Skip to main content

1992 | Buch

Die vermessene Theorie

Eine kritische Auseinandersetzung mit der Instinkttheorie von Konrad Lorenz und verhaltenskundlicher Forschungspraxis

verfasst von: Hanna-Maria Zippelius

Verlag: Vieweg+Teubner Verlag

Buchreihe : Wissenschaftstheorie Wissenschaft und Philosophie

insite
SUCHEN

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Einleitung
Zusammenfassung
Aussagen und Ergebnisse der Verhaltensforschung fanden über die Biologie hinaus in einer Reihe von mehr oder weniger entfernten wissenschaftlichen Disziplinen wie z.B. der Psychologie, Soziologie und Pädagogik eine zunehmende Beachtung, darüber hinaus aber auch eine ungewöhnlich starke Resonanz in einer breiten öffentlichkeit. Diese Aufgeschlossenheit gegenüber einem speziellen Fachgebiet der Biologie mag darin begründet sein, daß dem Forschungsgegenstand, dem Verhalten der Tiere, schon von alters her von vielen Menschen ein besonderes Interesse entgegengebracht wurde. Hinzu kommt, daß sich die Aussagen dieser Fachrichtung vielfach auf Phänomene beziehen, die aus dem unmittelbaren Erfahrungsbereich des Menschen stammen und damit auch ohne wissenschaftliche Vorbildung von Laien nachvollziehbar sind. Die in der Regel sehr anschauliche Art der Vermittlung der Ergebnisse durch die Wissenschaftler selbst, vor allem aber auch eine Flut populärwissenschaftlichen Schrifttums förderte in hohem Maße das allgemeine Interesse. Nicht zuletzt war es die Persönlichkeit von Konrad Lorenz und seine unnachahmliche Fähigkeit, eigene Beobachtungen und Erlebnisse mit Tieren in Wort und Schrift in einer auch für den Laien nicht nur verständlichen, sondern gleichermaßen faszinierenden Form vorzutragen, die das Interesse an der Verhaltensforschung weckten. So verwundert es auch nicht, wenn viele Verhaltensforscher berichten, daß sie schon als Schüler durch die Lektüre der populärwissenschaftlichen Schriften von Konrad Lorenz an die Verhaltensforschung herangeführt wurden. Auch der vielfach unternommene und publikumswirksame Versuch, die an Tieren gewonnenen Erkenntnisse zum Verständnis menschlichen Verhaltens heranzuziehen, trug zu einer weiteren Popularisierung des Fachgebietes bei.
Hanna-Maria Zippelius
I. Kapitel. Die Theoretischen Grundlagen der Verhaltensforschung Nach Konrad Lorenz
Zusammenfassung
Es ist der Verdienst von Konrad Lorenz, sich als erster um eine Erarbeitung der theoretischen Grundlagen der Verhaltensforschung bemüht zu haben. Er faßte seine Gedanken in einer — wie er schreibt — “neuen physiologischen Theorie der Instinktbewegung” (Lorenz 1978, S. 4 f.) zusammen, die er erstmals 1937 veröffentlichte.
Hanna-Maria Zippelius
II. Kapitel. Eine Kritische Analyse der Annahmen der Theorie
Zusammenfassung
Physiologisch orientierte Biologen beschäftigen sich fast ausschließlich mit reaktivem Verhalten, d.h. mit einem Verhalten, das stets als Antwort auf äußere Reize angesehen werden kann. Diese Einstellung wurde begünstigt durch die Entdeckung der Reflexbewegung, bei der ein eindeutiger Zusammenhang zwischen einem spezifischen Umweltreiz und der Antwort erkennbar ist. Es war aber auch durchaus schon bekannt, daß Tiere ‘spontan’, d.h. ohne einen für den Beobachter erkennbaren äußeren Anlaß aktiv sind. Derartige Spontanaktivitäten — so die Annahme — werden aufgrund endogener Vorgänge in Gang gesetzt und sind stets auf ein Ziel gerichtet. Dabei wird vorausgesetzt, daß ein Tier das Ziel, das durch seinen inneren Zustand gegeben ist, kennt. Es wartet aber nicht passiv auf das Eintreten dieser Situation, sondern es sucht nach ihr. Die inneren Bedingungen, die ein solches Streben nach dem Ziel in Gang setzen, werden unter dem Begriff Motivation subsumiert. Eine spezifische Motivation ist immer auf ein spezielles Ziel gerichtet. Erst wenn dieses Ziel erreicht ist, kann sie befriedigt und das ihr zugeordnete Verhalten eingestellt werden.
Hanna-Maria Zippelius
III. Kapitel. Was Wissen Wir Nun Wirklich? Eine Kritische Analyse Empirischer Befunde
Zusammenfassung
In diesem Kapitel möchte ich die Frage aufgreifen, inwieweit die empirische Forschung bisher die Annahmen und Aussagen der Theorie zu stützen vermochte. Aus der Vielzahl der experimentellen Untersuchungen habe ich in erster Linie die Arbeiten ausgewählt, die von der scientific Community stets als Bestätigung der Annahmen der Theorie angesehen werden. Bei der Analyse ging es mir vorrangig darum, Begründungen für die Vorgehensweise des Autors im Rahmen der unterlegten Theorie zu finden, um erst aufgrund dieser Überlegungen die Frage zu stellen, ob und inwieweit die vorgelegten Ergebnisse einer Arbeit akzeptiert werden können. Ich erhoffe mir von dieser Vorgehensweise zum einen, daß sie es dem Leser ermöglicht, sich ein eigenes Urteil über die zur Diskussion stehenden Arbeiten zu bilden, zum anderen, daß sie dazu beiträgt, den Leser kritikfähiger gegenüber manchen Aussagen der empirischen Forschung zu machen.
Hanna-Maria Zippelius
IV. Kapitel. Das Zusammenwirken von Erbkoordinationen
Zusammenfassung
Die Aussagen der Lorenzschen Theorie beziehen sich auf eine sehr eng umgrenzte Verhaltenseinheit, die Erbkoordination. Das, was wir in der Regel an Tieren beobachten, sind dagegen komplexe, vielfach in ihrer Zusammensetzung sehr variabel ablaufende Verhaltensmuster. Das gilt für Verhaltensabläufe, wie sie bei der Körperpflege beobachtbar sind in gleicher Weise wie für solche, die beim Nestbau oder bei kämpferischen Auseinandersetzungen auftreten. Die Ergebnisse der bisherigen empirischen Forschung lassen erkennen, daß die Grundannahmen der Theorie, wie die gesetzmäßigen Schwankungen der aktionsspezifischen Energie und die voneinander unabhängige Wirksamkeit von Schlüsselkomponenten (Prinzip der Reizsummation), — bezogen auf eine Erbkoordination — nicht einmal in der Tendenz bestätigt werden konnten. Wenn unsere Kenntnisse über die Verursachimg einer relativ einfachen Verhaltenseinheit wie der Erbkoordination noch so unzureichend sind, wie ungleich schwieriger gestalten sich dann erst die Probleme, die aus dem Zusammenwirken von Erbkoordinationen in komplexen Verhaltensabläufen resultieren. Hierzu wurden eine Reihe vom Ansatz sehr unterschiedlicher Modelle entwickelt. Diejenigen, die von der scientific Community als besonders bedeutsam erachtet werden, sollen kurz diskutiert werden.
Hanna-Maria Zippelius
V. Kapitel. Klassische Ethologie und Moderne Verhaltensökologie — Gegensatz oder Ergänzung?
Zusammenfassung
Die Theorie der Instinktbewegung bildet die Essenz der Lorenzschen Arbeit. Für ihn stand das Verhalten einer Tierart in Abhängigkeit von der Motivationsstruktur im Mittelpunkt seines Interesses. Heute wird in der aktuellen Forschung zumindest auf der organismischen Ebene nur noch an wenigen Stellen im Sinne der Lorenzschen Motivationstheorie gearbeitet. Den Schwerpunkt der heutigen Kausalforschung bildet die Neuroethologie. In dieser Fachdisziplin wird mit Modellen gearbeitet, mit deren Hilfe man Einblick zu gewinnen sucht sowohl in die sensorischen und neuralen Mechanismen, die der Erkennung und Repräsentation von Schlüsselreizen dienen, als auch in die sensomotorische Verschaltung und die motorische Mustergenerierung, die das beobachtete Verhalten steuert. Großes Interesse gilt auch dem Einfluß von Hormonen auf die Verhaltensentwicklung, wie auch der Verhaltensgenetik. Diejenigen, die auf der organismischen Ebene weiterarbeiten, wenden sich mehr und mehr funktionalen Fragestellungen zu, wie sie durch die Verhaltensökologie und speziell die Soziobiologie aufgegriffen wurden. Diese modernen Disziplinen der Verhaltensforschung bemühen sich im Rahmen der Darwinschen Evolutionstheorie um funktionale Erklärungen für die Vielzahl beobachtbarer Verhaltensstrukturen, wie sie in der Auseinandersetzung eines Organismus mit der Umwelt und speziell der sozialen Umwelt beobachtbar sind.
Hanna-Maria Zippelius
Backmatter
Metadaten
Titel
Die vermessene Theorie
verfasst von
Hanna-Maria Zippelius
Copyright-Jahr
1992
Verlag
Vieweg+Teubner Verlag
Electronic ISBN
978-3-322-86603-5
Print ISBN
978-3-322-86604-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-86603-5