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29.05.2013 | Erneuerbare Energien | Schwerpunkt | Online-Artikel

Die Solarsparte - Entwicklung von Akteuren, Subventionen und internationaler Konkurrenz

verfasst von: Sabine Voith

8 Min. Lesedauer

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"Bosch beschließt Aus für Solarsparte" - das war die Meldung im Mai, die sich an viele ähnliche Meldungen der letzten Monate aus der Solarsparte einreiht. Welche Faktoren dafür verantwortlich sind, dass sich die Branche nach unten entwickelt, lässt sich nicht pauschal sagen, aber genauer betrachten.

Die Entwicklung der Solarsparte lässt sich am Projekt Desertec darstellen. Das Projekt ist verknüpft mit Visionen einer grünen Zukunft. In Marokko erfolgte Anfang Mai der erste Spatenstich für eine insgesamt 700 Millionen Euro teure Pilotanlage des Desertec-Projekts. Das solarthermische Kraftwerk soll mit einer Leistung von 160 Megawatt das größte weltweit werden. Es ist eines der Kraftwerke, das bis zum Jahr 2050 rund ein Fünftel des europäischen Strombedarfs decken soll.

Auch die Münchner Planungsgesellschaft Dii hat sich diesen Visionen bei ihrer Gründung 2009 verschrieben. Mehr als 50 Großkonzerne haben sich ihr seither angeschlossen. Nun steigen bereits die ersten wieder aus. Bosch und Siemens haben ihr Engagement in der Solarsparte eingestellt.

Große Visionen, große Projekte, ein neuer wachsender Markt mit vielen Optionen - so startete die PV-Industrie. Nach nur wenigen Jahren kam für viele, vor allem europäische Firmen, die Ernüchterung und die Öffentlichkeit fragt nach dem Warum. Als Gründe werden eine rückläufige Nachfrage in den wichtigsten europäischen Märkten genannt, der Preisverfall von Solarprodukten, der sich auf den Umsatz und die Marge auswirkt und unsichere politischen Rahmenbedingungen.

Die Lage schien sich in den vergangenen Monaten noch zu verschärfen. Medienberichten zufolge hat die Branche seit Beginn 2012 mehr als ein Drittel ihrer Betriebe verloren. Diesen Februar gab es noch 21 Hersteller von Solarzellen und -modulen in Deutschland. Das sei ein Rückgang von mehr als 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Entwicklung von Akteuren

Bosch Solar Energy, Q-Cells, Sovello und Solon sind einige große deutsche Namen in der Solar-Branchen, deren Geschäftstätigkeit negative Schlagzeilen machte. Selbst der Branchenriese Solarworld spricht von Millionenverlusten, die Aktie ist seit längerem bei unter einem Euro.

Anders geht es der deutschen Firma Singulus. Sie steigerte ihren Umsatz in der Solar-Sparte um 36 Prozent im erst Quartal 2013 im Vergleich zum Vorjahr auf 7,1 Millionen Euro. Damit ist das Unternehmen eines der wenigen, dessen Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal gestiegen ist. Laut Finanznachrichten hatte das Unternehmen 2012 schwere Verluste gemacht und sich danach umstrukturiert. Der Elektrokonzern ABB geht noch einen Schritt weiter und investiert sogar in Krisenzeiten: in den Schweizer Solaranlagen-Zulieferer Power-One. Auch Solarworld schaut in die Zukunft und möchte Teile von Bosch Solar Energy kaufen. Interessant für Solarworld ist vor allem die Solarzellen-Fertigung.

Es gibt also Branchen-Akteure, deren Unternehmensentwicklung weiter positiv verläuft. Allerdings scheinen diesem Schritt Einschnitte vorauszugehen. Der Wechselrichterhersteller SMA hat Stellenkürzungen beschlossen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Bereits im Herbst wurden Mitarbeiter entlassen. Da das Unternehmen im ersten Quartal 2013 rote Zahlen geschrieben hat, wird es nun eine zweite Kündigungswelle geben. Der Umsatz schrumpfte im Vergleich zum Vorjahresquartal um fast die Hälfte auf 212,3 Millionen Euro.

Auch andere Firmen erhoffen sich von "Sanierern", die teils auch aus dem Ausland kommen, erfolgreiche Umstrukturierungsmaßnahmen. Conergy stellte die Zellproduktion ein und fokussiert sich auf die Modulherstellung. Ihren Umsatz steigerte die Firma im ersten Quartal 2013 und hofft auf sich weiter gut entwickelnde Zahlen. Aleo Solar, deren Hauptaktionär Bosch ist, sucht nach neuen Investoren, die die Mehrheitsbeteiligung von 90,7 Prozent von Bosch übernehmen. Das Unternehmen möchte sein US-Geschäft ausbauen und sich stärker als Systemanbieter positionieren.

Doch auch Umstrukturierungsmaßnahmen und Investoren sind kein Garant für eine erfolgreiche Zukunft. Die Firma Sunways hatte einen chinesischen Großaktionär gewonnen. Doch auch dieser scheint das nun eröffnete Insolvenzverfahren nicht zu stoppen. Die Lösung von Siemens war es, die Solarsparte ganz zu verlassen und sich bei den Erneuerbaren Energien auf Wind- und Wasserkraft zu konzentrieren.

Im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen die großen Firmen. In der Solarindustrie sind aber auch viele kleine Firmen tätig, die Größeneffekte nicht nutzen können. Ihnen fehlt das finanzielle Polster. Firmen wie Phoenix Solar planen ihre Verluste ein, das können kleine Firmen nicht.

Fakt ist, dass Unternehmen einige Jahre sehr gut in der Solarsparte wirtschaften konnten. Im Laufe des Jahres 2011 scheint dies gekippt zu sein. Der Autor Gustav Greve erklärt die betriebswirtschaftlichen Seite von Firmen in Krisensituationen im Kapitel "Voraussetzungen und Ursachen für das Organizational Burnout".

Subventionen

Ein Grund für die schlechte Branchenentwicklung ist die Kürzung von Subventionen. Für jede Kilowattstunde Solarstrom, die ein Betreiber einspeist, bekommt er eine festgelegte Vergütung. Wenn diese sinkt, sinkt auch die Rendite einer Anlage. Der Kauf eines Sonnenkraftwerks wird unwirtschaftlich. Die sinkende Nachfrage traf beispielsweise Siemens, die nicht als Hersteller fungierten, sondern die Technik einkauften und als Generalunternehmer für Investoren kleine Solarkraftwerke bauten.

Die Solarindustrie musste diesen Effekt ausgleichen. Unternehmen mussten Modulpreise kürzen oder den Absatz ihrer Produkte erhöhen. Viele Firmen konnten sich diesen Schritten nicht anpassen und gerieten so in eine Krise.

Bei der ersten Subventions-Kürzung im Sommer 2010 wurde noch von flexiblerer Preisgestaltung gesprochen. Die Hoffnung war, dass Subventionen obsolet würden, sobald der Solarstrom so viel koste wie der Strom aus dem Netz. Heute ist Netzparität gegeben, doch der Branche gibt es keinen Aufschwung. Auf schwankende politische Rahmenbedingungen geht der Autor Jürgen Eiselt im Kapitel "Bremsklötze für eine dezentrale Energiewende" ein.

Internationale Konkurrenz

Nicht nur sinkende Subventionen machen der Branche zu schaffen. Auch der Preisdruck und der Abbau von Überkapazitäten sind Gründe für die Misere. Siemens nannte den Preisdruck, der stärker als erwartet gewesen wäre, als einen Grund für seinen Ausstieg aus der Solarindustrie.

Für den Preisdruck wird vor allem die chinesische Konkurrenz verantwortlich gemacht. Die USA reagierten bereits mit Strafzöllen. Nun hat auch die EU-Kommission einen Vorschlag erarbeitet, der am 6. Juni beraten werden soll. Es sollen Strafzölle auf chinesische Solaranlagen erhoben werden. Der Preis von Solarmodulen aus China sank laut Medienberichten zwischen 2009 und 2012 um fast 75 Prozent. Die Preise importierter Solarzellen und Siliziumscheiben, für die künftig auch Einfuhrzölle fällig werden sollen, sanken um 42 Prozent beziehungsweise 40 Prozent.

Solarmodule und deren Zubehör machen einen Großteil der chinesischen Ausfuhren in die EU aus. Der Anteil deutscher Firmen am Gesamtmarkt von 7,5 Gigawatt installierter Leistung lag laut Solarmarktforschung in Berlin im vergangenen Jahr bei 20 Prozent. Der Anteil chinesischer Unternehmen lag bei 54 Prozent. Andere Quellen sprechen von einem Weltmarktanteil chinesischer Firmen von 65 Prozent und einem Anteil in Europa von 80 Prozent.

Die Preispolitik der chinesischen Konkurrenz ist fraglich. Die Vermutung steht im Raum, dass chinesische Firmen ihre Produkte weit unter einem normalen Marktpreis verkaufen würden, um mit Dumping-Preisen die Konkurrenz vom Markt zu drängen. Nach einer Marktbereinigung würden die Firmen dann den Solarmarkt als Marktleader beherrschen. Der Preis für chinesische Solarmodule würde dann steigen und die Unternehmen wirtschaftlich und unabhängig von staatlichen Subventionen machen. Dass auch große chinesische Firmen rote Zahlen schreiben und Insolvenz anmelden müssen, lässt sich am Konzern Suntech ablesen.

Strafzölle sollen den beschriebenen Prozess in der EU stoppen. Sie sollen zwischen 37,3 Prozent und 67,9 Prozent liegen und am 6. Juni in Kraft treten. Sie variieren je nach Hersteller. Die Suntech Power Holdings STP und seine Tochtergesellschaften sollen Zölle von 48,6 Prozent zahlen, LDK Solar 55,9 Prozent, Trina Solar 51,5 Prozent und Jingao Solar 58,7 Prozent. Der durchschnittlichen Zoll soll bei 47,6 Prozent liegen.

Die EU-Kommission untersucht auch, ob chinesische Firmen staatliche Subventionen nutzen und damit gegen internationale Handelsregeln verstoßen. Auf die technische Kompetenz der chinesischen Firmen geht der Autor Andreas Burkert im Artikel "Photovoltaik: Der Wirkungsgrad-Rekord" ein.

Generell sind ausländische Firmen stark vom EU-Markt als weltgrößtem Solarmarkt abhängig. Die Krise auf dem deutschen Markt trifft daher auch sie. Firmen wie die kanadische Firma Canadian Solar hatten dadurch 2012 hohe Verluste. Die Strafzölle werden ihre Situation nicht verbessern, da die Firma Produkte in China fertigt. Die sogenannte OEM-Fertigung betrifft auch deutsche Firmen. Sie haben von der günstigen Fertigung in China seither profitiert. Firmen, die nun von den Strafzöllen betroffen sind, werden sich auf andere Absatzmärkte verlegen oder nochmals ihre Preise anpassen müssen.

Fazit

Einige Firmen versuchen mit Umstrukturierungsmaßnahmen auf die Krise in der Solarsparte zu reagieren. Maßnahmen, die hätten früher ergriffen werden sollen. Der mutige Vorstoß mancher Firmen wirkt sich nun positiv auf die Branche aus.

Die Politik möchte eventuell mit Strafzöllen die internationale Konkurrenz in Schach halten. Modulhersteller aus der EU dürften damit auf eine temporär positive Auswirkung hoffen. Allerdings kommt diese Maßnahmen für die meisten Hersteller zu spät.

Für einen langfristigen Ausblick auf die europäische PV-Industrie werden die politischen Maßnahmen nicht ausschlaggebend sein. Branchen-Akteure erwarten eine Beruhigung des Marktes bis Ende des Jahres - unabhängig von Strafzöllen.

Neben neuen Absatzmärkten und innovativen Produktionsverfahren wird weiter entscheidend sein, die Wirtschaftlichkeit der Produkte im Auge zu behalten. Es gibt eine steigende Nachfrage nach attraktiven Speicherlösungen. Auch in der Forschung und Entwicklung von Solarmodulen steckt weiterhin Potential. Montagesysteme, die den Montageaufwand verringern, sind weiter auf dem Markt gefragt. Solarthermische Produkte, die kühlen und heizen sind gerade erst im Kommen. Auf Solarmodule, deren Zubehör und Speicherlösungen gehen die Autoren Franz Wosnitza, Hans Gerd Hilgers im Kapitel "Erzeugung und Speicherung von Energie" ein.

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