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18.05.2011 | Automobil + Motoren | Nachricht | Online-Artikel

Werkstoffe im Automobilbau: Mischbauweisen gehört die Zukunft

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

4:30 Min. Lesedauer

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Karosserien in Mischbauweisen bieten große Chancen für ökologisch und ökonomisch wirksamen Leichtbau. Mit dieser Feststellung hat Andreas Fidorra, Leiter Entwicklung Karosserie, Audi, die ATZ-Fachtagung "Werkstoffe im Automobilbau" am Mittwoch, 18. Mai 2011, in Stuttgart eröffnet. "Wenn es nicht um die absolut mögliche Gewichtsreduzierung, sondern um das bestmögliche Verhältnis von Herstellungsaufwand zu Gewichtsreduzierung geht, wird kein Werkstoff allein und für alle Anwendungsfälle das optimale Verhältnis darstellen", erläuterte Fidorra. Über diese Erkenntnis gelange man zum Einsatz verschiedener Werkstoffe. Monokulturen seien nur ein Weg, Mischbau sei eine Notwendigkeit. Dabei gelte es zu berücksichtigen, den passenden Werkstoff für die richtige Stelle zu finden, um das Potenzial eines Materials bestmöglich nutzen zu können. Der Schlüssel zu den attraktivsten Werkstoffkombinationen liegt für Fidorra in der Entwicklung neuer, prozesssicherer Fügetechniken.

Jedoch dürfe der Werkstoffeinsatz nicht um jeden Preis und zum Selbstzweck erfolgen. "Gerade Leichtbauwerkstoffe müssen ihre in der Regel höheren Emissionen bei der Herstellung rechtfertigen", gab Fidorra zu Bedenken. Deshalb müsse man die gesamtheitliche Umweltbilanz im Blick haben. Herstellung und Verarbeitung der Grundmaterialien sei genauso zu berücksichtigen, wie Nutzungsphase und Recyclingaufwand eines Automobils.

In diesem Zusammenhang betonte Dr. Stefan Kienzle, Head of Lightweight, Materials and Manufacturing Concepts, Daimler, dass sich der Leichtbaueffekt jedoch über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs gesamtenergetisch auszahle. Leichtbau sei mehr denn je strategisches Ziel im Rohbau. Rund 70 Prozent aller Leichtbaumaßnahmen bei Daimler werden mit Materialsubstitution dargestellt. Großes Potenzial sieht Kienzle bei Aluminium und den Verbundwerkstoffen. Letztere könnten in zehn Jahren zirka zehn Prozent des Rohbauvolumens ausmachen. Hier lobte er besonders die gemeinsamen Strategien und Partnerschaften der deutschen OEM im Bereich CFK.

"Der Fahrzeugleichtbau ist für die gegenwärtigen Verbrennungsmotoren in Anbetracht der Klimadiskussion und der Orientierung an nachhaltigen Mobilitätskonzepten von zentraler Bedeutung", sagte Kienzle. Bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren ließen sich durch eine Gewichtsreduzierung von 100 Kilogramm zirka zehn Gramm an CO2-Emissionen einsparen. Aber auch für alternative Antriebskonzepte seien Leichtbaumaterialien ein wesentliches Erfolgskriterium. Durch ein geringeres Gewicht könne unter anderem die Fahrzeugreichweite von Elektrofahrzeugen erhöht werden. Zentral ist für Kienzle auch die Frage, was Leichtbau kosten darf. So sei es entscheidend die Mehrkosten für Leichtbau in den Griff zu bekommen. So gebe Daimler rund fünf bis zehn Euro aus, um ein Kilogramm an Gewicht zu sparen.

Ebenso entscheidend ist auch die Verfügbarkeit von Rohstoffen. Diesem Aspekt widmete sich die Podiumsdiskussion. Adressiert wurden die Konsequenzen, die sich aus den weltweiten Rohstoffvorräten für den Automobilbau der Zukunft ergeben. Dr. Volker Steinbach, Leiter der neu gegründeten Deutschen Rohstoffagentur, (im Bild 2. von links) gab hierbei zu Bedenken, dass sich die weltweite Rohstoffsituation Anfang 2000 gegenüber den 1980er und 1990er Jahren geändert habe, und zwar mit dem Wachstum der Schwellenländer, insbesondere Chinas. Bei vielen Basismetallen sei China zu einem der größten Konsumenten geworden. So seien dort im Jahr 2000 rund zehn bis zwölf Prozent an Aluminium, Kupfer, Blei, Zink und Nickel verbraucht worden, 2005 waren es zirka 25 Prozent und 2009 ungefähr 40 Prozent. Bei Stahl seien es über 50 Prozent. "Wir als Rohstoffnation sind von fairen, transparenten Märkten abhängig. Daher müssen wir ein Rohstoffbewusstsein bei Politik, Wirtschaft und Ingenieuren schaffen. Das ist in den letzten 20 Jahren vernachlässigt worden", erläuterte Steinbach. So solle beispielsweise ein Bewusstsein dafür entstehen, dass zirka 97 Prozent der seltenen Erden aus China importiert werden und der Magnetwerkstoff Neodym für Windkraftanlagen gebraucht wird. Jedoch ist für Steinbach das Energie- und Rohstoffpotenzial auf der Erde unbegrenzt, wenn zum Beispiel alleine das Potenzial der Sonnenenergie betrachtet wird. Auch ausreichend mineralische Rohstoffe seien vorhanden. "Es ist noch keine Technologie an einem Rohstoff gescheitert", betonte Steinbach.

Stefan Kienzle (links im Bild) betrachtete hingegen kritisch die Verfügbarkeit der seltenen Erden oder der Elemente der Nickelgruppe wie Palladium und Platin. Dennoch prognostizierte er, dass in zirka 50 Jahren mehr oder weniger alle Fahrzeuge elektrisch angetrieben seien. Uwe Wolf, Head of Sales Automotive, BASF, (rechts im Bild) erläuterte, dass sich das Unternehmen verstärkt mit Alternativen zu Erdöl beschäftige. Diese seien die Nutzung von Erdgas, Methan oder CO2. Aus letzterem sollen die Kohlenstoffatome für die chemische Industrie nutzbar gemacht werden. Beispielsweise als Ameisensäure.

Einig waren sich die drei Diskutanten, dass auf Nachhaltigkeit und ökologische Aspekte geachtet werden muss. Beim Thema Recycling, gerade auch vor dem Hintergrund zunehmender Mischbauweisen, sieht Kienzle kein Problem. "Was an neuem Material kommt ist beherrschbar", so Kienzle.

In weiteren Vorträgen hatten die Teilnehmer Gelegenheit, Werkstoffkonzepte in Fahrzeug, Aufbau und Antriebsstrang sowie deren Herausforderung für Füge- und Produktionstechniken zu diskutieren. Relevant waren hier auch robuste Werkstofflösungen für die Fahrzeugsicherheit. Nicht zuletzt wurde die Rolle des Elektroautos als Impulsgeber für neue Werkstoffanwendungen beleuchtet.

Das von Professor Horst E. Friedrich, Direktor des Instituts für Fahrzeugkonzepte, DLR, ins Leben gerufene "Werkstoffsymposium Fahrzeugtechnik" findet dieses Jahr zum ersten Mal unter dem neuen Namen "Werkstoffe im Automobilbau" in Kooperation mit der ATZ statt. Rund 110 Ingenieure diskutieren anhand von mehr als 20 Einzelvorträgen noch bis heute, Donnerstag, 19. Mai 2011, innovative Werkstofftechniken für das Automobil von morgen.

Einen ausführlichen Bericht zur ATZ-Fachtagung "Werkstoffe im Automobilbau" finden Sie in der ATZ 7-8/2011. Sie erscheint am 8. Juli 2011.

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