Treiber der veränderten Anforderungen
-
Kunden (Wer?): Unabhängig von der spezifischen Ausgestaltung ist der Kern eines jeden Geschäftsmodells der Kunde. Zu wissen, welche Kundensegmente adressiert werden sollen und welche nicht, stellt die Grundlage eines jeden Geschäftsmodells dar. Es gilt dabei zu beachten, dass die relevanten Kundensegmente durchaus eine gewisse Dynamik besitzen können. Ein permanentes Zielgruppenmonitoring und das Anpassen der relevanten Prozesse an neue Zielgruppen sind unerlässlich.
-
Wertversprechen (Was?): Mit dem Wertversprechen (auch als Nutzenversprechen bezeichnet) wird festgelegt, welche Produkte und Dienstleistungen angeboten und wie die Bedarfe der Kunden dadurch befriedigt werden. Um dabei erfolgreich zu sein und vor allem zu bleiben, ist die Abstimmung des Angebots auf die Bedarfe der Kunden eine Grundvoraussetzung. Der Einsatz digitaler Technologien bietet zahlreiche Möglichkeiten zur Erweiterung der Services, die den Kunden im Kaufprozess unterstützen und diesen angenehmer gestalten können. Ein Beispiel dafür ist die Bereitstellung einer Lösung zur Indoor-Navigation im Shop. Dazu testet Philips gemeinsam mit dem französischen Lebensmitteleinzelhändler Carrefour ein System, das codiertes Licht einsetzt und den Kunden mittels Smartphone durch die Regale zu den benötigten Produkten leitet.
-
Wertschöpfungskette (Wie?): Die Wertschöpfungskette beschreibt, wie die angebotenen Produkte und Dienstleistungen erstellt werden. Dazu zählen sämtliche Prozesse, Aktivitäten, Ressourcen, Fähigkeiten sowie deren Koordination. Alternativen zum klassischen Verkauf von Produkten in stationären Läden sind beispielsweise Click-and-Collect sowie Click-and-Reserve, wobei der Kauf oder die Reservierung eines Produktes online erfolgen und die Abholung durch den Kunden im Laden. Auch umgekehrt kann dies mit dem Konzept des Home Delivery stattfinden, wobei hier das Produkt im Laden gekauft und dann nach Hause geliefert wird.
-
Ertragsmechanismus (Warum?): Hierzu zählen die Kostenstruktur und Mechanismen zur Generierung von Umsatz. Die Aufgabe besteht in der Klärung der wirtschaftlichen Umsetzbarkeit eines Geschäftsmodells. Die Herausforderung besteht darin, Zusatzleistungen zu identifizieren und anzubieten, die aufgrund von Digitalisierungsmaßnahmen möglich werden und direkt oder indirekt zur Umsatzsteigerung beitragen.
Anwendung digitaler Technologien im stationären Einzelhandel
Phase | Anwendung | Technologie | Funktion | Potenzial | Beispiele |
---|---|---|---|---|---|
Vorkaufphase | Digitale Customer Touchpoints: Smart Shelves, Infoterminals | RFID, Bilderkennung, Beacons | Produktspezifische Zusatzinformationen | Informationsbereitstellung | Galeria Kaufhof, Tesco Home Plus, Censo Sud |
Smart Mirror, smarte Umkleidekabine | RFID, Bilderkennung, 3D-Scanner, Augmented Reality | Produktidentifikation bzw. -empfehlung, virtual try-on | Digitale Produktkonfiguration, -information, -empfehlungen, Zusatzverkäufe | Memomi Labs, Oak Labs, Zara | |
Virtueller Einkaufsassistent | Chatbots, Smartphone | Virtuelle Einkaufsberatung | Effizienzsteigerung bei Beratungsleistung | Home Depot, Shoptagr | |
Virtuelle Planung | Augmented Reality, Smartphone, Tablet | Virtuelles Platzieren von Möbelstücken in der realen Umgebung, virtuelle Gartenplanung | Kaufunterstützung, Servicedifferenzierung | Ikea, Obi | |
Location Based Services | Smartphone, GPS | Store Finder, Versand von Push-Benachrichtigungen | Steigerung der Sichtbarkeit, Steigerung der Kundenfrequenz | Nespresso, Esprit, Starbucks | |
Digital Signage | Digitale Displays | Dynamische Werbeschilder, Information zur Laufzeit anpassbar | Bedarfsweckung | Edeka, e‑Spirit, NTS Retail | |
Kaufphase | Interaktives Schaufenster | RFID, Bilderkennung, Smartphone | Virtuelle Verlängerung der Öffnungszeiten, Verknüpfung mit Online-Shop | Erweiterung der Funktion des Schaufensters um die Möglichkeit zur Konversion | Adidas neo |
Indoor Navigation | Visible Light Navigation, LED, Smartphone, Beacons | Orientierung im Geschäftslokal | Optimierung der Wege des Kunden, Unterstützung bei Produktsuche im Geschäft | Carrefour Lille, Philips | |
Smarte Einkaufswagen | Beacons, RFID, Bilderkennung | Zusatzinformationen zu Produkten über Display am Einkaufswagen, Auflistung Warenkorb | Informationsbereitstellung, Beschleunigung Check-out | Amazon Go, SK telecom | |
Automatisierter Check-out, zero-touch checkout | RFID, Bilderkennung | Bezahlung, SB-Kasse | Reduktion Wartezeit, Reduktion Personalressourcen, Steigerung Effektivität des Personaleinsatzes | Amazon Go Seattle, Burberry London | |
Nachkaufphase | Virtueller Serviceassistent | Chatbot, mobile App | Nachbetreuung des Kunden, Wartung, interaktive Bedienungsanleitung | Verbesserter Kundenservice | DiSA, arvato |
Alle Phasen | Digitale Kundenkarte/Loyalty-Card | NFC, Smartphone | Stammkundenprogramme, Kaufhistorien | Verknüpfung von Online- und Offline-Kundenprofilen z. B. durch App-Integration | Rewe |
Digitale Transformationsschritte für den stationären Einzelhandel
-
Consumer Technologies: Diese Kategorie umfasst alle Endgeräte im Besitz des Konsumenten, über die eine direkte Interaktion möglich wird. Eine zentrale Rolle kommt dabei der mobilen Internettechnologie und den Smartphones zu. Sie werden vielfach als Beschleuniger der digitalen Einzelhandelsevolution bezeichnet. Darüber hinaus zählen zu dieser Kategorie Tablets und Augmented-Reality-Brillen, aber auch „voice-activated“ bzw. „voice-enabled shopping“, also sprachgesteuertes Einkaufen mithilfe entsprechender Spracherkennungssoftware wie Amazon Echo, Google Assistant oder Apples Siri. Da insbesondere diese Technologiekategorie von immer kürzer werdenden Innovationszyklen geprägt ist, gilt es Trends frühzeitig zu erkennen, um rasch entscheiden zu können, ob eine bestimmte Technologie im eigenen Unternehmen wertschöpfend eingesetzt werden kann.
-
In-Store Technologies: Für den stationären Einzelhandel spielt insbesondere die vor Ort im Geschäft eingesetzte Technologie eine große Rolle. Sie dient der Unterstützung der Konsumenten, während sich diese im Geschäft aufhalten, und soll zu einer Verbesserung der Customer Experience beitragen. Dazu zählen beispielsweise Technologien zur Indoor Navigation, aber auch virtuelle Einkaufsberater, die den Kunden zusätzliche Produktinformationen bereitstellen. Oftmals funktionieren diese Technologien im Zusammenspiel mit den mobilen Endgeräten der Kunden. Auch elektronische Preisschilder (wie sie z. B. von Media Markt eingesetzt werden), die gerade beim Betrieb mehrerer Filialen eine Effizienzsteigerung und gesteigerte Aktualität bringen, zählen zu dieser Technologiekategorie. Weiters können Technologien auch dazu beitragen, das Verhalten der Kunden im Laden besser zu verstehen. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz von Technologien zur Aufmerksamkeitsmessung oder Blickaufzeichnung, die zur Optimierung des Ladendesigns herangezogen werden können.
-
Backend Technologies: Die dritte Kategorie umfasst Technologien, welche die Grundlage für die beiden zuvor genannten Kategorien bilden. Dazu zählen Werkzeuge zur Datenanalyse und -aufbereitung, aber auch klassische Einzelhandelssoftware wie Warenwirtschaftssysteme, die allerdings Schnittstellen zur Anbindung neuer Technologien und Services bereitstellen müssen. Sowohl statische Informationen wie Produktbeschreibungen als auch dynamische Daten wie Lagerstände oder Einkaufshistorien der Kunden kommen aus den Backend-Systemen und werden dort entsprechend verarbeitet bzw. an weitere Systeme übergeben.
Fazit
Zusammenfassung
-
Für den stationären Einzelhandel bedeutet Digitalisierung gleichermaßen Potenzial und Herausforderung.
-
Die größten Herausforderungen betreffen die kundenzentrierte Ausrichtung, die Digitalisierung operativer Prozesse und die Innovation von Geschäftsmodellen.
-
Die Handelsbranche ist seit jeher von einer starken Dynamik geprägt. Neu ist im Kontext der Digitalisierung die hohe Geschwindigkeit, mit welcher Veränderungen stattfinden.
Handlungsempfehlungen
-
Unternehmen müssen die technologischen Voraussetzungen für die Digitalisierung auf Konsumentenebene, am Point of Sale und im Backend schaffen.
-
Eine Analyse und Optimierung interner sowie externer Prozesse ist zwingend erforderlich.
-
Die hohe Dynamik der Branche und die immer kürzeren Innovationszyklen machen eine funktionierende Trenderkennung zum entscheidenden Erfolgsfaktor.
Kernthesen
-
Die rasante Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologien beeinflusst als wesentlichster Treiber sowohl das Verhalten der Kunden als auch die Verfügbarkeit von Informationen über diese.
-
Die Digitalisierung stellt Unternehmen hinsichtlich ihrer kundenzentrierten Ausrichtung, der Anpassung von Prozessen und der Innovation von Geschäftsmodellen vor Herausforderungen.
-
Unternehmen müssen die technologischen Voraussetzungen konsumentenseitig, am Point of Sale und im Backend schaffen.
-
Das Marie Curie ETN Projekt PERFORM (Pioneering the Digital Future for Omnichannel Retail Managers) mit einem Volumen von 3,86 Mio Euro beschäftigt sich von 2018 bis 2021 mit zentralen Themen im Digital Retail Bereich. Dabei führen 15 Dissertanten Trainings und Forschungsaufgaben mit Retail-Bezug in den Bereichen Geschäftsmodell-Transformation, Technologien am POS in der Customer Journey, Customer Journey und Customer Interaction, Smarte Logistikkonzepte, Innovative Zahlungsmethoden sowie Data Analytics durch. Die Autoren Andreas Auinger und René Riedl sind in Projektmanagement, Trainings und Supervisorfunktionen im Projekt tätig. http://www.perform-network.eu/