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2024 | Buch

Bioökonomie und Zirkulärwirtschaft im Bauwesen

Eine Einführung

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Über dieses Buch

Das Bauwesen sucht neue Wege. Ein intelligenterer Umgang mit Materialien wie Ziegeln, Stahl, Beton oder Holz ist notwendig. Techniken und Konzepte dafür gibt es. Aber die Umsetzung bleibt träge. Die Gründe dafür sind nicht allein technischer und ökonomischer Art. Auch die sozial- und kulturwissenschaftliche Perspektive auf Akteure, Institutionen und ökologische Krisenwahrnehmungen ist aufschlussreich.Wie lässt sich ein auf Ressourcenbewahrung und Klimaschutz ausgerichteter Bau verwirklichen? Welche Beiträge leisten Zertifizierungen, Ökobilanzierung und die Kommunikation? Was ist von innovativen Zementen oder Recycling-Baustoffen zu erwarten? Und von Nachwachsenden Rohstoffen wie Holz oder Stroh? Welche Beiträge können der politische Ordnungsrahmen und die Werte nachhaltiger Architektur - Ästhetik, Charakter, Geschichtlichkeit - leisten? Wie sind Ziel- und Interessenkonflikte zu beschreiben?

Der Ansatz der Bioökonomie verbindet die Idee zirkulärer Stoffströme mit ökonomischem Realitätssinn. Dieses Buch gibt einen Überblick, der von historischen Vorbildern bis zu biotechnologischen Innovationen reicht. Es führt erstmals Ansätze der Bioökonomie und Zirkulärwirtschaft mit der Nachhaltigkeitsausrichtung des Bauwesens zusammen und ordnet sie in handlungsrelevante Kontexte ein.

Mit mehreren Exkursionen, und Experteninterviews mit Armin Grunwald und vielen anderen. Sowie einem Vorwort von Michael Braungart: „Unsere Nachhaltigkeits-Expertokratie hilft, das Verkehrte zu optimieren. Zugleich gibt es aber auch gute Entwicklungen.“

Das Buch richtet sich an Leserinnen und Leser aus den Bereichen Bauingenieurwesen, Baupraxis, Architektur, Immobilien, Bioökonomie, sowie an Studierende, interessierte Laien und an Akteure der Politik und Politikberatung.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Anliegen und Bedeutungen des bioökonomischen Blickes: Eine Einführung und Einstimmung
Zusammenfassung
Was bedeutet es, aus der Perspektive der zirkulären Bioökonomie auf Industriesektoren zu blicken – etwa auf das Bauwesen? Die Rede von der Bioökonomie hat verschiedene Ebenen. Einerseits zielt dieser Begriff auf eine ressourcenschonende Wirtschaft ab, auf den Ersatz fossiler durch nachwachsende oder rezyklierte Rohstoffe sowie eine Lebenszyklusbetrachtung der Emissionen und Energiebedarfe. Andererseits kann die Metaphorik der Bioökonomie auch auf die Ebene des kulturellen Unbehagens an einer Ökonomie verweisen, der es an „bios“ mangele (was auch immer das bedeuten mag, erzählt der Einzelfall). Die erste Ebene ist an Fragen der planetaren Tragfähigkeit oder der Klimafolgen des Wirtschaftens orientiert. Die zweite Ebene blickt auch auf die gegenwärtigen Bedingungen der ökonomischen Teilhabe vieler Akteursgruppen im weiten Sinn. Dieses Kapitel nähert sich einführend beiden Ebenen. Dabei bezieht es das Konzept der zirkulären Bioökonomie einerseits auf die Nachhaltigkeitsdefizite insbesondere im Bauwesen. Andrerseits eröffnet es über Hinweise auf historische und gegenwärtige Semantiken der Rede von Bioökonomie auch Deutungsräume, diese als Artikulation der Orientierung auf eine lebensdienliche Wirtschaft zu verstehen. Gerade in der Originalität, Offenheit und Mehrdeutigkeit dieser Metapher wäre der „Mehrwert“ des bioökonomischen Ansatz gegenüber dem politisch, ökonomisch und juristisch bereits stark formalisierten und institutionalisierten Ansatz der Nachhaltigkeit zu sehen. Darin liegt sowohl eine Gefahr der Verflachung zum Buzzword, als auch eine produktive Anschlussfähigkeit für viele Akteursgruppen der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Jan Grossarth
Kapitel 2. Der ressourcenschonende Bau als technische, ökonomische und kulturelle Herausforderung
Zusammenfassung
Ressourcenschonung ist im Bauwesen aus vielen Gründen anstrebenswert. Dieser Beitrag befasst sich mit der Vielschichtigkeit der Transformation. Es benennt zunächst die gravierenden Umwelt- und Klimafolgen des globalen Bauwesens. Dann fasst es Gründe dafür zusammen anzunehmen, dass sich mehr Nachhaltigkeit in einer pluralen, demokratischen Gesellschaft nicht einfachh „herbeiregulieren“ lässt. Die Gründe liegen nicht nur im ökonomischen Handlungsrahmen der Akteure, sondern auch etwa in der sozial differenzierten Struktur der Gesellschaft, in Machtaspekten innerhalb von Organisationen − oder auch in der partiellen Reaktanz auf Nachhaltigkeits-Appelle in Teilen der Bevölkerung. Somit stehen klimawissenschaftliche Appelle für eine schnelle, dringliche Transformation einerseits gewissen Trägheiten der Verwirklichung gegenüber. Gerade deshalb ist der Blick auf kommunikative Innovationen in diesem Zusammenhang einschlägig. Ein kulturelles Verständnis des Bauens und Wohnens ist dabei hilfreich. Als Ansätze wären die Konzepte der Atmosphären, des Charakters, der Geschichtlichkeit oder der ästhetischen Wirkung von Bauwerken zu berücksichtigen. Aber wie lassen sich diese im Planungsprozess adressieren? Moderierte Stakeholderdialoge und andere Partizipationsformen sind Möglichkeiten. Der weite Überblick in diesem Beitrag soll – im Lichte der Würdigung der Beiträge technischer Innovation – zum einen ein problemadäquates Verständnis von Kommunikation in einer technisch geprägten Fachwelt vermitteln. Zum anderen sollte er Fachleuten dabei helfen, die Erwartungen bezüglich der Transformationsgeschwindigkeit angemessen einschätzen zu können. Als Motivation zum nachhaltigen Handeln brauchen Menschen mehr als die vernünftige Einsicht in die Notwendigkeit.
Jan Grossarth
Kapitel 3. Stoffstromoptimierung oder Kulturwandel? Perspektiven, Traditionen und Spannungsfelder der Bioökonomie
Zusammenfassung
Dieses Kapitel führt die große Bandbreite an Ansätzen zusammen, die unter die Lehnwissenschaft der Bioökonomie fallen. Der eine ist der agrar-forstliche Ansatz des Ressourcenersatzes, der andere ein weiter gefasster polit-ökonomischer Transformationsansatz. Beide sind in Deutschland, der EU und vielen Ländern der Welt institutionell etabliert. Aber die Rede von der Bioökonomie ist nicht nur dafür nützlich, um den Blick wirtschaftlicher und politischer Akteure auf Stoffströme zu lenken. Auch die assoziativen Qualitäten der Metapher sind beachtenswert. Das bios als Leben verweist auf Redeweisen von einer Bioökonomie, die als ein Gegen- oder Korrekturbild einer einseitig technologisch getriebenen Gesellschaft und Wissenschaft zu verstehen wären. So weist dieser Beitrag die two cultures der Bioökonomie historisch nach. In beiden spielt die Innovation eine zentrale Rolle, sei es als technische, oder als sozial-kulturelle Neuerung.
Jan Grossarth
Kapitel 4. Nachwachsende Rohstoffe für das Bauwesen
Zusammenfassung
Die Verwendung nachwachsender Rohstoffe verbessert im Vergleich mit derjenigen konventioneller Baustoffe in vielen Fällen die Treibhausgasbilanzen von Bauwerken über den Lebenszyklus. Das lässt sich sagen, auch wenn es etwa zahleiche definitorische Unschärfen bezüglich der konkurrierenden Konzepte von Klimaneutralität gibt. Durch die Berechnung von Lebenszyklusanalysen (Ökobilanzen) lässt sich der relative Vorteil der nachwachsenden Baurohstoffe belegen. Mit Blick auf die Ressourcenverfügbarkeit und organische Stoffströme bietet sich der zunehmende baustoffliche Gebrauch von Stroh verschiedener Getreide an. Agrarökologische Argumente sprechen für die Feldfrüchte Miscanthus, Hanf und Pappel. Auch Bambus, Flachs, Baumwolle, Kokos, Ananas, Schilf, Rohrkolben, Hopfen, Jute, Brennessel, Zuckerrohr oder Holz vom Kiri-Baum werden für das Bauwesen als Massenbaustoffe für relevant erachtet. Biotechnologisch progressive Anwendungsbeispiele der Lignozellulose-Bioökonomie werden das Bauwesen erreichen. Neben Vollholz spielen Brettschicht- und Brettsperrhölzer eine zunehmend große Rolle. Sie erweitern die Rohstoffbasis auf bislang baulich kaum genutzte Laubhölzer. Strukturelle Veränderungen des Holzes auf Mikro- oder Nanoebene kommen hinzu. Dieses Kapitel gibt einen einführenden Überblick.
Jan Grossarth
Kapitel 5. Innovationen der Bau-Bioökonomie an Beispielen: Myzel-Komposite, 3-D-Druck und Bioharze
Zusammenfassung
In diesem Kapitel  geht es um drei konkrete Beispiele für biotechnologische Innovationen, denen besonders große Praxisrelevanz für die Bauwirtschaft zukommen dürfte. Letztlich kreisen sie alle um die Idee, Holz und agrarische Rohstoffe in sehr kleine Bestandteile zu zerlegen (sei es in Nanopartikelgrößen oder darunter), sie thermisch, mechanisch oder chemisch zu verändern und so neue Baustoffeigenschaften zu kreieren. Schließlich wird der Blick von technologischen auf sozioökönomische Value-Chain-Innovationen geweitet. Ihre Etablierung kann die Praxisdurchdringung nachhaltiger Innovationen ermöglichen.
Jan Grossarth
Kapitel 6. Nachhaltigkeit als Rahmen der Bioökonomie
Zusammenfassung
Nachhaltigkeit ist seit Jahrzehnten ein Leitbegriff der Umwelt- und Industriepolitik, häufig aber auch nur ein Schlagwort. Durch die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) auch etwa auf der Ebene des Emissionsrechtehandels oder des „grünen“ Finanzmarktrahmens der EU ist ein vertieftes Wissen darüber spätestens ab den 2020er-Jahren für Fach- und Führungskräfte aller Sektoren unverzichtbar. Dieses Kapitel erläutert die Begriffsgeschichte, Konzepte und Definitionen von Nachhaltigkeit. Es stellt Nachhaltigkeit als Diskursfeld von Zielkonflikten vor. Dabei greift es auf Beispiele aus dem Anwendungsfeld des Holzbaus zurück: Einerseits aus historischen Bioökonomie, und andererseits bezogen auf die gegenwärtigen Prognosen der Holzverfügbarkeit angesichts des Klimawandels. Das Kapitel nennt maßgebliche Institutionen, Zielgrößen der Nachhaltigkeits-Governance. Schließlich nennt es Kritikpunkte an politischen und unternehmerischen Behauptungen der Nachhaltigkeit wie auch an den „kulturell blinden“ rein quantitativen Ansätzen der Nachhaltigkeit.
Jan Grossarth
Kapitel 7. Nachhaltigkeit und Lebenszyklusbetrachtung im Bauwesen
Zusammenfassung
Nachhaltigkeit im Bauwesen kann – alle ihre drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales zusammengenommen – vorrangig bedeuten: Ressourcenschonung durch Materialeinsparungen und Langlebigkeit der Gebäude, Kreislaufführung von Baustoffen und Bauteilen, Energieeinsparungen durch Wärmedämmung, kleinere Wohnflächen pro Kopf, mehrgeschossiges Bauen in urbanen Lagen, günstiges Bauen und Wohnen über den Lebenszyklus, oder die Verwendung nachwachsender Rohstoffe wie zertifizierten Holzes. Auch eine Verkürzung der Lieferwege (Regionalisierung) und der nötigen Energieverbräuche in den Liefer- und Produktionsketten kann ein „Puzzleteil“ der Nachhaltigkeit sein. Und auch: die Baukultur. Für unterschiedliche Gebäudeklassen und unterschiedliche Ansätze bestehen je geeignete Zertifizierungsmöglichkeiten; fast alle basieren auch auf dem Ansatz der Ökobilanzierung. Sie ergänzen die daraus gewonnenen Informationen – zu gleichen Anteilen – mit zahlreichen Kennziffern zu ökonomischen und sozialen Aspekten des Baus. Viele der Nachhaltigkeitskennziffern orientieren sich an den international definierten Indikatoren der Sustainable Development Goals (SDGs). Der gesetzliche Rahmen trägt auf verschiedenen Wegen zu einer vermehrten Nachhaltigkeitszertifizierung im Bauwesen bei. Ein Beispiel ist die EU-Taxonomie mit ihren Berichts- und Veröffentlichungspflichten. Eine kritische Würdigung des Konzeptes des Ökobilanzierungsansatzes in Form einer Warnung vor einem Ökobilanzstrebertum des Managements der Bauwirtschaft schließt dieses Überblickskapitel ab, indem zuvor die Geschichte der Nachhaltigkeit im Bau, die wichtigsten Zertifizierungsmöglichkeiten, das Verhältnis von Bauwerks- zu betriebsbezogenen Energiebilanzen, einschlägige gesetzliche und normative Regelungen sowie die Methode der Lebenszyklusbetrachtung (Ökobilanz) der Umweltfolgen selbst überblicksartig vorgestellt werden.
Jan Grossarth
Kapitel 8. Zirkulärwirtschaft (Circular Economy) im Bauwesen – Status quo, Potenziale, Stellschrauben
Zusammenfassung
Die Entnahme und Verarbeitung mineralischer, metallischer und biogener Ressourcen tragen erheblich zu den globalen Treibhausgasemissionen bei. Die Summe global entnommener Rohstoffe dürfte sich angesichts der fortschreitenden Urbanisierung und globaler Wohstandszuwächse bis Mitte des Jahrhunderts noch einmal nahezu verdoppeln. Ressourcenschonung auf allen Ebenen der Wirtschaft ist notwendig. Die Bauwirtschaft steht zentral im Fokus, da sie in Deutschland sowie weltweit die größten Abfallmengen verursacht. Eine Kreislaufführung schont Ressourcen. Eine Fülle von Maßnahmen kann zu einem sorgsameren Umgang mit den Rohstoffen führen. Sie reichen von Zertifizierungen für das Urban Mining über die Etablierung digitaler Baustoffbörsen bis zu strengeren abfallrechtlichen Vorgaben, die etwa Rücknahmepflichten für Baustoffe festschreiben oder verpflichtende Gebäudematerialpässe. Zu beachten sind in diesem Zusammenhang auch auf die Zirkulärwirtschaft hin angepasste wie auch neue Normierungen bis hin zu veränderten Bau-, Planungsprozessen und einem zirkulären Produktdesign. Das Konzept des Cradle to Cradle ergänzt den Anspruch dauerhafter Kreislaufführung technischer Bauteile um das Ideal einer konsequent auf „Kompostierbarkeit“ ausgerichteten Biosphäre – hierzu zählen etwa Baustoffe aus Holzfasern oder Stroh. Die Vorstellung einer „Welt ohne Abfall“ nach dem Vorbild der Natur trägt zur Orientierung am Ziel der Ressourcenschonung bei, ist aber letztlich ahistorisch und als starre Norm praxisuntauglich.  Sie ist für innovierende Unternehmen hoch attraktiv und wichtiger Teil der zirkulären Transformation. Ein weiterer sind Innovationen der Abfall- und Recyclingwirtschaft, die mit den Abfallströmen arbeiten müssen so, wie sie sind. Ein Beispiel ist die sensorische Trennung von Baustofffraktionen nach farblichen Kriterien aus dem Bauschutt. Sie erleichtert Trennung und Wiederverwertung. Dieser Artikel benennt zunächst Knappheitsprognosen für Baustoffe, Recyclingquoten im Bauwesen, gibt einen Überblick über materialsparende Baustoffe wie Leicht- und Gradientenbeton, Celitement oder Holzhybriddecken. Er arbeitet dann mit Blick auf die historischen Entstehungskontexte dieser Konzepte die Unterschiede von Kreislaufwirtschaft und Circular Economy heraus. Der Artikel gibt dann einen einführenden Überblick über die Rolle von Bauteilbörsen und Materialkatastern und Rücknahmepflichten von Baustoffen, benennt das Potenzial des Urban Minings und stellt das Planungstool Urban Mining Index vor. Es folgen Blicke auf exponierte Beispiele der Architektur und ein historischer Rückblick auf die schonende Rückbaupraxis der 1920er Jahre, die Vorbild für eine zirkuläre Bauwirtschaft sein kann.
Jan Grossarth
Kapitel 9. Was sollten wir unter zirkulärer Bioökonomie im Bauwesen verstehen und warum? Eine Annäherung durch 15 Interviews
Zusammenfassung
Dieses Kapitel fasst die Ergebnisse von Experteninterviews mit insgesamt 15 Hochschullehrern und Fachleuten aus dem Bauwesen und der Bioökonomie zusammen. Sie wurden im ersten Halbjahr 2022 durchgeführt. Gegenstand der leitfadengestützten Interviews waren Fragen zur zirkulären Bioökonomie im Bauwesen. Der überwiegende Teil von 15 Befragten – großteils Bauingenieure – in Experteninterviews sieht große Nachhaltigkeitsdefizite im Bauwesen. Gewachsene „konservative“ Strukturen der Bauwirtschaft oder eine „Einzementiertheit“ in Normenregelwerken werden mehrfach als Gründe genannt. Einem breiten Verständnis der Bioökonomie als Einsatz nachwachsender Rohstoffe unter den Befragten steht eine weitgehende Unkenntnis europäischer oder deutscher Baunachhaltigkeitspolitik gegenüber. Auch mit Lebenszyklusanalysen (Ökobilanz) hatten sich wenige der Befragten befasst. Was den Bereich der Potenziale biogener Rohstoffe für das Bauwesen angeht, war die Einschätzung wenig eindeutig. Sieht ein Teil der Fachleute größte Möglichkeiten, so überwiegt andererseits Skepsis bezüglich der baufachlichen Eignung – insbesondere für massenintensive Einsatzgebiete wie den Infrastruktur- und Kraftwerksbau und auch bezüglich der Frage hinreichender Ressourcenverfügbarkeit insgesamt. Der Begriff der Transformation löste bei mehreren Gesprächspartnern Irritation und Reaktanz aus.
Jan Grossarth
Kapitel 10. Nachhaltigkeit als große Illusion? Und was brächten akademische Visionen von Nachhaltigkeit wie die Bioökonomie dann der Praxis? Ein Gespräch mit Armin Grunwald
Zusammenfassung
Die Biotechnologien der Bioökonomie sind häufig Gegenstand wirtschafts- und technikethischer Begleitforschung. Aber die negativen Klimafolgen machen auch etablierte Industrien auf neue Weise zum ethischen Diskussionsgegenstand.  Durch das Anliegen der Nachhaltigkeit wurden Technikfolgen vermehrt zum öffentlichen Anliegen. In den Metiers der Technikethik und der politikberatenden Technikfolgenabschätzung ist Armin Grunwald ein international führender Wissenschaftler und Ratgeber. In diesem Gespräch geht es zunächst um die Jahrzehnte zurückreichende Geschichte der Technikfolgenabschätzung im Rahmen liberaler Demokratien. Dann geht es um den dramatischen Wandel der Medienöffentlichkeit und daraus folgende Probleme für einen rationalen Folgendiskurs. Schließlich sind auch das Verhältnis von Wissenschaft und Politik und die Zukunft der Nachhaltigkeitstransformation Themen des Gesprächs. Hat es jemals eine gesellschaftliche Technikfeindlichkeit gegeben? Was hat die große mediale Öffentlichkeit für das Anliegen der Nachhaltigkeit über Jahrzehnte der Sache gebracht? Was bewirken die großen Aktionspläne des Gesetzgebers für die Praxis? Ist eine ganz emissionsfreie Bauwirtschaft denkbar? Und welche Rolle spielt die Ethik als Begleitforschung?  Hierzu sagt Armin Grunwald im Gespräch: „Ethik hilft den Menschen, selbst zu denken und selbst zu entscheiden.“
Jan Grossarth
Kapitel 11. Feldbeobachtungen: Ausflüge in Bioökonomien
Zusammenfassung
Dieses Kapitel versammelt Reportagen und Analysen zu internationalen Aspekten der Bioökonomie. In den folgenden Reportagen und Analysen geht es um chinesischen Deutungen der ökologischen Transformation, dann um bioökonomische Innovationen in Israels und Jordaniens Landwirtschaft. Die nächste „Feldbeobachtung“ führt zum Agroforst in Brandenburg als Anpassung gegen die Dürren. Darauf folgen Begegnungen und Gespräche: Mit dem mittlerweile verstorbenen agrarkulturellen Unternehmer Karl-Ludwig Schweisfurth über das Schlachten, dem Landmaschinenunternehmer Michael Horsch über agrarökologische Innovationen in Brasilien. Das Kapitel endet mit einem Kurzreportage von einem Besuch bei einem sambischen Kleinbauern, der nicht mehr mit Lehm bauen will und auf ein Backsteinhaus spart.
Jan Grossarth
Kapitel 12. Bioökonomie und Zirkulärwirtschaft als technischer und kultureller Wandel im Bauwesen: Eine Zusammenfassung in zwölf Punkten
Zusammenfassung
Die zirkuläre Bioökonomie im Bauwesen bedeutet im Kern eine konsequente Ausrichtung der Planung und Realisierung auf die Stoffschicksale der verwendeten Materialien. Dies umfasst eine Primärressourcen schonende Rohstoffgewinnung, den möglichst langen Bauwerkserhalt und eine qualitativ hochwertige Weiterverwendung der Baustoffe und Bauteile. Ressourcenschonung ist das zentrale Anliegen. Nachwachsende Baustoffe und deren kaskadierende Nutzung spielen im Zuge der Klimafolgen-Ökobilanzierung und technisch begründeter zunehmender Einsatzmöglichkeiten eine wachsende Rolle. Biologische Kreisläufe können eine Inspiration für die schonende Ressourcenführung sein. Aber auch die Metaphorik der Bioökonomie ist diskursiv originell. „Bios“ als das Leben weitet den Blick etwa auf Qualitäten langlebiger Architektur und den Zusammenhang von Lebensqualität und Baukultur. „Oikos“ als der Haushalt „erdet“ anspruchsvolle Nachhaltigkeitskonzepte des Bauens auf den Boden des Umsetzbaren angesichts von finanziellen, energetischen und materiellen Knappheiten. Ausgehend von dieser ungewöhnlich weiten Definition werden zentrale Aspekte der zirkulären Bioökonomie im Bauwesen zusammenfassend benannt. Sie reichen von Institutionen über Stoffstrommanagement, technischen Entwicklungen, Stoffstromvernetzungen bis zu kommunikativen, forschungsparadigmatischen und kulturellen Aspekten. Am Ende steht das erschreckende Staunen über den Abriss eines lieb gewordenen Einfamilienhauses.
Jan Grossarth
Metadaten
Titel
Bioökonomie und Zirkulärwirtschaft im Bauwesen
verfasst von
Jan Grossarth
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-40198-6
Print ISBN
978-3-658-40197-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-40198-6