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23.03.2015 | Bankenaufsicht | Schwerpunkt | Online-Artikel

Anlegerstrategien gegen Niedrigzinsen

5 Min. Lesedauer

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Die derzeit niedrigen Zinsen signalisieren, dass ein Überangebot an Kapital besteht. Warum Anleger noch immer in negativ rentierende Anlagen investieren und wo der Abwärtstrend der Negativzinsen enden wird. Ein Gastbeitrag.

In der Vergangenheit fielen die Zinsen vereinzelt in den negativen Bereich. Dies war meistens von der Angst oder Verunsicherung der Investoren geprägt, die auf sicherere Anlagen umschichteten. Ein Beispiel hierfür waren die negativen Renditen von dreimonatigen US-Schatzanweisungen im Jahr 2008, die die extreme Risikoaversion widerspiegelten. Bestimmte Länder haben negative Zinsen immer wieder genutzt, um die Kapitalflüsse zu steuern. So beispielsweise die Schweiz in den 1970er Jahren. Die Federal Reserve Bank von St. Louis schrieb 2013 dazu: „...die Existenz negativer Renditen liefert jedoch keinerlei Rechtfertigung für das Argument, dass Zentralbanken negative Zinsen als geldpolitisches Instrument betrachten sollten.“ Zwei Jahre später verzeichneten die Staatsanleihen Japans, Dänemarks, Schwedens, der Schweiz und einiger Länder der Eurozone negative Renditen. Das Volumen der Staatsanleihen mit negativen Renditen entsprach Mitte Februar 2015 insgesamt rund 25 Prozent des BofA ML Euro Government-Index. Grund für die derzeitige Situation ist die außergewöhnliche Nachfrage der Zentralbanken. Hinzu kommt die strukturelle Nachfrage nach festverzinslichen Anlagen infolge der neuen Regulierung des Finanzsektors, das heißt Basel III und Solvency II, wobei die Nachfrage der Unternehmen und Privatanleger noch immer schwach ist.

Anleger investieren in Produkte mit negativen Renditen

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Wie sich bei den letzten Auktionen zeigte, erfreuten sich Anleihen mit negativen Renditen einer regen Nachfrage seitens der Anleger. Abgesehen von Investoren mit einer passiven Benchmark-orientierten Allokation finden Anleger, die weniger an Benchmark-Vorgaben gebunden sind, möglicherweise rationale Gründe für den Kauf von negativ rentierenden Bonds. Grundsätzlich muss zwischen der Nominal- und der Realrendite unterschieden werden. Für Investoren in Ländern mit hohem Deflationsrisiko sind negative Renditen immer so lange attraktiv, wie sie über der Inflationsrate liegen. Einfach ausgedrückt bedeutet dies, dass eine Rendite von minus ein Prozent nicht zwangsläufig unattraktiv ist, wenn die Inflationsrate bei minus zwei Prozent liegt. In diesem Falle ist die Realrendite positiv.

Wenn die Zentralbanken ihre Einlagenzinsen zu stark in den negativen Bereich senken, könnten sie damit einen Bank Run auslösen. In diesem Fall würden die Sparer lieber Bargeld statt Einlagen mit negativen Renditen halten. Für Zentralbanker ist ein Bank Run das Worst-Case-Szenario. Das limitiert die Möglichkeiten der Zentralbank. Vor einigen Jahren argumentierte Fischer Black, dass die kurzfristigen Nominalzinsen nie negativ sein können, da „die Leute ihr Geld lieber in ihre Matratze stecken würden, als Anlagen mit Negativrenditen zu halten“. Obwohl die Situation relativ neu ist, sind bereits einige Auswirkungen negativer Renditen auf die Asset-Allokation erkennbar:

Erstens gehen Anleger tendenziell höhere Risiken ein und schichten in Produkte wie Unternehmensanleihen oder Papiere der Peripherieländer der Eurozone um. Diese Rendite-Suche setzte im Sommer 2011 ein und dürfte auf kurze Sicht noch anhalten. Zweitens haben Investoren ihre geografische Allokation erweitert und sich anstatt in Ländern mit niedriger Rendite in höher rentierlichen positioniert. Ihr Länderrisiko ist dadurch jedoch nicht unbedingt gestiegen.

Mögliche Lösungen für die Asset-Allokation

Überhaupt nicht mehr in Anleihen zu investieren, ist jedoch sicher keine Lösung. In einigen Regionen wie der Eurozone sind fundamentale Deflationskräfte am Werk, durch die Rentenpapiere als Renditequelle Auftrieb erhalten können, wenn auch in beschränktem Umfang. Der Rentenmarkt wird aber noch durch andere technische Faktoren angetrieben. So wird beispielsweise das Nettoemissionsvolumen von Staatsanleihen in den kommenden Monaten gering sein, die Nachfrage aus strukturellen Gründen dagegen hoch bleiben, da die Zentralbanken quantitative Lockerungsmaßnahmen umsetzen und manche institutionelle Investoren gezwungen sind, ihre Aktienallokation aufgrund von Basel III oder Solvency II zurückzufahren.

Einige Investoren sehen den Ausweg in einer Renditejagd ohne Einschränkungen, insbesondere durch gesenkte Rating-Anforderungen. Da wir noch für geraume Zeit von niedrigen (oder sogar negativen) Renditen für Anleihen ausgehen und das Anleihenrisiko deutlich gestiegen ist, müssen Investoren dieses Problem strategischer angehen, indem sie sich nicht auf klassische Rentenmarktanlagen beschränken, sondern ihr Anlagespektrum erweitern. Investoren halten Staatsanleihen aus zwei Gründen in einem diversifizierten Portfolio: als Renditequelle einerseits und andererseits zur Absicherung ihrer Portfolios gegen Schocks, von denen in einer Rezession die anderen Assetklassen – vor allem Wachstumswerte wie Aktien – in Mitleidenschaft gezogen werden.

Rückkehr der Inflation als Risikoszenario

Die Renditen sind aufgrund des Deflationsdrucks, der sich wegen des Abbaus der Verschuldung und der Bevölkerungsalterung sowie der Konjunkturstützungsmaßnahmen der Zentralbanken aufgebaut hat, negativ. Vor diesem Hintergrund wäre die Rückkehr der Inflation das ungünstigste Szenario. Denn bei einer Inflation müssten Investoren mit ihren Anleihen-Allokationen erhebliche Verluste hinnehmen. Dennoch wäre dies aus globaler Sicht langfristig nicht unbedingt das schlimmste Szenario, weil eine steigende Inflation die Schuldenlast senken würde. Außerdem würde sich die Bond-Performance nach anfänglichen Anpassungen an ein höheres Zinsniveau aufgrund der attraktiveren Rendite und der damit verbundenen Carry erholen. Kurzfristig ist ein derartiges Risiko unserer Ansicht nach jedoch beschränkt. Es besteht eher darin, dass die Renditen noch längere Zeit auf relativ niedrigem Niveau liegen werden. Diese Konstellation ist für alle Investoren eine große Herausforderung. Im Einzelfall werden geeignete Lösungen hauptsächlich von ihren Renditezielen und ihrem Risikobudget bestimmt werden, sei es aus wirtschaftlichen Gründen oder aufgrund der regulatorischen Rahmenbedingungen. Zudem wird im Laufe der Zeit wahrscheinlich eine dynamische Anpassung notwendig sein.

Zu den Autoren
Jérôme Teiletche ist Head of Cross Asset Solutions und Mitglied des Exekutivausschusses von Unigestion.
Guilhem Savry ist Investment Manager im Cross Assets Solutions-Team von Unigestion.

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Quelle:
Banking & Innovation 2015