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2003 | Buch

101 Frauen der deutschen Wirtschaft

herausgegeben von: Christoph Keese, Wolfgang Münchau

Verlag: Gabler Verlag

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Warum Frauen längst die Nase vorn haben

Frontmatter
Susanne Klatten Diszipliniert. Diskret. Unprätentiös

Das Erste, was an Susanne Klatten auffällt, sind die Männer. Es sind immer drei, vier in gut geschnittenen, dunklen Anzügen, die sich bei offiziellen Anlässen um sie sammeln. Prominente Amtsträger, geübte Plauderer, die für gewöhnlich selbst den Ton angeben. Das ist anders, wenn die mittelgroße Frau mit der Fönfrisur und dem schlichten, einfarbigen Kostüm bei ihnen steht. Alle Aufmerksamkeit richtet sich dann auf Susanne Klatten: Möchte sie sich äußern, was sagt sie, wie meint sie das? Die Herren bemühen sich um allerbeste Manieren. Ein amüsantes Schauspiel, das sich da auf der Hauptversammlung des Autokonzerns BMW bietet. Susanne Klatten gilt als die reichste Frau Deutschlands. Ihre Mehrheit von 50,1 Prozent am Pharmaunternehmen Altana und ihr Anteil von 12,5 Prozent an BMW, beides Dax-Unternehmen, sind an der Börse derzeit rund sechs Milliarden Euro wert.

Sven Clausen
Gabriele Strehle Gefühl ohne jeden Kompromiss

Es gibt Führungspersönlichkeiten, die sind vor allem an dem Schreibtisch erkennbar, hinter dem sie sitzen. So gesehen ist es schwer, Gabriele Strehle als Führungspersönlichkeit ausfindig zu machen, denn hinter ihrem Schreibtisch sitzt sie sehr selten. Sie sitzt ohnehin so gut wie nie den Tag über. Sie ist unterwegs. Nicht unbedingt in der Welt, denn Geschäftsreisen bringt sie hinter sich wie ein Kind seine Schulaufgaben. Meistens ist sie nur unterwegs in dem Haus, das durch sie erst berühmt geworden ist. Es gibt Führungspersönlichkeiten, die erkennt man daran, wie sie auftreten: energisch, unüberhörbar. Auch wer nach diesen Kriterien versucht, in dem lichten Nördlinger Betrieb, auf dem Strehle AG steht, die Dame dieses Namens ausfindig zu machen, scheitert. In weichen, flachen Schuhen, schwarzen Hosen und einem weiten weißen Hemd darüber huscht sie durch die Gänge, die Ateliers, die Büros. Kniet am Boden, sitzt auf dem Parkett, kritzelt, schneidet, steckt. Macht mehr, als sie redet, zeigt lieber, wie etwas geht, anstatt sich darüber zu verbreiten.

Eva Gesine Baur
Schwester Theodolinde Mehltretter Voller Einsatz für 10 Euro im Monat

Sie ist Geschäftsführerin eines Unternehmens mit 460 Mitarbeitern, sie arbeitet zwölf Stunden am Tag, manchmal sogar am Wochenende — und verdient ganze zehn Euro im Monat. Schwester Theodolinde Mehltretter leitet die Adelholzener Alpenquellen GmbH, einen der größten deutschen Mineralbrunnen. Eine Managerin im herkömmlichen Sinne ist sie eigentlich nicht. Als Angehörige der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul, hat sie bei ihrem Gelübde jeglichem persönlichen Besitz abgeschworen.

Britta Nagel
Claudia Sihler Die Quotenfrau

Die Nonnen wollen aufräumen. Sie können ihn nicht mehr ertragen, den Filz im so blitzsauber wirkenden Dorf. Die Fäden laufen zusammen bei Bürgermeister Wöller, ein Amigo klassischen bayerischen Zuschnitts. Fritz Wepper spielt ihn — in der Serie „Um Himmels Willen“. Witzig, ironisch, verschroben, verschlagen — „ganz wie der große Walter Matthau“. Das sagt zumindest Claudia Sihler. Sihler ist geschäftsführende Gesellschafterin der Neuen Deutschen Filmgesellschaft (NDF). In deren Produktionen ist alles picobello, jugendfrei und politically correct, mit einer ordentlichen Prise Gefühl. Und am Ende siegt das Gute. Häme verbietet sich. Denn „Um Himmels Willen“mit Bürgermeister-Bösewicht Wepper erzielte zum Start satte 22,5 Prozent Einschaltquote, 7,4 Millionen Menschen schauten zu — in Zeiten der Sender-Inflation ein beachtliches Ergebnis. Nicht das einzige, das die NDF vorweisen kann: Auch ihre Herz-Schmerz-Krankenhaus-Soap „St. Angela“schlägt die Konkurrenz qualitativ deutlich. Da kann es sich Claudia Sihler leisten, etwas zu untertreiben: „Bei den deutschen Fernsehsendern gelten wir als Spezialisten für das Genre Familienserie.“

Harald Ehren
Lydia Lux-Schmitt Die Sprinterin

Alles nur eine Frage des Mind-Sets, glaubt Lydia Lux-Schmitt. Wenn hier zu Lande so wenig Frauen wie in keinem anderen EU-Land Führungspositionen in der Wirtschaft einnehmen, sei das Mind-Set der deutschen Chefs schuld. Wenn Frauen nicht dafür kämpften, die gleichen Gehälter wie ihre männlichen Kollegen zu bekommen, stimme eben etwas nicht mit ihrem Mind-Set.

Britta Nagel
Rosemarie Portner Sie steuert durch die ganze Welt

Es gibt eine Menge Steueranwälte in Deutschland. Einige davon sind Frauen. Aber wenn Dieter Endres, Vorstand bei Pricewater-houseCoopers, Rosemarie Portner als „eine der Besten“ lobt, dann spricht Endres nicht nur von den Frauen in der Branche. Und er spricht nicht nur von Deutschland. Endres’ Lob wiegt doppelt schwer, denn die Dame ist von der Konkurrenz: Rosemarie Portner ist Partnerin bei Linklaters Oppenhoff & Rädler. Und sie beschäftigt sich dort gern mit den richtig schwierigen Fällen.

Jens Tartler

Die erste Kanzlerin, bald ist es soweit

Frontmatter
Christine Scheel Türenknallen mit Hans Eichel

Sie wird Hans Eichel weiter zur Weißglut treiben. Nach der Wahl hat Christine Scheel kurz darüber nachgedacht, ob sie den Bundesfinanzminister in der neuen Legislaturperiode weniger ärgern soll: als parlamentarische Staatssekretärin in seinem Hause. „Ein Job im Ministerium — mit Dienstwagen, eigener Abteilung, mehr Geld. Da hätte man was draus machen können.“ Aber die Staatssekretärin „muss Loyalität mit dem Minister wahren“, weiß sie. „Da hat man keine Freiheit mehr.“

Matthias Lambrecht
Anja Mikus Unbeeindruckt vom Glamour der Börsen

Früher ist sie wahnsinnig gerne gereist. Nach Indien und Mexiko, nach Südafrika und Sri Lanka, in die Sowjetunion und nach Ägypten, mit dem Rucksack, immer für zwei bis drei Monate in den Semesterferien. „Das waren anstrengende Touren, aber es hat wahnsinnig Spaß gemacht. Ich habe unheimlich viel Spannendes gesehen und gelernt.“Anja Mikus strahlt bei der Erinnerung. Ob sie das heute vermisst? „Jetzt gibt es andere Herausforderungen in meinem Leben“, sagt die Geschäftsführerin der Union Investment Privatfonds. Die Familie mit dem Sohn. Und den Beruf.

Claudia Wanner
Christine Bortenlänger Bossin der bayerischen Broker

Ihr bisher größtes Projekt trägt einen Männernamen: Max-One. Max steht für „maximale Leistung“ einer neuen elektronischen Börsen-Handelsplattform. Mit deren Hilfe sollen ab Frühjahr 2003 in München Aktien und Rentenpapiere gehandelt werden. Für Christine Bortenlänger, Geschäftsfuhrerin der Bayerischen Börse und zugleich Vorstand des Börsenträgers, stehen die Ziele der neuen Software fast beispielhaft für den eigenen Anspruch an hohe Leistungsfähigkeit.

Gerhard Hegmann
Anne Maria Jagdfeld Ein Hauch von Luxus für Berlin

Fast pausenlos ist sie auf der Suche nach neuen Designs unterwegs in der Welt — und findet außerdem die Kraft und die Zeit, fünf Söhne großzuziehen. Es klingt zuerst nach Koketterie. Anne Maria Jagdfeld sagt von sich, sie sei ein Mensch, der die Öffentlichkeit scheut. Die scheue Frau Jagdfeld wirbt allerdings mit ihrem Konterfei für ihr Berliner Luxus-Kaufhaus, dem „Departmentstore“ im Quartier 206, und schreckt keineswegs davor zurück, ihre Privaträume in Hochglanzmagazinen den neugierigen Blicken des Publikums darzubieten.

Britta Nagel
Barbara Jakubeit Macherin der Hauptstadt

Er hätte ihrem Leben eine andere Richtung geben können, der Oberfinanzpräsident von Karlsruhe. Doch als Barbara Jakubeit sich Ende der 80er Jahre fur die Leitung des städtischen Hochbauamtes bewarb, ließ der oberste Herr der Bauverwaltung despektierliche Worte fallen: „Sie könnten ja mein Töchterle sein.“Da hatte die Architektin ihren 40. Geburtstag schon hinter sich. Schlösser hatte sie wieder aufgebaut, diverse Preise bekommen und Projekte in der Größenordnung bis zu 70 Millionen DM betreut. Das aber interessierte in Karlsruhe nicht.

Arne Storn

Frauen in der PR-Branche: Plaudersucht oder soziale Kompetenz?

Frontmatter
Karen Heumann Eine Freundin der klaren Worte

Sie entspricht allen Klischees der Werbung: Karen Heumann sieht verdammt gut aus, ist als Geschäftsführerin bei Hamburgs Kreativagentur Jung von Matt seit zwei Jahren erfolgreich, genießt bei Kollegen einen ungewöhnlich guten Ruf und ist auch noch glücklich verheiratet. Ein kostbarer Solitär: extrovertiert und introvertiert zugleich, ausgestattet mit einer guten Portion Pragmatismus, ironischem Humor und dem Selbstbewusstsein, ganz sie selbst sein zu können. Eine richtige Vorzeigefrau also.

Ingeborg Trampe
Mechthild Upgang Der Pagenkopf hinter dem Business Park für Frauen

Lamentieren gilt nicht. Nicht für ein Mädchen, das vor der Schule die Kühe auf dem Hof der Eltern im münsterländischen Oeding melken musste. Nicht für Mechthild Upgang: „Ich will zeigen, dass Frauen nicht nur jammern, sondern Mut haben.“Den hat die 43-Jährige bewiesen. In der feinen Bonner Kaiserstraße gründete die Finanzberaterin mit dem dunkelblonden Pagenkopf den einzigen deutschen Women’s Business Park, der ohne öffentliche Mittel auskommt. In der früheren Residenz des Militärbischofs sind heute zehn Firmen mit zehn Chefinnen zu Hause. Eine der Firmen bilden die 15 Finanzberaterinnen der Dr. Upgang AG.

Hannes Külz
Sabine Asgodom Die Trainerin der Manager

Die Sterne wirken ganz nah im Büro von Sabine Asgodom. Über ihr glitzert eine Lampenkonstruktion aus Glasklunkern, in denen sich das Licht bricht. Verführerisch. Es lockt, nach den Sternen zu greifen. „Vergiss es!“sagt der Blick von Sabine Asgodom. Sie kennt sich aus mit den Himmelsstürmern Deutschlands. Mit den Führungskräften, die sämtliche Sterne vom Himmel holen wollten. Und abgestürzt sind. Die Sterne blinken in weiter Ferne, statt dessen gähnt in nächster Nähe ein schwarzes Loch. Die Fachleute nennen es „Burn-out-Syndrom“: keine Lust zu gar nichts.

Viktoria Unterreiner
Marita Kraemer Denn Pionierinnen sind überall die Ersten

Marita Kraemer, erste Frau im Vorstand der Zürich Versicherung: Den „Machiavelli für Frauen“ hat Marita Kraemer nie gelesen, auch keinen anderen der Ratgeber, derer es angeblich bedarf, um sich in der harten Männerwelt nach oben zu boxen. Es mag ja ambitionierte Frauen geben, die sich nach derartiger Lektüre motivierter fühlen, sagt die 49-Jährige. Sie braucht so etwas nicht.

Britta Nagel
Catherine Mühlemannn Damit MTV noch möglichst lange die Nase vorn hat

„Falsch!“ stand dort, mit Ausrufezeichen. Falsch sei die Angabe von Viva, in der Zuschauergunst vorn zu liegen. Vor MTV. Der Münchner Sender beließ es nicht bei einer zur „Gegendarstellung“ hoch-gejazzten Pressemitteilung, sondern legte nach. Viva-Chef Dieter Gorny bezeichnete MTV-Chefin Catherine Mühlemann der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge als „später geholten Geschäftsführer“. Die Dame wird persönlich.

Arne Storn
Rita Forst Schwimmen lernen in der Ölwanne

Das ist ihr Baby: ganz aus Aluminium gegossen. Zwei Nockenwellen, die über eine Kette angetrieben werden. Vier Ventile pro Zylinder. Teflonbeschichtete Kolben. L850 heißt der neue Vierzylindermotor bei Opel profan. Das Ungewöhnlichste an der Maschine: Es ist der wohl einzige Großserienmotor, der maßgeblich von einer Frau entwickelt wurde. Rita Forst leitet seit August die Opel Powertrain GmbH und ist damit Chefin von 4.000 meist männlichen Antriebsentwicklern, Motoren- und Getriebebauern.

Guido Reinking
Iris Ebling Deutschlands oberste Steuerrichterin beißt sich auf die Lippen

Nur ein einziger Mann stand ihr noch im Weg. Klaus. Ihr Ehemann. Er hätte sie als Präsidentin verhindern können. Doch der räumte vor drei Jahren galant das Feld, trat — „eine Selbstverständlichkeit“ — vorzeitig als Vizepräsident des Bundesfinanzhofs (BFH) ab und ging in den Vorruhestand.

Anton Notz
Gertrud Höhler Präsent, aber nicht in der Pflicht

Vorstände und Unternehmenslenker rufen Gertrud Hohler immer wieder gern an. Wegen der Erdung. „Manager brauchen jemanden wie sie, der das Wirtschaftliche mit dem Rest der Welt verknüpft“, sagt Hasso Graf Bülow vom Kölner Verlagshaus DuMont Schauberg. Und das kann die 61-Jährige wie kaum eine andere: Sie denkt anders, fragt anders, redet anders und guckt anders hin — und schafft es dabei mit andauerndem Erfolg, dass die leitenden Männer der Wirtschaft sie nicht nur verstehen, sondern immer noch mehr von ihrer Botschaft wollen. Geschätzt wird sie für Äußerungen wie: ‚‘Alles wird gut‘ — das ist der ultimative Tarakappensatz einer kommunizierenden Upperclass, die schon in der Kindheit gelernt hat, Schmerz zu verleugnen.“ Die These der „emotionalen Magersucht“ in den Chefetagen gehört zu ihren Lieblingsideen.

Axel Gloger
Claudia Rutt Im Wettlauf gegen die Leukämie

Wenn Claudia Rutt, Chefin der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) ruft, steht die Alm Kopf. Im Stadion mit dem alpen-ländischen Namen spielt Fußballbundesligist Arminia Bielefeld. Vor dem Abstiegsthriller gegen Bayer Leverkusen standen die Arminia-Fans zusammen mit ihrer Elf Schlange. Nicht vor dem Stadion, sondern vor dem Eingang einer nahe gelegenen Schule. Drinnen wurden den Arminen ein paar Tropfen Blut abgenommen — für Andreas.

Harald Ehren
Anna Brunotte Die Preisboxerin von der Bahn

Den neuen Normalpreis für ein Bahnticket von Berlin nach München kennt Anna Brunotte nicht so genau. „In Euro und Cent kann ich Ihnen das nicht sagen“, muss die 45-Jährige eingestehen. „Ich weiß nur, dass der ab kommenden Sonntag rund 20 Prozent billiger wird.“ Nur weil Brunotte das neue Preissystem der Deutschen Bahn, das am 15. Dezember eingeführt wird, entwickelt hat, muss sie keine wandelnde Preisliste sein, findet sie. „Für meinen Job brauche ich ein sehr gutes Zahlenverständnis“, sagt Brunotte, nach Bahn-Chef Hartmut Mehdorn mittlerweile vielleicht das bekannteste Gesicht des Staatskonzerns. Gleichzeitig gibt sie zu, dass ihre Mathekenntnisse in der Schule eher pragmatischer Natur waren. „Ich muss Komplexität reduzieren können. Und: Ich muss Menschen begeistern und überzeugen“, beschreibt sie ihr Stellenprofil.

Jörn Paterak
Phoebe Kebbel Und auf den kleinen Konrad passt dann der Vater auf

„Typisch Phoebe Kebbel: Immer vorneweg!“ Solche Kommentare hat die junge Mutter in den vergangenen Tagen viele gehört. Fünf Wochen zu früh wurde ihr Sohn Konrad geboren. Was sie macht, das macht sie schnell. Dazu passt, dass sie bereits im Februar wieder arbeiten gehen will — erst wird sich ihr Mann, danach eine Tagesmutter um das Kind kümmern.

Arne Storn
Regine Stachelhaus Eine schwäbische Karriere

Wie immer, wenn sie nicht gerade durch die Welt fliegt, ist Regine Stachelhaus um sechs Uhr aufgestanden. Sie hat gemeinsam mit Mann und Sohn gefrühstückt und ist dann die 20 Minuten in ihrem Firmen-Audi gefahren, die sie braucht, um gegen acht Uhr in der Deutschland-Zentrale von Hewlett-Packard (HP) in Böblingen anzukommen.

Frank Schulte
Juliane Wiemerslage Serve and Volley

Es war der entscheidende Netzangriff. Juliane Wiemerslage wusste: Entweder der Volley passt und sie gewinnt den Satz. Oder der kleine gelbe Filzball bleibt im Netz hängen und sie im Mittelmaß. Entweder sie schafft die erfolgreiche Karriere im Personalbereich ihres Arbeitgebers IBM. Oder sie bleibt in der Rechtsabteilung und wird „Lawyer fur irgendwas“. Der Volley saß. Heute ist Wiemerslage Geschäftsführerin Personal und Arbeitsdirektorin von IBM Deutschland.

Christine Mai

Grün, grün, grün sind alle meine Kleider

Frontmatter
Britta Steilmann Die Frau ohne Nachnamen

Sie ist jung, ledig und sucht — nach Modetrends und nach einer langfristigen Zukunftsstrategie für ihr Unternehmen. „Unsere Branche ist extrem schnell, und die Produkte werden immer vergänglicher“, sagt sie und drückt aufs Tempo. Zweifel daran, wer in Wattenscheid das Sagen hat, lässt die 36-Jährige gar nicht erst aufkommen. Sie gehört nach oben, auf die Bühne und vors Publikum — nicht mitten rein.

Matthias Ruch
Marija Korsch Investmentbanking ist eine Kunst

Eine riesige Fläche schwarze Ölfarbe auf handgeschöpftem Papier, das durch einen kleinen Riss am oberen Rand den weißen Untergrund durchblitzen lässt. Richard Serras dynamisches Werk dominiert die zweistöckige Eingangshalle des Frankfurter Städel-Museums. Marija Korsch bleibt stehen, wieder einmal. Es ist das Lieblingsbild der Investmentbankerin. Ansatzlos gerät sie ins Schwärmen: „Das ist ein starkes Bild. Es hat viel Form, obwohl es doch so einfach ist. Man sieht die Bewegungen im Material.“ Sie ist begeistert. Davon gibt die dunkelhaarige Mittfünfzigerin gern ab: Sie will selbst begeistern, will anderen etwas mitgeben, genauso wie sie immer etwas mitnehmen möchte: „Sonst ist es verlorene Zeit.“ Kunst, klassische Musik und ja, auch die Arbeit.

Ina Bauer
Ann-Kristin Achleitner Mit Mut zum Risiko

Es gibt Orte, um die man besser einen Bogen macht. Gotham City gehört dazu. Eine Stadt beherrscht von Dieben, Mördern und korrupten Polizisten. Hier arbeitet Ann-Kristin Achleitner. Unerschrocken begrüßt die Professorin ihre Besucher: „Willkommen in Gotham City.“ Ihre Stadt der Finsternis liegt in München-Schwabing. Sie ist ein Bürogebäude mit schwarzer, abgegriffener Eingangstür, schummrigem Treppenhaus und alten Linoleumböden. Hier befindet sich Achleitners Lehrstuhl für Unternehmensgründung und Entrepreneurial Finance der Technischen Universität München (TU). Es gebe keinen Grund zur Sorge, beruhigt sie. Innen sei alles modern und freundlich.

Andreas Jung
Margrit Harting Wurzeln schlagen, Flügel spannen

Die schwere Wagentür wird ihr aufgehalten. Langsam gleitet sie auf das weiche Leder der Rücksitze. Nur heute, wenn ein Besucher dabei ist, schnallt sie sich an. Sonst nicht. „Ich muss frei sein“, sagt Margrit Harting. Auch wenn sie fest gebunden ist. An Espelkamp, an die ostwestfälische Provinz. Von hier aus führt sie die 2200 Mitarbeiter eines weltweiten Firmennetzes: Über 30 Unternehmenstöchter in 22 Ländern, 244 Millionen Euro Umsatz in diesem Jahr. Hartings Industriestecker stecken in Fließbändern, Lackierstraßen und Hochgeschwindigkeitszügen.

Hannes Külz
Margret Mönig-Raane Die Gewerkschafterin mit dem Gerechtigkeitstick

Sie gibt sich streitbar: „Wir sind bereit für einen Arbeitskampf.“ Es sieht nach Konfrontation aus. „Die Arbeitgeber haben die Weichen auf Konflikt gestellt und werden ihn bekommen“ , tönt Verdi-Chef Frank Bsirske. Der Zustimmung seiner Stellvertreterin Margret Mönig-Raane kann er sich sicher sein. Ein Jahr nach ihrer Gründung steht die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, in der sich die Einzelgewerkschaften ÖTV, DAG, HBV, DPG und IG Medien zusammentaten, vor der ersten großen Bewährungsprobe. Der Druck auf die Verdi-Führung ist groß. Die letzte Banken-Tarifrunde war für Verdi ein Flop: Nach acht Monaten Verhandlungen und weitgehend unbeachteten Streiks haben sich die Arbeitgeber doch durchgesetzt.

Sabine Rössing
Christine Stimpel Die Verhaltensforscherin der Spitzenmanager

Headhunter, Kopfjäger, heißen die Personalberater in der Szene. Und die Jäger von Spencer Stuart mit ihrem weltweit geknüpften Headhunter-Netz sind besonders erfolgreich: Sie stehen für 300 Chefwechsel in Deutschland, viele davon in Dax-Unternehmen. Umso verblüffender, die Deutschlandchefin von Spencer Stuart zu treffen. Obwohl sich auf dem Schreibtisch von Christine Stimpel die Zukunft manches Konzerns entscheidet, wirkt sie nicht wie eine, die ganz vorne mitmischt: Die 41-Jährige ist nicht aufgeregt, strebt nicht nach Geltung. Ihre Präsenz überstrahlt nicht die Menschen neben ihr. Das hat Methode: Ihre Arbeit sei „nichts für Leute, die im Rampenlicht stehen wollen“. Sie wirke aus dem Hintergrund: „Man muss sich daran freuen, was die anderen zustande bringen.“

Axel Gloger
Mary Jo Gresens Umweht von einem Hauch Abenteuer

Mary Jo Gresens ist ganz kurz ein bisschen pikiert. „Feindlich“ sei die Übernahme der FAG Kugelfischer durch INA keineswegs gewesen. „Wir mussten eben wachsen, der Markt hat es verlangt.“ Alle seien dafür gewesen, außer vielleicht dem FAG-Management. Ganz gelassen sagt sie das, als sei es normal, dass ein Familienbetrieb den börsennotierten Konkurrenten schluckt. Als sei es normal, dass der börsennotierte Konkurrent tagelang Anzeigen schaltet, um seine Aktionäre vom Verkauf ihrer Anteile abzuhalten. Als sei es normal, dass die Übernahme trotzdem gelingt.

Meike Schreiber
Annette Imhoff Auf der Schokoladenseite

Zu Weihnachten fing alles an. Genau am 25. Dezember 1994 bot der Kölner Stollwerck-Schokokönig Hans Imhoff seiner Tochter Annette den Einstieg in seinen Betrieb an. Nicht als Marketing-Mitarbeiterin oder Juniorchefin, wie das andere Unternehmer machen. Die damals 25-Jährige sollte als alleinige Geschäftsführerin das Schokoladenmuseum mit 100 Mitarbeitern leiten — ohne Uni-Diplom und ohne Führungserfahrung.

Judith-Maria Gillies
Barbara Bludau Die Brückenbauerin aus dem Elfenbeinturm

Eigentlich wollte Barbara Bludau immer Ärztin werden. Menschen helfen, die Welt verändern. Dann entschied sie sich anders, studierte Rechtswissenschaften. Legte eine klassische Beamtenlaufbahn hin mit Stationen im nordrhein-westfalischen Landesdienst, als Vizepräsidentin des Polizeipräsidiums Köln und als Staatsrätin in Hamburg. Inzwischen tut sie doch, was sie immer wollte. Sie hilft Menschen, sie verändert die Welt. Seit 1995 ist Bludau Generalsekretärin der Max-Planck-Gesellschaft.

Christine Mai
Ute Kaiser Demut vor den Zahlen

Das Scheinezählen machen heute andere. Doch Herrin über die Zahlen ist die gebürtige Niederbayerin geblieben. Seit März 2002 hat sie den Posten des Finance Directors bei Ogilvy One Worldwide inne, einer der führenden Dialogmarketing-Agenturen Deutschlands. Die Unternehmensgruppe mit über 200 Mitarbeitern erzielte 2001 ein Honorarvolumen von rund 29 Millionen Euro. Zu den Kunden gehören große Namen wie SAP, American Express und IBM.

Stefanie Kreiss
Veronika Claßen Auf der Jagd nach dem Silbernen Löwen

Als neue Partnerin des Hamburger Beratungsunternehmens Trendbüro kehrt sie nach einem Jahr des Rückzugs in die Arena der Werbebranche zurück. Und das mit einem Angebot, das revolutionär klingt: Das Creative Brand Framing (CBF) soll eine zukunftsgerichtete Markenführung erlauben. „Werbeforschung kann nur testen, was schon bekannt ist. Bei innovativen Werbeansätzen musste man sich also immer auf das Bauchgefühl der Kreativen verlassen“, beschreibt Claßen das Dilemma. Die Folge: Unternehmen stecken immer mehr Geld in Marktforschung, bessern ihre Kampagnen ständig nach (was viel Zeit und Geld kostet) und gehen am Ende auf Nummer sicher. Mit Hilfe profunder Trendforschung soll nun der Rahmen der Markenführung neu definiert warden.

Ingeborg Trampe
Jella Benner-Heinacher Streiten mit Stil

Der Titel des Folianten war Jella Benner-Heinacher schon lange ein Dorn im Auge: „Männer der Wirtschaft“ hieß das jährlich erscheinende Sammelwerk ausgewählter Gastbeiträge. Bis 1995 ein Text der Modemanagerin Jil Sander abgedruckt werden sollte. Benner-Heinacher, Gesehäftsführerin der Deutschen Schutzgemeinschaft fur Wertpapierbesitz (DSW), die das Blatt herausgibt, setzte sich durch. Seither heißt die Schrift „Reden der Wirtschaft“. „Dafür habe ich gelochten“, sagt die 42-Jährige.

Christian Baulig

Wenn Frauen höher fliegen

Frontmatter
Ilona De March Wirbelwind in der Business Class

Die Frau kennt keine Hemmungen: Wenn sich eine Gelegenheit bietet, greift sie zu. Dann packt sie einfach mal einen Geschäftspartner bei der Hand und wirbelt — etwa einen perplexen Eon-Manager — über die Tanzfläche. „Den möchte ich sehen, der mir einen Korb gibt“, platzt Ilona De March heraus. Diese Art habe schließlich auch ihren neuen Arbeitgeber überzeugt. Der habe bei den Einstellungsverhandlungen wissen wollen, was sie anders macht bei Kunden wie etwa den Travelmanagern von Exxon Mobil, Deutsche Bank oder Invensys, die millionenschwere Reisebudgets verwalten. „Ich bin unkonventionell und packe sie bei dem Herzen“, behauptete die zierliche Powerfrau.

Jenny Genger
Andrea Ott In der Ruhe liegt die Kraft

Ganz in Samt kommt sie daher. Dunkelgrün, elegant. Aber kuschelweich ist sie nicht. Der Gang ist energisch, der Blick fest, die Stimme tief. Und das Lachen ist laut. Spontan, ein bisschen übermütig. Die halblangen dunkelbraunen Haare wippen. Eine Schmusekatze ist Andrea Ott nicht. Sondern eine erfolgreiche Frau, die immer neue Aufgaben beansprucht. „Alle zwei Jahre brauche ich eine Herausforderung“, sagt sie. „Ich habe das Glück, dass mein Arbeitgeber das bislang immer rechtzeitig gemerkt und mir etwas Neues angeboten hat.“

Christine Mai
Elke König Fasziniert von der Schönheit der Zahlen

Als sie 2001 aus München nach Hannover wechselte, gab es in der Versicherungsbranche ungläubiges Staunen. Elke König, seit elf Jahren Chefin des Rechnungswesens der Münchener Rück, verließ den Marktführer und wechselte zur deutlich kleineren Hannover Rück.

Herbert Fromme
Elisabeth Roegele Die Retterin des Derivatehandels

Elisabeth Roegele engagierte sich, da ging sie noch zur Schule, als Gruppenleiterin bei der katholischen Jugend. Damals erkannte sie, welche Macht das Recht hat. Die Geschichte geht so: Roegele wollte mit den Kindern nach deren Erstkommunion verreisen, das Haus war schon gemietet. Pfingstferien, kein Problem. Dachte sie. Doch das Land hatte andere Pläne und schaffte die freien Pfingsttage ab. Roegele fand in ihrem Religionsbuch Paragraf 1 des Schulgesetzes, der besagt: Die Schule soll die Belange der Kirche respektieren. Die Schülerin setzte sich hin, schrieb einen Brief an die Oberschulbehörde und beantragte vier Tage Sonderurlaub für ihre Gruppe. Und bekam ihn.

Doris Grass
Sabine Decker Ms. Carwash

Es fing an mit einem Job. In den Semesterferien verdiente sich Jura-Studentin Sabine Decker bei Wesumat ein paar Mark dazu. Wesumat heißt heute WashTec, die Studentin von einst ist ausgebildete Juristin — aber ihrem Ferienjob ist sie treu geblieben. Beim Augsburger Hersteller von Autowaschanlagen arbeitet die 37-Jährige heute allerdings als Finanzvorstand und ist verantwortlich für das Auslandsgeschäft. Mit einem Umsatz von rund 250 Millionen Euro pro Jahr, 30 Prozent Weltmarktanteil und 60 Prozent Marktanteil in Europa ist WashTec der inzwischen weltgrößte Hersteller der Branche.

Gerhard Hegmann
Annette Roeckl Liebe auf den zweiten Blick

Annette Roeckls braungrüne Augen strahlen, wenn sie hinausschaut. Hinter dem Bürofenster schneit es. Unablässig rieselt der Schnee, schon den ganzen Tag. Die Landschaft ist wie von Puderzucker überzogen — die Autos in der Isartalstraße, der Rasen im Park dahinter, die zwei Zwiebeltürme einer entfernten Kirche. „Ist das nicht toll?“, fragt sie mit leicht rauchiger Stimme. „Kaltes Wetter ist gutes Wetter.“ Denn bei Minustemperaturen schnellt der Umsatz mit Handschuhen nach oben. Und davon lebt die 35-Jährige.

Judith-Maria Gillies
Inge Sandstedt Die Präsidentin bleibt gelassen

Wenn Inge Sandstedt sich ärgert, müssen nicht ihre Mitarbeiter den Kopf einziehen, sondern Löwenzahn, Brennnessel und Spitzwegerich. „Wenn ich wütend bin, gehe ich in meinen Garten und jäte Unkraut.“ Wütend? Schwer vorstellbar bei der bedächtig wirkenden Frau. Gelassenheit kann eine Stärke sein. Sie hilft bei den endlosen Gremiensitzungen und beim Smalltalk mit Ministern. Sandstedt braucht viel Gelassenheit, denn als Präsidentin des Verbands deutscher Unternehmerinnen (VdU) muss sie stundenlang sitzen und reden.

Silvia Tyburski
Aenne Burda Muster für Millionen

„Als Wiedergutmachung“ lässt sie sich von ihm einen heruntergewirtschafteten Modeverlag überschreiben — mit dem sie in kürzester Zeit eine Auflage macht, von dem ihr Mann mit seinem Flaggschiff „Die Bunte“ nur träumen kann. „Kämpfen ist mein Leben gewesen“, sagt die Verlegerin 50 Jahre später, inzwischen Multimillionärin und Herrin über einen der größten Modeverlage der Welt.

Ileana Grabitz
Clara Streit Ungeschminkter Rat

Die Frau hat einen Tick. Clara Streit sammelt Uhren, und zwar ausschließlich Schweizer Präzisionswerke. Schöne Stücke sind darunter: „Ich mag auf dem Zifferblatt keine römischen Ziffern“ — das Verspielt-Romantische liegt der Leiterin der Finanzdienstleistungsgruppe von McKinsey Deutschland nicht: „Schlicht und klar müssen sie sein.“ Am Handgelenk der blonden Unternehmensberaterin mit den fixierenden blauen Augen prangt eine massive Fliegeruhr IWC Mark XI von 1950. Schwarzes Zifferblatt, die Funktion auf das Wesentliche reduziert. Das passt zu der energischen Frau. Sie redet schnell, oft zu schnell, garniert mit allerlei Anglizismen — Beraterkauderwelsch, das aus ihr wie im Rhythmus der Unruh eines edlen Chronometers heraussprudelt.

Harald Ehren
Christiane zu Salm Die Mitmach-Prinzessin

Begonnen hat ihre Karriere in der Obstbranche. Damals, im Sommer 1974, war sie im Urlaub. Mit der Familie. In Portugal. „Dort gehörte uns ein Ferienhaus, um das herum etwa 15 Feigenbäume standen“, erinnert sich Christiane zu Salm. „Doch keiner von uns mochte Feigen. Also hab ich sie vor der Markthalle verkauft.“ Das Geschäftsmodell der Achtjährigen war simpel. „Ich habe geguckt, was die anderen verlangen, und bin dann runtergegangen. Statt 800 Escudos pro Kilo nur 700.“ Leider hatte die Sache einen Haken. „Keiner wollte glauben, dass meine abgepackten Tüten wirklich ein Kilo wogen.“ Klein-Christiane stapfte nach Hause und schnappte sich Mutters Küchenwaage. „Dann hat meine Dumpingstrategie funktioniert.“

Thomas Clark
Jil Sander Die Unberührbare

Konsequent wie damals Greta Garbo: Nach dem Ende ist Schluss, ein Comeback ist nicht vorgesehen. Keine Gerüchte, keine Vermutungen, überhaupt keine Öffentlichkeit. Sie ist weg, und so soll es bleiben. Das schafft Platz tur die Legendenbildung.

Christine Mai
Miriam Meckel Die Karrierefrau rubbelt am Etikett

So. Sie muss dann wieder. „Der MP spricht“, sagt Miriam Meckel entschuldigend und hüpft aus dem Hinterzimmer im Düsseldorfer Landtag. Eine Minute später sitzt sie auf der Regierungsbank, Arme breit auf den Stuhl gelehnt, und lauscht der Rhetorik ihres Chefs. „Das ist so platt mittlerweile, dass man leidet“, kritisiert Ministerpräsident Peer Steinbrück fachgerecht seine Kritiker. Die Kommunikationsprofessorin faltet die Hände und schmunzelt.

Stefan Merx
Liesel Knorr Bollwerk gegen die Zahlentrickser in den Unternehmen

Ihr Enthusiasmus verwundert, denn er gilt einem Thema, das als knochentrocken gilt: Liesel Knorr entwickelt Standards für die Rechnungslegung von Konzernen. Sie ist Geschäftsführerin — offiziell „Generalsekretärin“ — des Deutschen Rechnungslegung Standards Committee (DRSC).

Sabine Rössing
Ursula Engelen-Kefer Die Überzeugungstäterin

Wenn sie die Revolution ausruft, bekommt ihre Stimme diesen hellen, energischen, lauten Ton. „Wir sind für eine Revolution bei der Vertragsgestaltung zwischen Ärzten und Krankenkassen.“Revolutionen hatten früher ein anderes Kaliber. Heute geht es darum, ob Ärzte mit der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen oder ob die Kassen direkt mit den Ärzten verhandeln. Und über deren Zulassung bestimmen. Revolution? Naja. Für die Vereinigungen und die Ärzte zumindest ein rotes Tuch. Und Ursula Engelen-Kefer ist wieder mal die Böse. Wie so oft. Es ist ihr anzusehen, dass sie auch diesmal beim besten Willen nicht versteht warum.

Maike Rademaker
Hanna von Hoerner Auf Himmelsmission

Brachte sie schlechte Noten nach Hause, drohte das Schlimmste: Der Vater nahm ihr den Lötkolben weg. „Ohne den war ich völlig aufgeschmissen“, sagt Hanna von Hoerner. Mit sechs Jahren bastelte sie ihr erstes Radio. Mit acht investierte sie ihr Taschengeld in Elektronikschrott, zerlegte Staubsauger und Dynamos. Mit zehn fertigte sie eine 220-Volt-Lightshow fürs Kasperletheater. Der Entzug des Lötkolbens war die einzige Möglichkeit, sie an den Schreibtisch zu zwingen: „Ich wollte ständig irrsinnige Apparate bauen, die irgendwas Tolles können.“

Hannes Külz
Ute Biernat: Sherpa unter Superstars

Als die Show vorbei ist und wieder ein Superstar ausgeschieden, rauscht Ute Biernat durch den vollen Raum hinter der Bühne bis an den Stehtisch und sagt „So“. Langgezogen und noch ein bisschen unter Spannung. Aber auch schon wieder abenteuerlustig. Nun habe sie kurz zehn Minuten Zeit, sagt sie, streicht das lange Haar zurück, blitzt ihr Gegenüber mit den lichtgrauen Augen an, lehnt sich nacn vorn. Zehn Minuten, denn nun geht es wieder um die nächste Show.

Christoph Keese, Wolfgang Münchau
Barbara Hendricks: Die Staatssekretärin trotzt dem Gegenwind

Es droht peinlich zu werden. Staatssekretärin Barbara Hendricks und ihre Beamten wollen 50 Journalisten den Sinn des Steuervergünstigungsabbaugesetzes nahe bringen. Doch der Referatsleiter Gesetzgebung liefert drei einander widersprechende Versionen zur künftigen Besteuerung von Investmentfonds. Jeder merkt: Der Mann schwimmt fürchterlich. Da geht Hendricks dazwischen und lässt die Presse wissen: „Sie bekommen heute im Laufe des Tages noch eine schriftliche Sprachregelung.“ Die wird zwar auch völlig unverständlich sein, aber wenigstens hat Hendricks die Situation erst einmal gerettet.

Jens Tartler
Helga Breuninger: Auf eigenen Wegen

Helga Breuninger war vorbereitet, Verantwortung zu übernehmen, sie hatte Betriebs- und Volkswirtschaft studiert. Aber als Nachfolgerin komme sie nicht in Frage, befand Heinz Breuninger und entschied sich für einen externen Nachfolger. „Es war für ihn nicht denkbar, dass eine Frau die Firma leitet“, sagt die Tochter. Eine konservative und starre Einstellung, die gute Lösungen verhindert, findet sie heute. Aber für sie war es eine Chance: „Ich konnte mir zum ersten Mal in meinem Leben unbefangen die Frage stellen, was ich selbst eigentlich wirklich will.“

Tina Stadlmayer

Es geht auch ohne Kavalierstart

Frontmatter
Renate Weber Rundes Beige löst schnelles Silber ab

Anregungen findet Renate Weber überall, selbst wenn sie abends ins Ballett geht und sieh „Schwanensee“ anschaut. „In der Inszenierung war das Thema,Schwarz und Weiß‘ein sehr wichtiges.“ Das habe sie inspiriert, sich ein bisschen mehr mit diesem Kontrast zu beschäftigen. Renate Weber macht so etwas beruflich: Sie spürt Farbtrends auf, um zu erahnen, welche Töne bei Autokäufern künftig gefragt sind. Bei BASF Coatings, der Lacke-Tochter von BASF in Münster, ist sie als eine von weltweit drei Farbdesignern für Europa zuständig: Ihre zwei Kollegen sitzen in Japan und den USA.

Klaus Max Smolka
Dagmar Wöhrl Miss Bundestag kämpft weiter

Irgendwann hatte der altersschwache Mini Cooper die Pendelei zwischen Nürnberg und Erlangen satt. „Der ist fast auseinander gefallen“, erinnert sich Dagmar Wöhrl. „Aber ich brauchte das Auto, um zur Universität zu kommen.“ Also musste ein neues her. Weil die Veranstalter der Miss-Germany-Wahl 1977 gerade als Preis für die Schönste im Lande einen chromblitzenden Flitzer ausgelobt hatten, hat sie sich halt beworben. „Ich habe mir gedacht, vielleicht gewinnst’ den ja“, sagt sie. Und es hat geklappt.

Matthias Lambrecht
Regine Sixt Diplomatie und Damenwies’n

Neulich in Nizza: Die Schlange hinterm Sixt-Schalter am Aéroport de la Côte d’Azur wird lang und länger. Die Autoverleiher in Orange kontrollieren im Eiltempo Führerscheine, tippen Kreditkartennummern in ihre Computer, reichen Fahrzeugschlüssel und Wagenpapiere über den Tresen, doch der Shuttlebus bringt immer neue Kunden vom Terminal herüber. Da nähert sich eine Dame im Business-Outfit, dunkles schulterlanges Haar, gebräunter Teint, makelloses Make-up. Sie überlegt kurz, marschiert an der Schlange vorbei hinter den Schalter, wirft ihre Handtasche in die Ecke, setzt sich hinter den Computer und fragt den verdutzten Kunden: „May I help you?“

Christian Baulig
Christine Licci Die Motivatorin

Im Business wird sie nicht so schnell schwach wie im Schuhgeschäft. Seit Sommer 2001 steht sie der Citibank Privatkunden AG vor, als einzige Vorstandsvorsitzende einer deutschen Bank. Und sie hat den Laden gut im Griff. Als sie Willy Socquet an der Spitze der deutschen Privatkundeneinheit des weltgrößten Finanzdienstleisters Citigroup ablöste, war das Institut ins Gerede gekommen. Mehrere Vorstände hatten in kurzer Folge die Bank verlassen, dem Institut seien, hieß es damals, die IT-Kosten davon gelaufen.

Claudio Wanner
Susan Unger Transatlantische Karriere

Wenn alle A sagen, sagt sie garantiert B. Wenn alle nach links gehen, entscheidet sie sich für rechts. Auf den ersten Blick mag Susan Unger konventionell wirken — schlichtes Kostüm, modische Kurzhaarfrisur. Wer genauer hinsieht, entdeckt die Kraft hinter den kleinen, energischen Gesten, den Schalk in ihren Augen. Sie ist kein Mensch, der das tut, was alle anderen tun. Und sie ist schon gar nicht der Typ, der sich von den Erwartungen und guten Ratschlägen anderer von einer Idee abbringen lässt.

Christine Mai
Iris Löw-Friedrich Echte Forscherinnen mögen keine Routine

Auch wenn es den Beigeschmack des Klischees hat: Iris Löw-Friedrich ist tatsächlich so etwas wie eine Frühberufene. „Ich konnte mir nie etwas anderes als den Arztberuf für mich vorstellen“, sagt die Vorstandsfrau für Forschung und Entwicklung von Schwarz Pharma. Allerdings stieß ihr Berufswunsch nicht auf Begeisterung innerhalb der Familie. Ihre Mutter, berichtet Löw-Friedrich in ihrem in kühlen Blautönen gehaltenen Büro im rheinischen Mon-heim, sei aus Angst nie zum Arzt gegangen. Aber vielleicht, so mutmaßt die 42-Jährige mit unverhohlener Ironie, hätte sie gerade deshalb diesen Beruf gewählt.

Britta Nagel
Anke Schäferkordt Messerscharfes Mädchen

Heute darf die Senderchefin von Vox darf so viel fernsehen, wie sie will. Natürlich steht in ihrem Büro ein TV-Apparat, an ihrer Tür hängt ein Poster von Ally McBeal. Seit vier Jahren ist sie Geschäfts-fuhrerin des Kölner Senders. Anfangs skeptisch belächelt. Dann führte sie den Sender in die Gewinnzone und schaffte im Vorjahr zweistellige Zuwachsraten — trotz Werbekrise. Jetzt lacht keiner mehr. Stil- und selbstbewusster ist sie geworden. Dass sie sauklug ist, wusste sie sowieso schon immer. „Ich bin ein sehr analytischer Mensch. Das ist meine Stärke“, sagt sie überlegen. Und wirkt doch nicht arrogant. Sorgsam schenkt sie ihrem Besucher Kaffee ein, versucht etwas unbeholfen, mit einer Blumenvase einen Fleck auf ihrem Konferenztisch zu kaschieren, bemerkt, dass sie dabei beobachtet wird und sagt dann entschuldigend: „Typisch Frau.“

Thomas Clark
Sabine Dolderer Chefin.de

Technik braucht Stellfläche, also muss Sabine Dolderer weichen aus ihrem Eckbüro im achten Stock, in dem weitläufige Fensterfronten den Blick auf die kalte Pracht der Frankfurter Bankentürme freigeben. „Schon schade“, seufzt sie, „aber wir brauchen den Platz.“

Martin Virtel, Monika Ermert

Beraterinnen sind auch nur Menschen

Frontmatter
Martina Rißmann Alles locker unter Kontrolle

Klappe, die erste: Die Empfangsdame hat ein Tablett mit Getränken vorbereitet. Nun sind die Gäste da. Und das Telefon am Empfang schrillt. Die Mitarbeiterin eilt an den Hörer. Die Chefin bleibt mit dem Tablett zurück. Zögert kurz, lächelt, packt das schwere Tablett und winkt die Gäste weiter. Huh, wie untypisch.

Stefanie Kreiss
Ursula Ehrfeld Wissenschaftlerin mit Unternehmergeist

Langsam schlendert der Professor durch die Reihen des Auditoriums an der TH Karlsruhe. Schließlich bleibt sein Blick an einer Frau hängen, der einzigen unter etwa hundert Studenten. „Eine Frau. Was fragt man eine Frau?“ spottet er. „Da fallt mir nur ein: Was läuft im Kino?“ Die Antwort kommt prompt und ist auch noch richtig: „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehen.“

Kirsten Bialdiga
Kim-Eva Wempe Dame für den Feinschliff

„Ich hätte gern noch schmalere Hände“, fallt ihr auf, als sie das zwei Zentimeter dicke Juwel betrachtet. „Meine sind mehr so zum Anpacken.“ Passend für ihren Job, denn da hat sie genug in die Hand zu nehmen. In vierter Generation führt die 40-Jährige die Uhren- und Schmuckfirma Gerhard D. Wempe in Hamburg. Mit Artikeln des eigenen Labels und Marken wie Cartier, Rolex oder A. Lange & Söhne macht das Traditionsunternehmen einen Umsatz von 186 Millionen Euro. Seit 1984 ist Kim-Eva im Unternehmen, seit 1987 als Juniorchefin, heute steht sie als Geschäftsfuhrende Gesellschafterin gemeinsam mit ihrem Vater an der Firmenspitze.

Judith-Maria Gillies
Nora Baumberger Frau Buster

Wollen Sie wissen, wie man sich das Hummer-Essen abgewöhnt? Machen Sie es wie Frau Baumberger: Einen zu kleinen Topf nehmen, dann taucht das Vieh nur zur Hälfte ein, strampelt sich heraus, rast im Todeskampf. Und Frau Baumberger daneben kreischt, als müsse sie dem Hummer als Sprachrohr dienen, muss panisch einen größeren Pott herbeikramen, das Krustentier unter Wasser drücken, bis sein Kadaver in der brodelnden Brühe treibt. „Es war der Horror.“ Seitdem nie mehr Hummer. Zuvor hatte Nora Baumberger täglich Hummer gegessen. Denn Frau Baumberger ist reich und ein bisschen dekadent. Außerdem ist Frau Baumberger Dolly Buster.

Tillmann Prüfer
Milagros Caina-Lindemann Die Geradlinige

Bewerbungen kennt sie fast nur als Empfängerin. Milagros Caina-Lindemann selbst hat sich nur einmal richtig beworben. Im Sommer 1982, kurz nach dem Abitur, schickte sie den Umschlag mit Bild, Anschreiben und dem kurzen Lebenslauf einer 19-Jährigen an die Personalabteilung von einem Verkehrstechnikunternehmen im nahen Städtchen Werdohl. Zwei Gespräche weiter, und sie hatte den Vertrag über ihre Lehrstelle als Industriekauffrau in der Tasche.

Michael Gassmann
Marlies Hirschberg-Tafel Kick am Schreibtisch

Es gab eine Reihe von Gründen für den Wechsel. Die Allianz hatte die Vereinte-Grappe gerade gekauft. Es war ganz klar, dass sie die Vereinte Lebensversicherung mit der Allianz Leben fusionieren würde. Für Vorstandsfrau Hirschberg-Tafel wäre da kein Platz auf Vorstandsebene geblieben. „Was hätten die mit mir machen sollen? Ich bin egozentrisch, ich bin gut, ich weiß, was ich will. Es hätte keinen Sinn gehabt, wenn mir immer ein anderer sagt, wo es langgeht.“

Herbert Fromme
Katharina le Thierry d’Ennequin Modell aus dem Bilderbuch der Gegenwart

Katharina Le Thierry d’Ennequin muss einem Katalog entstiegen sein. Die 39-Jährige legt eine kindliehe Freude auf, wenn sie an das Geburtstagsgeschenk ihrer Kollegen tritt, eine bunte Luftballon-Figur. Sie ist eine fürsorgliche Mutter, wenn sie über ihren Sohn spricht. Sie redet rasant und energisch über das Geschäftliche. Und in Sekundenschnelle modelliert sich Frau Le Thierry d’Ennequin für den Fotografen im Ledersessel.

Sven-Oliver Clausen
Gisela Sökeland Auf Dienstreise

Wer ständig auf Reisen ist, sagt eine Spruchweisheit, der kommt nie bei sich selbst an. Ist rastlos und will am liebsten überall sein, wo er gerade nicht ist. Ruhen Sie nie in sich selbst, Frau Sökeland?

Marc Schürmann
Ursula Lapp Die Prinzipalin aus Vaihingen

Noch ein paar Monate, und es ist Sommer in Stuttgart-Vaihingen. Jeden Morgen wird Ursula Lapp dann im Freibad ihre frühen Runden drehen. „Manchmal sind auch ein paar Enten im Becken“, sagt sie. Ursula Lapp mit Enten in einer öffentlichen Badeanstalt? Eigentlich müsste sie sich an ihrem eigenen Pool in Marbella oder Südfrankreich sonnen. Doch Lapp bleibt in Vaihingen, in ihrem Häuschen am Freibad — und in ihrer Firma, nur ein paar Straßen entfernt. Die Firma, das ist die Lapp Group. 2600 Beschäftigte, 500 Millionen Euro Jahresumsatz, acht Prozent Umsatzrendite. Die 72-Jährige lächelt: „ein gesundes Unternehmen“. Und das seit mehr als vier Jahrzehnten. 1957 erfand der Ingenieur Oskar Lapp das moderne Industriekabel. Vorher gab es nur. schwarze Einzeladern in Schläuchen. Lapps Erfindung war dagegen ölbeständig und flexibel. Jede Ader im Kabel hatte je nach Funktion einen andersfarbigen Kunststoffuberzug. Lapp war überzeugt von der Zukunft seiner Entwicklung. Er kündigte seinen Job und machte sich 1959 selbstständig, gemeinsam mit seiner Frau Ursula: „Ich glaubte an meinen Mann und das neue Kabel und bestärkte ihn bei dieser Entscheidung.“

Alexander Freisberg
Christiane Dirkes Jenseits des Glamour

Christiane Dirkes, 41 Jahre alt, ist eine fürchterlich erfolgreiche Frau, CEO von Weber Shandwick, Vorsitzende der deutschen Geschäftsführung, Mitglied des Executive Board von Weber Shandwick Worldwide, 3.000 Mitarbeiter, 427 Millionen Dollar Honorarumsatz 2001, sie ist Macherin, Chefin, PR-Star, und sie passt in dieses Geschäft nun wirklich nicht hinein.

Marc Schürmann
Heide Franken Die Frau, die nicht Rad fahren wollte

Heide Franken war richtig sauer. Als der Kollege beim Streit auf Niederländisch zu ihr sagte: „Ach, geh doch Rad fahren.“ Ich gehe doch jetzt nicht Rad fahren, antwortete sie empört. Damals, bei ihren ersten Tagen bei Randstad in Amsterdam, kannte sie sich noch nicht so aus mit niederländischen Redewendungen. Heute weiß sie, dass der Mann nur sagen wollte: „Lass mich doch zufrieden!“

Annette Entreß

Frauen machen Schlagzeilen

Frontmatter
Patricia Riekel Ein bunter Vogel entdeckt schwarze Zahlen

Ihre eigene Telefonnummer kann sie sich nur unter größten Schwierigkeiten merken. „In meinem Kopf hatten Zahlen nie allzu großen Platz“, gibt die kleine Frau mit dem blonden Pagenkopf und blauen Augen unumwunden zu und erzählt, wie sie in der Schule beim Kopfrechnen um die Wette „immer schon bei der dritten Position aufgegeben“ hat.

Thomas Clark
Renate Köcher Drachen am Bodensee

„Unsere Zahlen sind Menschen!“, sagt Renate Köcher: Wie denken sie, was bewegt sie? „Nur wer die Zahlen so begreift, wird in der Demoskopie glücklich.“ Und Köcher, Geschäftsfuhrerin des Instituts für Demoskopie Aliensbach (IFD), ist glücklich. Weil die Zahlen, also die Deutschen, gern mal für Überraschungen sorgen.

Christian Peitschner
Claudia Baumhöver Wer nicht lesen will, muss hören

Einzelkämpfer stellt man sich anders vor. Nicht wie diese zierliche Frau mit der leisen Stimme. Dennoch, so sagt Claudia Baumhöver beim Frühstück in einem Hamburger Hotel, hätte sie sich stets als Einzelkämpferin gefühlt. „Ich hatte immer Jobs, die außerhalb der normalen Range lagen.“Jobs, die kein Mann haben wollte. Jobs, bei denen auch so manche Frau abgewunken hat. Das konnte sich Baumhöver nicht leisten, mit ihrer Ausbildung als Kindergärtnerin, mit ihrem Studium der Sozialpädagogik. Das Wort „Quereinsteigerin“ist bei diesen Voraussetzungen fast schon eine Untertreibung.

Britta Nagel
Hubertine Underberg-Ruder Die Meisterin der Püllekes

Sie ziehen sich Schürze und Haube über, und verschwinden. Im Kräuterspeicher. Ganz geheim mischen Hubertine Underberg-Ruder und ihre Mutter Christiane Underberg ein- bis zweimal pro Monat die Zutaten nach dem 156 Jahre alten Rezept des Firmengründers Hubert Underberg. Kräuter aus 43 Ländern sind darin — mehr verrät die Juniorchefin nicht. Aufgeschrieben ist die Rezeptur nirgends. Nur die beiden Frauen, der Vater und drei Geistliche wissen die komplizierte Mischung herzustellen. Nur ihrem Mann, in der Firma für das Auslandsgeschäft zuständig, darf Hubertine Underberg-Ruder das Rezept verraten — aber erst nach der silbernen Hochzeit. Das dauert noch ein Weüchen.

Christoph Keese, Wolfgang Münchau
Eva-Maria Roer Sie zeigt den Männern die Zähne

Was eine dumme Frage bewirken kann. „Was studieren Sie?“ wurde Eva Maria Roer einmal gefragt. „Wirtschaft“, antwortete sie. „Sie meinen Hauswirtschaft?“ Der kleine Dialog wurde zum Schlüsselerlebnis: „Damals schwor ich mir: Wenn du mal groß bist, machst du was für Frauen.“

Christian Pietschner
Renate Pilz Visionärin der Sicherheit

„Der Engel liegt im Detail.“ Ein kurzer Satz mit hohem Verwirrfaktor. Einer, dessen Sinn nur langsam ins Hirn sickert. Sich dort festbeißt und viel verrät über den ungewöhnlichen Erfolg der Renate Pilz. „Wenn ich das Detail beherrsche, dann bin ich besser als die anderen“, sagt die geschäfts-führende Gesellschafterin der Pilz GmbH & Co KG, Spezialistin für Sicherheitstechnik. Sorgfalt ist unverzichtbar in einer Branche, in der es um Menschenleben geht: Pressen können Arbeiterhänden gefährlich werden, Seilbahnen können in der Tür eingeklemmte Fahrgäste verletzen, Theaterkulissen können Schauspieler treffen. Dass dies nicht geschieht, dass Automationsanlagen schnell und zuverlässig zum Stehen kommen, das ist das Metier von Pilz. Und dass sie schnell wieder anlaufen, das ist ebenfalls das Metier von Pilz: Fehler müssen auch schnell zu finden und zu beheben sein, Fließbänder und Roboter schnell wieder laufen — jede Minute Stillstand kostet Geld.

Arne Storn

Frauen und Technik, geht das zusammen?

Frontmatter
Jennifer Neumann Die Aufsässige

Vergangenen Winter hat Jennifer Neumann ihr Eigenheim modernisieren lassen. „Die Handwerker“, sagt sie, „waren ziemlich unglücklieh und haben ganz schön geflucht.“ Weil die Hausherrin nicht nur die Baupläne angefertigt hatte, sondern deren Umsetzung auch penibel überwachte. Doch am Ende sei das private Domizil sehr schick geworden, sagt Jennifer Neumann und lacht. So wie jemand lacht, der erreicht hat, was er wollte, auch wenn er die anderen dabei an den Rand eines Nervenzusammenbruchs gebracht hat.

Nina Klöckner
Sabine Forest Die Nestflüchterin

Wer Sabine Forest sucht, muss eigentlich nur ihrem Lachen folgen. Herzlich, spontan, ein bisschen frech lacht sie — und völlig ungebremst. So, wie die 43-Jährige ihren Berufsweg bislang gegangen ist. Ohne darüber zu grübeln, wie sie das nächste Etappenziel erreicht. Weil ihre unverkrampfte Art sie wie von selbst dorthin bringt. „Ich plane nicht gern“, sagt Forest und schüttelt die blonden Locken. Lieber konzentriert sie sich auf das, was sie gerade tut — und lässt die Aufgaben auf sich zukommen.

Christine Mai
Martina Sandrock Befreit aus dem Kokon

Sara Lee hatte es sich leichter vorgestellt, Deutschland zu erobern. Beim Markteintritt Mitte der 90er Jahre hatte der US-Konzern renommierte Marken wie Duschdas, Badedas und Deliai eingekauft, doch der verschärfte Wettbewerb auch durch neue Handelsmarken ließ keinen Zweifel: Für den deutschsprachigen Raum brauchte der Konzern dringend eine Erneuerungskur. Und dafür brauchte er Martina Sandrock.

Ingeborg Trampe
Carola Gräfin von Schmettow Die Welt der kleinen Zahlen

Hätte sie sich gewundert, hätte sie vor zwei Jahrzehnten diesem Interview gelauscht? Diesem Gespräch, in dem sie die Aktie verteidigt: „Sie ist nicht tot!“ Wäre sie verblüfft gewesen, wie schnell sie sich in Fahrt redet und von der „Welt der kleinen Zahlen“ bei Wachstumsraten erzählt? Wäre sie irritiert gewesen, wie anschaulich sie von makroökonomischen Zusammenhängen zu deren Auswirkungen auf der Mikroebene kommt, die Probleme der Banken und Versicherungen streift und alles mit einer Prise Mathematik untermauert? Wahrscheinlich schon. Bis auf die Mathematik.

Claudia Wanner
Regina Ziegler Lady in Red

Rot, Rot, Rot ist ihre liebste Farbe, rot, rot, rot ist alles, was sie hat — zumindest fast alles: Sogar die Teethermoskanne. Nur die für Kaffee ist blitzblau. „Ich trinke keinen Kaffee“, sagt Regina Ziegler mit ihrer tiefen Bass-Stimme. Ihre Kleidung: rot. Wenn ausnahmsweise mal nicht rot, dann gibt es zumindest ein rotes Accessoire: ein Tuch oder eine Ansteck-Blume. Die Haare: natürlich auch rot. „Rot kommt von E-rot-isch und bedeutet Leidenschaft“, so Ziegler, „das ist einfach meine Powerfarbe.“

Katrin Stockmayer
Christa Mikulski Das unverzichtbare Gespür für Trends

Europa wächst zusammen: In-Grid ist eine französisch singende Italienerin mit schwedischem Namen. In-Grid gehört zu den Glücksfallen für ein Plattenlabel: Eine Musikerin mit eigenem Stil, die plötzlich den Nerv des Publikums trifft. „Tu es Foutu“ — du bist angeschmiert — heißt ihr Song. Angeschmiert mögen sich die Musikkonzerne fühlen, die den Akkordeon-Sound nicht auf der Rechnung hatten. In-Grid steht bei ZYX Music unter Vertrag, einem eher kleinen und unabhängigen Label.

Eva Thoms
Liz Mohn Mrs. Bertelsmann

Sandra Maischberger mochte es nicht so recht glauben. „Ich habe keine Machtposition“, hatte ihre Interviewpartnerin mit dem weißen Kostüm und der tadellosen Frisur eben gesagt und dabei den Kopf geschüttelt. So, als ob sie ihre Aussage nonverbal noch verstärken wollte: „Nein, nein, nein, wirklich nicht.“ Das Stirnrunzeln der TV-Moderatorin des Nachrichtensenders n-tv schien an dieser Sendung im Februar berechtigt. Denn ihr gegenüber saß Liz Mohn — und die war von ihrem Mann Reinhard erst zwei Wochen davor zur neuen Sprecherin der Familie in der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft gekürt worden.

Thomas Clark
Gabriele Fischer Die Brandstifterin

An Komplimenten mangelt es nun wirklich nicht. „Ambitioniert“ und „mutig“ sind längst Standard, „exzellent“ und „avantgardistisch“ schmücken ungemein. Seit der ersten Nummer wird „Brand Eins“ mit Lob überhäuft: ein Wirtschaftsmagazin ohne alte Männer in Anzügen, ohne Anlagetipps, überhaupt ohne Zahlen und Börsencharts. Vor lauter „ohne“ bleibt Platz für anderes. Für besseres. Für Menschen. Für ihre Ideen und was sie daraus machen. Auf einmal ist Wirtschaft spannend. Und mitten im Leben. Das also ist „Brand Eins“. Wer noch fehlt, ist Gabriele Fischer.

Michael Prellberg
Marlies Borchert Die Wiederaufsteherin

Sie fühlte sich nicht wohl auf dem Gymnasium. Weil sie anders war. Ein Flüchtlingskind. 1944 im ostpreußischen Gerdauen geboren, war Marlies Borchert als Kleinkind mit ihrer Mutter geflohen und schließlich im Alter von zwei Jahren im Kreis Segeberg gelandet. Sie fühlte sich auch deshalb nicht wohl auf der Schule, weil sie das Gefühl nicht ertrug, anderen auf der Tasche zu liegen. Borchert wollte raus. Und handelte. Sie suchte sich eine Lehrstelle und verließ die Schule. Nach der mittleren Reife. Nicht, wie ihre Mutter es gewollt hatte, mit dem Abitur in der Tasche.

Christine Mai
Jette Joop Die Frau, die schmückt

Eine Stunde hat die sechsjährige Johanna ihre Mutter am Morgen gesehen. Sieben Uhr aufstehen, zusammen frühstücken, dann macht sich die Kleine auf den Weg in den Kindergarten, Jette Joop schwingt sich über die ausladende Treppe ihrer Villa in Hamburg-Harvestehude nach unten in ihre andere Welt. Glasvitrinen voller Ringe und Ketten, Parkettfußboden, ein langer, weißer Konferenztisch, darum weiß ummantelte Stühle, alles gerade, glatt, aufgeräumt. Kaum, dass sich der Blick irgendwo einhaken kann. „Beruf und Familie sind bei mir strikt getrennt“, sagt die Designerin. „Aber die räumliche Nähe ist wichtig. Als Johanna klein war, habe ich mich informiert, was das Beste ist für ein Kind.“

Ileana Grabitz
Gisela Rüttinger Die Frosch-Königin

Es mag ihnen ein später Trost sein, dass aus der aufsässigen Göre doch noch was Rechtes wurde. Sofern sie den Job der Managerin als einen ordentlichen Beruf betrachten sollten. Dann könnten die bayerischen Nonnen von sich behaupten, unter widrigen Umständen gar eine Autorität mitgeformt zu haben — obgleich Gisela Rüttinger als Halbstarke „Autorität prinzipiell in Frage stellte“.

Anton Notz
Petra Heinlein Die Quotenfrau

TV-Moderator und Quizmaster Günther Jauch bekennt offen: „Ohne Quote bin ich ein Nichts.“Jeder Fernsehstar weiß um die Wichtigkeit der Einschaltquote. Sie entscheidet über das Schicksal der Sendung und Werbegelder. Seit Januar 2002 leitet Petra Heinlein als Vorstand für das Geschäftsfeld Medien des Nürnberger Marktforschungskonzerns GfK die Daten-Rohstoffquelle für die Medienbranche. „Ich bin eine der wenigen Frauen in Deutschland, die man Quotenfrau bezeichnen darf, ohne dass ich beleidigt bin“, sagt die Managerin selbstbewusst.

Gerhard Hegmann
Christine Wolff Wolffs Revier

Queensland, Hochsommer 1985. Eine Geologiestudentin aus Bremerhaven wird ins australische Outback geschickt. Alleine. Ausgerüstet mit Hammer und Probenbeuteln. Dazu ein ramponierter Geländewagen und ein paar Luftbilder. Einen netten Spruch gibt es auch noch auf den Weg: „In drei Monaten kommst Du wieder.“Der Start einer Bilderbuchkarriere.

Stefan Merx
Friede Springer Die Witwe des Verlegers

Die Hausmitteilung war typisch. Schriftlich ließ Friede Springer die Mitarbeiter des Springer-Verlags wissen, wie sie bitte künftig genannt werden wollte: Auf keinen Fall „Verlegerin“— man solle es doch fortan bei „Hauptaktionärin“belassen. Verleger — das war ihr Mann Axel Cäsar. Sie bewahrt sein Erbe und versucht, beharrlich, ihre Aktienmehrheit zu behaupten. Das ist schwer genug.

Lutz Meier

Hausse für Bankerinnen

Frontmatter
Ingrid Matthäus-Maier Die Frau baut auf

Ingrid Matthäus-Maier kann jeden Tag sehen, wie sinnvoll ihre Arbeit als Politikerin gewesen war. Ob es um Modernisierung von Wohnungen, Förderung ökologischer Bauvorhaben oder Unternehmensfinanzierung im In- und Ausland geht — „vieles, was ich jetzt umsetze, habe ich selbst beschlossen.“Im Vorstand der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) setzt sie Förderprogramme in die Tat um. Und das findet sie ausgesprochen gut.

Annette Entreß
Julia Freier Die Zwillingsmethode

Julia Freier verlässt sich auf die so genannte Zwillingsmethode: sich in sein Gegenüber hineinversetzen, seine Fragen, Antworten und Motivationen nachempfinden und ihn so zu einem Teil von sich machen. Was sich zunächst nach einem astrologischen Psycho-Ratgeber anhört, ist Teil einer knallharten Geschäftsstrategie. Denn Julia Freier guckt nicht in die Sterne, sondern jongliert täglich mit Millionenbeträgen. Die 32-jährige Geschäftsfuhrerin der Münchner Investmentgesellschaft BFD Capital ist eine der wenigen deutschen Frauen, die im Private-Equi-ty-Geschäft mitmischen. Und da muss sich die zierliche Brünette mit dem Kurzhaarschnitt schon einiges einfallen lassen, um potenzielle Investoren zu überzeugen.

Nicole Adolph
Ursula Schörcher Die Berufspatriotin

Alle müssen sparen. Ursula Schörcher nicht. Der Bund hat ihr in diesem Jahr einen Aufschlag beim Zuschuss gewährt. Eine Million Euro mehr bekommt die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT), deren Vorstandsvorsitzende Ursula Schörcher ist. Mit dem Geld soll sie Deutschlands Image bei Reisewüligen im Ausland verbessern und möglichst viele Touristen anlocken.

Thomas Mersch
Nina Hugendubel Die Herrin der Bücher

Dabei hätten die Hugendubels doch wissen müssen, wie man Bücher verkauft. Schließlich ist die Familie seit 1865 in der Branche. Was mag Heinrich Hugendubel nur geritten habe, als er vor gut 20 Jahren im Herzen Münchens die „Welt der Bücher“eröffnete, gut 2.000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Drei Stockwerke! Rolltreppen! Wie ein Kaufhaus! Jede Menge Ausrufezeichen! Die Konkurrenz war geschockt. Buchhandel war vorher Einzelhandel, von Konzentrationsbestrebungen war nie die Rede. Inzwischen beschäftigt das Familienunternehmen 1.100 Menschen, erzielt 209 Millionen Euro Umsatz und hat 29 Filialen an 15 Standorten. Eine Menge Platz, auf dem sich Nina Hugendubel austoben kann. Die 32-Jährige trat zum Jahresbeginn mit ihrem zwei Jahre älteren Bruder Maximilian formal in die Geschäftsführung ein.

Gerhard Hegmann
Brigitte von Boch Besuch im Landhauskatalog

Im Linslerhof im saarländischen Überherrn ist der Country-Lifestyle perfektioniert. Draußen vor dem Eingang des steinernen Giebelhauses Buchsbäume in Terrakottatöpfen, drinnen in der Eingangshalle neben dem Kamin karierte Sofas und holz-marmorne Couchtische auf einem Rattanteppich, an den Wänden Bilder mit Reitermotiven. Perfekt dazu abgestimmt betritt die Dame des Hauses im beigefarbenen Twinset mit passender Hose die Szenerie — Ton in Ton mit der Labradorhündin an ihrer Seite. Verblüffend: Auch sie sieht exakt aus wie ein Model aus dem Landhauskatalog.

Judith-Maria Gillies
Angelika Jahr-Stilcken Von der Verlegertochter zum Verlagsvorstand

Die Zynikerversion ihrer Vita geht so: Reiche Tochter, bildhübsch, weiß nicht so recht, was tun, studiert ein bisschen Psychologie, bricht ab, vergnügt sich in New York und bekommt dann völlig ungerechtfertigt die besten Jobs im väterlichen Zeitschriftenverlag. Der Rest: 30 Jahre Spaß und Prestige mit Hochglanz-Seichtheiten über Essen, Trinken, Wohnen und Design.

Thomas Clark
Verona Feldbusch Ein Traum von Verona

Ihr schmales Kinn stützt sie geziert auf Daumen und Zeigefinger ihrer rechten Hand. Den Kopf hat sie leicht in den Nacken gelegt. So wirkt ihr Profil besser. „Ich springe gern ins kalte Wasser“, sagt sie und schlägt die Beine elegant übereinander, „wenn ich mir einigermaßen sicher bin.“Sie ist berühmt für solche Sätze, die an der Sinngrenze kratzen. Ihre eigenwillige Grammatik hat es seit „Hier werden Sie geholfen“in den allgemeinen Sprachschatz geschafft. Aber jetzt geht es nicht um Sprache, nicht um Werbung, Es geht um Geld: Verona Feldbusch präsentiert ihre Geschäftsstrategie.

Harald Ehren
Alpha-Weibchen

Herren sind herrlich, heißt es, Damen dämlich. Zu dämlich jedenfalls, um Karriere zu machen. Lieber richten sie es sich gemütlich im Schmollwinkel ein und lamentieren von dort über die bösen Männer, anstatt sich dem Wettkampf zu stellen. Nach ein paar Jahren im Job ziehen sie sich dann hinter den Herd zurück und kriegen Babys — natürlich nicht ohne sich nachher bei Mann und Kindern über die für die Familie geopferten Chancen zu beschweren.

lleana Grabitz
Backmatter
Metadaten
Titel
101 Frauen der deutschen Wirtschaft
herausgegeben von
Christoph Keese
Wolfgang Münchau
Copyright-Jahr
2003
Verlag
Gabler Verlag
Electronic ISBN
978-3-322-82639-8
Print ISBN
978-3-322-82640-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-82639-8