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2009 | Buch

Arbeitsmarktpolitik in der sozialen Marktwirtschaft

Vom Arbeitsförderungsgesetz zum Sozialgesetzbuch II und III

herausgegeben von: Silke Bothfeld, Werner Sesselmeier, Claudia Bogedan

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Mit der Einführung des AFG 1969 wurde die aktive Arbeitsmarktpolitik in Deutschland nicht nur als Instrument des Marktausgleichs kodifiziert, sondern diese als ein ‚emanzipatorisches Projekt’ in den sozialpolitischen Kontext der Bundesrepublik eingeführt. Seitdem hat sie - in mehreren Etappen - einen tief greifenden Gestaltwandel erfahren, bis hin zur jüngsten Revision ihres Instrumentariums und ihrer Leistungsseite. In 24 Kapiteln bietet dieser Band eine Analyse der Grundprinzipien der deutschen Arbeitsmarktpolitik, analysiert die einzelnen Teilbereiche unter dem Aspekt einer veränderten Grundlogik, hinterfragt die veränderten Steuerungslogiken und die Rolle der beteiligten Akteure und thematisiert Herausforderungen, auf die die Arbeitsmarktpolitik zukünftig reagieren muss.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Arbeitsmarktpolitik in der sozialen Marktwirtschaft – Vom Arbeitsförderungsgesetz zum Sozialgesetzbuch II und III. Eine Einleitung

Arbeitsmarktpolitik in der sozialen Marktwirtschaft – Vom Arbeitsförderungsgesetz zum Sozialgesetzbuch II und III. Eine Einleitung
Zusammenfassung
Im Bundestagswahljahr 2009, vierzig Jahre nach ihrer Institutionalisierung in Deutschland befindet sich die deutsche Arbeitsmarktpolitik wieder an einer Wegscheide. Entgegen der Sparbemühungen und der Ausgabenreduzierungen der vergangenen Jahre wird angesichts der ökonomischen Rezession erneut auf das SGB III zugegriffen, um den Beschäftigungsabbau zu bremsen und den Einbruch der Binnennachfrage abzufedern: Nach Jahren der allgemeinen Skepsis gegenüber den Instrumenten der Arbeitsförderung hat die Bundesregierung im konjunkturellen Abschwung mit dem schnellen und flexiblen Umbau des Kurzarbeitergeldes (KuG) bereits im Winter 2008 erneut auf die Stabilisierungsfunktion der Arbeitsmarktpolitik gesetzt. Zwar können KuG und Arbeitslosengeld den Abbau von Beschäftigung nicht verhindern, aber sie können ihn verzögern oder – zusammen mit dem Arbeitslosengeld I - abfedern. Das institutionelle Gedächtnis der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Deutschland scheint also auch durch die jüngste Phase der Arbeitsmarktreformen nicht gelöscht.
Claudia Bogedan, Silke Bothfeld, Werner Sesselmeier

Grundzüge der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland im Wandel

Frontmatter
Arbeitsmarktpolitik im wohlfahrtsstaatlichen Vergleich
Zusammenfassung
Die Rahmenbedingungen für die Arbeitsmarktpolitik, erst auf Grundlage des Arbeitsförderungsgesetzes von 1969 und ab 1998 auf Grundlage des Sozialgesetzbuches II und III, veränderten sich stetig. Dies war mit einem Wandel im Verständnis und in der Stellung der Arbeitsmarktpolitik verbunden, welcher einerseits in den Veränderungen des theoretischen Mainstreams, der die Verlagerung von der nachfrageorientierten Wirtschafts- (makroökonomische Sicht) hin zur Angebotspolitik auf dem Arbeitsmarkt (mikroökonomische Sicht) beschreibt, begründet lag. Andererseits ist dieser Zeitraum von einem sozioökonomischen Strukturwandel gekennzeichnet, dessen Hauptaspekte die zunehmende internationale Verflechtung von Kapital und Akteuren durch Waren- und Dienstleistungsströme sind. Zudem kommt durch die Informatisierung der Arbeitswelt der IKT eine Schlüsselrolle zu, wodurch sich zu den bestehenden drei klassischen Sektoren der Informationssektor generiert (Sesselmeier 2008: 15). Dieser Strukturwandel ist vom Wegfall einfacher Tätigkeiten insbesondere im Industriesektor gekennzeichnet, womit sich die strukturelle Arbeitslosigkeit verschärfte (Schettkat 1999; Adnett/Hardy 2005: 71). So war die makroökonomische Wirtschaftspolitik mit Fokus auf die Nachfrageseite nicht mehr adäquat, um die Beschäftigungssituation zu verbessern. Eine Anpassung der Arbeitsmarktpolitik als Instrument für die Beschäftigungssteigerung wurde erforderlich (Høj et al. 2006 9ff.; Eichhorst/Hemerijck 2008: 5).
Werner Sesselmeier, Gabriele Somaggio
Soziale Gerechtigkeitsleitbilder in der Arbeitsmarktpolitik – von der Verteilung zur Teilhabe
Zusammenfassung
Gerechtigkeitsvorstellungen strukturieren moderne Gesellschaften in mehrfacher Hinsicht: Erstens liegen sie den staatlichen Institutionen als Zuteilungsregeln (Leisering 2007) zugrunde. Zweitens spiegeln sie sich in den in der Bevölkerung vorherrschenden Wertvorstellungen, die idealerweise mit den institutionellen Strukturen übereinstimmen. Drittens strukturieren Gerechtigkeitsvorstellungen auch die öffentlichen Diskurse, in denen immer wieder eine Vergewisserung über gemeinsame Vorstellungen erzielt werden muss.
Sigrid Gronbach
Von „Welfare to Workfare“? Der radikale Wandel der deutschen Arbeitsmarktpolitik
Zusammenfassung
Wie in vielen anderen westlichen Ländern hat in Deutschland in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik statt gefunden, der sich als Wandel von einer aktiven zu einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik beschreiben lässt und der im größeren Kontext eines Wandels vom Welfare-zum Workfare-Staat (Jessop 1994) steht, in dessen Zuge sich auch andere Sicherungssysteme und Politikfelder grundlegend verändern. Dieser Wandel verlief zunächst schleichend und inkrementell, fand in den ‚Hartz-Reformen‘ aber seinen plötzlichen Kulminationspunkt.
Katrin Mohr
Grundsicherung „für Arbeitsuchende“: ein hybrides Regime sozialer Sicherung auf der Suche nach seiner Governance
Zusammenfassung
Vier Jahre nach ihrer Einführung hat die Grundsicherung „für Arbeitsuchende“ noch immer keine sichere Governance gefunden. Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass das zentrale Versprechen der Hartz-Reformen, nämlich „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt aus einer Hand“ zu schaffen, für die Mehrheit der Erwerbslosen und Erwerbsarmen am Ende unerfüllt bleibt, weil dafür keine verfassungskonforme und politisch mehrheitsfähige Lösung gefunden werden kann. Die von diesem Dilemma Betroffenen sind zum großen Teil jene, die den nach der Logik der Hartz-Reformen angeblich notwendigen Preis - die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe – für die versprochenen „Dienstleistungen aus einer Hand“ zu zahlen hatten.
Matthias Knuth

Das Instrumentarium der Arbeitsmarktpolitik zwischen Universalismus und Zielgruppenorientierung

Frontmatter
Vom AFG 1969 zur Instrumentenreform 2009: Der Wandel des arbeitsmarktpolitischen Instrumentariums
Zusammenfassung
Im Arbeitsförderungsgesetz (AFG) war von Beginn an ein breites Spektrum arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen angelegt. Die verfolgten Ziele waren vielfältig und zeugten von den hohen Erwartungen, die in das AFG gesetzt wurden. Die Maßnahmen waren darauf auszurichten, dass ein hoher Beschäftigungsstand erzielt und aufrechterhalten, die Beschäftigungsstruktur und Qualifikation insbesondere auch der Erwerbstätigen ständig verbessert und damit das Wachstum der Wirtschaft gefördert wird. Außerdem sollte die Eingliederung dreier Zielgruppen (Frauen, Behinderte, Ältere) speziell gefördert werden. Die Bundesanstalt für Arbeit (BA) als Träger der Maßnahmen wurde in die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Bundesregierung eingebunden.
Frank Oschmiansky, Mareike Ebach
Berufliche Weiterbildung in Deutschland 1969 bis 2009: Entwicklung und Reformoptionen
Zusammenfassung
In der international vergleichenden Arbeitsmarktforschung dient der deutsche Arbeitsmarkt meistens als Referenzfall für vergleichsweise stark ausgeprägte berufliche Arbeitsmärkte (Marsden 1990). Kaum bekannt ist, dass sich die unterschiedliche Struktur des deutschen Arbeitsmarktes erst in den letzten Jahrzehnten herausgebildet hat. In den 50er Jahren hatten die meisten angelsächsischen Länder noch ähnlich hohe Anteile an Auszubildenden wie in Deutschland. Während dort aber berufliche Arbeitsmärkte zumindest unterhalb der Ebene der Professionals an Bedeutung verloren, expandierten sie in Deutschland seit den 70er Jahren kräftig. Der Anteil der Beschäftigten mit einem beruflichen Abschluss stieg von 29 Prozent 1964/65 auf 70 Prozent im Jahre 2000 (Geissler 2002: 339). Damit wurden in Deutschland Tätigkeitsbereiche ‚verberuflicht‘, die in vielen anderen Ländern entweder Anlerntätigkeiten blieben oder mittlerweile sogar eine akademische Ausbildung voraussetzen.
Gerhard Bosch
Arbeitslosenversicherung im Wandel
Zusammenfassung
Die Arbeitslosenversicherung (ALV) ist die jüngste der klassischen Sozialversicherungen. Sie wurde erst 1927 nach intensiven politischen Auseinandersetzungen verabschiedet und vereint die Lohnersatzleistungen im Falle von Arbeitslosigkeit und die Maßnahmen der Arbeitsförderung. Mit der Gründung der Bundesrepublik wurde auf die Grundpfeiler des Arbeitslosenversicherungssystems der Weimarer Republik zurückgegriffen. Nichtsdestotrotz stellt die Geschichte der ALV keine lineare Entwicklung dar. Sie ist vielmehr davon geprägt, welche Vorstellungen für eine Politik der Arbeitslosigkeit und des Arbeitsmarktes bei den Entscheidungsträgern handlungsleitend (gewesen) sind.
Peer Rosenthal
Eine subjektive Dimension der Arbeitsmarktpolitik
Einstellungen zur Arbeitslosenversicherung und Grundsicherung für Arbeitsuchende in Deutschland
Zusammenfassung
Arbeitsmarktsmarktpolitik basiert hinsichtlich der Datenbasis in der Regel auf Primärerhebungen und Sekundärstatistiken. Auch die Arbeitslosenversicherung und die Grundsicherung für Arbeitsuchende als zentrale Bereiche der Arbeitsmarktpolitik werden anhand diverser Datenbasen erfasst, analysiert und bewertet. Diese Basen beziehen sich auf deren Leistungen sowie auf Wechselwirkungen mit anderen Bereichen. Die Bedeutung der Höhe des Arbeitslosengeldes bzw. der Leistungen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende oder die Verwendung der Einnahmen der Arbeitslosenversicherung für aktive Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik sind zwei Beispiele (vgl. dazu z.B. diverse Jahresgutachten und Memoranden).
Oliver Nüchter, Alfons Schmid
Gleichstellung und Aktivierung – Wahlverwandtschaft oder Stiefschwestern?
Zusammenfassung
Die im Zeichen des Aktivierungsparadigmas stehenden Veränderungen der Arbeitsmarktpolitik sind von einer stärkeren Institutionalisierung von Gleichstellungspolitik in der Arbeitsförderung begleitet worden. Mit dem SGB III und dem Job-AQTIV-Gesetz wurden zusätzliche organisatorische und prozedurale Vorgaben eingeführt, die der bereits zuvor geltenden Frauenförderquote sowie dem nunmehr an prominenter Stelle verankerten Ziel der Gleichstellung (§ 1 SGB III) stärkere Geltung verschaffen sollen. Zugleich sind mit der Einführung des SGB II die Zugangsschwellen zu den Eingliederungsleistungen des SGB III insbesondere für die weiblichen Erwerbslosen aus Sozialhilfe- und Arbeitslosenhilfe- Haushalten gesunken, die bis dato von Arbeitsagenturen und kommunaler Hilfe zur Arbeit kaum als Adressatinnen der Arbeitsförderung betrachtet wurden. Gleichstellung und Aktivierung – eine Wahlverwandtschaft? Oder eine bloße zeitliche Koinzidenz zweier eigendynamischer Entwicklungstrends, die Stiefgeschwistern gleich außer der gemeinsamen Wohnung zunächst wenig gemein haben?
Karen Jaehrling

Akteure der Arbeitsmarktpolitik zwischen Aufgabenerfüllung und Steuerungswandel

Frontmatter
Neue und alte Regelsteuerung in der deutschen Arbeitsverwaltung
Zusammenfassung
Die deutsche Arbeitsverwaltung weist eine hohe Kontinuität ihrer organisatorischen Grundzüge auf: Schon seit den Gründungstagen der Bundesrepublik handelt es sich um eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung und dreistufiger Gliederung. Als klassische Behörde entsprach ihr Aufbau und ihre Funktionsweise lange den Prinzipien des traditionellen Bürokratiemodells mit hierarchischer, amtsförmiger Linienorganisation und Recht und Legalität als dominantem Steuerungsmodus (Konditionalsteuerung). In den 1990er Jahren wurde mit dem „Arbeitsamt 2000“ ein erster – und schließlich scheiternder – Reformversuch eingeleitet, um die Bürger- und Dienstleistungsorientierung sowie die Mitarbeiterzufriedenheit zu stärken.
Holger Schütz
Das prekäre Dienstleistungsversprechen der öffentlichen Arbeitsverwaltung
Zusammenfassung
Der Begriff der Dienstleistung steht im Zentrum der arbeitsmarktpolitischen Rhetorik der so genannten „Hartz-Reformen“, die auf den vier Gesetzen „für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ beruhen. Faktisch jedoch weiß man wenig über die Praxis der Leistungsprozesse in der Arbeitsverwaltung – insbesondere darüber, ob diese Praxis dem Dienstleistungsanspruch gerecht wird. Dieser Beitrag geht der Frage nach, was die Substanz einer Dienstleistung in der öffentlichen Arbeitsverwaltung ausmacht bzw. ausmachen könnte und worin sich ein entsprechender gesellschaftlicher und individueller Dienstleistungsanspruch begründet. Er kontrastiert anhand der Ergebnisse einer empirischen Studie die in den letzten Jahren breit durchgesetzte Kunden- und Dienstleistungsmetaphorik mit den faktischen Asymmetrien im Dienstleistungsverhältnis und den gegenwärtigen Rahmenbedingungen, unter denen die Fachkräfte in der Arbeitsvermittlung mit ihren „Kunden“ arbeiten.
Volker Hielscher, Peter Ochs
Die Rolle der Kommunen in der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik
Zusammenfassung
Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik lagen und liegen in der Verantwortung der Bundesebene. Den Kommunen standen und stehen dennoch verschiedene Aktivitäten in diesem Politikfeld zur eigenen Gestaltung offen:
a
Sie konnten bis zur Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Rahmen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) aktive Beschäftigungspolitik für SozialhilfeempfängerInnen gestalten.
 
b
Die Kommunen sind an der lokalen Selbstverwaltung der Arbeitsagenturen beteiligt und können auf diesem Wege die lokale arbeitsmarktpolitische Programmatik mitgestalten.
 
c
Sie können sich als Träger von Maßnahmen auf dem zweiten Arbeitsmarkt nach dem SGB III an der Umsetzung dieser Programmatik beteiligen. So können sie die eigene Personalpolitik durch temporäre Beschäftigung von geförderten Arbeitnehmer/innen flexibilisieren oder in kommunalen Beschäftigungsgesellschaften und Jugendwerkstätten Beschäftigungsprojekte umsetzen.1
 
d
Die Kommunen sind nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) für die Jugendsozialarbeit (§ 13) sowie für Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Jugendliche (§ 35 a) und Hilfen für junge Volljährige (§ 41) zuständig. Alle drei Felder enthalten arbeitsweltbezogene Elemente (Braun et al. 2001; Weber 2001).
 
e
Kommunen sind im Rahmen der kommunalen Wirtschaftsförderung struktur- und beschäftigungspolitische Akteure (Grabow/Henckel 1998; Haug 2004).
 
f
Kommunen können beschäftigungspolitische Projekte freier Träger durch Befürwortung gegenüber Fördermittelgebern und durch zusätzliche Ressourcen fördern.
 
g
Sie können zivilgesellschaftliche Prozesse im Bereich der Beschäftigungs- und Sozialpolitik moderieren und lokale Netzwerke fördern.2
 
Petra Kaps
Vom Arbeitsförderungsgesetz zum Sozialgesetzbuch II und III: Pfadwechsel in der korporatistischen Arbeitsverwaltung?
Zusammenfassung
„Wie ein roter Faden ist bei allen Beratungen des Ausschusses der Wille deutlich geworden, der dreistufigen Selbstverwaltung der Bundesanstalt so viel Entscheidungsmöglichkeiten zu geben, wie es nach den Grundsätzen der modernen Arbeitsmarktpolitik […] überhaupt irgend möglich war“, erklärte der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit, Adolf Müller, 1969 bei den Beratungen des Deutschen Bundestages zum Entwurf des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) (Deutscher Bundestag 1969: 12930). Beim Gesetzgebungsprozess zum AFG war nicht nur umstritten, was die ‚Grundsätze der modernen Arbeitsmarktpolitik‘ auszeichnet, sondern auch welcher Stellenwert der Selbstverwaltung bei der Umsetzung just jener modernen Politik zukommt. Während das AFG beim arbeitsmarktpolitischen Instrumentarium zu einer grundlegenden Neuausrichtung führte, hatten die Reformen der (Selbst)Verwaltung jedoch mehr inkrementellen Charakter.
Tanja Klenk
Arbeitsmarktpolitik und Sozialpartner
Zusammenfassung
Seit den Anfängen der tripartistischen Arbeitsmarktpolitik im Jahre 1927 prägen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände die Strukturen und Inhalte der staatlichen Arbeitsmarktpolitik in Deutschland mit. Sie üben nicht nur einen indirekten Einfluss auf die Politikformulierung in den Parteien, Ministerien und auf die Entscheidungsbildung in Regierung und Parlament aus, sondern sie verfügen auch über einen direkten Einfluss durch die Selbstverwaltung der Bundesagentur für Arbeit. Hinzu kommt ihre Rolle bei der Umsetzung von Gesetzen, vor allem in arbeitsmarktpolitischen Politiknetzwerken sowie als Träger von Beschäftigungsgesellschaften und berufsbildenden Qualifizierungs- und Weiterbildungsinstitutionen.
Wolfgang Schroeder, Andreas D. Schulz
Reflexive Regulierung von Beschäftigungsbedingungen: Königsweg oder Sackgasse?
Zusammenfassung
Die institutionelle Regulierung des deutschen Beschäftigungssystems und der hohe Standard in den Beschäftigungsbedingungen, der sozialen Sicherung und der wirtschaftlichen Mitbestimmung bildeten das Rückgrat der erfolgreichen deutschen Exportwirtschaft (Hall/Soskice 2001; Thelen 2003) und damit den Kontext der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland. Vor allem hier haben sich die alten politischen Konflikt- und Kompromisslinien jedoch nachhaltig verändert: Infolge neuer technologischer Entwicklungen und der De-Industrialisierung entstanden neue betriebliche Bedarfe – bei gleichzeitiger fortschreitender sozialer Individualisierung, die ihrerseits zu neuen Erwartungen an den Sozialstaat führte. Seit Mitte der 1980er Jahre stieg die Arbeitslosigkeit stark an, breitete sich der Niedriglohnsektor zunehmend aus und schwand die Bedeutung von Flächentarifverträgen. Situationsanalysen, die auf diese Probleme reagierten, beschrieben nicht nur die Institutionen sozialer Sicherheit, sondern auch den traditionell hohen Standard bei der Regulierung der Beschäftigungsbedingungen als eine Belastung für das Beschäftigungswachstum insbesondere in den unteren Einkommensbereichen. In Deutschland folgten die jüngsten Arbeitsmarktreformen dieser Denkart, indem sie die Ausweitung von atypischer Beschäftigung durch eine direkte oder indirekte arbeitsrechtliche Deregulierung betrieben. Dass die am Aktivierungsparadigma orientierten arbeitsmarktpolitischen Reformen meist mit der Deregulierung des Normalarbeitsverhältnisses und der Ausweitung der atypischen Beschäftigungsstrukturen einhergehen, zeigt auch der europäische Vergleich (Betzelt/Bothfeld 2009). Ist diese Deregulierung mit einem endgültigen Abschied von den einmal erreichten sozialen Standards gleichzusetzen, weil sie zwangsläufig zu einer Verminderung des sozialen Schutzes führt? Oder sind neue Formen eines Kompromisses zwischen einem betrieblichen Bedarf an Flexibilität des Arbeitskräfteeinsatzes und einem effektiven Arbeitnehmer-Innenschutz denkbar?
Stefanie Kremer, Silke Bothfeld
Die Europäischen Institutionen als Drahtzieher der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland?
Zur Bedeutung der Europäischen Beschäftigungsstrategie und des Europäischen Sozialfonds im arbeitsmarktpolitischen Geschehen
Zusammenfassung
Die Unterzeichnung des Vertrags von Amsterdam im Jahr 1997 kann als ein Meilenstein in der europäischen beschäftigungspolitischen Debatte betrachtet werden. Damit haben die europäischen Mitgliedstaaten anerkannt, dass die Beschäftigungspolitik eine Angelegenheit von ‚gemeinsamen Interesse‘ ist und dass die beschäftigungspolitischen Maßnahmen der jeweiligen Länder Konsequenzen für die anderen Mitgliedstaaten haben. Zur Koordinierung ihrer Aktionen stehen ihnen institutionalisierte Verfahren zur Verfügung, die gemeinsam als Europäische Beschäftigungsstrategie (EBS) bezeichnet werden, die auf dem Europäischen Rat von Lissabon im Jahre 2000 folgendes Ziel formuliert hat: Die Europäische Union (EU) sollte der „wettbewerbsfähigste und dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt (…) werden, fähig zu nachhaltigem wirtschaftlichem Wachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und größerem sozialen Zusammenhalt“ (Europäische Kommission 2009c). Die Durchführung von Koordinierungsverfahren wird seit diesem Zeitpunkt als Lissabon-Strategie bezeichnet. Der Europäische Sozialfonds (ESF) wurde hingegen bereits 1957 ins Leben gerufen und besteht somit deutlich länger als die Verfahren der EBS. Seit 2000 versteht sich der ESF als ein wichtiger Impulsgeber der EBS, indem er Maßnahmen finanziert, die zur Zielerreichung der EBS beitragen.
Manon Irmer, Aysel Yollu-Tok

Ausblick: Arbeitsmarktpolitik – ein emanzipatorisches Projekt in der sozialen Marktwirtschaft

Frontmatter
Arbeitsmarktpolitik – ein emanzipatorisches Projekt in der sozialen Marktwirtschaft
Zusammenfassung
Vierzig Jahre nach Einführung des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zeigt sich ein völlig anderes Gesicht der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Deutschland als noch 1969. Seit der Einführung des Arbeitsförderungsgesetzes wurden in einer kaum erfassbaren Zahl von Novellen und Gesetzesänderungen die Regulierungen und Instrumente der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland ergänzt, eingestellt oder modifiziert (vgl. Chronik im Anhang sowie die Beiträge von Oschmiansky/Ebach und Rosenthal). Bis zu Beginn der 1990er Jahre war die Entwicklung in der Arbeitsmarktpolitik von einem hohen Maß an Kontinuität und Pfadabhängigkeit geprägt, während das Reformtempo in den 1990er Jahren anwuchs und zu deutlichen Pfadbrüchen führte (Knuth). Die sozialwissenschaftliche Forschung hat vor allem die jüngsten Reformen an vielen Stellen als Ausdruck eines paradigmatischen Wandels in der Arbeitsmarktpolitik interpretiert (s. stellvertretend Oschmiansky/Mauer/Schulze-Buschoff 2007). Hinter dieser allgemeinen Diagnose verbirgt sich jedoch eine Reihe von interessanten, auch widersprüchlichen Entwicklungen, die erst durch die genaue Analyse der einzelnen Teilbereiche sichtbar werden, für ein angemessenes Verständnis der arbeitsmarktpolitischen Dynamik jedoch unentbehrlich sind.
Silke Bothfeld, Werner Sesselmeier, Claudia Bogedan
Backmatter
Metadaten
Titel
Arbeitsmarktpolitik in der sozialen Marktwirtschaft
herausgegeben von
Silke Bothfeld
Werner Sesselmeier
Claudia Bogedan
Copyright-Jahr
2009
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-91991-1
Print ISBN
978-3-531-16887-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-91991-1