2009 | OriginalPaper | Buchkapitel
(Ent-)Demokratisierungsprozesse im europäischen Mehrebenensystem
verfasst von : Prof. Dr. Hans-Jürgen Bieling
Erschienen in: Bedrohungen der Demokratie
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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In der wissenschaftlichen und politischen Diskussion über die Europäische Union ist in den letzten Jahren wiederholt und verstärkt von der Legitimationskrise europäischer Politik die Rede. Viele Analysen weisen darauf hin, dass die bisherigen Muster der politischen Kommunikation, Verhandlung und Entscheidungsfindung von der Bevölkerung — wie auch von den politischen Entscheidungsträgern selbst — zunehmend kritischer bewertet werden. Das Scheitern des EU-Verfassungsvertrages, d. h. die negativen Referenden in Frankreich und den Niederlanden im Frühjahr 2005, und die nachfolgenden Schwierigkeiten, die Verfassungskrise zu überwinden, bildeten nur den vorläufigen Höhepunkt einer sich seit längerem abzeichnenden Entwicklung. Die Wende vollzog sich im Prinzip bereits nach dem Abebben der „Europhorie“, die das EG-Binnenmarktprojekt der 1980er Jahre geprägt hatte (vgl.
Beckmann et al. 2006: 312–318
). So war im Jahr 1992 der Maastricht-Vertrag von der dänischen Bevölkerung in einer ersten Fassung abgelehnt und in Frankreich nur ganz knapp akzeptiert worden. Im Dezember 1992 stimmte die Schweiz gegen den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR); und im November 1994 lehnte die norwegische Bevölkerung — zum wiederholten Mal — den EU-Beitritt ab. Im Juli 2001 folgte das irische „Nein“ zum Nizza-Vertrag; und im September 2003 entschied sich die schwedische Bevölkerung gegen den Beitritt zur WWU. Weitere Indikatoren einer wachsenden Europa-Skepsis sind die nachlassende Wahlbeteiligung zum Europäischen Parlament — diese fiel von 63 Prozent (1979) auf zuletzt 45,5 Prozent (2004) — und die in vielen Ländern, glaubt man den Eurobarometer-Umfragen, zunehmend kritische Einstellung zur EU.