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2000 | Buch

Naturschutz in Bergbaufolgelandschaften

Landschaftsanalyse und Leitbildentwicklung

herausgegeben von: Prof. Dr. Gerhard Wiegleb, Dr. Udo Bröring, Dipl.-Biol. Jadranka Mrzljak, Dr. Friederike Schulz

Verlag: Physica-Verlag HD

Buchreihe : UmweltWissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Leitbildentwicklung, Projektverlauf, sozioökonomische Rahmenbedingungen

Frontmatter
1. Die Niederlausitzer Bergbaufolgelandschaft — Probleme und Chancen
Zusammenfassung
Die Ausgangsbedingungen für das LENAB-Verbundvorhaben werden dargestellt. Im Gegensatz zur Rekultivierung land- und forstwirtschaftlicher Nutzflächen gab es 1994 nur unklare Vorstellungen, welche Zielvorstellungen in den naturnahen Bereichen der Bergbaufolgelandschaft zu verfolgen sind und wie diese Ziele mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen kommunizieren. Die Durchsetzung naturschutzfachlicher Konzepte wurde durch historisch und technokratisch orientierte Denkweisen beeinträchtigt, die zu schwer korrigierbaren Fehlentscheidungen aus der Sicht des Naturschutzes führten. Die Verbindung zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem Sozialsystem wird mit Hilfe der Szenariomethode auf der Basis von Rahmen- und Objektszenarien deutlich gemacht. Dabei wird die starke Wertbeladenheit aller angesprochenen Aspekte deutlich, die sich einer kritisch-rationalistischen Herangehensweise wie im vorliegenden Projekt erprobt teilweise entzieht. Aus heutiger Sicht können die Interessen und Motive der Akteure besser beurteilt werden. Anwendungsforschung fuhrt für den Wissenschaftler zu einer Reihe von Dilemmata, die noch unzureichend aufgearbeitet sind.
Friederike Schulz, Gerhard Wiegleb
2. Leitbildentwicklung in der Bergbaufolgelandschaft als Beispiel für das Konzept der „guten naturschutzfachlichen Praxis“
Zusammenfassung
Der Ausgangspunkt des Forschungsverbundes LENAB in Bezug auf die Leitbildentwicklung und andere naturschutzfachliche Rahmenbedingungen wird dargestellt. Leitbilder für naturnahe Bereiche waren nicht vorhanden und Daten für deren sinnvolle Erstellung fehlten weitgehend. Einige Schwierigkeiten im Ablauf der Leitbildentwicklung werden andiskutiert. Während wissenschaftsintern die Diskursmethode erfolgreich angewandt wurde, stieß diese außerhalb des fachlichen Bereiches auf Unverständnis oder gar Ablehnung. Die methodischen Arbeitsschritte werden unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung spezifischer Leitbilder dargestellt. Das planungstheoretische Ideal „gute naturschutzfachliche Praxis“ wurde soweit wie möglich eingehalten, allerdings fehlt der konkrete Umsetzungsschritt. Die besonderen Hinderungsgründe für eine erfolgreiche Implementation moderner Denkweisen werden am Beispiel der divergenten Wertvorstellungen von Akteuren im Gebiet dargestellt. Die technologische und naturschutzfachliche Sichtweise prallen bei fast allen Schutzgütern hart aufeinander. Die Existenz der neuartigen Flächenkategorie „naturnahe Bereiche“ findet in der Diskussion nicht genügend Berücksichtigung. Auf der Basis der Naturschutzgrundmotive „Biodiversität“ und „Naturnähe“ konnten ortskonkrete Handlungsanweisungen für bestimmte Bereiche oder Flächentypen („Modellandschaften“) entwickelt und auf der Basis alternativer Leitbildmotive vergleichend bewertet werden. Neben der Erstbewertung und der Auswahl von Handlungsoptionen für kleinräumige Naturschutzvorrangflächen eignet sich die Leitbildmethode auch zur Erfolgskontrolle und zur großflächigen Gebietsauswahl für ein landesweites Schutzgebietssystem.
Gerhard Wiegleb
3. Sozioökonomische Beiträge zur Gestaltung der Bergbaufolgelandschaften in der Niederlausitz
Zusammenfassung
Die ausgewählten Untersuchungsgebiete und die benachbarten bergbaunahen Orte weisen trotz der gemeinsamen Prägung durch den Braunkohlentagebau im einzelnen sehr unterschiedliche Strukturen auf. In Abhängigkeit der Orte hinsichtlich Lage, sozioökonomischer Struktur und sozialkultureller Charakteristik sind auch im Verhältnis zu den Bergbaufolgelandschaften andere Verhaltensstile, Einstellungen und Erwartungen zu finden. Die Gestaltung der Bergbaufolgelandschaften soll durch ein entsprechend differenziertes Vorgehen auf diese sozialräumlichen Gegebenheiten Rücksicht nehmen, damit die natürlichen Potentiale von den Bewohnern genutzt aber auch geschont werden können. Vor diesem Hintergrund wurde im LENAB-Forschungsverbund versucht, mit Hilfe einer breiten sozialwissenschaftlichen Erhebung und der Kontrolle ihrer Ergebnisse vor Ort die Basis für eine raumdifferenzierende Sanierungspraxis auf den Bergbauflächen herzustellen. Gleichzeitig werden Grundlagen für eine Dorfentwicklung in der Umgebung der Tagebaugebiete geschaffen, die auf die landschaftlichen Eigenarten Rücksicht nimmt. Die gemeinsame Gestaltungsaufgabe aller Verbundteilprojekte an den Szenarien wurde auf der Grundlage des Prinzips der diskursiven Leitbildentwicklung begonnen. Sowohl auf der begrifflichen Ebene als auch auf der Ebene der praktischen Formulierung der Rahmenszenarien und Objektszenarien gelang es am Beispiel von ausgewählten Teilgebieten im Ansatz, die naturschutzfachliche Sicht in eine räumliche Gesamtsicht zu integrieren und integrierte Gestaltungskonzepte vorzuschlagen. Diese Vorgehensweise kann vor allem durch die Einbeziehung von Akteuren aus dem nicht-wissenschaftlichen Bereich verbessert werden. Ein generelles Ergebnis der Forschung ist, daß die Bergbaufolgelandschaften als Entwicklungspotential für die Region ernst genommen werden. Es kann nur genutzt werden, wenn die Bewohner der Region in die Gestaltung einbezogen werden.
Rainer Stierand
4. Lebenswelt und Dorfentwicklung am Rande des Sanierungsbergbaus
Zusammenfassung
Der Beitrag thematisiert Voraussetzungen, Chancen und praktische Anknüpfungspunkte der Bürgerbeteiligung für eine nachhaltige ökologische und sozioökonomische Entwicklung der Bergbaufolgelandschaften und der umliegenden Gemeinden. Ein methodologischer Überblick zeigt, wie in den vorgenommenen sozialwissenschaftlichen Erhebungen, Analysen und Interpretationen der engen Verknüpfung und dem wechselseitigen Spannungsverhältnis von Ökologie und Gesellschaft am Beispiel der Bergbaufolgelandschaft Rechnung getragen werden kann. Die Einbeziehung der Besonderheiten regionaler und lokaler Strukturen in Verbindung mit den Erfahrungen der beteiligten Menschen erlaubt es, die jeweils typischen Milieus der Lebenswelten in diesen Gemeinden zu erfassen, daraus die spezifischen Gestaltungs- und Veränderungspotentiale für die Orte und die angrenzenden Bergbaufolgeflächen abzuleiten und damit Wege einer aktiven Einbeziehung der Bürger aufzuzeigen. Es zeigt sich, daß die verschiedenen Ortsmilieus durch Traditionen und die Art der Erwerbswirtschaft geprägt sind und damit jeweils spezifische Strategien der Transformationsbewältigung entwickelt haben, wodurch sie unterschiedliche Potentiale in die zukünftige Entwicklung der Bergbaufolgelandschaften einbringen können. Gerade die Gemeinden, die immer wieder Zuwanderungen und Traditionsbrüche bewältigt haben, zeigen sich als innovative Milieus und damit wichtige Motoren für zukünftige Entwicklungsprozesse. Nicht zuletzt daraus ergeben sich Sinn und Notwendigkeit aber auch die Chance einer gemeindeübergreifenden Vernetzung dieser Potentiale in einem Kommunikationsprozeß zwischen Bürgern, Experten und Politik mit der Zielstellung der Entwicklung und Umsetzung eines problemorientierten Gesamtkonzeptes der nachhaltigen Entwicklung der Bergbaufolgelandschaften.
Wolfgang Serbser
5. Ergebnisse der Öffentlichkeitsarbeit eines naturschutzfachlichen Verbundprojektes in der Niederlausitzer Bergbaufolgelandschaft
Zusammenfassung
Im Rahmen eines interdisziplinären Verbundprojektes wurde die Öffentlichkeitsarbeit begleitend zur diskursiven Leitbildentwicklung durchgeführt. Sie hatte neben der Information der Öffentlichkeit über Ziele und Inhalte des Forschungsvorhabens auch eine Beteiligung der lokalen Akteure und Bevölkerung an der Leitbildfindung zum Inhalt. Dabei kamen als Methoden Faltblatt, Projektbroschüre, Journalistenarbeit, Wanderausstellung, rechnergestützte Befragungstechnik und die Organisation von Statusseminaren zur Anwendung. Als effiziente Methode, einen Imagewandel hin zu einer positiven Wahrnehmung von naturnahen Bergbaufolgelandschaften und Naturschutzkonzepten zu erzielen, erwies sich die Wanderausstellung in Kombination mit Podiumsdiskussion und direkter Ansprache der örtlichen Bevölkerung. Künftige naturschutzfachlich ausgerichtete Forschungsprojekte sollten Konzepte zum „Naturschutzmanagement“ mit den Methoden der Öffentlichkeitsarbeit und der Leitbildentwicklung kombinieren.
Henning Fromm, Henry Blumrich, Heiner Harder, Hans-Joachim Kahle

Großräumige Landschaftsanalyse

Frontmatter
6. Kartographische Analyse der retrospektiven Biotop- und Nutzungsstrukturen als Planungsgrundlage für Gestaltung und Entwicklung der Bergbaufolgelandschaft
Zusammenfassung
Für zwei Teilgebiete des Niederlausitzer Reviers (Schlaben-dorf-Seese und Kleinleipisch-Klettwitz) wurde historisches Karten- und Luftbildmaterial recherchiert und ausgewertet. Die Biotop- und Nutzungsstrukturen in vier Zeitscheiben von 1850 bis 1950 werden dokumentiert. Als Grundlage der Ansprache und Codierung diente die Kartierungsanleitung zur Biotopkartierung Brandenburg, die teilweise angepaßt bzw. erweitert wurde. Die voneinander abgrenzbaren Teilbereiche in der Vielfalt der Biotop- und Nutzungstypen werden als Kleinlandschaften (Mikrochoren) abgegrenzt. Die Parameter „Frequenz der Biotoptypen“ und „Deckungsgrad der Biotoptypen“ werden jeweils beispielhaft für die Teilgebiete und innerhalb dieser für je drei ausgewählte Mikrochoren dargestellt. Des weiteren wird die Entwicklung des Gewässer- und Wegenetzes analysiert. Im Teilgebiet Schlabendorf-Seese war über den Betrachtungszeitraum das Gefüge der Mikrochoren stabil geblieben. Im Teilgebiet Kleinleipisch-Klettwitz wurde das ursprüngliche Gefüge der Mikrochoren infolge der großflächigen Entwicklung des Braunkohlenbergbaus, seiner Folgeindustrie und der damit verbundenen Siedlungserweiterungen im direkten Eingriffsbereich weiträumig überlagert. Die Erhebungen dienen der Beurteilung von Stabilität und Dynamik vergangener Landschaftszustände sowie als Anregung für zukünftige Gestaltungsmaßnahmen.
Klaus Sehm, Bernd Wiedemann
7. Beiträge der Fernerkundung zur naturschutzfachlich ausgerichteten Landschaftsanalyse
Zusammenfassung
Es werden Anwendungen der Satelliten- und modernen luftgestützten Fernerkundung zur Erfassung von Landschaftsmerkmalen vorgestellt. Dazu gehören Klassifizierungen von Landbedeckungstypen in den Untersuchungsgebieten und die Ableitung des Vegetationsmerkmals NDVI. Vergleiche mit Flächeneinheiten der Landschaftsplanung und Biotoptypenkartierungen zeigen Vorteile und Grenzen der Fernerkundung auf.
Monika Pilarski, Karsten Schmidt

Terrestrische Ökologie

Frontmatter
8. Biotische und abiotische Eigenschaften von Böden naturnaher Offenlandbereiche der Niederlausitzer Bergbaufolgelandschaft
Zusammenfassung
Auf 11 Offenlandstandorten von vier ehemaligen Braunkohletagebauen wurden die Aktivität und die Biomasse von Mikroorganismen, die Verteilung von Lumbriciden und Collembolen, sowie bodenchemische und —physikalische Kennwerte als biotische und abiotische Eigenschaften der Böden untersucht. Diese weisen eine nur schwache initiale Bodenentwicklung auf. Aus den sandigen quartären und tertiären Kippsubstraten entstehen zunächst Lockersyro-seme, mit zunehmender Bodenbildung Regosole, wobei die Horizontierung noch undeutlich ausgebildet ist. Die höchsten mikrobiellen Umsatzleistungen werden unter Hochgrasbeständen und krautreichen Sandmagerrasen festgestellt. Auf Flächen mit sehr geringer und fehlender Vegetationsbedeckung erfolgt eine Wiederbesiedlung durch Mikroorganismen infolge der schnellen Austrocknung und der Nährstoffarmut der Sande nur langsam. Die häufigsten Collembolenarten (> 50 000 Individuen/m2) sind Mesaphorura macrochaeta und Proisotoma minuta auf zwischenbegrünten Standorten. Lumbriciden treten in Offenlandschaften der Kippenböden z. T. erst nach 50 Jahren mit den Arten Aporrectodea caliginosa und Dendrobaena octaedra auf. Hochgrasbestände mit Calamagrostis epigejos beschleunigen die Bodenentwicklung und Humusakkumulation aufgrund der intensiven Durchwurzelung.
Birgit Hahn, Henning Fromm
9. Dynamik der Vegetationsentwicklung in den terrestrischen Offenlandbereichen der Bergbaufolgelandschaft
Zusammenfassung
Silbergrasfluren, Sandtrockenrasen, bergbauspezifische Ansaaten und krautreiche Pionierfluren, Calamagrostis epigejos-Bestände sowie vegetationsarme Sandflächen und Rohkippen sind die dominierenden Vegetationseinheiten in den terrestrischen Offenlandbereichen. Diese Vegetationstypen sind keine Einheiten im pflanzensoziologischen Sinn und weisen sowohl räumlich als auch zeitlich breite floristische Übergangsbereiche auf. Der Sukzessionsverlauf auf diesen Flächen ist durch verschiedene Mechanismen gekennzeichnet, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten zur Ausprägung gelangen. Zu Beginn der Besiedlung ist in erster Linie die Verfügbarkeit von Diasporen ausschlaggebend In den sich etablierenden Initialbeständen dominieren Mechanismen wie Facilitation, Inhibition und Tolerance. In einer dritten Phase sind darüber hinaus Störungen als ein weiterer Faktor für den Sukzessionsverlauf ausschlaggebend. Diese große Bandbreite verschiedener Mechanismen erfordert es, sich einerseits von der Vorstellung eines linearen Sukzessionsverlaufs zugunsten sogenannter Sukzessionsnetze zu lösen. Andererseits ist ein naturschutzfachliches Konzept notwendig, welches den tatsächlich ablaufenden Prozessen Rechnung trägt. Am ehesten ist dazu das Patch-Dynamik-Konzept geeignet, welches es ermöglicht, die in vielen Richtungen offene Entwicklung einer kleinräumigen Heterogenität sowie die zeitliche Dynamik in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen.
Birgit Felinks
10. Experimentelle Untersuchungen zur Initialsetzung von Trockenrasen in der Niederlausitzer Bergbaufolgelandschaft
Zusammenfassung
Die experimentellen Untersuchungen zur Initialsetzung von Trockenrasen in der Niederlausitzer Bergbaufolgelandschaft werden beschrieben. Der Diasporeneintrag setzt sich im wesentlichen aus Arten zusammen, die bereits in der Fläche oder unmittelbar benachbart vorkommen. Der Diasporenvorrat der geschobenen und gekippten Flächen ist im Regelfall sehr gering. Die Keimungsraten sind von Art zu Art sehr unterschiedlich. Manche Arten keimen nicht oder nur selten, obwohl häufig vitale Samen gefunden werden. Eine erfolgreiche Initialsetzung konnte sowohl mit Hilfe von Rasensodenverpflanzung als auch mit verschiedenen Aussaaten erzielt werden. Die kleinräumige Vegetationsentwicklung in Versuchsflächen unterschiedlicher Behandlung konnte über mehrere Jahre dokumentiert werden. Hierbei erwiesen sich die Sodenverpflanzungen und die Aussaat von Trockenrasenmischungen als besonders erfolgversprechend.
Elke Bauriegel, Michael Krause, Gerhard Wiegleb
11. Potentiale der Renaturierung und Initialsetzung von Zwergstrauchheiden in der Niederlausitzer Bergbaufolgelandschaft
Zusammenfassung
Es wurden Möglichkeiten untersucht, Zwergstrauchheiden in der Niederlausitzer Bergbaufolgelandschaft mittels verschiedener Methoden wie Initialsetzung durch Pflanzung, Mähguteinbringung und Oberbodeneinbringung, zu renaturieren bzw. zu etablieren. Die effektivste Methode scheint die Verbringung von Zwergstrauchheideoberboden zu sein. Mit ihr läßt sich in kurzer Zeit ein breites Spektrum an Elementen von Zwergstrauchheiden etablieren.
Henry Blumrich
12. Die Bedeutung der Biotopstruktur für die Besiedlung der Bergbaufolgelandschaft durch Säugetiere
Zusammenfassung
Das Vorkommen verschiedener Kleinsäuger sowie des Feldhasen in der Bergbaufolgelandschaft wurde auf Flächen unterschiedlicher Biotopstruktur und unterschiedlichen Alters untersucht. Durch Lebenderfassung und Bestimmung von Bodenfallenbeifangen konnten insgesamt 11 Kleinsäugerarten nachgewiesen werden. Für einige Arten stellen die Offenlandbiotope in der Nie-derlausitzer Bergbaufolgelandschaft einen geeigneten Lebensraum dar. Die Bedeutung verschiedener Biotopstrukturen wird am Beispiel ausgewählter Säugetierarten erläutert und mögliche Zusammenhänge zwischen Biotopstrukturen und Verhaltensmustern speziell des Migrationsverhaltens der untersuchten Tiere aufgezeigt. Calamagrostis-Bestände dienen Kleinsäugern vermutlich als natürliche Verbundstrukturen von gewachsenem Land in die Kippenflächen und in weiträumige, neuentstandene noch zu besiedelnde Bereiche hinein. Für den Feldhasen sind die weiträumigen, trockenen Offenlandbiotope bedeutende Ersatzlebensräume, da die ursprünglichen Habitate durch die Veränderungen in der Landnutzung weitgehend verloren gegangen sind.
Detlef Rathke, Anders Niedenführ, Sigrid Robel
13. Muster der Artenzusammensetzung von Wirbellosen in Offenlandbereichen der Bergbaufolgelandschaft
Zusammenfassung
Standardisierte Erhebungen der Besiedlung von 22 Probeflächen des Offenlandes der Niederlausitzer Bergbaufolgelandschaft mit Wirbellosen erbrachten folgende Artenzahlen: 146 Laufkäfer- und Sandlaufkäfer (Carabidae, Cicindelidae), 197 Kurzflügelkäfer (Staphylinidae), 124 Wanzen (Heteroptera), 25 Heuschrecken (Saltatoria), 3 Ohrwürmer (Dermaptera), 3 Schaben (Blattodea) und 223 Spinnen (Araneae). Es wurden die Artenidentität aller Probeflächen nach Sörensen und Renkonen errechnet und eine Detrended Correspondence Analysis (DCA) Ordination durchgeführt. Alle drei Berechnungen zeigen übereinstimmend zwei wesentliche Einflüsse auf die Artenzusammensetzung der Flächen. Das sind zum einen die räumliche Autokorrelation von Probeflächen, die einem Tagebau zugehören und zum anderen die Vegetationsstruktur. Das Ähnlichkeitsmuster der Probeflächen ist das Ergebnis von zwei sich überlagernden Mustern, da beide Effekte räumlich betrachtet nicht gleichsinnig wirken. Das Alter der Probeflächen zeigt keinen erkennbaren Einfluß auf die Artenzusammensetzung. Für die Besiedlung und Sukzession der Flächen mit Wirbellosen muß geschlossen werden, daß die erstbesiedelnden Arten alle nachfolgenden Stadien prägen. Als wesentlicher Umweltparameter hat die Vegetationsstruktur bestimmenden Einfluß auf die Artenzusammensetzung der Wirbellosen von Offenlandflächen der Bergbaufolgelandschaft.
Jadranka Mrzljak, Udo Bröring, Jürgen Borries, Karl-Heinz Geipel, André Grondke, Werner Hoffmann, Britta Ohm, Joachim Rusch, Gerhard Wiegleb

Datenhaltung und Generalisierung

Frontmatter
14. Integration biologisch-ökologischer Daten „vom Punkt in die Fläche“
Zusammenfassung
Aus theoretischen Überlegungen zum „Generalisierungsproblem“ und dem beispielhaften Vergleich verschiedener gebräuchlicher Generalisierungsansätze werden Schlußfolgerungen für die Praxis abgeleitet. Das Problem der räumlichen Generalisierung („vom Punkt zur Fläche“) ist in der wissenschaftstheoretischen Literatur noch wenig bearbeitet. Es tritt jedoch in der praktischen Arbeit in vielfältiger Form auf. Deshalb haben Ökologen unter den Stichworten „Skalentheorie“ und „Theorie der Beobachtungsebenen“ eigenständige und teilweise auch erfolgreiche Ansätze entwickelt. Anhand von Modellüberlegungen zur Komplexität und Heterogenität des Untersuchungsobjektes können Ökologen sehr gute Angaben darüber machen, wann welche Form der Generalisierung erlaubt bzw. erfolgversprechend ist. Mit diesem Erfahrungswissen ausgestattet, werden Methoden zur Auswahl von Naturschutzvorrangflächen in der Bergbaufolgelandschaft vergleichend diskutiert. Keines der analysierten Verfahren kommt ohne Generalisierungsschritte aus. Teilweise müssen, wie auch theoretisch vermutet, sogar zwei Generalisierungsschritte durchgeführt werden. Je weniger unvollständig die Information ist, desto weniger ist man auf Generalisierung angewiesen. Ein völliger Verzicht auf Generalisierung ist auch bei vollständiger Information nicht möglich. Eine Bevorzugung von Informationsgewinn über Datenerhebung oder über Generalisierung läßt sich nur in Abhängigkeit von der Fragestellung und den zur Verfügung stehenden Ressourcen beantworten.
Gerhard Wiegleb, Jörn Vorwald
15. Generalisierung vegetationskundlicher und zoologischer Daten „vom Punkt in die Fläche“ — empirische Aspekte
Zusammenfassung
An Beispielen von Datensätzen aus der Bergbaufolgelandschaft (BFL) werden Methoden der Generalisierung für vegetationskundliche und zoologische Datensätze vorgestellt, deren Ergebnisse durch Validierungsdaten überprüft wurden. Als Basis dienen u. a. mittels fernerkundlicher Methoden erstellte digitale Karten und GIS. Unter vegetationskundlichem Aspekt zeigt sich bei Übergang von einer höheren auf eine niedrigere Beobachtungssebene ein Anstieg im Informationsgehalt. Als Werkzeug der vegetationskundlichen Generalisierung ist die Anwendung der CASI Methode in Kombination mit der kleinräumigen vegetationskundlichen Erfassung erfolgversprechend und effektiv. Der Einsatz von LANDSAT-TM-Daten ist bei größeren, zusammenhängenden und in der Vegetationsstruktur homogenen Bereichen sinnvoll. Die Biotoptypenkartierung eignet sich nur eingeschränkt zur räumlichen Generalisierung. Zoologische Daten und Satellitendaten können erfolgreich zur flächendeckenden artgenauen Generalisierung verschnitten werden. Als Methodik der artenzahlspezifischen Generalisierung wird das Biotophybrid-Verfahren diskutiert. Die vorgestellten Methoden sind als Module eines umfassenderen landschaftsökologischen Modells zu denken, das mit Hinzunahme und Verschneidung weiterer Parameter der Landschaft weitergehende Analysen und Entwicklungsprognosen von Artverbreitung und Arten-diversität ermöglicht.
Birgit Felinks, Jadranka Mrzljak, Monika Pilarski
16. Datenbank und Datenhaltung im Rahmen des Verbundprojektes LENAB
Zusammenfassung
Bei der Konzipierung von komplexen Forschungsprojekten ist vorab festzulegen, wie die Forschungsergebnisse bei Abschluß des Projektes vorliegen sollen. Im Falle des LENAB-Projektes wurde ein Teilprojekt für den Aufbau einer zentralen Datenbank- und der Entwicklung von GIS-Applikationen eingerichtet, denn es ist notwendig, möglichst am Beginn gemeinsame Bezugssysteme und Grundsätze für die Datenerfassung und -Vorhaltung zu definieren. Das DV-Teilprojekt tritt hier als Technologielieferant auf. Durch die Anwendung des GIS Arc/Info in Verbindung mit dem Desktop-GIS Arc View und durch die Erstellung einer Client/Server-fahigen Applikation auf der Basis eines SQL-DB-Servers wurden modernste Technologien in die Systematisierung und Auswertung der Daten integriert. Dies wird an Beispielen demonstriert. Die eingesetzten Einzelprodukte lassen sich gut zu einem einheitlichen Methodenkomplex ergänzen. Durch die Zusammenfassung der Ergebnisdaten einzelner Teilprojekte wird eine Wiederverwendbarkeit der Daten für weitere Forschungsaufgaben garantiert, andererseits die Möglichkeit gegeben, Ergebnisse einer komplexen Betrachtungsweise zuzuführen.
Thomas Anders, Udo Bröring

Gewässerökologie

Frontmatter
17. Ausgewählte Aspekte der Morphologie und Ökologie von Fließgewässern der Bergbaufolgelandschaft
Zusammenfassung
Die Bergbaufolgelandschaft der Niederlausitz ist in Bezug auf die Gewässersysteme als eine neuartige Landschaft anzusehen. Die Rahmenbedingungen für Gewässer sind durch die aktuelle Grundwasserabsenkung, intensive wasserwirtschaftliche Nutzung und starke Veränderungen der hydrologischen Bedingungen auch nach Erreichen eines sich selbst regulierenden Wasserhaushaltes gekennzeichnet. Gegenüber der vorbergbaulichen Situation ist ein Verlust an Fließstrecken und eine starke Degradation der Gewässermorphologie zu verzeichnen. Die strukturarmen Gerinne sind durch Eintief ung und mächtige Depositionen aus Eisenocker beeinträchtigt. Bei der beginnenden morphologischen Eigenentwicklung spielen Fallholz und aquatische Makrophyten eine bedeutende Rolle. Beim Makrozoobenthos kommt es zu einem Ausfall von Funktionsgruppen wie Laubzerkleinerer oder Weidegänger. Räuber stellen einen ungewöhnlich hohen Anteil der Biozönosen. Die artenarme Besiedlung zeigt einen deutlichen Bezug zu den Parametern pH-Wert und Eisentrübe. Der Abbau von Fallaub erfolgt in den sauren Gewässern hoch spezifisch. Bedingt durch das Fehlen der Laubzerkleinerer und die Inkrustation von Laub in eisenhaltige Depositionen kommt es auch nach über einem Jahr nach Eintrag nahezu zu keiner Fragmentierung der Blätter. Dies hat Auswirkungen auf die Struktur und Morphodynamik der Gerinnesohlen. Nach dem Eintrag in die Gewässer werden Nährstoffe und Kohlenstoff aus den Blättern herausgelöst, wobei außergewöhnlich hohe Pilzbiomassen auf den Blättern beobachtet wurden. Diese kompensieren in Kurzzeit-Laborversuchen völlig den Masseverlust der Blätter durch Herauslösen. Es wird eine spezifische mikrobielle Umsetzung von partikulärem Kohlenstoff in den geogen sauren Gewässern vermutet. Aufgrund der zentralen Bedeutung von organischem Kohlenstoff für den Stoff- und Energiehaushalt der geogen sauren Gewässer, sowie durch eine eventuell mögliche natürliche biogene Alkalisierung, ergibt sich drängender Forschungsbedarf bei den Prozessen zur Umsetzung von organischem Material.
Michael Mutz, Martina Pusch, Jörg Siefert
18. Limnologie und Gewässerchemie von ausgewählten, geogen schwefelsauren Tagebauseen der Niederlausitz
Zusammenfassung
Anhand einiger ausgewählter Ergebnisse umfangreicher limnologischer Untersuchungen an unterschiedlich versauerten Tagebauseen in der Niederlausitz werden die besonderen Eigenschaften dieses Gewässertyps dargestellt. Die abweichende Zusammensetzung der Wasserinhaltsstoffe beeinflußt das Schichtungsverhalten und chemische Reaktionen im Pelagial. Die niedrigen pH-Werte und die damit verbundenen Begleiterscheinungen hemmen verschiedene biologische Prozesse (z. B. mikrobielle Reaktionen im Sediment, Primärproduktion) und schränken auch die Verzahnung mit dem terrestrischen Umfeld ein. Trotz der Limitierung erreicht die artenarme Biozönose im Pelagial sporadisch hohe Biomassen.
Gabriele Packroff, Werner Blaschke, Peter Herzsprung, Jutta Meier, Michael Schimmele, Kathrin Wollmann
19. Redox-Vorgänge in litoralen Sedimenten in Wechselwirkung mit dem Wachstum und der Entwicklung der Erstbesiedlungsvegetation am Beispiel von Juncus bulbosus L.
Zusammenfassung
Die Zwiebelbinse ist die Pionierpflanze in extrem sauren Tagebaurestseen des Braunkohletagebaus. Verschiedene chemische Analysetechniken wurden verwendet, um die Mechanismen und Strategien aufzuklären, mit denen Juncus bulbosus den extremen Bedingungen widersteht Aus Gesamtmetallgehalten im Sediment und in der Pflanze wurden Konzentrationsfaktoren (CF) ermittelt, um die die Metallkonzentrationen im Gewebe beeinflussenden Faktoren zu charakterisieren. Die Pflanze gibt Sauerstoff in die Rhizosphäre ab und erhöht so dort das Redox-Potential. Dies führt zu der Bildung von Eisenplatten aus Goethit um die Wurzel. Das Rasterelektronenmikroskop zeigte einen von Mikroorganismen besiedelten Zwischenraum zwischen der Wurzel und den Sandkörnern. Dies läßt auf eine Interaktion zwischen der mikrobiellen Komponente auf der Wurzeloberfläche und den Wurzelexsudaten unter den Eisenplatten (mineralfreier Raum) schließen. Eisentoxizität wird durch die physiologischen und biochemischen Pflanzenstrukturen verzögert, was durch Untersuchungen der Metallkonzentrationen in Sediment und Pflanzengewebe bestätigt wurde. Die Elementkonzentrationen im Sediment der Tagebaurestseen nehmen unabhängig vom Substrat in der Reihenfolge Fe> Al> Mn> Zn ab, während Cu und As von untergeordneter Bedeutung sind. Fe und Al werden nicht aktiv aufgenommen, ihre Konzentration im Gewebe wird von der Pflanze bestimmt. Die höheren CF für Mn und Zn bestätigen eine aktive Aufnahme durch die Pflanze. Hohe Mn-Konzentrationen im Sediment können gefährlich für Juncus bulbosus sein. Die Ansiedlung und das Wachstum von Juncus bulbosus in Tagebaurestseen kann als Indikator physico-chemischer Parameter dieser Seen und der Stabilität des Systems betrachtet werden.
Abad Chabbi
20. Zur Ökologie in extrem sauren Tagebaugewässern der Bergbaufolgelandschaft - Besiedlungsmuster und Leitbilder
Zusammenfassung
Tagebaugewässer der Lausitz unterscheiden sich in grundlegenden chemischen Gewässermerkmalen von natürlichen Seen und Flüssen Mitteleuropas. Das betrifft im wesentlichen die hohe Leitfähigkeit bei pH-Werten zwischen 2 und 4 und die Pufferung durch Eisen bzw. Aluminium. Darüber hinaus bilden die anthropogenen Eingriffe in die Morphometrie der Gewässer eingeschränkte Rahmenbedingungen für die Ausprägung von Lebensgemeinschaften. Davon sind die Fließgewässer besonders betroffen. Die Ressourcenbereitstellung für die Primärproduzenten gestaltet sich insbesondere für die CO2-Versorgung in räumlich und zeitlich untypischen Mustern. Alle bisher untersuchten Gewässer sind besiedelt, wobei die Artenvielfalt mit abnehmender Azidität steigt. Die Nahrungsketten in Tagebauseen sind in Abhängigkeit vom Säuregrad unterschiedlich komplex strukturiert. Fische, Mollusken und Crustaceen fehlen in extrem sauren Seen, in den sauren Fließgewässern ist der Ausfall taxonomischer Gruppen noch drastischer. Für die Leitbildentwicklung kann weder auf historische, noch auf aktuelle Referenzgewässer zurückgegriffen werden. Die auf Grundmotive (Naturnähe, ungestörte Eigenentwicklung) ausgerichteten Leitbilder für die Entwicklung naturnaher Bereiche sind daher Prognosen über die Ausprägung von Natuihaus-haltsfunktionen. Daneben werden mögliche Nutzungsfunktionen ebenfalls in die Leitbilder integriert. Für Fließgewässer erfolgt die Ableitung alternativer Szenarien, während für Tagebauseen an den Leitbildern „Badesee“ und „Museeumsee“ spezifische Ziele und der Eingriffsbedarf aufgezeigt werden.
Brigitte Nixdorf, Michael Mutz, Kathrin Wollmann, Gerhard Wiegleb
Metadaten
Titel
Naturschutz in Bergbaufolgelandschaften
herausgegeben von
Prof. Dr. Gerhard Wiegleb
Dr. Udo Bröring
Dipl.-Biol. Jadranka Mrzljak
Dr. Friederike Schulz
Copyright-Jahr
2000
Verlag
Physica-Verlag HD
Electronic ISBN
978-3-642-57638-6
Print ISBN
978-3-7908-1279-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-57638-6