Skip to main content
Erschienen in:
Buchtitelbild

Open Access 2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

Die Tücken der Dividendenbesteuerung

verfasst von : Laurenz Grabher

Erschienen in: Die Wirtschaft im Wandel

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
download
DOWNLOAD
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Zusammenfassung

Ausgeschüttete Gewinne sollen nicht stärker belastet sein als andere Einkommen. Deshalb soll eine Dividendensteuer geringer bleiben, um die Vorbelastung mit Gewinn- bzw. Körperschaftssteuer zu berücksichtigen und Doppelbelastung zu vermeiden. Eine zu hohe Dividendensteuer ist volkswirtschaftlich schädlich. Sie bremst die Investitionen der jungen Wachstumsunternehmen, die sich kaum selbst finanzieren können und auf Risikokapital von aussen angewiesen sind. Die reifen Unternehmen mit hohen Gewinnen können der Steuer leicht ausweichen, indem sie ihre Gewinne nicht ausschütten, sondern zur Selbstfinanzierung einbehalten. Die Steuer bremst zwar kaum ihre Investitionen. Sie sperrt aber die Gewinne bei den reifen Unternehmen ein, anstatt Ausschüttungen zu ermöglichen, damit die Investoren das Kapital neu in andere Unternehmen mit höheren Renditen und besseren Wachstumsaussichten investieren können. Sie diskriminiert die jungen Wachstumsunternehmen zugunsten ihrer etablierten Konkurrenten und behindert den produktivitätssteigernden Neueinsatz des Kapitals.
Becker, Bo, Marcus Jacob und Martin Jacob (2013), Payout Taxes and the Allocation of Investment, Journal of Financial Economics 107, 1–24.
Relevanz
Ausgeschüttete Gewinne sollen nicht stärker belastet sein als andere Einkommen. Deshalb soll eine Dividendensteuer geringer bleiben, um die Vorbelastung mit Gewinn- bzw. Körperschaftssteuer zu berücksichtigen und Doppelbelastung zu vermeiden. Eine zu hohe Dividendensteuer ist volkswirtschaftlich schädlich. Sie bremst die Investitionen der jungen Wachstumsunternehmen, die sich kaum selbst finanzieren können und auf Risikokapital von aussen angewiesen sind. Die reifen Unternehmen mit hohen Gewinnen können der Steuer leicht ausweichen, indem sie ihre Gewinne nicht ausschütten, sondern zur Selbstfinanzierung einbehalten. Die Steuer bremst zwar kaum ihre Investitionen. Sie sperrt aber die Gewinne bei den reifen Unternehmen ein, anstatt Ausschüttungen zu ermöglichen, damit die Investoren das Kapital neu in andere Unternehmen mit höheren Renditen und besseren Wachstumsaussichten investieren können. Sie diskriminiert die jungen Wachstumsunternehmen zugunsten ihrer etablierten Konkurrenten und behindert den produktivitätssteigernden Neueinsatz des Kapitals.
Quelle
Becker, Bo, Marcus Jacob und Martin Jacob (2013), Payout Taxes and the Allocation of Investment, Journal of Financial Economics 107, 1–24.
In zahlreichen Ländern wie z. B. Schweiz, Österreich, Deutschland und USA werden Dividenden, Ausschüttungen und Rückkäufe von Aktien im Rahmen der Einkommensteuer belastet. Um die vorherige Belastung durch Gewinn- bzw. Körperschaftssteuer zu berücksichtigen und eine mögliche Doppelbelastung zu entschärfen, wenden die meisten Staaten separate, reduzierte Sätze an. Solange die Doppelbelastung nicht vollständig beseitigt ist, erhöhen Dividendensteuern die Finanzierungskosten und bremsen Investitionen. Dividendensteuern benachteiligen vor allem jene Unternehmen, welche ihre Investitionen nicht mit eigenen Gewinnen selbst finanzieren können und daher Risikokapital von aussen brauchen. Oft sind es gerade die jungen und rasch wachsenden Unternehmen. Während die Kosten der Kapitalaufnahme nicht steuermindernd sind, belastet die Steuer zukünftige, ausgeschüttete Erträge. Das hemmt ihre Investitionen. Grosse und gewinnstarke Unternehmen können dagegen ihre Investitionen selbst finanzieren und haben wenig Probleme. Die Dividendensteuer besteuert zwar ebenfalls zukünftige ausgeschüttete Erträge, aber die Verringerung der Ausschüttungen zwecks Selbstfinanzierung spart Dividendensteuer. Bei ihnen hat die Dividendensteuer keine negative Auswirkung auf die Investition, aber sie verringert die Ausschüttungen. Die Steuer sperrt daher Kapital in grossen, profitablen Unternehmen ein. Dieser „lock-in“ Effekt verzerrt die produktivitätssteigernde Zuteilung von Kapital. Er begünstigt die etablierten Branchen und benachteiligt vorwiegend junge und rasch wachsende Unternehmen, die zur Finanzierung ihrer Investitionen auf den Kapitalmarkt angewiesen sind.
Höhere Dividendensteuern hemmen vorwiegend Investitionen von jungen und rasch wachsenden Unternehmen, die Risikokapital brauchen. Sie sperren Gewinne bei reifen Unternehmen ein, die ihre Investitionen selbst finanzieren und durch Verringerung der Ausschüttungen Dividendensteuer sparen können.
Bo Becker, Marcus Jacob und Martin Jacob untersuchen diesen Zusammenhang genauer. Das Ziel ihrer Arbeit ist es, den Effekt von Dividendensteuern auf Unternehmensinvestitionen zu quantifizieren. Solche Steuern verteuern die Finanzierung mit neuem Eigenkapital und treiben einen Keil zwischen die Kosten von Innen- und Aussenfinanzierung. Demnach hat die Dividendenbesteuerung unterschiedliche Effekte auf die Investitionen abhängig vom Eigenfinanzierungsgrad: Jene Unternehmen, die stark auf externe Finanzierung angewiesen sind, haben dadurch höhere Kapitalkosten. Unternehmen, welche ihre Investitionen mit eigenen Ressourcen (z. B. aus dem Cash-Flow) finanzieren können und kaum neues Eigenkapital aufnehmen müssen, reagieren hingegen weniger stark auf Steueränderungen.
In ihrer empirischen Analyse verwenden die Autoren einen Datensatz mit Informationen zu Dividendenzahlungen und Investitionen von über 7′600 Unternehmen aus 25 Ländern zwischen 1990 und 2009. In diesem Zeitraum fanden insgesamt 15 substanzielle Steuerreformen sowie 67 Änderungen bei der Besteuerung von Kapitalgewinnen und Dividendenausschüttungen statt. Sie beschränken sich dabei auf Reformen, welche den Steuersatz um jeweils mindestens drei Prozentpunkte veränderten.
Die Forscher vergleichen die Investitionsraten (das heisst, den Anteil der Neuinvestitionen an den gesamten Vermögenswerten) bei Unternehmen mit hohen und niedrigem Cash-Flow als Mass für den Eigenfinanzierungsgrad. Wenn sie über viel Cash-Flow verfügen, können sie ihre Investitionen überwiegend selbst finanzieren, während die anderen mit wenig Cash-Flow auf die Finanzierung mit neuem Eigenkapital angewiesen sind. Abb. 1 illustriert den Zusammenhang. Die beiden Linien zeigen jeweils den Unterschied in den Investitionsraten von Unternehmen mit hohem Selbstfinanzierungsgrad relativ zur anderen Gruppe mit geringer Selbstfinanzierung. Ist die Selbstfinanzierung gering, reduziert eine höhere Dividendensteuer die Investitionen, während Unternehmen mit hoher Selbstfinanzierung kaum betroffen sind. Daher nimmt der Unterschied im Investitionsverhalten zwischen den beiden Gruppen zu, wie der Anstieg der dunklen Linie zeigt. Bei einer Senkung von Dividendensteuern investieren Unternehmen mit geringer Selbstfinanzierung mehr, sodass das Verhältnis der Investitionsraten abnimmt, wie die helle Linie zeigt.
Die empirischen Schätzungen machen deutlich, dass Unternehmen mit begrenzter Eigenfinanzierung stärker auf Dividendensteuern reagieren als jene mit hohem Eigenfinanzierungsgrad. Eine Steuersenkung verringert die Unterschiede: Eine durchschnittliche Steuersenkung beträgt 9.8 Prozentpunkte. Sie reduziert die Investitionsunterschiede von 7.3 auf 5.5 %. Dies entspricht einem Rückgang um rund 31 %. Werden die Steuersätze auf Dividendenausschüttungen hingegen erhöht, nehmen die Unterschiede zu: Eine durchschnittliche Steuererhöhung von 8.4 % vergrössert den Unterschied in der Investitionstätigkeit um 42 %, das heisst, von 5.3 % auf 7.6 %.
Im Durchschnitt verringert eine Steuersenkung die Investitionsunterschiede zwischen Unternehmen mit hoher und niedriger Eigenfinanzierung um 31 Prozent, wogegen eine Steuererhöhung diesen Unterschied um 42 Prozent vergrössert.
Insgesamt tragen hohe Steuern auf Dividenden und Aktienrückkäufe dazu bei, dass Investitionen immer stärker von Unternehmen mit hohem Eigenfinanzierungsgrad getätigt werden. Steigt beispielsweise der Steuersatz von 15 % (25. Perzentil) auf 32.2 % (75. Perzentil), so hat der Cash-Flow eines Unternehmens einen um ein Drittel stärkeren Effekt auf dessen Investitionen. Die Forscher kommen zu ähnlichen Ergebnissen, wenn sie die Eigenfinanzierungskraft eines Unternehmens anhand anderer Grössen wie z. B. des Bruttoeinkommens oder der liquiden Mittel messen.
Zwar wirken sich hohe Dividendensteuern nur wenig auf die Investitionen von gewinnstarken Unternehmen aus. Sie sind nicht auf neues Eigenkapital von aussen angewiesen, sondern finanzieren ihre Investitionen selber, indem sie Gewinne einbehalten und nicht ausschütten. Weil die Steuer die Ausschüttungen mindert, entfaltet sie jedoch einen anderen negativen Effekt, nämlich den sogenannten „lock-in“ Effekt: Hohe Dividendensteuern sperren Kapital quasi in selbstfinanzierten Unternehmen ein, anstatt Ausschüttungen zu ermöglichen, damit die Investoren neu entscheiden können, wo sie das Kapital mit der höchsten Rendite einsetzen können. Damit behindert die Steuer die Umlenkung von Kapital und Investitionen von den reifen zu den jungen und rasch wachsenden Unternehmen. Sie begünstigt vor allem etablierte Unternehmen und Branchen auf Kosten expandierender Firmen mit hohem Bedarf an neuem Risikokapital. Die Umlenkung von Kapital von reifen zu rasch wachsenden Unternehmen ist jedoch eine wichtige Quelle für Produktivitätssteigerungen in der Volkswirtschaft.
Eine zentrale Ursache dafür, dass Dividendensteuern die Investitionen von Unternehmen mit niedrigem Selbstfinanzierungsgrad überproportional verringern, sind ansteigende Kapitalkosten. Diese beeinflussen allerdings nicht nur die Investitionen eines Unternehmens, sondern schlagen sich auch auf dessen externes Eigenkapital nieder. Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass hohe Dividendensteuern das Volumen von neu aufgenommenem Eigenkapital tatsächlich signifikant verringern.
Steigt die Steuer auf Dividendenausschüttungen um 10 Prozentpunkte, nimmt ein Unternehmen durchschnittlich um 9 Prozent weniger neues Eigenkapital auf.
Zusammengefasst zeigt das Forscherteam um Bo Becker, dass Steuern auf Dividendenausschüttungen die Investitionen stark beeinflussen. Höhere Steuern sperren zudem Kapital in etablierten Unternehmen mit hohen Gewinnen ein, während sie die Investitionen jener Unternehmen wie z. B. Start-Ups, welche stark wachsen und auf externe Finanzierung angewiesen sind, erheblich verteuern. So behindert die Dividendensteuer auch einen produktivitätssteigernden Neueinsatz des Kapitals zwischen Unternehmen mit hohen und geringen Wachstumsmöglichkeiten.
Open Access Dieses Kapitel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Kapitel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
download
DOWNLOAD
print
DRUCKEN
Metadaten
Titel
Die Tücken der Dividendenbesteuerung
verfasst von
Laurenz Grabher
Copyright-Jahr
2021
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-31735-5_13