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Open Access 11.03.2024 | Originalbeitrag

Erfahrungswerte im Praxiseinsatz von Vorsammelhilfen in der getrennten Bioabfallsammlung mit Fokus auf Tirol

verfasst von: Teresa Weber, BSc, DI Dr. Marco Wehner, MSc, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Anke Bockreis

Erschienen in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft

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Zusammenfassung

Die getrennte Sammlung von Bioabfall ist wichtig für Umweltschutz und Ressourcenschonung und trägt zu verschiedenen Sustainable Development Goals (SDGs) bei. Die Verwendung biologisch abbaubarer Vorsammelhilfen, besonders aus Kunststoff, in den Haushalten kann zur Mengensteigerung von getrennt gesammelten Bioabfall beitragen, allerdings ebenso verschiedene Herausforderungen in der Bioabfallbehandlung und -verwertung verursachen. Die Vielfalt von Logos für Vorsammelhilfen erschwert die Handhabung, ein einheitliches Logo mit klaren Qualitätskriterien wäre sinnvoll. Papierbeutel könnten aufgrund der besseren Abbaubarkeit und höheren Methanerträge umweltfreundlichere Alternativen zu Vorsammelhilfen aus Biokunststoff darstellen. Forschungsbedarf besteht bei der Analyse von Mikroplastikpartikeln im Bioabfall, um langfristige Umweltauswirkungen zu verstehen. Die Wirksamkeit der Bioabfallsammlung könnte durch alternative Materialien (z. B. Papierbeutel) und Verbraucheraufklärung gesteigert werden.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einleitung

Eine nachhaltige Abfallwirtschaft geht über geregelte Entsorgung hinaus und beinhaltet auch die Verminderung von Abfall, die Förderung des Recyclings, die Wiederverwendung von Materialien und die Einführung umweltfreundlicherer Technologien. Das Ziel besteht darin, eine nachhaltige und umweltverträgliche Kreislaufwirtschaft zu fördern, auch wenn der Begriff „Kreislaufwirtschaft“ nicht ausdrücklich in den Sustainable Development Goals (SDGs) erwähnt wird. Die ordnungsgemäße Sammlung und Verwertung von biogenen Abfällen spielen eine entscheidende Rolle in der nachhaltigen Abfall- und Kreislaufwirtschaft, da diese Abfälle organische Materialien wie Lebensmittelreste, Gartenabfälle und andere biologisch abbaubare Substanzen umfassen. Biogene Abfälle sind von großer Bedeutung in der Abfallwirtschaft. Einerseits aufgrund ihrer Menge und der potenziellen Emissionen bei der Deponierung, andererseits wegen ihres Energie- und Nährstoffgehalts. Daher ist es entscheidend, biogene Abfälle getrennt zu sammeln und entsprechend zu behandeln.
Die konkreten Aspekte der Berücksichtigung von Bioabfällen in den SDGs und anderen globalen Nachhaltigkeitsinitiativen sind äußerst vielfältig (vgl. Vereinte Nationen 2015):
  • SDG 2 – Kein Hunger: Die effiziente Bewirtschaftung von Lebensmitteln und die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung, einschließlich der Wiederverwendung von Lebensmittelresten und ihrer Umwandlung in nützliche Produkte wie Dünger, können zur Verwirklichung von SDG 2 beitragen.
  • SDG 11 – Nachhaltige Städte und Gemeinden: In städtischen Gebieten ist die effektive Sammlung und Verarbeitung von Bioabfällen entscheidend, um städtische Umgebungen sauber und gesund zu halten. Die Einführung von Kompostierungsanlagen und die Bewusstseinsbildung von Bürgerinnen und Bürgern, ihre Bioabfälle zu trennen, sind Maßnahmen, die dazu beitragen können.
  • SDG 12 – Nachhaltige/r Konsum und Produktion: Innerhalb von Ziel 12 liegt ein Schwerpunkt auf der Reduzierung von Abfall, einschließlich Bioabfällen. Dies kann durch die Förderung von Lebensmittelrettung, Kompostierung und die Einführung effizienter Verfahren zur Verwertung von Bioabfällen erreicht werden.
  • SDG 13 – Maßnahmen zum Klimaschutz: Die ordnungsgemäße Verwertung von Bioabfällen, insbesondere durch Kompostierung, kann dazu beitragen, Methanemissionen zu reduzieren, die bei der anaeroben Zersetzung organischer Materialien in Deponien entstehen.
Um Bioabfall im Sinne einer Kreislaufwirtschaft effizient verwenden zu können, ist es wichtig, einerseits die Menge des getrennt gesammelten Bioabfalls zu erhöhen und andererseits den zum Teil beträchtlichen Anteil an Fremd- und Störstoffen zu reduzieren. Dies wird sowohl auf europäischer Ebene als auch auf nationaler Ebene bekräftigt. Die Abfallrahmenrichtlinie schreibt vor, dass ab dem 31.12.2023 alle EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, eine Getrenntsammlung von Bioabfällen einzurichten. Außerdem ist eine ausreichend hohe Qualität der Endprodukte von Vergärung und Kompostierung vorgeschrieben (EU 2018).
In Österreich ist eine getrennte Sammlung von biogenen Abfällen seit 1995 Pflicht (BioabfallV 1994). Im Bundesland Tirol ist eine Getrenntsammlung von Bioabfällen zwar überwiegend etabliert und zum Teil auch über ein Gebührensystem so gesteuert, dass die Abgaben für Bioabfall günstiger sind als für Restmüll (Land Tirol und Abteilung Umweltschutz 2002), aber dennoch finden sich beträchtliche Anteile an Bioabfällen im Restmüll und umgekehrt viele Störstoffe im Bioabfall. Eine Analyse des Tiroler Restmülls von 2018/2019 ergab einen Anteil von ca. 33 % biogenen Stoffen im Restmüll. Ca. 19 % des Restmülls sind der eigentliche Bioabfall, d. h. Organik und nicht vermeidbare Lebensmittelabfälle und ca. 14 % waren vermeidbare Lebensmittelabfälle. In der Analyse zeigte sich auch, dass der Störstoffanteil in städtischen Gebieten höher und in ländlichen niedriger war. Für Innsbruck wurde außerdem ermittelt, dass nur ungefähr 66 % der biogenen Abfälle tatsächlich getrennt gesammelt werden und der Rest über den Restmüll entsorgt wird (Hauer et al. 2018). Diese Zahlen belegen, dass ein großer Anteil an Bioabfall für die weitere Verarbeitung im Sinne eines Recyclings nicht oder nur nach intensiver Behandlung nutzbar ist. Auch gegen den hohen Anteil an vermeidbaren Lebensmittelabfällen müsste dringend mehr getan werden, um dem Prinzip der Abfallvermeidung gerecht zu werden.
Zur Mengenerhöhung und Störstoffreduktion muss zwangsläufig das Abfall-Trennverhalten der Bevölkerung verbessert werden. Zum Erreichen dieses Ziels wird oft mit Öffentlichkeitsarbeit und Informationskampagnen gearbeitet. Mögliche Maßnahmen hierzu sind beispielsweise: Informationsstände, Hausbesuche, Plakate im öffentlichen Raum, Radio- oder TV-Ausstrahlungen sowie Ausstattung von v. a. Mehrparteien-Wohnanlagen mit Informationspostern zur richtigen Abfalltrennung. Diese Maßnahmen zeigen sich in Pilotprojekten als wirksam (Schmidt et al. 2017). Ebenso bieten einige Gemeinden eine kostenlose bzw. günstige Abfallberatung für die Bürger:innen an (IKB o.J.). Zusätzlich werden häufig Ausstattungsmaßnahmen mit geeigneten Sammelbehältern eingeführt. Es zeigt sich, dass die Ausstattung der Haushalte mit neuen und sinnvoll gestalteten Vorsammelgefäßen (= Abfalleimer) sowie eine regelmäßige Biotonnenleerung und -reinigung das Trennverhalten begünstigen (Schmidt et al. 2017). Im Zuge der Ausstattungsmaßnahmen gab es auch bereits einige Pilotprojekte, die den Einfluss von Vorsammelhilfen (= Abfallbeutel) aus als biologisch-abbaubar deklarierten Kunststoffen untersuchten. Diese Beutel aus kompostierbarem Kunststoff sind besonders in Italien weit verbreitet, da dort bereits seit über 30 Jahren standartmäßig der Bioabfall in kompostierbaren Vorsammelhilfen erfasst wird (Ricci-Jürgensen und Centemero 2018). In den letzten 25 Jahren sind sie aber auch in sämtlichen EU-Ländern immer beliebter geworden (BUND 2022). Verbreitet sind v. a. zwei Materialien: einerseits auf PLA (Polylactiden = Milchsäure) basierende Beutel und andererseits solche, die auf (Mais‑)Stärkeblends basieren (Deegener et al. 2022).
Am Arbeitsbereich Umwelttechnik der Universität Innsbruck wurde die Fragestellung untersucht, ob biologisch abbaubare bzw. kompostierbare Vorsammelhilfen (= Abfallbeutel) einen sinnvollen Beitrag zur Erhöhung des sortenrein gesammelten Bioabfalls leisten können und welche Effekte ein Einsatz der Beutel mit sich bringt. Ein Fokus lag auf dem Umgang mit den Vorsammelhilfen in Tirol. Es wurde ermittelt, wie die einzelnen Gemeinden die Vorsammelhilfen handhaben und was sie empfehlen. Außerdem wurde abgefragt, wie in den Biogas‑/Kompostierungsanlagen in Tirol mit den Abfallbeuteln umgegangen wird und welche Erfahrungen die Betreibenden berichten. Neben den Umfragen wurde der anaerobe Abbau von handelsüblichen Vorsammelhilfen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen und Papier unter standardisierten Laborbedingungen untersucht. Damit konnten die Abbaugrade der unterschiedlichen Materialen miteinander verglichen und die Ergebnisse aus der Befragung der Anlagenbetreiber und deren Erfahrungen mit Vorsammelhilfen bewertet werden.

2 Methodik/Untersuchungsrahmen

Durch eine umfassende Literaturrecherche wurde der aktuelle Wissensstand bezüglich der Auswirkungen biologisch abbaubarer Vorsammelhilfen erhoben. Hierfür wurden v. a. die digitale Bibliothek der Universität Innsbruck und Google Scholar genutzt. Schlüsselbegriffe waren „Kompostierbar“, „Biologisch abbaubar“, „Vorsammelhilfen“ „Abfallbeutel“ und „Bioabfall“ bzw. die englischsprachigen Äquivalente. Einige Quellen wurden auch mittels Schneeballsystem aus Literaturverzeichnissen gefunden. Es wurden englisch- und deutschsprachige Arbeiten ab 2012 berücksichtigt. Es wurde v. a. der Einfluss auf die Menge des getrennt gesammelten Bioabfalls und die reale Abbaubarkeit der Vorsammelhilfen überprüft. Die Ergebnisse sind im theoretischen Teil der Ergebnisse aufgeführt.
Der Hauptteil der Arbeit bestand in einer Fragebogenumfrage an alle Gemeinden in Tirol sowie deren Abfallberater:innen und sämtlicher bioabfallverarbeitender Betriebe. Hierfür wurden 2 gesonderte Umfragen gestaltet:
  • Für Gemeinden und Abfallberater:innen: Diese Umfrage sollte den Stand der Praxisempfehlungen in Tirol abfragen. Es wurde erfragt, ob und wenn ja welche Art von Vorsammelhilfen empfohlen oder ausgegeben wird. Diese Umfrage wurde an alle 277 Gemeinden sowie alle 90 in Tirol tätigen Abfallberater:innen verschickt.
  • Für die Anlagen: Diese Umfrage wurde an 56 ermittelte bioabfallverarbeitende Betriebe in Tirol verschickt. Darunter waren auch Betriebe, die nur Grünschnitt kompostieren oder Kläranlagen, die nur ihren Klärschlamm vergären. Abgefragt wurde die Handhabung verschiedener Vorsammelhilfen an den Anlagen, also z. B. ob und wie aussortiert wird und welche Erfahrungen im Betrieb gesammelt wurden.
Die Laufzeit der Umfragen betrug 6 Wochen (Anfang Juni 2023 bis Mitte Juli 2023).
Zusätzlich zur Literaturrecherche und zur Umfrage wurden Gärtests mit in der Praxis eingesetzten Vorsammelhilfen im Labormaßstab durchgeführt. Daraus sollten Erkenntnisse über das Abbauverhalten von Vorsammelhilfen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen im Vergleich zu solchen aus Papier gewonnen werden (Tab. 1). Die Ergebnisse aus den Laborversuchen dienten auch dazu, die Umfrageergebnisse aus der Befragung der Anlagenbetreiber und deren Erfahrungen zu Vorsammelhilfen zu bewerten.
Tab. 1
In den Batch-Gärtests untersuchte Vorsammelhilfen und deren Eigenschaften
Vorsammelhilfe
Material
Eigenschaften
BAK_1
Biologisch abbaubarer Kunststoff
Blend aus Polybutylenadipat-terephthalat (PBAT) und Stärke, Anteil nachwachsender Rohstoffe > 60 %, Stärkebasis Mais, Materialdicke 16 µm
BAK_2
Biologisch abbaubarer Kunststoff
Blend aus Polybutylenadipat-terephthalat (PBAT) und Stärke, Anteil nachwachsender Rohstoffe > 60 %, Stärkebasis Kartoffel, Distel- und/oder Sonnenblumenöl, Materialdicke 10 µm, Verwendung als Obst- und Gemüsebeutel im Lebensmitteleinzelhandel, mögliche anschließende Verwendung zur Vorsammlung von Küchen- und Speiseabfällen in Haushalten
BAK_3
Biologisch abbaubarer Kunststoff
Blend aus Polybutylenadipat-terephthalat (PBAT) und Stärke, Anteil nachwachsender Rohstoffe 40 %, Stärkebasis Mais, Materialdicke 17 µm
Papier_1
Papier
Kraftpapier, 2‑lagig, 70 g/m2
Papier_2
Papier
Recyceltes Kraftpapier, 60 bis 65 g/m2, Einlegeboden 140 bis 160 g/m2
Die Batch-Gärtests wurden in Dreifach-Ansätzen mit einem Automatic Methane Potential Test Systems II (AMPTS ® II, BPC Instruments AB, Lund, Schweden) nach der VDI 4630 (2016) durchgeführt. Als Inokulum diente der Faulschlamm einer kommunalen Tiroler Kläranlage, der für 3 Tage bei 37 °C zur Verringerung der Eigengasproduktion gelagert wurde. Die anschließenden Gärtests wurden ebenfalls bei 37 °C durchgeführt. Zur Überprüfung einer ausreichenden biologischen Aktivität des Inokulums wurde mikrokristalline Cellulose als Referenzsubstrat eingesetzt. Für den Gärtest wurden die Vorsammelhilfen in ca. 1 × 1 cm große Stücke zerkleinert. Nach Abschluss der Gärtest wurde der Gärrest auf 2 mm gesiebt und die Rückstände der Vorsammelhilfen wurden optisch (Fotodokumentation) beurteilt.

3 Ergebnisse und Diskussion

3.1 Literaturrecherche: Effekte und Abbaubarkeit von biologisch abbaubaren Vorsammelhilfen

Bei den Nutzer:innen sind die Vorsammelhilfen aus biologisch abbaubarem Kunststoff beliebt, da sie stabil sind, sich der als unhygienisch empfundene Kontakt mit dem Bioabfall sowie unangenehme Gerüche verringern und die Sammelgefäße sauber bleiben (Forberger et al. 2023; Schmidt et al. 2017). Ob der Einsatz dieser Vorsammelhilfen aber trotz der Beliebtheit bei den Anwendenden wirklich eine langfristige Verbesserung des Trennverhaltens mit sich bringt ist unklar. In einem 3‑jährigen Projekt in Baden-Württemberg ließ sich über den gesamten Versuchszeitraum keine relevante Mengensteigerung des getrennt gesammelten Bioabfalls feststellen (Forberger et al. 2023). Ein 3‑monatiges Pilotprojekt in Berlin hingegen führte 2012 zu einer Mengensteigerung um 10 % (BSR und BASF 2012) und 2015 ergab ein 5‑monatiges Projekt in Nordhessen eine Mengensteigerung von 23 % (Gröll et al. 2015). 2017 konnte in einem Beobachtungszeitraum von 12 Monaten in München sogar eine Mengensteigerung von 100 % erreicht werden (Schmidt et al. 2017). Hierbei muss aber beachtet werden, dass ein intensiver Maßnahmenmix in einem Stadtteil mit vor dem Projekt sehr schlechter Trennquote untersucht wurde und keine Rückschlüsse darauf gezogen werden können, welche Mengensteigerung die einzelnen Maßnahmen herbeigeführt haben (Schmidt et al. 2017). Dies gilt für alle hier erwähnten Pilotprojekte: Die Einführung der biologisch abbaubaren Abfallbeutel wurde immer von einer Informationskampagne begleitet. Es lässt sich kein Rückschluss darauf ziehen, ob das Wissen über das richtige Trennen des Abfalls alleine nicht mindestens genauso wirksam sein könnte wie die Bereitstellung der biologisch abbaubaren Abfallbeutel. Außerdem ist fraglich, ob die gezeigten Mengensteigerungen von Dauer sind.
Während die biologisch abbaubaren Beutel bei den Anwender:innen beliebt sind, häufen sich die Berichte von Biogas- und Kompostieranlagenbetreibenden, die von Betriebsproblemen an ihren Anlagen durch die Beutel berichten und außerdem bemängeln, dass die Beutel unter realen Bedingungen nicht abbaubar sind. In Abb. 1 ist gezeigt, wie sich Vorsammelhilfen um ein Sternsieb wickeln.
Die Abbaubarkeit der Beutel wird über verschiedene Zertifikate und Logos ausgedrückt. Am gängigsten und EU-weit anerkannt ist die Norm EN 13432 (ÖNORM EN 13432, 2008). Zur Erfüllung dieser Norm müssen die Beutel folgende Anforderung erfüllen: „Abbau: es ist nachzuweisen, dass mindestens 90% des organischen Materials in 6 Monaten in CO2 umgewandelt werden“ und „Desintegration: Nach 3 Monaten Kompostierung und anschließender Absiebung durch ein 2mm Sieb dürfen nicht mehr als 10% Rückstände bezogen auf die Originalmasse verbleiben.“ (Verband European Bioplastics o.J.) Diese Vorgabe ist zu hinterfragen, da reale Rottezeiten in den Anlagen selten länger als 5 bis 6 Wochen betragen.
Darauf wurde mit der sogenannten DIN-plus-Norm, als Zusatz zur DIN EN 13432 reagiert, welche den Zerfalls-Zeitraum bei ansonsten gleichbleibenden Voraussetzungen von 12 auf 6 Wochen reduziert (DIN Certco o.J.), allerdings sind nicht alle erhältlichen Beutel DIN-plus-zertifiziert. Außerdem gibt es 4 bestehende gängige Logos und Normen, die auf den Beuteln aufgedruckt sein können, was zur Überforderung der Konsument:innen führt und die Lage unübersichtlich macht, vgl. Abb. 2. Neben der EN 13432 und der DIN-plus-Zertifizierung gibt es noch das „OK compost“- und „OK compost home“-Logo. Ersteres wurde vom TÜV-Austria entwickelt und ist das nationale Logo, das das Erfüllen der EN 13432 zertifiziert (OK o.J.). Das „Ok compost home“-Logo wird für Beutel vergeben, die sich bei niedrigeren Temperaturen als der in der industriellen Kompostierung üblichen zersetzen. Diese Beutel sollen auch in der Heimkompostierung ausreichend abbaubar sein (OK compost HOME – TÜV AUSTRIA o.J.).
Neben dem Problem der Rottezeiten und der unübersichtlichen Zertifizierungen ist auch die Frage, ob und wie viel Mikroplastik durch die Beutel in die Umwelt gelangt, nicht abschließend geklärt. Sowohl zur Erfüllung der EN 13432 als auch zur Erfüllung der Düngemittelverordnung des fertigen Komposts werden lediglich Kunststoffpartikel > 2 mm betrachtet. In der Düngemittelverordnung wird gefordert, dass maximal 0,1 Masse-% Kunststoffpartikel > 2 mm vorhanden sein dürfen, für kleinere Partikel gibt es keine Grenzwerte (Düngemittelverordnung 2004 i.d.g.F.). Entsprechend wird großflächig nur die Erfüllung dieser Normen bzw. Gesetzestexte untersucht. Doch gerade Partikel < 1 mm haben hohe Umweltauswirkungen, da sie von Pflanzen und kleinen Bodenlebewesen aufgenommen werden können und somit unbekannt lange im Nahrungsmittelkreislauf verbleiben (Forberger et al. 2023). In einer Untersuchung von fertigem Kompost und Flüssigdünger aus 4 verschiedenen Anlagen in Süddeutschland wurde 2022 eine beträchtliche Menge (Fragmente < 1 mm zu 0,43 % (TM) im Kompost und mehrere tausend Fragmente < 500 µm pro Liter Flüssigdünger) an Mikro- und Nanokunststoffpartikeln gefunden (Steiner et al. 2022). Dies bestätigte auch eine Analyse aus dem Jahr 2023, in der ebenfalls große Mengen (bis zu 1337 Partikel pro kg TM) an Partikeln zwischen 10 μm und 1 mm gefunden wurden (Forberger et al. 2023).
Um eine Aussage über die reale Abbaubarkeit der biologisch abbaubaren Vorsammelhilfen treffen zu können, wurden insgesamt 21 wissenschaftliche Veröffentlichungen analysiert, die sich spezifisch mit der Abbaubarkeit von biologisch abbaubaren Vorsammelhilfen beschäftigen. Die Ergebnisse sind recht ähnlich und lassen sich in folgenden wichtigen Punkten zusammenfassen:
  • Die Abbaubarkeit gemäß den Vorgaben der EN 13432, also die Zersetzung von 90 % der Masse des Materials innerhalb von 12 Wochen, wurde bestätigt. Wichtig anzumerken ist, dass in diesen Versuchen eine nicht realitätsnahe Rottezeit von 12 Wochen unter industriellen Kompostierungsbedingungen untersucht wurde. Außerdem wurden die Vorgaben zwar für Fragmente > 2 mm eingehalten, darüber hinaus wurden schwankende Konzentrationen von kleineren Partikeln (bis 0,63 mm) im fertigen Kompost beobachtet (Zafiu et al. 2022).
  • Unter 6 Wochen Rottedauer wurde in keinem Versuch ein der EN 13432 entsprechender Zerfall von 90 % der Masse beobachtet (Schingnitz et al. 2015).
  • Unter anaeroben Bedingungen in Biogasanlagen findet kein nennenswerter Abbau oder Zerfall statt. Allerdings zerfällt das Material nach der anaeroben Phase in der aeroben Nachrotte schneller als bei der alleinigen Kompostierung. Als Grund für diesen Effekt wird ein Aufweichen des Materials vermutet (Kern et al. 2017; Gröll et al. 2015).
  • Stärkebasierte Beutel zerfallen tendenziell schneller als PLA-basierte (Deegener et al. 2022).
  • Jene Beutel, die nach „Ok compost home“ zertifiziert sind, bauen sich schneller ab, als die, die nur die EN 13432 erfüllen (Zafiu et al. 2022).
  • Wichtige Faktoren, die zu einer guten Abbaubarkeit beitragen, sind die Feuchtigkeit während der Kompostierung und die Materialdicke. Es wurde gezeigt, dass in sehr trockenen Bereichen ein sehr viel geringerer und langsamerer Abbau stattfand als in eher feuchten. Ebenso wurde beobachtet, dass sich besonders die dickeren Zugbänder oder Griffe der Beutel langsamer abbauen als die dünneren Bestandteile (Deegener et al. 2022; Schingnitz et al. 2015).
  • Wie bereits weiter oben erwähnt, wird meistens nur auf Kunststoffpartikel > 2 mm untersucht, da zum einen die Einhaltung der Norm häufig die Zielsetzung der Studie ist und zum anderen, weil Untersuchungen auf Mikro- und Nanokunstoffe aufwendig und technisch schwierig umsetzbar sind. Wenn auf kleinere Partikel getestet wird, sind diese immer in schwankenden Mengen auffindbar (Forberger et al. 2023).
  • Eine geeignete Vorbehandlung durch mehrtägige bis mehrwöchige Lagerung der gefüllten Beutel kann die Abbaudauer der Beutel verkürzen (Schingnitz et al. 2015).

3.2 Auswertung Umfrage

3.2.1 Umfrage für die Gemeinden

Diese Umfrage bestand aus drei Teilen: Im ersten Teil wurden allgemeine Maßnahmen abgefragt, die die Gemeinden anwenden, um die Menge des getrennt gesammelten Bioabfalls zu steigern. Im zweiten Teil ging es um den Umgang mit Vorsammelhilfen im Allgemeinen mit einem Fokus auf biologisch abbaubare Vorsammelhilfen. Im dritten Teil wurden die Funktion und die zugeordnete Gemeinde der ausfüllenden Personen abgefragt. Es gab auch die Möglichkeit, den Fragebogen anonym auszufüllen.
Der Rücklauf ergab insgesamt 123 Datensätze, von denen aber nicht alle vollständig waren. Den ersten Teil beantworteten 86 komplett, den zweiten Teil 72 und den dritten Teil 67. Dies ergibt eine Rücklaufquote von 23 % für den ersten Teil, 20 % für den zweiten und 18 % für den dritten Teil.
Der dritte Teil ergab, dass 69 % der Ausfüllenden Teil eines politischen Gremiums oder Angestellte bei der Gemeinde/Stadt etc. sind und 25 % Abfallberater:innen. Die restlichen 6 % der Ausfüllenden gaben keine Angabe zu ihrer Funktion an.
Die Ergebnisse des ersten Teils, in dem allgemein angewandte Maßnahmen abgefragt wurden, sind in Tab. 2 dargestellt. Die am meisten angewendete und als am wirksamsten eingeschätzte Maßnahme ist die Kontrolle bei der Sammlung, gefolgt von der Ausstattung der Haushalte mit belüfteten oder unbelüfteten kleinen Abfalleimern (= Vorsammelgefäße) zur Sammlung der Bioabfälle innerhalb der Wohneinheit. Am wenigsten angewandt und als am wenigsten wirksam eingeschätzt werden Informationskampagnen im öffentlichen Raum.
Tab. 2
Von den Tiroler Gemeinden angewandte Maßnahmen zur Verbesserung des Trennverhaltens
Welche allgemeinen Maßnahmen werden in Ihrer Gemeinde bzw. Ihrem Einzugsgebiet ergriffen, um den Anteil an sortenrein gesammelten Bioabfall zu erhöhen und wie bewerten Sie diese jeweils bezüglich ihrer Wirksamkeit auf Menge und Qualität des Bioabfalls?a
 
Wird angewendet – scheint wirksam [%]
Wird angewendet – scheint nicht wirksam [%]
Wird angewendet – keine Angabe über Wirksamkeit [%]
Wird nicht angewendet [%]
Keine Angabe [%]
Öffentlichkeitsarbeit (z. B. Gesprächsrunden, Info-Tische, Vorträge, Hausbesuche o. Ä.)
26
3
15
40
16
Informationskampagne – Privat (z. B. Briefwurf, Poster über Mülltonnen o. Ä.)
33
6
27
19
16
Informationskampagne – Öffentlich (z. B. Plakate im öffentlichen Raum, Radiosendungen o. Ä.)
14
0
16
51
19
Kostengünstige bzw. kostenlose Abfallberatung für Privathaushalte oder Unternehmen
31
3
27
22
16
Ausstattung der Haushalte mit Vorsammelgefäßen
42
5
7
26
21
Ausstattung der Haushalte mit Vorsammelhilfen
29
2
12
37
20
Regelmäßige kostenlose Reinigung der Biotonnen
26
2
6
44
22
Kontrollen bei der Sammlung während der Tonnenleerung
45
5
15
15
20
aAufgrund von Rundungsungenauigkeiten ergeben sich nicht immer 100 %
Zusätzlich zu den hier abgefragten und dargestellten Maßnahmen gaben einige Gemeinden an, dass sie Bildungsarbeit in Kindergärten und Schulen betreiben und diese als erfolgreich einschätzen. Zur Biotonnen-Reinigung ergänzten einige Gemeinden, dass sie diese zwar nicht gratis, aber kostengünstig anbieten.
Im zweiten Teil der Umfrage wurde der Umgang mit Vorsammelhilfen allgemein und speziell mit biologisch abbaubaren Vorsammelhilfen erfragt. In Abb. 3 ist dargestellt, ob Vorsammelhilfen aus biologisch abbaubarem Kunststoff empfohlen bzw. verteilt werden. Es wird deutlich, dass in Summe fast 70 % diese Vorsammelhilfen empfehlen, wobei die Hälfte der befragten Gemeinden diese sogar verteilt bzw. bereitstellt.
Bei den ausgegebenen Beuteln handelt es sich vor allem (86 %) um maisstärkebasierte (vgl. Abb. 4). Die Beutel werden zu 77 % gegen eine Gebühr an die Bürger:innen ausgegeben. Zum größten Teil werden keine anderen Beutel verteilt (76 %) oder empfohlen (57 %). Lediglich 15 % der Gemeinden geben Papierbeutel aus und 36 % der Gemeinden sprechen eine Empfehlung für Papierbeutel aus. 3 % der Ausfüllenden gaben an, dass in ihren Gemeinden Beutel aus konventionellem Kunststoff zur Sammlung des Bioabfalls ausgegeben werden, was als kontraproduktiv hinsichtlich der Verunreinigung des Bioabfalls mit Plastik bzw. Mikroplastik angesehen wird.
In zwei offenen Fragen konnten Rückmeldungen der Nutzenden sowie die persönliche Meinung der ausfüllenden Person zu biologisch abbaubaren Vorsammelhilfen gegeben werden. Bei den Rückmeldungen zeigte sich grundsätzlich eine positive Tendenz. Zum Teil kam es zu Verwirrungen und Nachfragen, ob die Beutel in die Biotonne dürften. Negative Rückmeldungen betrafen eine hohe Anfälligkeit der Beutel für Feuchte, hohe Temperaturen und lange Lagerung. Unter diesen Bedingungen zerfallen die Beutel leicht und verlieren ihre Stabilität.
Die persönliche Meinung der Ausfüllenden war eher gemischt. Positiv fanden mehrere Ausfüllende die Akzeptanz bei Bürger:innen und die verbesserte Hygiene bzw. Sauberkeit der Vorsammelgefäße und Biotonnen. Negativ genannt wurde ebenfalls der leichte Zerfall unter gewissen Lagerungsbedingungen und die nicht ausreichende Abbaubarkeit der Beutel.

3.2.2 Umfrage für die Anlagenbetreibenden

Auch diese Umfrage bestand aus drei Teilen: Im ersten Teil wurden die Empfehlungen der der Anlage entsprechenden Gemeinde für Vorsammelhilfen abgefragt, im zweiten Teil die Beobachtungen und das Verhalten von Vorsammelhilfen in der Anlage und im dritten Teil analog zur ersten Umfrage Daten zur ausfüllenden Person bzw. Anlage erhoben. Auch hier gab es die Option, den Fragebogen anonym abzuschicken.
Als Rücklauf ergaben sich insgesamt 17 Datensätze, das entspricht einer Rücklaufquote von 30 %. Dabei füllten alle 17 Teilnehmenden den ersten Teil aus. 11 Personen füllten den zweiten und 8 den Dritten aus. Die Rücklaufquote des ersten Teils beträgt dementsprechend 30 %, die des zweiten Teils 20 % und die des dritten Teils 14 %. Die Ausfüllenden haben die Umfrage überwiegend anonym ausgefüllt. Der dritte Teil der Umfrage wurde nur von einer Person mit Zuordnung zur Anlage ausgefüllt. Die anderen sieben Ausfüllenden gaben lediglich den Typ und die Größe ihrer Anlage an. Anhand der Angabe der Anlagengröße bzw. Einwohner:innen wurde berechnet, dass diese Anlagen ca. 230.000 Einwohner:innen versorgen. Damit decken sie grob ein Drittel der Tiroler Bevölkerung ab.
Im ersten Teil zeigte sich, dass 27 % der Gemeinden, in denen die betreffende Anlage liegt, Vorsammelhilfen ausgeben und 67 % nicht, die übrigen Ausfüllenden wählten „Keine Angabe“. Die ausgegebenen Beutel sind dabei zu 75 % aus biologisch abbaubarem Kunststoff und zu 25 % aus Papier. Bei dem biologisch abbaubaren Kunststoff gaben die meisten Befragten (33 %) an, dass stärkebasierte Beutel ausgegeben werden. Die Frage, ob sich Menge und Fremdstoffgehalt des Bioabfalls seit der Einführung der biologisch abbaubaren Vorsammelhilfen verändert hat, hat nur eine Person ausgefüllt. Diese berichtet von einer leichten Zunahme des Fremdstoffgehalts und einer unveränderten Menge an Bioabfall. Vier Ausfüllende nutzten die Möglichkeit, in einer offenen Frage allgemeine Anmerkungen zu Vorsammelhilfen zu geben. Alle vier schrieben, dass sie das Abfallsammeln mit jeglicher Art von Kunststoff nicht gut fänden und Kunststoff nichts in ihren Anlagen verloren hätte.
Im zweiten Teil wurden verschiedene Beobachtungen bezüglich der Häufigkeit und des Verhaltens von Vorsammelhilfen in der Anlage sowie der Umgang mit ihnen an der Anlage abgefragt. In Abb. 5 ist dargestellt, welcher Prozentanteil des Bioabfalls die Anlage in Vorsammelhilfen erreicht. Multipliziert man die Mittelwerte der Prozentangaben mit den Nennungen aus der Umfrage und summiert diese auf, kann geschlussfolgert werden, dass ungefähr 43 % der Bioabfälle in Vorsammelhilfen angeliefert werden.
In Abb. 6 ist die geschätzte Verteilung der Art der Vorsammelhilfen dargestellt. Es überwiegt mit 56 % der Anteil der Vorsammelhilfen aus biologisch abbaubarem Kunststoff. 23 % der Anlagenbetreiber gaben jedoch auch an, dass bei ihnen der Bioabfall überwiegend in Beuteln aus konventionellem Kunststoff ankommt.
Die Antwort auf die Frage, welche Vorsammelhilfen in der Anlage zugelassen werden, ist in Abb. 7 dargestellt. In dem überwiegenden Teil der Anlagen sind sowohl biologisch abbaubare Kunststoffbeutel und Papierbeutel zugelassen (56 %). 22 % gaben an, dass generell gar keine Beutel zugelassen werden und jeweils 11 % gaben an, dass nur Papier- bzw. nur kompostierbare Kunststoffbeutel zugelassen werden.
30 % der Ausfüllenden gaben an, dass die unerwünschten Vorsammelhilfen nicht aussortiert werden, während bei 60 % der Anlagen die Beutel maschinell bzw. mechanisch aussortiert werden. Die restlichen 10 % gaben bei dieser Frage keine Antwort an. Bei der Frage nach dem Sortiervorgang wird deutlich, dass dieser immer Aufwand verursacht. Es gibt hier keine Anlage, die den Sortiervorgang nicht mindestens als „etwas aufwendig“ einschätzt. Mehr als 50 % sehen den Aufwand als „aufwendig“ bzw. 17 % als „sehr aufwendig“ an. Der größte Teil der Ausfüllenden (67 %) gab an, dass beim Sortiervorgang wenig bzw. eine irrelevante Menge an organischem Material verlorengeht. 17 % schätzten, dass eine relevante Menge verlorengeht. Es wurde weiterhin abgefragt, wie die Anlagenbetreibenden die Abbaubarkeit der Beutel in ihren Anlagen aufgrund ihrer Erfahrungen einschätzen (vgl. Abb. 8). In Summe mehr als 60 % schätzen die Abbaubarkeit als „sehr schlecht“ bzw. „schlecht“ ein. Die Erfahrung einer sehr guten Abbaubarkeit hat keine:r der Ausfüllenden gemacht. Vergleicht man diese Antworten mit den Ergebnissen der Literaturrecherche und bedenkt, dass Bioabfall in Tirol überwiegend anaerob behandelt wird, ist dies wenig überraschend. Dies deckt sich mit den Antworten auf die Frage, ob und wenn ja welche Probleme die Vorsammelhilfen im Betrieb verursachen. 0 % antworteten mit „Nein“, 27 % machten keine Angabe und 73 % antworteten mit „Ja“ und beschrieben im Freitext folgende Probleme: Verstopfungen, erhöhter Wartungs- und Arbeitsaufwand, Schwimmdeckenbildung im Faulturm, Probleme bei der Entwässerung, hohe Entsorgungskosten, Verschmutzung von Förderanlagen und mehr Siebreste sowie eine Qualitätsminderung des Komposts. Trotzdem wurde aber auch angemerkt, dass sich die Situation seit dem Verzicht des Handels auf konventionellen Kunststoff für Vorsammelhilfen und Obst- und Gemüsebeutel verbessert hat. Als letzte Frage wurde erörtert, wie die Anlagenbetreiber:innen biologisch abbaubare Vorsammelhilfen insgesamt bewerten (vgl. Abb. 9). Hier vergibt mehr als ein Drittel eine schlechte bis sehr schlechte Bewertung aus. Trotz der Kritik an den Beuteln in den vorherigen Fragen bewertet jedoch ca. ein Drittel der Befragten die Beutel als „gut bis sehr gut“.
Die Ergebnisse der Literaturanalyse bestätigen sich in den Ergebnissen der Umfrage im Bundesland Tirol. Die Betreibenden berichten von schlechter Abbaubarkeit und erhöhtem Aufwand an den Anlagen. Dennoch werden die Beutel großflächig von den politischen Gremien verteilt bzw. empfohlen. Dies liegt daran, dass die Vorsammelhilfen bei der Bevölkerung sehr beliebt sind, da sie als hygienischer empfunden werden. Seitens der Anlagenbetreibenden und Abfallberater:innen verspricht man sich eine positive Auswirkung auf die Menge des Bioabfalls vom Einsatz der Beutel. Es bleibt offen, ob die Aussicht auf eine eventuelle Mengensteigerung die Nachteile, die die Vorsammelhilfen mit sich bringen, überwiegen.

3.3 Gärtests mit Vorsammelhilfen

In den Gärtests wurden Vorsammelhilfen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen und Papier untersucht. Die Vorsammelhilfen aus Papier zeigten signifikant höhere Methanerträge als die Vorsammelhilfen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen (Abb. 10). Papiersack 1 erreichte Methanerträge in der Größenordnung von mikrokristalliner Cellulose, was auf einen nahezu vollständigen Abbau hindeutet1. Papiersack 1 zeigte eine bessere Abbaubarkeit als Papiersack 2, was im Zusammenhang mit dem unterschiedlichen Papiermaterial stehen könnte. Papiersack 1 besteht aus frischem Papier und Papiersack 2 aus Recyclingpapier. Beim Vergleich der Methanerträge der Vorsammelhilfen aus biologisch abbaubarem Kunststoff untereinander ließen sich keine signifikanten Unterschiede erkennen. Die unterschiedliche Zusammensetzung und Materialdicke (vgl. Tab. 1) beeinflusst den Methanertrag und die Abbaubarkeit unter anaeroben Bedingungen vermutlich nicht.
Die Rückstände der Vorsammelhilfen im Gärrest wurden mit einem 2‑mm-Sieb abgetrennt und anschließend händisch aussortiert (Abb. 11). Von Papiersack 1 konnten nur vereinzelt vollständige Stücke wiedergefunden werden. Die Rückstände von Papiersack 2 und den Vorsammelhilfen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen waren noch in ihrer ursprünglichen Form zu erkennen, wobei dies am deutlichsten bei der Vorsammelhilfe BAK_3 der Fall ist. Die Vorsammelhilfen BAK_1 und BAK_2 waren ebenso in ihrer ursprünglichen Form vorhanden, jedoch liegen die Rückstände in Abb. 11 entweder gefaltet und gerollt vor. Der rein optische Vergleich bestätigt aber die ermittelten Methanerträge, wonach Papiersack 1 besser anaerob abbaubar ist als die übrigen untersuchten Vorsammelhilfen. Inwiefern eine nachfolgende Kompostierung einen erweiterten Abbau der Vorsammelhilfen begünstigt, konnte mit den Ergebnissen aus den Laboruntersuchungen nicht bewertet werden. Wie die Literaturrecherche aber gezeigt hat, könnte der Abbau in der Kompostierung durch die vorhergehende anaerobe Behandlung beschleunigt werden (Kern et al. 2017; Gröll et al. 2015).

4 Zusammenfassung und Ausblick

Die getrennte Sammlung von Bioabfall ist ein bedeutender Schritt in Richtung Umweltschutz und Ressourcenschonung und trägt damit auch zum Erreichen verschiedener SDGs bei.
Allerdings ergeben sich gerade in der Art der getrennten Sammlung in den Haushalten verschiedene Herausforderungen und Abwägungen, die zu entscheiden sind. Biologisch abbaubare Vorsammelhilfen, v. a. aus abbaubarem Kunststoff, sind bei den Nutzer:innen sehr beliebt, da sie für die Sammlung des Bioabfalls als hygienisch empfunden werden. Durch diese Akzeptanz und Verwendung können sie zur Steigerung der Menge an getrennt gesammelten Bioabfällen beitragen. Allerdings führen gerade die biologisch abbaubaren Vorsammelhilfen aus Kunststoffen zu Problemen und Herausforderungen auf den Bioabfallbehandlungsanlagen bzw. bei der anschließenden Verwertung des Komposts. Gerade in den anaeroben Bioabfallbehandlungsanlagen können die Vorsammelhilfen aus Kunststoff Probleme während der Aufbereitung verursachen, wie sich auch in der Umfrage an die Tiroler Anlagenbetreibenden bestätigt hat. Die Betreibenden berichten von schlechter Abbaubarkeit und erhöhtem Aufwand an den Anlagen.
Als herausfordernd und für die Nutzer:innen verwirrend wird die Logo-Vielfalt für biologisch abbaubare Vorsammelhilfen angesehen. Für eine bessere Handhabung und Erkennbarkeit wäre die Beschränkung auf ein Logo sinnvoll, das dann mit den bestmöglichen Qualitätskriterien hinsichtlich Abbaubarkeit einhergeht.
Ein generelles Problem im Zusammenhang mit Biokunststoffen, die aus natürlichen Rohstoffen und nicht fossilen bestehen, liegt in der Konkurrenz um Lebensmittelrohstoffe. Generell könnten Vorsammelhilfen aus Papier eine umweltfreundlichere Option darstellen und sogar verstärkt zum Gasertrag bei der anaeroben Behandlung beitragen.
Die Umfrage unter den Tiroler Gemeinden bzw. Abfallberater:innen ergab, dass die am meisten angewandte und als am wirksamsten eingeschätzte Maßnahme für ein gutes Trennverhalten die Kontrolle bei der Sammlung ist. Am wenigsten angewandt und als am wenigsten wirksam eingeschätzt werden Informationskampagnen im öffentlichen Raum. Über 50 % der Gemeinden bzw. Abfallberater:innen empfehlen biologisch abbaubare Vorsammelhilfen aus Kunststoff bzw. geben diese aus. Als kontraproduktiv hinsichtlich der Verunreinigung des Bioabfalls mit Plastik bzw. Mikroplastik wird die Empfehlung bzw. Ausgabe von Vorsammelhilfen aus konventionellem Kunststoff angesehen.
Ein weiterer Forschungsbedarf besteht in der eingehenden Analyse der Mikroplastikpartikel im Bioabfall. Es ist von essenzieller Bedeutung näher zu erforschen, ob sich diese Partikel im Laufe der Zeit abbauen, wie lange sie im Boden verweilen und inwieweit sie von Pflanzen und Bodenlebewesen aufgenommen werden. Diese Fragen sind entscheidend, um die langfristigen Umweltauswirkungen zu verstehen.
Um die Effektivität der Bioabfallsammlung zu steigern, sollten weiterhin alternative Wege, wie beispielsweise Verbraucher:inneninformation und Bewusstseinsbildung erforscht werden.
Aufgrund der genannten Probleme und ungeklärten Fragen wird die stattfindende breitflächige Ausgabe und Empfehlung der Vorsammelhilfen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen trotz ihrer möglichen positiven Effekte kritisch bewertet.

Danksagung

Wir bedanken uns bei allen Teilnehmer:innen für die Beantwortung der Umfrage und beim Abwasserverband Großache-Nord für die Zurverfügungstellung der Studie zum Abbauverhalten von Vorsammelhilfen aus Papier.

Förderung

Open-Access-Finanzierung durch die Universität Innsbruck und die Medizinische Universität Innsbruck.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Fußnoten
1
Ebner C, Wehner M, Arthofer A. (2023): Untersuchung des Abbauverhaltens von Vorsammelhilfen aus Papier. Studie im Auftrag des Abwasserverbands Großache-Nord, unveröffentlicht.
 
Literatur
Zurück zum Zitat BioabfallV (1994): Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die getrennte Sammlung biogener Abfälle. BGBl. Nr. 68/1992 idF BGBl. Nr. 456/1994. BioabfallV (1994): Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die getrennte Sammlung biogener Abfälle. BGBl. Nr. 68/1992 idF BGBl. Nr. 456/1994.
Zurück zum Zitat Düngemittelverordnung (2004): Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, mit der Bestimmungen zur Durchführung des Düngemittelgesetzes 1994 erlassen werden (Düngemittelverordnung 2004). StF: BGBl. II Nr. 100/2004 in der Fassung BGBl. II Nr. 155/2022. Düngemittelverordnung (2004): Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, mit der Bestimmungen zur Durchführung des Düngemittelgesetzes 1994 erlassen werden (Düngemittelverordnung 2004). StF: BGBl. II Nr. 100/2004 in der Fassung BGBl. II Nr. 155/2022.
Zurück zum Zitat ÖNORM EN 13432 (2008): Verpackung – Anforderungen an die Verwertung von Verpackungen durch Kompostierung und biologischen Abbau – Prüfschema und Bewertungskriterien für die Einstufung von Verpackungen (konsolidierte Fassung). Austrian Standards International, Wien. ÖNORM EN 13432 (2008): Verpackung – Anforderungen an die Verwertung von Verpackungen durch Kompostierung und biologischen Abbau – Prüfschema und Bewertungskriterien für die Einstufung von Verpackungen (konsolidierte Fassung). Austrian Standards International, Wien.
Zurück zum Zitat Steiner T, Zhang Y, Möller JN, et al. (2022): Municipal biowaste treatment plants contribute to the contamination of the environment with residues of biodegradable plastics with putative higher persistence potential. Scientific Reports 2022 12:1 12 (1): 1–14. https://doi.org/10.1038/s41598-022-12912-z.CrossRef Steiner T, Zhang Y, Möller JN, et al. (2022): Municipal biowaste treatment plants contribute to the contamination of the environment with residues of biodegradable plastics with putative higher persistence potential. Scientific Reports 2022 12:1 12 (1): 1–14. https://​doi.​org/​10.​1038/​s41598-022-12912-z.CrossRef
Zurück zum Zitat VDI 4630 (2016): Vergärung organischer Stoffe – Substratcharakterisierung, Probenahme, Stoffdatenerhebung, Gärversuche. VDI Richtlinie 4630. Verein Deutscher Ingenieure. Düsseldorf VDI 4630 (2016): Vergärung organischer Stoffe – Substratcharakterisierung, Probenahme, Stoffdatenerhebung, Gärversuche. VDI Richtlinie 4630. Verein Deutscher Ingenieure. Düsseldorf
Metadaten
Titel
Erfahrungswerte im Praxiseinsatz von Vorsammelhilfen in der getrennten Bioabfallsammlung mit Fokus auf Tirol
verfasst von
Teresa Weber, BSc
DI Dr. Marco Wehner, MSc
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Anke Bockreis
Publikationsdatum
11.03.2024
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft
Print ISSN: 0945-358X
Elektronische ISSN: 1613-7566
DOI
https://doi.org/10.1007/s00506-024-01038-3