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29.02.2024 | Batterie | Fragen + Antworten | Online-Artikel

Das müssen Sie über Battery Swapping wissen

verfasst von: Christiane Köllner

9 Min. Lesedauer

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Der chinesische E-Autobauer Nio betreibt seine Stationen für den automatisierten Akkuwechsel nun auch in Europa. Tauschen statt laden lautet das Motto. Was steckt hinter dem Konzept? Alles Wissenswerte im Überblick. 

Das Laden von Elektrofahrzeugen ist oftmals lästig und langsam. Als Alternative zum Anschließen eines Ladekabels hat sich vor allem in China der automatisierte Akku-Tausch ("Battery Swapping") in Batteriewechselstationen etabliert. Das System findet auch in Deutschland mehr und mehr Verbreitung. Batteriewechselstationen gelten als eine vielversprechende Lösung für das Problem geringer Reichweiten und langer Ladezeiten von E-Autos. Dennoch sind noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Hier finden Sie die wichtigsten Informationen und Hintergründe zur Akkuwechseltechnik und zu Batteriewechselstationen. 

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Schnell wechseln statt langsam laden − Kehrt der Wechselakku zurück?

Obwohl Elektrofahrzeuge oft stundenlang laden müssen, galt die Idee der Tauschbatterie zuletzt als überholt, und ihr Marktanlauf scheiterte. Jetzt setzt China neue Impulse für das Wechselsystem. So haben Batteriewechselstationen für Akkus vor allem im Land der Mitte Konjunktur. In diesen Stationen geht der Batterietausch so schnell wie das Tanken mit einem Verbrenner-Fahrzeug. Das könnte in Europa Schule machen - doch es gibt auch Hürden zu überwinden.

Was ist Battery Swapping?

Das Prinzip des Battery Swappings ist einfach: Die gesamte Batterieeinheit des Fahrzeugs wird entkoppelt, von diesem entfernt und durch eine vollgeladene Batterieeinheit ersetzt. Das Laden des Akkus findet außerhalb des Fahrzeugs unabhängig vom Fahrbetrieb statt. "Der vollgeladene Akku wird bei Bedarf mit dem leergefahrenen Fahrzeugakku getauscht, das Fahrzeug ist wieder fahrbereit", fasst es Anton Karle im Buchkapitel Laden und Ladeinfrastruktur zusammen. Dieser Akkuwechsel lasse sich theoretisch in ähnlich kurzer Zeit durchführen wie das Tanken eines Benzinfahrzeugs, so Karle. 

Welche Arten von Batteriewechseltechniken gibt es?

Es gibt verschiedene Techniken zum Austausch von Akkus. Die Springer-Autoren um Md Tahmid Hussain unterscheiden im Buchkapitel A Comprehensive Review on Electric Vehicle Battery Swapping Stations vier Methoden des Batteriewechsels anhand der Position der Batterie im Fahrzeug und der Position, an der der Roboterarm angebracht ist:

Seitliches Austauschen der Batterie: Die leere Batterie wird beim Akkuwechsel horizontal unter dem Fahrzeug hervorgezogen und durch eine voll geladene ersetzt. Da die Batterie von der Seite gewechselt werden kann, wird nicht der Platz und die Infrastruktur benötigt, die für eine vertikale Batteriewechselstation erforderlich sind, deren Installation teurer sein kann. Diese Technik wird häufig bei Lieferwagen eingesetzt.

Batteriewechsel von unten: Diese Technik wird bei Fahrzeugen mit unten montierten Batterien angewendet. Das Fahrzeug wird von der Wechselstation auf eine erhöhte Plattform gestellt, und die Batterien werden von unten mithilfe eines Automatisierungsarms und anderer Peripheriegeräte gewechselt, die sich oft unter der Erde befinden.

Batteriewechsel über den Rücksitz: Für diese Methode müssen die Rücksitze des Fahrzeugs ausgebaut und die Stelle, an der sich die Sitze befanden, mit einem Batteriepaket gefüllt werden. Tesla hatte diese Methode vorgeschlagen, aber das Unternehmen entschied sich schließlich dagegen. Diese Technik des Batteriewechsels eignet sich für Fahrzeuge, bei denen die Batterien im hinteren Teil des Fahrzeugs untergebracht sind, was bei Autos mit großem Kofferraum häufig der Fall ist.

Vertikales Batteriewechseln: Die häufigste Art des Batteriewechsels. Dabei wird die gesamte Batterie aus dem Fahrzeug gehoben und durch eine voll geladene Batterie ersetzt. Diese Methode erfordert eine spezielle Ausrüstung und eine spezielle Wechselstation mit hydraulischen Hebevorrichtungen, um den schweren Batteriesatz zu entfernen und zu ersetzen. Der vertikale Batteriewechsel ist jedoch mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Die Installation der Ladestationen erfordert beträchtliche Investitionen in die Infrastruktur, und auch die Standardisierung der Batteriegrößen und -schnittstellen für die verschiedenen Elektroautomodelle ist notwendig. Außerdem kann es eine Weile dauern, bis der Vorgang abgeschlossen ist – unter Umständen länger, als zum Aufladen einer Batterie an einer Schnellladestation benötigt wird.

Welche Vorteile hat der Akku-Tausch?

Mit Batteriewechselstationen soll Probleme vermieden werden, die einige Verbraucher noch vom Umstieg auf Elektrofahrzeuge abhalten: die Reichweitenangst, lange Ladezeiten und der Mangel an öffentlichen Ladestationen für E-Fahrzeuge. Zwar sei die Einrichtung einer Batteriewechselstation kostspielig, könne aber mit der Zeit günstiger sein als herkömmliche Lademethoden, so die Springer-Autoren um Md Tahmid Hussain. Das liege daran, dass die Batterien bei regelmäßigem Batteriewechsel effizienter und über einen längeren Zeitraum genutzt werden könnten. Zudem könne der Batteriewechsel die Lebensdauer der Batterien verlängern, so Hussain et al., wodurch der Gesamtbedarf an neuen Batterien sinke. Nachteilige Auswirkungen der Herstellung und Entsorgung von Batterien auf die Umwelt könnten auf diese Weise gemildert werden.

Welche Unternehmen setzen auf die Batteriewechseltechnik?

Erste Anläufe für Wechselstationen erfolgten mit dem israelischen Start-up Better Place, Renault und Tesla. Aktuell ist der chinesische Autohersteller Nio einer der wenigen Hersteller von Elektrofahrzeugen, die auf den Batterietausch als eine Option für Elektrofahrzeuge setzen. Nio hat ein Battery-as-a-Service-Angebot für Kunden in China ins Leben gerufen und strebt mit seinen Fahrzeugen mit Akkuwechseltechnik auch nach Europa. Weltweit sind bereits rund 2.400 Stationen in Betrieb, davon fast 40 in der EU, elf sind es in Deutschland. Das Unternehmen erweitert auch immer wieder das Partnernetzwerk für sein Batterietauschsystem. Neu an Bord sind nach Geely und Changang, mit denen neue Standards entwickelt werden sollen, nun auch JAC und Chery. Nio testet auch das bidirektionale Laden an seinen Power Swap Stations.

Der chinesische Autokonzern Geely plant, 5.000 Batteriewechselstationen für Elektroautos bis zum Jahr 2025 in China zu errichten. Dabei hat der Hersteller jedoch insbesondere Wechselstationen für schwere Nutzfahrzeuge im Blick. Der multinationale Automobilkonzern Stellantis plant indes die Integration der modularen Batteriewechsel-Lösung von Ample in seine Elektrofahrzeuge. Mit Ample will auch der kalifornische Elektroautobauer Fisker ein Wechselakkusystem für das Elektro-SUV Fisker Ocean auf die Beine stellen. Und auch der chinesische Batteriehersteller CATL engagiert sich in puncto Wechselakku: Das CATL-Tochterunternehmen CAES (Contemporary Amperex Energy Service Technology) hat 2022 eine Batteriewechsel-Lösung namens Evogo präsentiert.

Für welche Nutzergruppen ist der Akkuwechsel interessant?

Wie die Springer-Autoren um Md Tahmid Hussain ausführen, könnte das System "dort Anwendung finden, wo viele gleichartige Fahrzeuge eines Besitzers im Umlauf sind, beispielsweise bei Fahrzeugflotten". So könnten zum Beispiel vor dem Hintergrund der Energie- und Verkehrswende Wechselakkus für die Taxibranche eine wirtschaftlich attraktive Option sein, um lange Standzeiten der Fahrzeuge durch Ladepausen zu vermeiden. Das chinesisch-deutsche Joint Venture InfraMobility-Dianba arbeitet hieran, wie Dieter Flämig und Alexander Yu Li erläutern im Interview "In China stellen 80 % der Autohersteller auf Batteriewechsel um" darlegen. InfraMobility-Dianba kooperiert auch mit dem französischen Energieunternehmen TotalEnergies.

Vor allem für Nutzfahrzeuge ergeben sich Potenziale für ein Wechselakkukonzept. "Zum einen spielt bei Nutzfahrzeugen häufig die Betriebsauslastung eine besondere Rolle. [...] Zum anderen erlaubt der konstruktive Aufbau von Lkw gerade das Einbringen von Wechselbatterien: Hier ist die Zugänglichkeit zu den Batterien gegeben, und das Fahrgestell ermöglicht die Konstruktion eines stabilen Rahmens für die Batterie", so Dr.-Ing. Michael Lindemann, Professor für Kraftfahrzeugmechatronik an der HTW Berlin, im Artikel Schnell wechseln statt langsam laden − Kehrt der Wechselakku zurück?. Auch ließen sich einheitliche Batteriemodule definieren, die nicht markenspezifisch ausgelegt werden müssten, so Lindemann. Der Wissenschaftler beschäftigt sich in einem vom BMWi geförderten Gemeinschaftsprojekt mit der Entwicklung eines schnellwechselfähigen Batteriesystems für Kleintransporter. Weiteres Beispiel: Im November 2023 ist im Rahmen des Projekts eHaul ist eine Batteriewechselstation für schwere E-Nutzfahrzeuge im brandenburgischen Lübbenau eröffnet worden. Dort können E-Lkw ihre leeren 440-kWh-Batterien in rund 10 min gegen volle austauschen. Mitsubishi Fuso und Ample erproben den Wechsel-Akku für E-Lkw in Japan.

Die Wechselinfrastruktur-Lösung eignet sich auch für Kleinfahrzeuge. Das 2021 gegründete, internationale Swappable Batteries Motorcycle Consortium (SBMC) will eine Einheitsbatterie und globale Standards für Elektromotorräder und leichte Elektrofahrzeuge entwickeln.

Wem gehören die Wechsel-Batterien?

Die Wechsel-Konzepte funktionieren grundsätzlich nur mit Mietbatterien. Die einzelnen Energiespeicher können innerhalb einer ganzen Flotte getauscht werden, sind also nicht starr einem Fahrzeug zugewiesen.

Wie viele Wechselakkus werden zum Betrieb einer Station benötigt? 

Mit Blick auf das Wechselsystem von Nio ergeben sich folgende Zahlen: Jede Power Swap Station (PSS) ist für bis zu 312 Batterietauschvorgänge ("Swaps") pro Tag ausgelegt bei einer maximalen Wechselzeit von 5 Minuten.

Nach Angaben von InfraMobility-Dianba wird für 1.000 Wechsel pro Tag (bei einer Abfertigungszeit von 1 bis 1,5 min bei Aulton/InfraDianba-Stationen) ein Extraspeicher von 60 Wechselbatterien benötigt (also für 2.000 bis 3.000 Kunden pro Station). Diese seien einmalig bei der Installation der Station als Initial-Speichereinheit bereitzustellen.

Was kostet der Wechsel?

Konkrete Preise gibt es bisher nur von Nio. Nio-Kunden, die die Batterie ihres Fahrzeugs im "Battery-as-a-Service-Modell" (BaaS) mieten, erhalten Zugang zu den Power Swap Stations (PSS). Bis Ende März können die Kunden die Batterie gebührenfrei wechseln und kostenlos Strom an den PSS erhalten. Ab April 2024 erhalten die Kunden zwei kostenlose Swaps pro Monat im BaaS-Modell, der erhaltene Strom kommt noch on top dazu. Das bedeutet, dass User nur die Energiedifferenz zwischen der neuen und zurückgegebenen Batterie bezahlen. Ab dem dritten Swap fällt eine sogenannte Swapping-Gebühr von 10 Euro an. Das neue Preismodell umfasst somit zwei Komponenten: Die Swapping-Service-Gebühr sowie die Energie. Durch die Kooperation mit RWE sollen Nio-Kunden einen Preis zahlen, der mit rund 0,39 Euro pro kWh vergleichbar sei. 

Da die Batteriemiete Voraussetzung für die Teilnahme am Battery Swap von Nio ist, wird das Wechseln kostspielig. Beim Nio EL6 kostet die 75-kWh-Batterie 169 Euro pro Monat. Die 100-kWh-Batterie wird für 289 Euro pro Monat angeboten.

Welche Herausforderungen gibt es?

Um als flächendeckende Lösung in Betracht zu kommen, müssen Batteriewechselstationen noch verschiedene Herausforderungen bewältigen. Zum einen müssten sie idealerweise automarken- und batteriemarkenneutral sein. Dazu gehören die Standardisierung der Akkus und deren Befestigung. "Auch wäre ein Wechsel für den Kunden risikobehaftet, könnte er doch für einen guten Akku einen Wechselakku mit deutlich schlechterem Zustand eintauschen", so Springer-Autor Anton Karle. Garantie- und Haftungsfragen müssen also geklärt werden. Zudem seien die Plattformen nicht für Akkuwechsel ausgelegt, Cell-to-Chassis-Lösungen sind mit dem Wechselakku-Konzept nicht vereinbar, wie Professor Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Center Automotive Research in Duisburg, im Artikel Batteriewechselstationen für Elektroautos – China setzt einen neuen Standard ausführt. Auch behinderten der Trend zum Schnelladen und die immer kürzer werdende Ladezeiten von E-Autos die Durchsetzung des Akkuwechsel-Konzepts, so Dudenhöffer.

Dazu kommen die hohen Kosten und der hohe Kapitalbedarf für die Installation der Anlage. Auch ist die Entscheidung über den optimalen Standort einer Batteriewechselstationen und deren Kapazität nicht trivial. Es könne problematisch sein, einen Vorrat an geladenen Batterien bereitzuhalten, ohne zu wissen, wann die Fahrer sie abholen werden, so die Springer-Autoren um Md Tahmid Hussain. Daher seien geeignete Batteriemanagementsysteme und Planungstools sowie der Einsatz von prädiktiven Analysen zur Verwaltung des Batteriebestands notwendig.

Auch die Interoperabilität ist eine Herausforderung: Die Batteriewechselstation ist auf eine ständige Kommunikation zwischen dem Fahrzeug, Batterielager, Stromnetz, ggf. einer Photovoltaikanlage sowie dem Energiemanagement- und Decision-Support-System angewiesen, um ordnungsgemäß zu funktionieren. Die Zugänglichkeit von Batterien und Ladegeräten, die cloudbasierte Datenspeicherung und -verwaltung sowie die Interaktion zwischen den Komponenten zur Gewährleistung der Interoperabilität müssen umfassend geplant werden.

Wie soll sich der Markt entwickeln?

Laut einem Bericht von MarketsandMarkets soll der Markt für Batterietausch von 1,7 Mrd. US-Dollar im Jahr 2022 auf 11,8 Mrd. US-Dollar im Jahr 2027 wachsen, mit einer jährlichen Wachstumsrate von 46,9 % während des Prognosezeitraums. Eine steigende Nachfrage nach effizienten, reichweitenstarken und emissionsarmen Fahrzeugen würde den Markt für Batteriewechsel ankurbeln, heißt es von den Analysten. Staatliche Maßnahmen in Ländern wie Indien zur Förderung des Batteriewechsels würden den Markt in Zukunft antreiben.

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