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1998 | OriginalPaper | Buchkapitel

Die Pest — ein Fall für Ökonomen?

verfasst von : Ralf Rodepeter

Erschienen in: Volkswirtschaft in fünfzehn Fällen

Verlag: Gabler Verlag

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Im 14. Jahrhundert breitete sich über Europa die Beulenpest aus. Die Epidemie dezimierte die Bevölkerung in einem unvorstellbaren Ausmaß. Einige Länder beklagten einen Rückgang der Bevölkerung um mehr als ein Drittel.Auch die ökonomischen Auswirkungen der Pest waren dramatisch. Angesichts der stark geschrumpften Bevölkerung lag ein beträchtlicher Teil des fruchtbaren Bodens brach. Entgegen allen damaligen Erwartungen kam es jedoch nicht zu einem Verfall der Getreidepreise. Zum weiteren Erstaunen genossen die Arbeiter, die die Epidemie überstanden hatten, einen starken Anstieg ihrer Löhne. Was aber des einen Freud, war des anderen Leid: Während die arbeitende Landbevölkerung einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte, mußten die Landbesitzer starke Verluste in ihren Einnahmen aus Renten und Pachten hinnehmen.Diese Fallstudie zeigt, wie sich diese dramatischen Veränderungen mit elementaren Konzepten der Volkswirtschaftslehre erklären lassen. Der Anstieg der Löhne und der Verfall der Bodenrenten läßt sich mit Hilfe der neoklassischen Theorie der Grenzproduktentlohnung erklären. Wegen des starken Bevölkerungsschwundes und der gesunkenen Zahl der Arbeiter stieg das Grenzprodukt und damit der Lohn der Arbeit: ein zusätzlicher Arbeiter half nun mehr, den Ertrag zu erhöhen, als früher, als bereits viele Arbeitnehmer vorhanden waren. Zudem wurden mit dem Rückgang der Bevölkerung nur noch die besseren Böden bewirtschaftet, was wiederum die Produktivität der Landwirtschaft erhöhte und damit die Löhne. Die Fallstudie zeigt, wie sich beide Erklärungen auseinanderhalten lassen.Auch der Rückgang der Bodenrenten und -pachten war durch den Rückgang der Anzahl der Arbeitskräfte begründet, da ein zusätzlicher Hektar Land bei der reduzierten Anzahl der Landarbeiter nicht mehr den Mehrertrag erbringen konnte, der bei einer großen Arbeiterschaft möglich gewesen wäre. So sank das Grenzprodukt des zweiten Produktionsfaktors Land und damit auch sein Preis.

Metadaten
Titel
Die Pest — ein Fall für Ökonomen?
verfasst von
Ralf Rodepeter
Copyright-Jahr
1998
Verlag
Gabler Verlag
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-94650-8_2

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