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1993 | Buch

Die Neuordnung der Telekommunikationsindustrie in den USA

Krise fordistischer Akkumulation, Deregulierung und Gewerkschaften

verfasst von: Boy Lüthje

Verlag: Deutscher Universitätsverlag

Buchreihe : DUV: Sozialwissenschaft

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
0. Einleitung
Zusammenfassung
Fast könnte man den 150 Jahre alten Ausspruch de Tocquevilles als Leitmotiv der sich seit einigen Jahren in den kapitalistischen Industrieländern vollziehenden ordnungs- und technologiepolitischen „Wende“ in der Telekommunikation mißverstehen. Die 1982 eingeleitete Entflechtung des US-amerikanischen Fernmeldemonopols AT&T, des ehedem größten privaten Wirtschaftsunternehmens in der Geschichte des Kapitalismus, in acht unabhängige Teilkonzerne bildete den Auftakt eines sich seitdem in fortschreitendem Tempo vollziehenden internationalen „Deregulierungswettlaufes“. Maßgeblich beeinflußt von den Wettbewerbsdoktrinen der „Chicago School“ und anderer neo-liberaler „Think Tanks“ (v.Hayek 1968, Kahn 1970, Posner 1974, Breyer 1982 u. a.m.) hat dieser inzwischen in fast allen Industrieländern ein Aufbrechen der nationalen Fernmeldemonopole und der sozialstaatlichen Regulierungen des Kommunikationswesens im Rahmen des „keynesianischen Wohlfahrtsstaates“ zur Folge gehabt.
Boy Lüthje
I. Eine Formkrise kapitalistischer Entwicklung
Zusammenfassung
Versuchen wir zunächst, die theoretische Problematik unserer Untersuchung zu präzisieren. Ausgehend von einer Kritik der in der neo-klassischen Theorie des „natürlichen Monopols“ zusammengefaßten gängigen Begründungen für die Deregulierung des Telekommunikationswesens wollen wir versuchen, das Aufbrechen des AT&T-Femmeldemonopols als eine umfassende „Formkrise“ (Altvater 1983b) kapitalistischer Akkumulation und Regulation im Telekommunikationssektor zu fassen. Dabei wollen wir fragen, wie die einzelnen Teilaspekte dieses „Strukturbruches“, nämlich: der Bruch des in der Nachkriegsära etablierten Akkumulationsmodells, die hinter der in den siebziger Jahren eingeleiteten Deregulierungspolitik stehende Krise des „keynesianischen Interventions- und Steuerungsstaates“ und die Krise des „fordistisch-tayloristischen“ Arbeitsprozesses in einen fundierten theoretischen Zusammenhang zu bringen sind.
Boy Lüthje
II. Historische Entstehungsbedingungen fordistischer Akkumulation im Fernmeldewesen der USA
Zusammenfassung
In diesem Kapitel soll die Genese des fordistischen Akkumulationsmodells im Fernmeldewesen der USA herausgearbeitet werden. Wir wollen der Frage nachgehen, auf welchen ökonomischen und politischen Grundlagen das fordistische Kalkül der Kapitalverwertung, das sozusagen das Erfolgsgeheimnis des AT&T-Fernmeldemonopols in der Nachkriegsära ausmachte, beruhte. Dabei wollen wir zeigen, daß erst die im Zuge der Wirtschaftsreformen des New Deal politisch erzwungene Verknüpfung einer monopolistischen einzelkapitalistischen Akkumulationsstrategie mit einer auf gesamtwirtschaftliche Erfordernisse ausgerichteten nationalstaatlichen Regulierung die Voraussetzungen für das Entstehen fordistischer Akkumulationsstrukturen schuf. Erst aus dieser Perspektive lassen sich die spezifischen Formen und Mechanismen dieses Regulationsmodells und damit auch die Verlaufsformen der heutigen Regulationskrise im US-Telekommunikationssektor adäquat begreifen. Auch die Entstehungsvoraussetzungen und Handlungsbedingungen der Gewerkschaften im US-Fernmeldewesen erschließen sich zu einem wesentlichen Teil aus diesem Kontext.
Boy Lüthje
III. Anatomie eines Erfolgsmodells: Staatliche Monopolregulierung und fordistische Akkumulation im Fernmeldewesen der USA
Zusammenfassung
Mit dem Abschluß der Auseinandersetzungen um die nationalstaatliche Regulierung am Vorabend des zweiten Weltkrieges waren die wesentlichen politischen Rahmenbedingungen für die Nachkriegsentwicklung des US-Fernmeldewesens abgesteckt. Die im Zuge des New Deal etablierten politischen Regulationsformen blieben bis zum Beginn der Deregulierungspolitik der siebziger Jahre weitgehend unverändert. Das aus den ökonomischen Strukturbrüchen und den politischen Konflikten während der Krise der dreißiger Jahre hervorgegangene Formverhältnis von Politik und Ökonomie — die den Erfordernissen moderner kapitalistischer Produktion und Zirkulation angepaßte „Arbeitsteilung“ zwischen Staat und Kapital — wurde zum Ausgangspunkt der Transformation des US-Fernmeldewesens in eine fordistische Massenproduktionsbranche par excellence.
Boy Lüthje
IV. Monopolistische Regulation und fordistisches Produktionsregime
Zusammenfassung
Nachdem wir Genese und Struktur des fordistischen Akkumulationsregimes in der US-telephone industry dargestellt haben, können wir nunmehr die Perspektive wechseln. In diesem Kapitel soll es um die Regulation des Lohnverhältnisses im Bell-System gehen — um jene Mechanismen und Institutionen also, die „das Gelingen des Akkumulationsprozesses“ (Lipietz) auf der Ebene des unmittelbaren Produktionsprozesses sicherten. Hiermit wollen wir zeigen, wie die branchenspezifischen Strukturen monopolistischer Regulation die Ausdrucksformen des Klassenantagonismus zwischen Kapital und Lohnarbeit bei AT&T prägten und zugleich bestimmte Normen eines sozialen Konsenses im Produktionsprozeß generierten, die wesentlich zur Stabilität des US-Fernmeldemonopols beitrugen. Erst in dieser Perspektive können die Besonderheiten des „fordistischen Klassenkompromisses“ bei AT&T und der Charakter der sozialen und politischen Umbrüche, mit denen die „telephone workers“ durch das Aufbrechen des Fernmeldemonopols heute konfrontiert sind, verständlich werden.
Boy Lüthje
V. Die Krise des fordistischen Modells
Zusammenfassung
Die ab Ende der sechziger Jahre einsetzenden Bestrebungen zur Deregulierung des US-Fernmeldewesens markierten den Anfang vom Ende des fordistischen Erfolgsmodells AT&T. Die nach der Beilegung der regulierungspolitischen Konflikte der fünfziger Jahre fast nur noch latent vorhandenen kapitalfraktionellen Interessenwidersprüche im kommunikationstechnischen Branchenkomplex der USA verdichteten sich unter dem Einfluß der nunmehr einsetzenden „mikroelektronischen Revolution“ in der Telekommunikation sowie der allgemeinen Stagnationstendenzen in der US-Ökonomie und auf dem Weltmarkt in den siebziger Jahren zu einer grundlegenden Krise der in der Ära des Fordismus befestigten Regulationsformen. Die realhistorischen Verlaufsformen dieses Prozesses, die heute stattfindende Um- und Neuformierung der Akkumulationsund Regulationsstrukturen in der US-Telekommunikationsindustrie sowie die Rolle AT&T’s in der „post-fordistischen“ telephone industry sollen im folgenden Kapitel näher untersucht werden.
Boy Lüthje
VI. Lohnabhängige und Gewerkschaften im „Deregulierungszeitalter“
Zusammenfassung
Im letzten Kapitel dieser Arbeit wollen wir uns mit den Auswirkungen der AT&T-Entflechtung auf Lohnabhängige und Gewerkschaften im US-Telekommunikationssektor beschäftigen. Wir wollen der Frage nachgehen, wie das Aufbrechen des fordistischen Akkumulationsmodells die ökonomischen Grundlagen und die Formen der Regulation des Lohnverhältnisses in der telephone industry verändert hat und ob bzw. inwieweit sich in diesem Umbruchsprozeß bereits Konturen einer „post-fordistischen“ Regulation des Lohnverhältnisses abzeichnen. Unser Augenmerk wollen wir zum ersten auf die Umbrüche in der Beschäftigungspolitik AT&T’s und der anderen ehemaligen Bell-Companies legen. Zum zweiten sollen die neuen Parameter der Rationalisierungsentwicklung und deren Auswirkungen auf den in der fordistischen Ära zwischen Kapital und Arbeit etablierten „Produktivitätspakt“ herausgearbeitet werden. Zum dritten wollen wir fragen, wie die veränderten Konkurrenzverhältnisse die Handlungsbedingungen der Gewerkschaften in der Post-Entflechtungsära beeinflussen und welche strategischen Antworten von gewerkschaftlicher Seite hierauf gegeben werden. Dabei soll — soweit dies aus unserer Perspektive möglich ist — versucht werden, die jenseits der inzwischen recht zahlreichen pessimistischen oder optimistischen Prognosen für die Zukunft der Gewerkschaften in der “information industry” (vgl. z. B. Kohl 1982, CWA 1983b, Howard 1986b u. a.m.) vorfindliche konkrete Praxis gewerkschaftlicher Interessenvertretung nachzuzeichnen und zu diskutieren.
Boy Lüthje
VII. Schlußfolgerungen Implikationen für die BRD
Zusammenfassung
In unseren abschließenden Schlußfolgerungen wollen wir einige zentrale theoretische und politische Implikationen unserer Analyse zusammenfassen. Mit Blick auf die sozialwissenschaftliche Debatte um die Regulationstheorie bzw. das Fordismus-Theorem wollen wir zum ersten noch einmal einige theoretische Ergebnisse der vorliegenden Arbeit resümieren. Zum zweiten wollen wir auf den Charakter des „post-fordistischen“ Akkumulations- und Regulationsmodus im Telekommunikationssektor der USA und dessen Widersprüche eingehen. Zum dritten sollen die strategischen Implikationen dieser politischen Widersprüche für die Gewerkschaften zusammengefaßt werden. Hiermit wollen wir auch versuchen, einige Hinweise für die in der BRD im Gefolge der Kommerzialisierung der Bundespost anstehende Diskussion über zukünftige gewerkschaftliche Strategien im Kommunikationswesen zu geben.
Boy Lüthje
Backmatter
Metadaten
Titel
Die Neuordnung der Telekommunikationsindustrie in den USA
verfasst von
Boy Lüthje
Copyright-Jahr
1993
Verlag
Deutscher Universitätsverlag
Electronic ISBN
978-3-663-06722-1
Print ISBN
978-3-8244-4130-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-663-06722-1