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11.12.2014 | Fahrzeugtechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Zu viel Luftverschmutzung in Europas Städten

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

5:30 Min. Lesedauer

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Trotz aller politischen Maßnahmen und bisherigen Erfolge: Die Luftverschmutzung ist in vielen europäischen Städten immer noch gefährlich hoch. Maßnahmen wie ein "Blauer Engel" für Baumaschinen oder die Förderung der Partikelfilternachrüstung sollen die Luftqualität verbessern.

Jüngst machte die Meldung aus Paris Schlagzeilen, dass die französische Hauptstadt im Kampf gegen die Luftverschmutzung Diesel-Autos in der Stadt verbieten will. Denn gute Luft ist rar in Paris. Und nicht nur dort: Rund 90 Prozent der Stadtbewohner in der Europäischen Union sind schädlichen Luftschadstoffen in Konzentrationen ausgesetzt, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als gesundheitsschädlich eingestuft werden. Dies ist das Ergebnis der aktuellen Bewertung der Luftqualität in Europa, die von der Europäischen Umweltagentur (EUA) veröffentlicht wurde. Trotz sinkender Emissionswerte und des Rückgangs bestimmter Schadstoffkonzentrationen in den letzten Jahrzehnten macht der Bericht deutlich, dass das Luftverschmutzungsproblem in Europa noch lange nicht gelöst ist.

Winzige Feinstaub-Teilchen kommen in Industrie-, Straßenverkehrs- und Heizungsabgasen vor. Ebenso trägt die Landwirtschaft zur Luftverschmutzung bei. Erhebliche Mengen an Ruß werden aber auch von mittelschnelllaufenden Dieselmotoren, wie sie auch für Binnenschiffe verwendet werden, ausgestoßen. Die Teilchen können Asthma, Herz-Kreislauf-Probleme und Lungenkrebs verursachen sowie die Lebenserwartung verkürzen. Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes gibt es jährlich im Schnitt rund 47.000 vorzeitige Todesfälle allein in Deutschland infolge der zu hohen Feinstaubbelastung. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) geht hier sogar von rund 70.000 Toten aus, europaweit von etwa 420.000.

"Blauer Engel" für Baumaschinen

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Zum Beispiel stoßen Baumaschinen große Mengen an gesundheits- und klimaschädlichem Dieselruß aus. Baumaschinen tragen damit erheblich zur lokalen abgasbedingten Feinstaubbelastung bei, wie eine Studie des IFEU Instituts Heidelberg im Auftrag des Umweltbundesamts ergeben hat. Für die Arbeiter auf der Baustelle entsteht ein deutlich erhöhtes Gesundheitsrisiko durch den Ausstoß krebserregender Rußpartikel aus Dieselmotoren.

Daher hat die Jury Umweltzeichen gestern, 10. Dezember 2014, die Einführung eines "Blauen Engels" für lärm- und emissionsarme Baumaschinen beschlossen, wie die DUH berichtet. Das Umweltzeichen soll ab 1. April 2016 gelten. Die DUH fordert die Kommunen auf, die öffentliche Ausschreibung und Beschaffung entsprechend anzupassen: Nur noch neue Baumaschinen mit "Blauem Engel" oder Bestandsfahrzeuge mit nachgerüstetem Dieselpartikelfilter sollen eingesetzt werden dürfen. Gleichzeitig fordert die DUH die Kommunen auf, gemeinsam mit ihr die rasche Entwicklung eines Zeichens für emissionsarme Bestandsfahrzeuge einzufordern.

"Mit der positiven Entscheidung der Jury haben wir einen wichtigen Baustein für den Einsatz rußfreier Baumaschinen erreicht", sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. "Bisher tun sich die Kommunen schwer damit, ausreichend strenge Vorgaben für den Einsatz von Baumaschinen in Umweltzonen und in öffentlichen Ausschreibungen zu verankern. Wir brauchen sie aber dringend, um die Emissionen von Feinstaub und vor allem ultrafeinen Partikeln zu mindern. Mithilfe des "Blauen Engels" gibt es nun für die Kommunen keine Ausreden mehr."

Unbeantwortet sei aber noch die Frage einer ausreichenden Kontrolle. "Um sicherzustellen, dass sich das Umweltzeichen für Baumaschinen als erfolgreiches Qualitätslabel in Ausschreibungen durchsetzt und so sein Umweltpotential voll entfalten kann, muss eine Qualitätskontrolle durch den Zeichengeber sicherstellen, dass die Vergabekriterien tatsächlich eingehalten werden", fordert Resch.

Luftqualität in Europa: EuGH fällt Grundsatzentscheidung

Auch das kürzlich erlassene Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) setzt ein klares Zeichen für eine Verbesserung der Luftqualität in Europa. Der EuGH hatte im vergangenen November in einer Klage gegen das Vereinigte Königreich über die anhaltende Überschreitung von Luftschadstoffgrenzwerten entschieden. Das EuGH-Urteil setzt ein klares Signal zum Vollzug der seit 2008 gültigen EU-Luftreinhalterichtlinie und konkretisiert die Einhaltung der Luftqualitätsstandards für die Mitgliedsstaaten der EU. Der Gerichtshof hat geurteilt, dass die nationalen Gerichte jede erforderliche Maßnahme erlassen müssen, um die Luftgrenzwerte so schnell wie möglich einzuhalten. Die DUH begrüßt die grundsätzliche Entscheidung des EuGH.

Der Inselstaat hatte die Qualitätsgrenzwerte für Stickstoffdioxid in der Luft in 16 Gebieten überschritten. Deshalb hatte die Umweltorganisation ClientEarth im Jahr 2011 Klage eingereicht.

Auf der Grundlage des EuGH-Urteils müssen die Mitgliedstaaten ihre Bemühungen verstärken, um die EU-Luftqualitätsstandards einzuhalten. Denn die zulässigen Grenzwerte für Feinstaub (PM10) und Stickstoffdioxid (NO2) werden nach wie vor in vielen Ländern der EU überschritten. Derzeit laufen Vertragsverletzungsverfahren gegen 17 Mitgliedstaaten wegen Überschreitung der PM10-Grenzwerte und gegen 13 Staaten wegen Nichteinhaltung der NO2-Grenzwerte - darunter auch Deutschland in beiden Fällen.

Kommission mahnt Deutschland wegen Feinstaubbelastung

So hat die Europäische Kommission Deutschland, Österreich und die Slowakei kürzlich zu einem besseren Schutz der Bevölkerung vor Feinstaub (PM10) gemahnt. Für Deutschland geht es konkret um Stuttgart und Leipzig, wo der Tagesgrenzwert für Feinstaub weiterhin überschritten werde.

Die sogenannte mit Gründen versehene Stellungnahme, die die Kommission Ende November versendet hat, folgt einem Aufforderungsschreiben, das Deutschland am 26. April 2013 übermittelt worden war. Sie ist die zweite Stufe in einem insgesamt dreistufigen Vertragsverletzungsverfahren. In einem letzten Schritt könnte die Kommission den EuGH anrufen.

Zuviel NO2 in deutschen Städten

Problematisch ist auch die Belastung der innenstädtischen Bereiche mit Stickoxiden in der Luft. In den vielen deutschen Städten werden die geltenden Grenzwerte für die Belastung mit Stickoxiden dauerhaft überschritten.
Die deutschen Umweltverbände DUH, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) haben daher Anfang Dezember eine Stellungnahme an die EU-Kommission übermittelt, in der sie kurzfristig umsetzbare Maßnahmen zu NO2-Minderung aufzeigen. Anlass ist die Aufforderung der Kommission an die Bundesregierung, angesichts der dauerhaft stattfindenden Grenzwertüberschreitungen nun deutlich zu machen, mit welchen Mitteln der hohen Belastung vor allem in den Innenstädten wirksam begegnet werden soll.

Um die NO2-Belastung in Städten zu mindern, haben die Umweltverbände bereits vergangenen August die Einführung einer Blauen (Umwelt-)Plakette gefordert. Die Plakette soll eine Weiterführung der aktuellen Umweltzonenregelung sein und den Kommunen die Möglichkeit geben, Fahrzeuge mit hohen Stickoxidemissionen aus belasteten Gebieten auszuschließen.

Wiederaufnahme der Filterförderung

Abhilfe für die Schadstoffbelastung soll jetzt auch die Wiederaufnahme der Filterförderung schaffen. 30 Millionen Euro sollen im Jahr 2015 laut Beschluss des Bundestags für die Förderung der Partikelfilternachrüstung zur Verfügung stehen. Mit den bereitgestellten Mitteln könnten etwa 100.000 Fahrzeuge nachgerüstet werden, gibt die DUH an. Nach Ansicht der Umweltorganisation müssen nun schnell die genauen Modalitäten geklärt werden, damit betroffene Autofahrer ihre älteren Diesel-Pkw oder leichten Nutzfahrzeuge der Abgasstufe Euro 3 mit einem Partikelfilter nachrüsten.

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