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2013 | Buch

Aneignung von Diasporawebsites

Eine medienethnografische Untersuchung in der marokkanischen und türkischen Diaspora

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Über dieses Buch

​Migration gehört neben der Globalisierung zu den wichtigsten Faktoren, die unsere soziale Welt, Kultur und Gesellschaft verändern. Diese Veränderungsprozesse werden wiederum von Entwicklungen des Medienwandels beeinflusst. Cigdem Bozdag untersucht am Beispiel von Webseiten der marokkanischen und türkischen Diaspora, wie sich Migrationsgemeinschaften durch die neuen Medientechnologien verändern. Ihre medienethnographische Analyse basiert auf qualitativen Interviews, Beobachtungen und Inhaltsanalysen. Zunächst untersucht die Autorin Fragen zur Aneignung: Wie interpretieren,benutzen und verändern Migranten diese Webseiten? Im zweiten Schritt behandelt sie die Wahrnehmung des Herkunfts- und Migrationslandes, Fragen zur Religion und fiktive Geschichten um Themen der Vergemeinschaftung.​

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
Wie in vielen Wahlen in der Vergangenheit wurde das Recht auf „doppelte Staatsbürgerschaft“ für Migrantinnen und Migranten auch 2013 zum Wahlkampfthema in Deutschland. Während Parteien wie die SPD das Recht auf die doppelte Staatsbürgerschaft befürworten (vgl. DPA 2013), sind andere, wie Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU oder CDU-Fraktionschef Volker Kauder, der Meinung, dass dies nur „integrationshemmend“ wirken würde (vgl. FRZ/DPA 2013) oder zu „Loyalitätskonflikten“ führen könnte (vgl. RA/GAU/RS 2013). Die zweite Position geht davon aus, dass eine Zuneigung zur Herkunftskultur automatisch eine Abneigung gegen das Migrationsland bedeuten würde bzw. dass Menschen nur „loyal“ zu einem „Nationalstaat“ sein könnten.
Cigdem Bozdag

Analyserahmen

Frontmatter
2. Migration, Diaspora und Medien
Zusammenfassung
Dieses Kapitel behandelt verschiedene Perspektiven und Konzepte aus der Migrationsforschung sowie der Kommunikations- und Medienwissenschaft, die den theoretischen Rahmen dieser Arbeit geprägt haben. Zunächst wird der Perspektivenwechsel von einer nationalen zu einer transkulturellen Forschungsperspektive thematisiert, die sich im Rahmen der internationalen Forschung zur Migration etabliert hat, in Deutschland dennoch nur begrenzt Anwendung findet. Diese Arbeit basiert auf einer solchen transkulturellen Perspektive zur Migration und verwendet aus diesem Grund den Diasporabegriff, der in Kapitel 2.2 dargestellt wird, zur Beschreibung der Migrationsgemeinschaften. Das Kapitel 2.3 beschäftigt sich mit der Beziehung der Diaspora mit Medienkommunikation, und in Kapitel 2.4 wird eine spezifische Form der Medien diskutiert, nämlich Diasporamedien.
Cigdem Bozdag
3. Methodisches Vorgehen
Zusammenfassung
Diese Arbeit beschäftigt sich mit einem Forschungsbereich, der bis jetzt nur begrenzt erforscht wurde (vgl. Kap. 2.4). Es fehlen vor allem Arbeiten, die sich über die Unterschiede einzelner Diasporagemeinschaften hinweg mit der Aneignung der Diasporawebsites und ihrer Rolle für die Konstruktion von Diasporas als Gemeinschaften beschäftigen. Aus diesem Grund bevorzugt diese Untersuchung ein qualitatives Vorgehen, das sich mit kulturellen Alltagspraktiken beschäftigt, um Aneignungsprozesse von Diasporawebsites auf unterschiedlichen Ebenen zu untersuchen und eine empiriebasierte Theorie zu entwickeln. Das konkrete Methodendesign der Arbeit ist geprägt von der Grounded Theory, der Medienethnographie und dem Transkulturalitätsansatz, deren Einflüsse auf den Forschungsverlauf im Folgenden vorgestellt werden. Das empirische Material besteht aus qualitativen Leitfadeninterviews, ausgewählten Threads aus den Diskussionsforen Dimadima (DD), MarocZone (MZ), Turkish-Talk (TT) und Vaybee! (VB) sowie Fotos, Videos und Beobachtungsprotokollen der MZ-Jubiläumsfeier 2010.
Cigdem Bozdag

Aneignungskontexte

Frontmatter
4. Die Aneignung von Diasporamedien im Alltag
Zusammenfassung
In diesem Kapitel geht es um die Praktiken der kulturellen Lokalisierung bzw. der Aneignung der Diasporawebsites durch die Interviewpartnerinnen und -partner aus der marokkanischen und türkischen Diaspora. Obwohl diese Arbeit sich in den weiteren Teilen konkreter mit vier diasporischen Diskussionsforen beschäftigt, nämlich MZ, DD, TT und VB, wird in diesem Kapitel die Aneignung von Diasporamedien im Allgemeinen thematisiert. Die Aneignung der Diasporamedien steht in engem Zusammengang mit der allgemeinen Mediennutzung der Interviewten bzw. der Nutzung von Diasporamedien insgesamt. Zudem behandeln die Interviews nicht nur die Nutzung von Diasporawebsites, sondern die allgemeine Mediennutzung von Migrantinnen und Migranten. Durch eine solche Gesamtbetrachtung der Medienrepertoires und der Aneignung von Diasporamedien zielt dieses Kapitel darauf ab, die Nutzung der analysierten Websites im Alltag der Interviewpartnerinnen und -partner zu kontextualisieren.
Cigdem Bozdag
5. Der Aufbau der Diskussionsforen: Kommunikation regulieren
Zusammenfassung
Während das vorherige Kapitel die allgemeinen Aneignungspraktiken der Diasporamedien dargestellt hat, fokussieren die Kapitel 5 bis 9 eine bestimmte Form der Diasporawebsites, nämlich die der diasporischen Diskussionsforen. Die Diskussionsforen der Diaspora sind relevant für fast alle Handlungsfelder, die im vorherigen Kapitel dargestellt worden sind. Aus diesem Grund sind sie in dieser Untersuchung als Beispiele für Diasporawebsites analysiert worden. Durch ihren interaktiven Charakter haben die Diskussionsforen das Potenzial, eine Kommunikationsplattform für die unterschiedlichen Mitglieder der Diaspora und Menschen aus anderen Kulturen zu sein. In diesem Kapitel geht es dementsprechend um einen ersten Einblick in die von mir analysierten Diskussionsforen sowie ihre Aneignungsformen auf Basis des Forummaterials. Die Forumsbeiträge der Nutzenden über die Forumskommunikation selbst bieten eine reiche Quelle, um ihre Interpretationen über diese Kommunikationsplattformen zu untersuchen.
Cigdem Bozdag

Vorstellungen der Diasporagemeinschaft in diasporischen Diskussionsforen

Frontmatter
6. Vorgestellte Herkunft: Widersprüchlich debattieren
Zusammenfassung
Die Forumsteilnehmerinnen und -teilnehmer beschäftigen sich auf den Websites mit vielfältigen Themen, die sich auf ihre Herkunftskultur bzw. ihr Herkunftsland beziehen. Die Vorstellung einer geteilten Herkunft sorgt für eine gemeinsame Basis für Zusammengehörigkeit und ein Gefühl der Kopräsenz mit anderen Mitglieder der Diaspora (Georgiou 2006: 89). Für die Konstruktion der ethnischen Identität spielt der subjektive Glaube an einen gemeinsamen Ursprung eine zentrale Rolle (Weber 1997 [1961]: 18f.).
Cigdem Bozdag
7. Diasporisches Leben im Migrationsland: Solidarisieren
Zusammenfassung
Während das Herkunftsland für die Diasporaangehörigen überwiegend ein vorgestellter Ort ist, stellt das Migrationsland Deutschland den Kontext dar, in dem der diasporische Alltag tatsächlich erlebt wird. Geht es in kommunikations- und medienwissenschaftlicher Migrationsforschung um die Beziehung von Migrantinnen und Migranten zu politischen und kulturellen Strukturen des Migrationslandes, dann handelt es sich vornehmlich um Fragen der gesellschaftlichen Integration (vgl. Kap. 2.1). In diesem Kapitel geht es viel offener darum, wie der Alltag im Migrationsland von Forumsnutzerinnen und -nutzern erlebt wird und wie sie sich in den diasporischen Diskussionsforen darüber austauschen. Die Diskussionsthemen über den Alltag im Migrationsland und die Interaktionsmuster, die im Rahmen dieser Themenkategorie entstehen, unterscheiden sich von Diskussionen über das Herkunftsland.
Cigdem Bozdag
8. Erzählungen der Diaspora: Geschichten teilen
Zusammenfassung
Die Geschichten, die von Nutzenden der Foren geteilt werden, konstituieren einen weiteren thematischen Schwerpunkt in den analysierten Foren. Die Interaktionen in den Threads über diasporische Geschichten finden überwiegend im Handlungsfeld des Erlebens statt, indem Nutzerinnen und Nutzer einander ihre Geschichten erzählen, sich in den Erzählungen wiederfinden und sich darüber austauschen. Dieser Austausch und darauffolgende Interpretationsprozesse über die verschiedenen Formen der diasporischen Geschichten werden hier mit der Interaktionsform des Geschichtenteilens bezeichnet. Es geht hier um eine mediatisierte Form des Geschichtenteilens, und diese kann in Beziehung zu dem sich in letzten Jahren entwickelnde Forschungsfeld des „Digital-Storytelling“ gesehen werden (vgl. z. B. Lambert 2006; Couldry 2008; Lundby 2008).
Cigdem Bozdag
9. Religion in der Diaspora: Gemeinsam interpretieren
Zusammenfassung
Obwohl die analysierten Diasporawebsites nicht explizit religionsorientiert sind, stellt Religion ein wichtiges Diskussionsthema und ein Handlungsfeld der Aneignung dar (vgl. Kap. 4.2). Dieses Kapitel analysiert die Diskussionen über Religion, durch die religiöse Werte und Praktiken thematisiert und unterschiedliche Praktiken des diasporischen Alltags und Geschlechterbilder interpretiert werden. Die diasporische Lebenssituation, die kontinuierlich dazu führt, dass die eigene Religion mit anderen Religionen und ihren Wertvorstellungen verglichen wird, transformiert auch die Artikulation der Religion in der Diaspora. Dabei wird sie von Migrantinnen und Migranten stetig (re-)interpretiert (Mandaville 2004: 178ff.). Es geht in diesem Kapitel um diese Prozesse der religionsbezogenen Bedeutungsproduktion. Auch im Rahmen der Diskussionen über Religion lassen sich in den analysierten Foren verschiedene Interaktionsformen – wie Debattieren, Solidarisieren oder Bekanntmachen – festhalten. Es geht hier aber typischerweise um die Interaktionsform des gemeinsamen Interpretierens bzw. um eine gemeinsame Bedeutungskonstruktion.
Cigdem Bozdag

Schlussfolgerung

Frontmatter
10. Diasporawebsites als Fokus der ethnischen Vergemeinschaftung in der Diaspora
Zusammenfassung
Die hier dargestellten Analysen auf unterschiedlichen Ebenen zeigen, dass Diasporawebsites – sowie Diasporamedien im Allgemeinen – zentral für Diskussionen über die Diasporagemeinschaft sind. Und in diesen Diskussionen werden die Grenzen und die Bedeutung dieser Gemeinschaften kontinuierlich neu ausgehandelt und definiert (Zhang/Xiaoming 1999: 28f.; Mandaville 2001: 169; Tsagarousianou 2004: 63; Brouwer 2006: 1167; Kissau 2008b: 9). Damit tragen die eigenen Websites von Migrantinnen und Migranten zu ihrer hybriden Identitätsbildung und zur ethnischen Vergemeinschaftung in der Diaspora bei. Die im Kapitel 4 verwendete Metapher kann somit hier in Bezug auf die ethnische Vergemeinschaftung erweitert werden, und die Diasporawebsites können als Fokus der ethnischen Vergemeinschaftung in der Diaspora betrachtet werden. Während dies erst einmal eine sehr allgemeine Feststellung ist, ermöglichen die dargestellten Analysen ein konkreteres Bild über die Themen und Interaktionen auf Diasporawebsites der marokkanischen und türkischen Diaspora in Deutschland.
Cigdem Bozdag
Backmatter
Metadaten
Titel
Aneignung von Diasporawebsites
verfasst von
Cigdem Bozdag
Copyright-Jahr
2013
Electronic ISBN
978-3-658-04264-6
Print ISBN
978-3-658-04263-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-04264-6