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1997 | Buch

Agenda-Setting

Theoretische Annahmen und empirische Evidenzen einer Medienwirkungshypothese

verfasst von: Patrick Rössler

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Buchreihe : Studien zur Kommunikationswissenschaft

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Agenda-Setting — ein kommunikationswissenschaftliches Alltagsphänomen?

Agenda-Setting — ein kommunikationswissenschaftliches Alltagsphänomen?
Zusammenfassung
Über drei Jahre mußte der jüdische Artilleriehauptmann Alfred Dreyfus, zu Unrecht des Landesverrats bezichtigt, in der Verbannung zubringen. Erst am 13. Januar 1898 wurden weite Kreise der Bevölkerung auf das Skandalurteil aufmerksam — durch Emile Zolas offenen Brief an den Präsidenten, der auf der Titelseite der Zeitung L’Aurore erschien. Unter der Überschrift »J’accuse« (»Ich beschuldige«) thematisierte er die Affäre und setzte eine öffentliche Diskussion in Gang, die letztendlich zur Rehabilitierung von Dreyfus führte.1 Die exponierte Präsentation der bis dahin kaum publiken Ereignisse, die Person des Autors und der Stellenwert, den das Thema im Medium aufwies, positionierten das Thema auch auf der Tagesordnung der Öffentlichkeit. Dies setzte das politische System unter Druck und erzwang eine zufriedenstellende Lösung des Problems.2
Patrick Rössler

Agenda-Setting: Ein Begrenztes Modell von Medieneffekten

Frontmatter
1. Die Agenda-Setting-Hypothese als Annahme über Medienwirkungen
Zusammenfassung
An einem Nachmittag des Jahres 1966 saß Maxwell McCombs, frisch promovierter Assistant Professor für Journalismus an der University of California, im Café des Century Plaza Hotels von Los Angeles und wunderte sich. In der Regierung von Lyndon B. Johnson hatte es gerade einen kleineren Skandal gegeben, aber die Bevölkerung schien dies kaum zu berühren. Sein Blick fiel auf die Titelseite der Los Angeles Times desselben Tages, auf der drei Themen abgehandelt wurden, die seiner Ansicht nach den Aufmacher hätten stellen können. Ein Bericht über das lokale Programm gegen die Armut erhielt die größte Beachtung, gefolgt von den Ergebnissen der Wahl in Großbritannien. Der Johnson-Skandal wurde dagegen nur beiläufig abgehandelt, unter einer kleinen Überschrift und mit nur einem einspaltigen Bild. Dies veranlaßte McCombs zu der Vermutung, daß die Bedeutung, die die Medien einem Thema beimessen, möglicherweise einen direkten Einfluß auf die Bedeutung nimmt, die das Publikum diesem Thema beimißt. Unter dem Etikett »Agenda-Setting-Funktion der Massenmedien« sollte diese Hypothese einige Jahre später einen Wendepunkt in der neueren Kommunikationsforschung markieren.1
Patrick Rössler
2. Zentrale Konstrukte bisheriger Agenda-Setting-Analysen
Zusammenfassung
Nach dieser Darstellung der Agenda-Setting-Hypothese und ihrer Einordnung in den Kontext der Medienwirkungsforschung wird die Themenstudie Mittlerer Neckar im weiteren Verlauf auf das »Public Agenda-Setting« eingegrenzt.1 Von zentralem Interesse ist also nun die Fähigkeit der Massenmedien, durch die Betonung bestimmter Inhalte die öffentliche Wahrnehmung der relativen Wichtigkeit bestimmter Themen zu beeinflussen — und die Grenzen dieser Macht.2
Patrick Rössler
3. Empirische Befunde aus medienzentrierter Perspektive
Zusammenfassung
Die verwirrende Vielfalt methodischer Umsetzungen, die die Forschungstradition des Agenda-Setting-Ansatzes kennzeichnet, setzt sich zwangsläufig in den empirischen Forschungsergebnissen fort, die in diesem und dem darauffolgenden Kapitel präsentiert werden. Die nunmehr jahrzehntelangen Forschungsaktivitäten demonstrieren, daß Agenda-Setting weniger als ein »ehernes Gesetz« denn als ein sensibler, höchst störanfälliger Effekt der Massenmedien zu betrachten ist.1 In Abwandlung des Originalzitats von Cohen bringen dies Ettema et al. ironisch auf den Punkt:
“And so, it seems, the literature in agenda-setting has been stunningly successful in telling people what data to collect but it has not been very successful in telling its readers why the data matter.”2
Patrick Rössler
4. Empirische Befunde aus rezipientenorientierter Perspektive
Zusammenfassung
Als ein Axiom der modernen Medienwirkungsforschung gilt, daß Menschen sich hinsichtlich ihrer Persönlichkeitsstruktur und ihrer Wahrnehmung unterscheiden und somit das Publikum gerade nicht als undifferenzierte »Masse« betrachtet werden kann, auf die die Medien einen monolithischen Einfluß ausüben.1
Patrick Rössler
5. Resümee: Stand der Forschung und Weiterentwicklung im vorliegenden Modell
Zusammenfassung
Wie die Ausführungen in den Kapiteln 2 – 4 der Themenstudie Mittlerer Neckar zeigen, kann bei genauerer Analyse der Grundannahme und der potentiellen Einflußvariablen des Agenda-Setting-Ansatzes nicht mehr von einem simplen, „konzisen“1 Medienwirkungsmodell ausgegangen werden. Weder ist der harte Kern der zu berücksichtigenden Variablen eindeutig festgelegt, noch scheint über deren methodische Umsetzung Klarheit zu herrschen. In anderen wissenschaftlichen Disziplinen übliche vergleichende Methodenstudien, die ein empirisches Standardinstrumentarium bereitstellen, auf das weitere Untersuchungen replizierend zurückgreifen können, sind kaum vorhanden.
Patrick Rössler

Die Themenstudie Mittlerer Neckar

Frontmatter
6. Untersuchungsdesign, Methoden und Instrumente
Zusammenfassung
Das im vorigen Kapitel inhaltlich umrissene Forschungskonzept läßt sich auf der Basis von Datenmaterial, das aus Sekundäranalysen gewonnen wurde, nicht sinnvoll empirisch umsetzen. Die notwendige Primärerhebung konnte in das durch Drittmittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt »Massenmedien und interpersonale Kommunikation — Zur Rolle der Massenmedien in egozentrierten Netzwerken« integriert werden1 Zu diesem Projekt liegt ein unveröffentlichter Abschlußbericht in fünf Teilbänden vor, der die zentralen Befunde der Gesamtstudie ausführlich dokumentiert;2 die vorliegende »Themenstudie Mittlerer Nekkar« ergänzt diesen Bericht um eine spezielle Untersuchung zur Agenda-Setting-Funktion der Massenmedien. Insbesondere sind im Gesamtbericht auch jene Aspekte des empirischen und forschungspraktischen Vorgehens bzw. jene Instrumente umfassend dargestellt, die für die vorliegende Themenstudie nur zweitrangig sind und daher im folgenden bloß in ihren wesentlichen Zügen beschrieben werden.3
Patrick Rössler
7. Konstrukte der Themenstudie, Operationalisierungen und Grundauszählungen
Zusammenfassung
Wie jede empirische Untersuchung beabsichtigt auch die Themenstudie Mittlerer Neckar, zur Theoriebildung (hier im Bereich der Agenda-Setting-Forschung) beizutragen1 Die Verbindung von Theorie und Empirie fußt auf den in Teil I der Themenstudie herausgearbeiteten Positionen und Befunde, die anhand einer eigens konzipierten Erhebung überprüft werden. Der bestehende Satz von Konstrukten wird dabei explorativ um einige Elemente erweitert, während die empirische Konzeption in ihrem Kernbereich eine Synthese früherer Forschungsansätze darstellt und diese teilweise repliziert, nun allerdings auf individuellem Anaiyseniveau. Das vorliegende Kapitel erläutert, wie die verschiedenen theoretischen Konstrukte, die bei der Untersuchung der Agenda-Setting-Hypothese verwendet werden, in die Themenstudie Mittlerer Neckar integriert und in konkrete empirische Fragestellungen umgesetzt sind.
Patrick Rössler
8. Themenindividualanalyse des Agenda-Setting-Prozesses
Zusammenfassung
Auf Basis des aus der eben dargestellten Vorgehensweise resultierenden Datenmaterials kann die Themenstudie Mittlerer Neckar drei der vier im Zusammenhang mit dem Agenda-Setting-Effekt der Massenmedien relevanten Analysestrategien verfolgen. Für neun verschiedene Themen der politischen Diskussion sind zunächst (1) Themenindividualanalysen möglich. Ferner lassen sich diese Themen zu einer Themenagenda zusammenfassen, die (2) auf aggregiertem und besonders (3) auf individuellem Level untersucht werden kann (Strukturaggregat- bzw. — individualanalysen). (2) und (3) stehen im Mittelpunkt des Kapitels 9, während in diesem Kapitel 8 die individuellen Agenda-Setting-Effekte auf Themenebene (1) untersucht werden.2
Patrick Rössler
9. Strukturaggregat- und Strukturindividualanalysen
Zusammenfassung
Im Mittelpunkt der bisherigen Analysen standen Agenda-Setting-Mechanismen bezüglich eines einzelnen politischen Themas. Es wurde auf individueller Analyseebene beleuchtet, wie stark die Relevanz jedes Themas (»salience«) durch eine Reihe themenbezogener Konstrukte beeinflußt wird — und auch die Zusammenhänge zwischen diesen Konstrukten aufgezeigt. Kapitel 9 der Themenstudie Mittlerer Neckar wendet sich nunmehr einer zweiten Facette des Agenda-Setting-Ansatzes zu, nämlich der Untersuchung von Themenstrukturierungseffekten (»priorities«) der Medienberichterstattung.
Patrick Rössler

Die Agenda-Setting-Hypothese — ein Tauglicher Ansatz zur Erklärung Rekonstruierter Realitäten?

Frontmatter
10. Die »Themenstudie Mittlerer Neckar« im Kontext der Agenda-Setting-Forschung: Fazit & Ausblick
Zusammenfassung
Die Agenda-Setting-Funktion der Massenmedien wird in Diskussionen um potentielle Medienwirkungen oft unreflektiert angeführt oder voreilig im Sinne einer bewiesenen Tatsache behandelt. Die Themenstudie Mittlerer Neckar unterstützt dagegen die differenziertere Position innerhalb der Kommunikationsforschung, wonach sich die Gewichtung eines Themas in den Massenmedien zwar durchaus auf die Relevanz dieses Themas für das Publikum niederschlägt, dieser Einfluß jedoch weder auf alle Individuen gleichmäßig noch für alle Themen gleichermaßen vorliegt. Die in ihrer ursprünglichen Form simple Agenda-Setting-Hypothese erweist sich nach den vorliegenden Befunden als nicht haltbar. Sie bedarf der Konkretisierung, der Präzisierung und vor allem der Ausformulierung hinsichtlich der substantiell unterschiedlichen Effekte, die unter dem Begriff »AgendaSetting« oft leichtfertig subsumiert werden. Um mit der einleitenden Metapher zu sprechen: die von den blinden Männern ertasteten wissenschaftlichen Teilbefunde passen einfach nicht zusammen, sie scheinen vielmehr Teile ganz verschiedener Tiere zu sein.1
Patrick Rössler
Backmatter
Metadaten
Titel
Agenda-Setting
verfasst von
Patrick Rössler
Copyright-Jahr
1997
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-663-09228-5
Print ISBN
978-3-531-12976-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-663-09228-5