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1989 | Buch | 2. Auflage

Wege der Wissenschaft

Einführung in die Wissenschaftstheorie

verfasst von: Alan F. Chalmers

herausgegeben von: Niels Bergemann, Jochen Prümper

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Dieses Buch stellt in einfacher Sprache und anhand vieler Beispiele die Grundlagen der Wissenschaftstheorie sowie die wichtigsten Richtungen dieses Fachgebietes dar. Es setzt keine Vorkenntnisse voraus. Dem Autor gelingt es, den Leser von den Grundlagen bis zur aktuellen wissenschaftstheoretischen Diskussion heranzuführen. Die Theorien von Karl Popper, Imre Lakatos, Thomas Kuhn und Paul Feyerabend werden einzeln dargestellt und kritisch miteinander verglichen. Die deutsche Ausgabe wurde durch eine aktuelle deutschsprachige Bibliographie, zusammenfassende Fragestellungen am Ende jedes Kapitels sowie durch ein Sachregister ergänzt. Das Buch bietet Studenten und Interessierten aller Fachrichtungen einen Einstieg in die Wissenschaftstheorie, der eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ansätzen des Gebietes erlaubt. Der Text für die zweite Auflage wurde von den Herausgebern durchgesehen und korrigiert, die deutschsprachige Bibliographie wurde aktualisiert.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Einleitung
Zusammenfassung
In der heutigen Zeit genießt Wissenschaft ein hohes Ansehen. Anscheinend ist es eine weitverbreitete Annahme, daß es mit der Wissenschaft und ihren Methoden etwas Besonderes auf sich hat. Wenn eine bestimmte Behauptung, ein Gedankengang oder eine Untersuchung als “wissenschaftlich” bezeichnet wird, dann soll damit unterstellt werden, daß sie besonders wertvoll oder zuverlässig sei. Aber wenn die Wissenschaft etwas Besonderes bietet, was ist dann dieses Besondere? Was ist die “wissenschaftliche Methode”, die angeblich zu besonders wertvollen oder zuverlässigen Ergebnissen führt? Dieses Buch ist ein Versuch, derartige Fragen zu klären und zu beantworten.
Alan F. Chalmers, Niels Bergemann, Jochen Prümper
1. Induktivismus: Wissenschaft als aus der Erfahrung abgeleitete Erkenntnis
Zusammenfassung
Wissenschaftliche Erkenntnis ist bewiesenes Wissen. Wissenschaftliche Theorien werden nach einem strengen Verfahren aus der Erfahrung abgeleitet, die man durch Beobachtung und Experiment gewonnen hat. Wissenschaft beruht auf unserer Fähigkeit zu hören, zu sehen, zu fühlen usw. Persönliche Ansichten oder Vorlieben und Spekulationen sind in der Wissenschaft fehl am Platz. Wissenschaft ist objektiv. Wissenschaftliche Erkenntnis ist zuverlässiges Wissen, weil es objektiv überprüftes Wissen ist.
Alan F. Chalmers, Niels Bergemann, Jochen Prümper
2. Das Induktionsprinzip
Zusammenfassung
Gemäß dem naiven Induktivisten geht Wissenschaft von der Beobachtung aus, die eine sichere Grundlage für den Aufbau wissenschaftlicher Erkenntnis bietet. Wissenschaftliche Erkenntnis wird danach induktiv aus Beobachtungsaussagen abgeleitet. In diesem Kapitel wird der Ansatz der Induktion kritisiert, in dem ihre dritte Annahme hinterfragt wird, die besagt, daß keine Beobachtungsaussage im Widerspruch zu dem entsprechenden Gesetz stehen darf. Das Prinzip der Induktion wird im Hinblick auf seine Gültigkeit überprüft, und es wird danach gefragt, inwiefern dieser Ansatz wissenschaftstheoretisch gerechtfertigt ist. Im dritten Kapitel werden dann die ersten beiden Annahmen des Induktivismus kritisiert und widerlegt.
Alan F. Chalmers, Niels Bergemann, Jochen Prümper
3. Die Theorieabhängigkeit der Wahrnehmung
Zusammenfassung
Wir haben gesehen, daß gemäß dem naiven Induktivismus sorgfältige und unvoreingenommene Beobachtung eine sichere Grundlage bietet, von der aus wahrscheinlich wahre, wenn nicht gar wahre wissenschaftliche Erkenntnis abgeleitet werden kann. In dem vorangegangenen Kapitel wurde dieser Standpunkt kritisiert, indem die Schwierigkeiten betont wurden, die mit dem Versuch verbunden sind, induktives Schließen im Rahmen wissenschaftlicher Theorien und Gesetze aus der Beobachtung zu rechtfertigen. Einige Beispiele wiesen darauf hin, daß Zweifel an der Zuverlässigkeit des induktiven Schließens berechtigt sind. Dennoch stellen diese Argumente keine endgültige Widerlegung des Induktivismus dar, vor allem, wenn man bedenkt, daß viele konkurrierende Wissenschaftstheorien sich ähnlich gelagerten Schwierigkeiten gegenübersehen (vgl. 12. Kapitel, Abschnitt 4). In diesem Kapitel wird ein entscheidender Einwand gegen den Induktivismus erhoben. Ein Einwand, der sich nicht so sehr dagegen wendet, daß wissenschaftliche Erkenntnis aus der Beobachtung abgeleitet wird, sondern der sich mit den Annahmen des Induktivismus auseinandersetzt, die den Status und die Rolle der Beobachtung selbst betreffen.
Alan F. Chalmers, Niels Bergemann, Jochen Prümper
4. Der Falsifikationismus
Zusammenfassung
Der Falsifikationismus geht davon aus, daß Beobachtung theoriegeleitet ist und Theorie voraussetzt. Gleichermaßen verzichtet er von vornherein auf den Anspruch, daß Theorien auf der Basis von Beobachtung als wahr oder wahrscheinlich wahr betrachtet werden können. Theorien werden als spekulative und vorläufige Vermutungen aufgefaßt, die der Mensch bei dem kühnen Versuch entwirft, Probleme, die vorangegangene Theorien aufgeworfen haben, zu überwinden und um eine adäquate Erklärung des Verhaltens einiger Aspekte der Welt oder des Universums zu erhalten. Spekulative Theorien müssen, wenn sie einmal vorgeschlagen wurden, rigoros und nach strengen Kritierien durch Beobachtung und Experiment überprüft werden. Theorien, die der Überprüfung durch Experimente nicht standhalten, müssen eliminiert und durch neue spekulative Vermutungen ersetzt werden. Wissenschaft macht Fortschritte durch Versuch und Irrtum, durch Vermutungen und Widerlegungen. Nur die besten Theorien überleben. Auch wenn man niemals mit Sicherheit von einer Theorie behaupten kann, daß sie wahr ist, so kann man doch zumindest hoffen, daß es die Beste ist, die zur Verfügung steht, d.h., daß sie besser ist als alle vorangegangenen.
Alan F. Chalmers, Niels Bergemann, Jochen Prümper
5. Der raffinierte Falsifikationismus, neuartige Vorhersagen und der Fortschritt der Wissenschaft
Zusammenfassung
In dem vorangegangenen Kapitel kamen bestimmte Bedingungen zur Sprache, die eine Hypothese erfüllen muß, damit sie wert ist, von einem Wissenschaftler untersucht zu werden. Eine Hypothese sollte falsifizierbar sein — je falsifizierbarer, desto besser — und dennoch nicht bereits falsifiziert worden sein. Raffinierte Falsifikationisten sind sich darüber im klaren, daß diese Bedingungen allein nicht ausreichend sind. Eine weitere Bedingung bezieht sich auf den Anspruch, daß sich die Wissenschaft weiterentwickeln sollte. Eine Hypothese, die vorgesehen ist, eine andere zu ersetzen, sollte daher falsifizierbarer sein als jene, die sie ersetzen soll.
Alan F. Chalmers, Niels Bergemann, Jochen Prümper
6. Die Grenzen des Falsifikationismus
Zusammenfassung
Für den Falsifikationisten besteht wissenschaftliche Tätigkeit aus dem Versuch, Theorien zu falsifizieren, indem das Zutreffen von Beobachtungsaussagen nachgewiesen wird, die mit den Theorien unvereinbar sind. Der “raffinierte” Falsifikationist sieht die Unzulänglichkeit dieses Vorgehens und erkennt an, daß sowohl das Bestätigen von spekulativen, neuen Theorien, als auch das Falsifizieren von bewährten Theorien eine entscheidende Rolle spielt. Beide Falsifikationisten, der naive als auch der raffinierte, sind sich darüber einig, daß ein entscheidender qualitativer Unterschied zwischen dem Stellenwert von Bestätigung und Falsifikation besteht. Theorien können endgültig falsifiziert werden, sofern entsprechende Beweise vorliegen, hingegen können sie niemals als wahr oder wenigstens als wahrscheinlich wahr nachgewiesen werden — was für Belege auch immer dafür angeführt werden. Eine Theorie wird immer nur vorläufig anerkannt, wohingegen die Zurückweisung einer Theorie endgültig sein kann. Auf diesen Sachverhalt geht die Bezeichnung “Falsifikationismus” zurück.
Alan F. Chalmers, Niels Bergemann, Jochen Prümper
7. Theorien als Strukturen: I. Forschungsprogramme
Zusammenfassung
Die kurze Darstellung der kopernikanischen Revolution, die in dem vorangegangenen Kapitel gegeben wurde, macht deutlich, daß der induktivistische als auch der falsifikationistische Ansatz den Blick auf den größeren Zusammenhang vermissen lassen. Während sie ihr Augenmerk auf die Beziehung zwischen Theorien und individuellen Beobachtungsaussagen oder Reihen von Beobachtungsaussagen legen, gelingt es ihnen nicht, der Komplexität umfassender wissenschaftlicher Theorien Rechnung zu tragen. Weder die naiv-induktivistische Betonung der induktiven Ableitung von Theorien aus der Beobachtung, noch das falsifikationistische System von Vermutungen und Widerlegungen sind imstande, eine angemessene Beschreibung für die Entstehung und den Fortschritt wirklichkeitsnaher und komplexer Theorien zu liefern. Es ergibt sich ein angemesseneres Bild, wenn Theorien als eine Art strukturiertes Ganzes dargestellt werden.
Alan F. Chalmers, Niels Bergemann, Jochen Prümper
8. Theorien als Strukturen: II. Kuhns Paradigmen
Zusammenfassung
Eine zweite Betrachtungsweise von wissenschaftlichen Theorien als einer Art komplexer Strukturen hat in den letzten Jahren große Beachtung gefunden. Sie wurde von Thomas S. Kuhn entwickelt, der ihre erste Version erstmals 1962 mit Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen (1979) veröffentlichte. Kuhn begann seine akademische Laufbahn als Physiker und wandte sich dann der Wissenschaftsgeschichte zu. Dabei wurden seine Vorstellungen vom Wesen der Wissenschaft zutiefst erschüttert. Er erkannte, daß traditionelle Beschreibungen der Wissenschaft, ob nun aus induktivistischer oder falsifikationistischer Sicht, dem Vergleich mit der historischen Wirklichkeit nicht standhalten konnten. Kuhn entwickelte seine Wissenschaftstheorie in der Folge als einen Versuch, den historischen Gegebenheiten, so wie er sie sah, gerecht zu werden. Ein Grundzug seiner Theorie ist die Betonung des revolutionären Charakters wissenschaftlichen Fortschritts, wobei eine Revolution die endgültige Aufgabe einer theoretischen Struktur bedeutet, die durch eine andere, mit ihr unvereinbaren Struktur ersetzt wird. Ein weiteres, wichtiges Merkmal der Kuhnschen Theorie ist die entscheidende Rolle, die die soziologischen Bedingungen der “Scientific communities” spielen.
Alan F. Chalmers, Niels Bergemann, Jochen Prümper
9. Rationalismus versus Relativismus
Zusammenfassung
In den vorangegangenen zwei Kapiteln haben wir eine Zusammenfassung zweier zeitgenössischer Analysen der Wissenschaft gegeben, die sich grundlegend voneinander unterscheiden. Lakatos und Kuhn legen unterschiedliche Akzente bei der Unterscheidung zwischen Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft. Die Konfrontation der Auffassungen von Kuhn einerseits und denen von Lakatos und auch Popper andererseits hat zu einer Debatte über zwei gegensätzliche Standpunkte angeregt, die mit den Begriffen “Rationalismus” bzw. “Relativismus” verbunden sind. Es geht in dieser Debatte um das Problem der Bewertung der Theorienwahl und um die Mittel und Wege, Wissenschaft von Nicht-Wissenschaft abzugrenzen. In diesem Kapitel sollen zunächst zwei Standpunkte beschrieben werden, die die beiden Extrempositionen dieser Debatte darstellen. Auf der einen Seite der Rationalismus und auf der anderen Seite der Relativismus. Anschließend soll darauf eingegangen werden, inwiefern es berechtigt ist, Lakatos und Kuhn als Rationalisten oder Relativisten zu bezeichnen.
Alan F. Chalmers, Niels Bergemann, Jochen Prümper
10. Objektivismus
Zusammenfassung
In der Art, wie der Begriff hier verwendet wird, ist der Objektivismus eine Sichtweise, die im Hinblick auf menschliche Erkenntnis die Tatsache betont, daß Gegenstände der Erkenntnis, von einfachen Behauptungen bis hin zu komplexen Theorien, Eigenschaften und Charakteristika besitzen, die über das Bewußtsein und die Überzeugung des Einzelnen, der sie entwirft und der sich mit ihnen auseinandersetzt, hinausgehen. (Die Beobachtung, daß der Objektivismus, wie er in diesem Kapitel dargestellt wird, Widersprüche beinhalten oder zu Konsequenzen führen mag, deren ich mir nicht bewußt bin und die ich möglicherweise auch nicht begrüßen würde, wäre durchaus mit dem objektivistischen Standpunkt zu vereinbaren.) Objektivismus steht im Gegensatz zu der Sichtweise des sogenannten Individualismus, gemäß dem Erkenntnis als Überzeugung des Einzelnen verstanden wird. Um den Standpunkt des Objektivismus zu verdeutlichen, soll zunächst der individualistische Standpunkt in groben Zügen dargestellt und ihm dann der Objektivismus gegenübergestellt werden.
Alan F. Chalmers, Niels Bergemann, Jochen Prümper
11. Ein objektivistischer Ansatz zum Theorienwechsel in der Physik
Zusammenfassung
Der hier vorgeschlagene Ansatz zum Theorienwechsel ist eine Modifikation der Lakatosschen Methodologie der Forschungsprogramme.1 Bevor dieser Ansatz dargestellt wird, möchte ich in diesem Abschnitt die Grenzen des Ansatzes zum Theorienwechsel von Lakatos diskutieren oder vielmehr darlegen, warum er meines Erachtens überhaupt keinen Ansatz zum Theorienwechsel geliefert hat.
Alan F. Chalmers, Niels Bergemann, Jochen Prümper
12. Die anarchistische Erkenntnistheorie von Feyerabend
Zusammenfassung
Einen der provozierendsten und herausfordernsten Ansätze der zeitgenössischen Wissenschaftstheorie lieferte Paul Feyerabend in seiner eigenwilligen und ganz besonderen Art. Eine Betrachtung des Wesens der Wissenschaft und ihres Status würde unvollständig sein, ohne diesen Ansatz zu berücksichtigen. In diesem Kapitel sollen die Hauptzüge der Position von Feyerabend zusammengefaßt und einer Bewertung unterzogen werden. Wir orientieren uns dabei vor allem an der Darstellung in Wider den Methodenzwang (Feyerabend, 1976a, 1983).
Alan F. Chalmers, Niels Bergemann, Jochen Prümper
13. Realismus, Instrumentalismus und Wahrheit
Zusammenfassung
Wir werden in diesem und in dem folgenden Kapitel den Versuch unternehmen, einige problematische Fragen bezüglich der Verbindung zwischen wissenschaftlichen Theorien und der Welt, in der sie Anwendung finden sollen, aufzugreifen. Auf der einen Seite haben wir von Menschen konstruierte, wissenschaftliche Theorien, die einer möglicherweise endlosen Veränderung und Entwicklung ausgesetzt sind. Auf der anderen Seite haben wir die Welt, in der diese Theorien Anwendung finden sollen und deren Verhalten — zumindest was die physische Welt anbetrifft — keiner Veränderung ausgesetzt ist. Welche Beziehung besteht nun zwischen diesen beiden Bereichen
Alan F. Chalmers, Niels Bergemann, Jochen Prümper
14. Nicht-repräsentativer Realismus
Zusammenfassung
Im vorangegangenen Kapitel wurden instrumentalistische Ansätze der Physik sowie solche Ansätze des Realismus kritisiert, die von einer Korrespondenztheorie der Wahrheit ausgehen. Hier soll nunmehr eine tragfähige Alternative vorgeschlagen werden. Dazu soll in diesem Abschnitt zunächst etwas ausführlicher auf das Verhältnis zwischen den Theorien eingegangen werden, die ersetzt wurden und denjenigen, die infolge eines revolutionären Wandels an ihre Stelle getreten sind. Dazu ist es hilfreich, das Augenmerk erneut auf die Beziehung zwischen den Theorien von Newton und Einstein ZU richten — ein von Kuhn und Feyerabend favorisiertes Beispiel für sogenannte Inkommensurabilität.
Alan F. Chalmers, Niels Bergemann, Jochen Prümper
Backmatter
Metadaten
Titel
Wege der Wissenschaft
verfasst von
Alan F. Chalmers
herausgegeben von
Niels Bergemann
Jochen Prümper
Copyright-Jahr
1989
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-10882-6
Print ISBN
978-3-540-51503-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-10882-6