahmen der Wartung, Inspektion und Sanierung festgelegt werden.

Abwasserkanäle und -leitungen sind nicht auf Dauer dicht. Wie andere Bauwerke auch erleiden sie im Verlauf ihrer Nutzung Schäden durch Abnutzung, Alterung oder sonstige Einwirkungen, die zu Undichtigkeiten führen können. Im Laufe der letzten Jahre wurde auch offenkundig, daß von undichten Kanälen oder sonstigen unterirdischen Bauteilen von Entwässerungsanlagen schwerwiegende Verunreinigungen des Bodens und des Grundwassers ausgehen können. Es fehlt jedoch weitgehend an Erkenntnissen über das Ausmaß der Belastungen und Gefährdungen, die unter den jeweiligen Bedingungen eintreten können.

Zunehmende Umweltbelastungen als Folge industrieller und technischer Entwicklungen haben in der Vergangenheit dem Umweltschutz in der Öffentlichkeit eine wachsende Aufmerksamkeit verschafft. Als nahezu selbstverständlich werden dabei Abwasserableitung und Abwasserreinigung angesehen. Ohne die hohen Investitionen in Abwasserkanäle und Kläranlagen wären die spürbaren Verbesserungen in der Wasserqualität der großen Vorfluter nicht erreicht worden. Steigende Investitionen führen auch zu einer zunehmenden Belastung der öffentlichen Haushalte. Eine Trendwende bei der steigenden Entwicklung der Abwassergebühren ist derzeit nicht abzusehen.

Schäden an Kanalisationen wurden früher häufig allein am Aufkommen von Fremdwasser beurteilt, das u.a. zu einer unerwünschten hydraulischen Mehrbelastung der Abwasserreinigungsanlagen führt. Zudem werden durch Materialeintrag in die Kanalisation Schäden verursacht, die einerseits die Funktionsfähigkeit durch Querschnittsverengungen beeinträchtigen können, darüber hinaus aber auch die Standsicherheit durch Beschädigung der Rohrbettung (Folge z.B. Rohrbruch), bis hin zu Fahrbahneinbrüchen aufgrund von Hohlraumbildungen.