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2010 | Buch

Alltag in den Medien – Medien im Alltag

herausgegeben von: Jutta Röser, Tanja Thomas, Corinna Peil

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Den Alltag auffällig machen. Impulse für die Medienkommunikationsforschung

Den Alltag auffällig machen. Impulse für die Medienkommunikationsforschung
Zusammenfassung
Mit Doku-Soaps wie We are Family (Pro7), U20 – Deutschland deine Teenies (Pro7) oder Abenteuer Alltag (Kabel Eins) werden im derzeit ausgestrahlten Fernsehprogramm im Einstundentakt alltägliche Situationen von ebenso ‚alltäglichen Menschen‘ vorgestellt, die sich thematisch zwischen „Papa raucht sich zu Tode“ (We are Family, Pro7), „Teenietochter mit Geldnöten“ (Mitten im Leben, RTL) und „Hilfe – meine Enkel“ (We are Family, Pro7) bewegen. Häufig geht mit solcherart medialen Inszenierung von Alltag auch ein verstärktes Interesse am häuslichen Leben einher, wie die seit einigen Jahren anhaltende Zunahme an Haus- und Gartenshows, Kochsendungen und Lifestyle-Programmen, die auf vielfältige Weise eine Ratgeber-Funktion zu erfüllen versprechen, belegt (vgl. Morley 2006: 22f.).
Jutta Röser, Tanja Thomas, Corinna Peil

Alltag in den Medien

Frontmatter
Wissensordnungen im Alltag: Offerten eines populären Genres
Zusammenfassung
Lifestyle-TV – diese Bezeichnung hat sich in der englischsprachigen Literatur inzwischen weitgehend durchsetzen können – liefert viel Stoff für Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit, aber auch unter WissenschaftlerInnen. Es sind Sendungen wie The Biggest Loser (Pro7), Das Perfekte Dinner (Vox), Bruce – Eure Styling Show (ARD), Einsatz in vier Wänden (RTL), Zehn Jahre jünger (RTL), Das Model und der Freak (Pro7), Familienhilfe mit Herz (RTL), Raus aus den Schulden (RTL) oder auch Germany’s Next Topmodel (Pro7), mit denen Lifestyle-TV Wünsche und Interessen aufgreift, die auf den ersten Blick vorrangig darin bestehen, für sich und andere (wahlweise besonders raffiniert, gesund oder fettarm) zu kochen, das Aussehen und den Körper zu gestalten, sich einzurichten, einen Partner/eine Partnerin zu finden, die Beziehung zu gestalten, Kinder zu erziehen, Schuldenberge abzubauen, die eigenen Finanzen im Überblick zu behalten oder eine Karriere anzustreben.
Tanja Thomas
Aushandlungsprozesse im Alltag: Jugendliche Fans von Castingshows
Zusammenfassung
Castingshows sind populäre Sendungen und feiern seit ihrem Erscheinen auf der televisionären Bildfläche um die Jahrtausendwende – jedenfalls gemessen an den Einschaltquoten in der gefragten jugendlichen Zielgruppe – große Erfolge. Im Unterschied zu manchen anderen Formaten des Reality-TV scheinen die Abnutzungseffekte zugleich geringer zu sein, so erlebte etwa in den USA American Idol im Sommer 2008 bereits die siebte Staffel und So, you think you can dance die vierte (vgl. auch Huff 2006: 121–128). Deutschland sucht den Superstar startete im Januar 2009 in der sechsten Staffel und Germany’s next Topmodel im Februar 2009 in der vierten. Ziel dieses Artikels ist es, Rezeptionsweisen in Hinblick auf die vielfältigen Alltagsbezüge der Shows für ihre jugendlichen Fans genauer herauszuarbeiten, die wir für eine ihrer wesentlichen Erfolgsbedingungen halten. Das Verhältnis von Medien und Alltag ist eines der zentralen Themen der Cultural Studies. Das aufgrund seiner Selbstverständlichkeit und Gewöhnlichkeit so schwer fassbare Alltägliche wird in der Perspektive der Cultural Studies zu einer wichtigen Arena für die Aushandlung von Bedeutungen und die Aneignung von Ideologien. Neben Routine und Gewöhnlichkeit, die den Alltag als statisch erscheinen lassen, zeichnet er sich gleichermaßen durch eine Dynamik aus, die die Gewohnheit kontinuierlich untergräbt und Veränderungen ermöglicht. Medien sind vielfältig in solche Prozesse involviert. Sie strukturieren den Alltag, und Alltagsroutinen und -rituale entwickeln sich entlang der Mediennutzung. Zugleich stellen sie Material zur alltäglichen Ausgestaltung und Verhandlung unserer sozialen und individuellen Identitäten bereit. Die Verbindung zwischen Alltag und Identität hat Edensor herausgearbeitet. „[T]he dynamic process of identity formation, or identification, occurs in mundane life as well as in more spectacular collective gatherings, in the enaction of practical knowledge as much as in the overt assertion or celebration of communal values and characteristics, which are equally part of a larger social dimension of experience, thought and action.“ (Edensor 2002: 24)
Elisabeth Klaus, Barbara O’Connor
Der gefährdete Alltag. Oder: Wie „Aktenzeichen XY … ungelöst“ die Welt sieht
Zusammenfassung
Als eine der ältesten Sendungen im deutschen Fernsehen zeigt uns Aktenzeichen XY … ungelöst seit über vierzig Jahren unaufgeklärte Verbrechen. Doch bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass Aktenzeichen XY … ungelöst nicht nur Bilder von Kriminalität ins Fernsehen bringt, sondern vielmehr bundesdeutschen Alltag vorführt. Nur scheinbar steht das Verbrechen allein im Vordergrund der Darstellungen. Vielmehr sind die Filme, die Aktenzeichen XY … ungelöst zeigt, von Darstellungen alltäglicher Lebenswelt durchzogen. In diese dringt das Verbrechen ein, diese zerstört es oder bringt es zumindest durcheinander. Doch welcher Art ist der Alltag, der hier gezeichnet wird? Und an welche Vorstellungen von Alltag wird bei den Zuschauerinnen und Zuschauern angeknüpft? Welche werden mit Authentizität versehen und welche werden abgewertet? Darstellungen von Verbrechen in Aktenzeichen XY … ungelöst können kaum als Abbildungen von Wirklichkeit verstanden werden, sie sind vielmehr spezifische Inszenierungen tatsächlich stattgefundener ungelöster Kriminalfälle. Sie erscheinen jedoch als authentisch, weil dieser Eindruck mit Hilfe einer Vielzahl von Techniken der Authentizitätsherstellung hervorgerufen wird und weil der Verweis auf die Realität des tatsächlichen Verbrechens, des dadurch hervorgebrachten Leides der Opfer von den Zuschauerinnen und Zuschauern kaum ignoriert werden kann.
Jan Pinseler
„Desperate Housewives“ – Dimensionen weiblichen Alltags
Zusammenfassung
Mein Name ist Mary Alice Young. Wenn Sie die heutige Morgenzeitung lesen, stoßen Sie vielleicht auf einen Artikel über den ungewöhnlichen Tag, den ich letzte Woche erlebte. Normalerweise passierte in meinem Leben nichts Außergewöhnliches, aber das änderte sich am letzten Donnerstag. Zunächst erschien alles völlig normal: Ich machte meiner Familie das Frühstück, ich erledigte meine Hausarbeit, ich beendete meine Projekte, ich machte meine Besorgungen. Um die Wahrheit zu sagen, ich verbrachte den Tag genau wie jeden anderen Tag, indem ich still meiner täglichen Routine nachging, bis alles in Perfektion erstrahlte. Umso erstaunlicher war es, als ich beschloss, in meinen Flurschrank zu gehen und einen Revolver hervorzuholen, der noch nie benutzt worden war. Meine Leiche wurde von meiner Nachbarin entdeckt, Mrs. Martha Huber, die von einem eigenartigen knallenden Geräusch erschreckt worden war.
Brigitte Hipfl
Das Alltägliche im Nicht-Alltäglichen. Geschlecht, Sexualität und Identität in „The L Word“
Zusammenfassung
Im Mai 2006 strahlte der kommerzielle Sender Pro7 erstmals The L Word im deutschsprachigen Fernsehen aus. In den USA, wo die Serie bereits im Januar 2004 erfolgreich anlief, warb der Pay-TV Sender Showtime mit dem Slogan „Same Sex, different City“, um eine inhaltliche Nähe zum Erfolgsgaranten Sex and the City herzustellen. Von Pro7 wurde der Untertitel „Wenn Frauen Frauen lieben“ gewählt. Mit diesem Slogan ist das Sujet der Serie auf einfachste Art umrissen: Im Mittelpunkt steht das Leben verschiedener femininer Lesben in Los Angeles. Die lesbischen Figuren werden als individuelle Charaktere inszeniert und sind mit Filmschauspielerinnen wie Mia Kirshner (Exotica) oder Jennifer Beals (Flashdance) mitunter prominent besetzt. Thematisch geht es, wie auch in Sex and the City, um ‚alltagsnahe‘ Themen wie Familie, Freundschaft aber vor allem um Liebe und Sexualität.
Tanja Maier
„Initiative für wahre Schönheit“ – Die Rückkehr des Alltagskörpers in die idealisierte Körperwelt der Werbung
Zusammenfassung
Am 13. Dezember 2007 fand eine Art ‚Essstörungsgipfeltreffen‘ in Berlin statt, auf dem die Bundesministerin für Gesundheit, die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie die Bundesministerin für Bildung und Forschung die Initiative Leben hat Gewicht – gemeinsam gegen den Schlankheitswahn vorstellten. Mehr und mehr werden Körper im Kontext der Gesundheitskommunikation und vor dem Hintergrund von Essstörungen – angefangen bei dem europaweiten Brennpunktthema eines sich epidemisch ausbreitenden Übergewichts bis zum anderen Ende des Spektrums, nämlich Magersucht und Bulimie – breit diskutiert. Unabhängig von faktisch zunehmenden Essstörungen ist seit geraumer Zeit ersichtlich, dass der Körper immens an Bedeutung gewonnen hat und – unabhängig von tatsächlichem Über- oder Untergewicht – eine zunehmende Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper um sich zu greifen scheint. Gerade bei Jugendlichen wird dies überdeutlich, wenn man die Ergebnisse der jüngsten Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem Jahre 2006 (Heßling/Bode 2006) heranzieht.1 Betrachtet man die Statements der Politikerinnen zur Initiative Leben hat Gewicht – gemeinsam gegen den Schlankheitswahn, wird unmittelbar augenfällig, dass den Medien bzw. spezifischen Medienangeboten offenbar eine besondere Bedeutung bei der Genese von Essstörungen und Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper zugesprochen wird. Angesichts dessen möchte die Gesundheitsministerin „die (Vor-)Bilder ändern und ein realistisches Maß finden“ und mit der Mode- und Werbebranche Gespräche führen – mit dem Ziel, mittelfristig konkrete Vereinbarungen bis hin zu Selbstverpflichtungen zu treffen (BMG/BMBFSFJ/BMBF: 2007).2 Beinahe klingen ihre Worte wie die Textelemente der Begleitmaterialien zu einer Unilever-Werbekampagne für die Körperpflegeprodukte von Dove, innerhalb welcher analog argumentiert wird. Dove stützt sich hierbei auf die Studie „Real Truth About Beauty – A Global Report“,3 deren Ergebnisse u.a. darauf schließen lassen, dass Medien und Werbung zu der Verbreitung einer eindimensionalen Darstellung von Schönheit beitragen. Denn 68 Prozent aller Probandinnen kritisieren, dass (werbe-)mediale Körperrepräsentationen einen „unrealistischen Maßstab setzen, den die meisten Frauen nie erreichen können“. Deutlich Position beziehend, sind die Ausnahmekampagnen von Dove mit so bezeichnenden Titeln wie Keine Models aber straffe Kurven und Initiative für wahre Schönheit versehen, wobei letztere Titulierung kampagnenübergreifend erfolgreich als permanenter Dove-Claim etabliert wurde und in der Rezeptionswahrnehmung nun unterschiedlichste Einzelkampagnen unter diese Initiative subsumiert werden. Der Keine Models aber straffe Kurven-Spot wurde gar bewusst kontrastiv in den Werbepausen des umstrittenen Casting-Formats Germany’s Next Topmodel ausgestrahlt, dessen Kandidatinnen einem äußerst rigiden Schlankheitsdiktat unterworfen sind. Die der Entstigmatisierung ‚normal‘-gewichtiger Frauenkörper verpflichteten Dove-Aktionen, die bereits erste Nachahmer gefunden haben,4 sollen im Zentrum der folgenden Betrachtungen stehen, da sie neue Körper- und Frauenbilder innerhalb der Werbewelt und damit auch der (medialen) Alltagswelt zu etablieren suchen. Ob und inwiefern sie diesem Anspruch gerecht werden, wird hier zu verhandeln sein.
Karin Knop, Tanja Petsch
Fernab vom Alltag: Journalismus und seine Realitätskonstruktionen
Zusammenfassung
Wenige Tage vor Weihnachten 2007 wurde in der Münchner U-Bahn ein Rentner von zwei männlichen Jugendlichen so gewaltsam verprügelt, dass er mit mehrfachem Schädelbruch in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste. Eine Überwachungskamera hatte den brutalen Übergriff dokumentiert. Dieses Video ist seitdem zigfach in Nachrichtensendungen, Talkshows und auf Wahlkampf- Veranstaltungen gezeigt worden, bei YouTube ist es in vielfachen Versionen permanent verfügbar (vgl. u.a. http://www.youtube.com/watch?v=-MFqKQ1LEGM). Die außergewöhnliche Brutalität der Tat und mehr noch deren vermeintlich authentische Dokumentation machten die Schlägerei zum Medienereignis. Aufgrund der türkischen und griechischen Herkunft der beiden jungen Täter entstand – insbesondere vorangetrieben durch Roland Koch im hessischen Landtagswahlkampf – eine aufgeregte Debatte um Intensivstraftäter mit Migrationshintergrund und ein härteres Jugendstrafrecht. Durch die alltäglich verfügbaren Bilder wird die außergewöhnliche Tat zum Dokument einer vermeintlich alltäglichen Bedrohung. Auch wenn Kriminologen nachweisen können, dass Jugenddelinquenz abnimmt, dass weniger die Ethnie als vielmehr das soziale Milieu konfliktschürend wirkt, so bietet die mediale Aufbereitung der Münchner Tat dennoch die symbolischen Ressourcen, eine alltagsrelevante Bedrohung durch das Fremde herzustellen. Mit dem Fokus auf das Fremde, Negative, Nicht-Alltägliche schafft Journalismus die Diskursgrundlage für die Verschiebung der Alltagswahrnehmung. Auch wenn die Wahlergebnisse in Hessen deutlich gemacht haben, dass der Bedrohungsdiskurs nicht mehrheitsfähig war, bleiben die Bilder und Texte dieses Diskurses dennoch präsent und konstituieren alltagsgebundene Wahrnehmung von gesellschaftlicher Zugehörigkeit und Ausgeschlossenheit, von männlicher Bedrohung und der Gefahr des Älter- und Gebrechlich-Seins.
Margreth Lünenborg
Vom hohen Anspruch des ‚Banalen‘. Was Journalistinnen und Journalisten über Lebensnähe von der Alltagsgeschichte lernen können
Zusammenfassung
Die Zeitung gehört zum Alltag, sie ist Teil unseres Alltags. Sie besitzt mindestens ein zentrales Merkmal des Alltags: die regelmäßige, routinemäßige Wiederkehr. Dadurch konstituiert sie Rituale, ihre Lektüre markiert für viele Leserinnen und Leser einen festen Punkt im Tagesablauf: Sie wird beispielsweise immer zum Frühstück gelesen oder während der Fahrt zur Arbeit oder als Auftakt zum Feierabend.
Friederike Herrmann

Medien im Alltag

Frontmatter
Das Besondere im Alltäglichen: Frauenzeitschriftenrezeption zwischen Gebrauch und Genuss
Zusammenfassung
Frauenzeitschriften sind ein Traditionsmedium. Seit mehr als 50 Jahren haben sie im Zeitschriftenmarkt – und damit auch im Medienmenü ihrer Leserinnen – einen festen Platz. Ihre ungebrochene Beliebtheit zeigt sich in den aktuellen Nutzungsdaten: Laut Media Analyse 2007 greift jede zweite Frau zwischen 14 und 64 Jahren regelmäßig zu einem der 56 gelisteten Titel (vgl. Gruner + Jahr 2007: 7ff.).1 Vor dem Hintergrund dieser Popularität erstaunt es, dass die kommunikationswissenschaftliche Forschung die Frage speziell nach der Rezeption von Frauenzeitschriften bisher weitgehend ausgespart hat (vgl. Röser 2005: 28). So weiß man noch wenig darüber, wie und warum Frauen das Medium rezipieren.
Kathri Friederike Müller
„Aufgeschriebene Männerabende“. Eine qualitative Studie zu den Nutzungsmotiven von Männermagazin-Lesern
Zusammenfassung
Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich ein neuer Zeitschriftentyp auf dem deutschen Markt etabliert. Mit einem ‚Lifestyle‘-Themenmix aus Fitness und Gesundheit, Mode, Sport, Autos, Technik und Kultur, mit erotischen Fotos sowie einer ausdrücklich männlichen (und dabei oft ironischen) Perspektive erreichten Men’s Health (1996 in Deutschland gestartet), GQ (1997), FHM, Maxim (beide 2001) und Matador (2004–2008) 1 zuletzt monatliche Auflagen zwischen 110.000 und 250.000 Exemplaren (IVW I/2008). Vorher gab es für das männliche Geschlecht entweder rein thematisch konzipierte Zeitschriften mit einer nur „implizit“ geschlechtsgebunden Ausrichtung (etwa Sport-, Auto- oder Heimwerkermagazine) auf der einen Seite und ausgewiesene Herrenmagazine mit Sex- und Erotikthemen auf der anderen Seite (Röser 2005: 24). Der Erfolg der neuen Männermagazine hat nicht nur zahlreiche Experten widerlegt, die immer wieder von einem gesättigten Markt sprachen, sondern auch Franz Ronneberger, der es noch vor zwei Jahrzehnten für „wenig wahrscheinlich“ hielt, dass sich „Männerzeitschriften als Gegentyp zu den Frauenzeitschriften“ entwickeln werden (Ronneberger 1986: 37). Ronneberger konnte offenbar nicht ahnen, welche Folgen die Kommerzialisierung des Rundfunks für die damals dominierenden Sexzeitschriften haben würde. Während Lui (1992) und Penthouse (2002) eingestellt wurden, hat sich der Marktführer Playboy zu einer „unterhaltsamen Illustrierten“ gewandelt (Schwab 2001: 92). Dort sind zwar nach wie vor Playmates und nackte Prominente zu bewundern, das Blatt erinnert aber inzwischen eher an eine „Frauenzeitschrift für den Mann“ (Stäbler 2006: 17) als an die Sexzeitschrift Playboy, die 1972 auf den deutschen Markt kam.
Michael Meyen, Nathalie Huber, Senta Pfaff-Rüdiger
Zwischen Popularität und Abwertung: Zur Bedeutung der „Bild-Zeitung“ im Alltag ihres Publikums
Zusammenfassung
Hans Magnus Enzensberger beklagte bereits 1983, die Bild-Zeitung sei ähnlich „ubiquitär verbreitet“ wie der Quelle-Versandhauskatalog (ebd.: 657) – damals wie heute ein durchaus treffender Vergleich. Bild erreicht ein Massenpublikum: Montags bis Samstags werden 3,4 Millionen Exemplare des Blattes verkauft (IVW II/2008), womit Bild trotz Auflagenverluste vergangener Jahre die mit Abstand meistverkaufte Tageszeitung Deutschlands bleibt und auch im europäischen Vergleich ihre Spitzenposition hält (vgl. World Association of Newspapers 2008). Vor allem aber die Reichweite des Blattes ist enorm: Bild wird jeden Tag von insgesamt 11,61 Millionen Menschen gelesen (ma II/2008). Ihre erstaunliche Publikumsresonanz macht die Bild-Zeitung zu einem unübersehbaren kulturellen Produkt, das als Alltagsbestandteil vieler Menschen zweifelsohne Relevanz besitzt. Gleichzeitig ist das Blatt so umstritten wie kaum ein anderes deutsches Medienerzeugnis. Als populärkulturelles Medienprodukt und darüber hinaus als Deutschlands einzige überregionale Boulevardzeitung zieht Bild Skepsis und Argwohn der Kultur- und Medienkritik an wie keine andere.
Mascha Brichta
Räumliche Arrangements zwischen Fragmentierung und Gemeinschaft: Internetnutzung im häuslichen Alltag
Zusammenfassung
Unser Beitrag analysiert Umgangsweisen mit dem Internet im häuslichen Alltag. Grundsätzlich möchten wir zeigen, wie Praktiken der Internetnutzung, räumliche Arrangements und häusliche Kommunikationsstrukturen interagieren. Speziell nehmen wir ein neues Spannungsfeld in den Blick: Im Zuge der fortschreitenden Integration des Internets in den häuslichen Alltag und in Verbindung mit der bislang in Deutschland üblichen Platzierung von Computer und Internet entfaltet das Medium eine fragmentierende Wirkung und stört die Kommunikation und Interaktion in der Paarbeziehung. Manche Paare reagieren darauf mit neuen Arrangements, die wiederum häusliche Alltagskulturen und auch die Funktionen anderer Medien, insbesondere die des Fernsehens, verändern.
Jutta Röser, Corinna Peil
„Hello Kitty“ im japanischen Medienalltag. Zur Integration mobiler Kommunikationstechnologien in alltagskulturelle Praktiken der Verniedlichung
Zusammenfassung
Im Frühjahr 2008 ist Hello Kitty vom japanischen Minister für Verkehr, Tourismus und Infrastruktur zur offiziellen Botschafterin ihres Landes ernannt worden. Aufgrund ihrer großen Beliebtheit soll die Zeichenfigur – das runde weiße Katzengesicht mit der roten Schleife auf dem Kopf – vor allem in Hong Kong und China für Japan als Urlaubsland werben. Eine solch öffentlichkeitswirksame Aufgabe als amtliche Tourismusgesandte stellt für Hello Kitty, die 1974 in Japan erfunden wurde und 1976 ihren heutigen Namen erhielt, einen „Höhepunkt ihrer Karriere“ dar, wie ihr jüngst von der Süddeutschen Zeitung bescheinigt wurde (Ackermann 2008: 9). Bei einem Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Dollar und angesichts der aktuell 22.000 Kitty-Produkte, die in mehr als 40 Ländern auf dem Markt sind, liest sich die Biographie der kleinen Katze wie eine einzige Erfolgsgeschichte. Dies ist umso erstaunlicher, als dass zu dem Charakter kein passendes Narrativ angeboten wird: Das Kätzchen bleibt stumm, denn kein Buch, kein Film und keine Fernsehserie lassen es eine Hauptrolle spielen. Die globale Faszination für diese Figur scheint allein durch ihr niedliches Äußeres hervorgerufen zu werden.
Corinna Peil
Die kommunikative Vernetzung in der Diaspora: Integrations- und Segregationspotenziale der Aneignung digitaler Medien in ethnischen Migrationsgemeinschaften
Zusammenfassung
Betrachtet man die bisherige kommunikations- und medienwissenschaftliche Forschung zu Medien und Migration, so befasst sich diese in der Tendenz entweder mit der Frage der Repräsentation in Fernsehen, Radio, Print und Film, mit dem Zugang zum Berufsfeld des Journalismus oder mit der Nutzung bzw. Aneignung von (Massen-)Medien. Im Kern geht es um die Frage, welchen Beitrag (Massen-)Medien als Organisationen, Inhaltsangebote bzw. Nutzungsressourcen für die gesellschaftliche Integration von ‚ethnischen Minderheiten‘ in Nationalkulturen bzw. Nationalstaaten leisten können.
Andreas Hepp, Carolin Düvel
„Man ist einfach rund um die Uhr Führungskraft“. Eine qualitative Studie zur Mediennutzung von Frauen in Führungspositionen
Zusammenfassung
In der Kommunikationswissenschaft wurde das geschlechtsspezifische Mediennutzungsverhalten lange Zeit auf das unterschiedliche Bildungsniveau und das unterschiedliche politische Interesse von Männern und Frauen zurückgeführt. Christina Holtz-Bacha (1990) hat diesen Mythos widerlegt, indem sie nachwies, dass bei einem Vergleich von Männern und Frauen mit jeweils gleichem Bildungsgrad und politischem Interesse weiterhin Unterschiede im Mediennutzungsverhalten auftraten und Männer ein stärkeres Interesse an politischen Medienangeboten zeigten als Frauen. Diesen „kleinen Unterschied im Medienverhalten“ hat Holtz-Bacha auf die unterschiedliche Sozialisation, die unterschiedlichen Rollenerwartungen sowie die unterschiedlichen Lebenswelten von Männern und Frauen und die daraus resultierenden divergierenden Interessen und Kommunikationsbedürfnisse zurückgeführt. Wenn man in Anlehnung an Thomas Kurtz (2002: 5) davon ausgeht, dass der Beruf die Selbst- und Fremdeinschätzung prägt (unterschiedliche Rollenerwartung), die Sozialkontakte von Männern und Frauen ermöglicht und die Einkommensverhältnisse und damit den sozialen Status bestimmt (unterschiedliche Lebenswelten), dann wird folgende Frage virulent: Welche Besonderheiten in der Mediennutzung ergeben sich, wenn Frauen eine statushohe berufliche Position innehaben, die in der Regel Männern vorbehalten bleibt?
Nathalie Huber
Arbeitslose und Mediennutzung – Genderspezifische Betrachtung einer besonderen Nutzergruppe
Zusammenfassung
Das Phänomen der Massenarbeitslosigkeit ist in Deutschland seit Jahrzehnten zu beobachten. Auch wenn 2008 seit Langem einmal wieder eine positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt stattgefunden hat, ist Arbeitslosigkeit in unserer Gesellschaft längst zu einer Art Normalzustand geworden und nicht nur Ausdruck einer momentan schlechten Wirtschaftslage. Darüber hinaus zeigt die soziodemografische Zusammensetzung der insgesamt 3,4 Millionen Arbeitslosen (Stand Dezember 2007; vgl. Bundesagentur für Arbeit 2008), dass ungewollte Erwerbslosigkeit inzwischen ein Schicksal ist, das jeden treffen kann und nicht allein bestimmte gesellschaftliche (Rand-)Gruppen anbelangt. Gleichzeitig ist sie für einen Teil der Gesellschaft zu einer Art Dauerzustand geworden, längst schon hat sich eine neue soziale „Schicht der Dauerarbeitslosen“ herausgebildet (Kronauer u.a. 1993: 229ff.).
Nicole Gonser, Wiebke Möhring
Backmatter
Metadaten
Titel
Alltag in den Medien – Medien im Alltag
herausgegeben von
Jutta Röser
Tanja Thomas
Corinna Peil
Copyright-Jahr
2010
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-91949-2
Print ISBN
978-3-531-15916-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-91949-2