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2017 | Buch

Geld

Interdisziplinäre Sichtweisen

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Über dieses Buch

Der Band versammelt interdisziplinäre Beiträge zum Thema Geld und bietet erstmalig im deutschsprachigen Raum eine Vielzahl spannender wissenschaftlicher Sichtweisen in verständlicher Form auf dieses populäre Thema. Was bedeutet uns Geld? Wie gehen Gesellschaften mit dem Zahlungsmittel um und was hat Geld mit Vergeltung zu tun? Wie steht es um die Ökonomie von Geben und Nehmen? Ist Geld ein Fetisch, ein Liebesersatz, bedeutet Reichtum glücklich zu sein? Wieso ist Geld unser Feind? Wie wird Geld in der Literatur thematisch? Wie wird Geld zur Sprache? Welchen moralischen Sinn entdecken wir beim Umgang mit Geld? All diesen – und vielen weiteren – Fragen gehen die in diesem Band versammelten Beiträge nach.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Was ist Geld?
Zusammenfassung
Der Beitrag gibt einen ersten Überblick über einige grundlegende Fragestellungen zur Funktionsweise moderner arbeitsteiliger Volkswirtschaften. Bei der Betrachtung der Frühgeschichte sozialer Verbände des Menschen werden zunächst der Naturaltausch und beidseitig akzeptierte Tauschverhältnisse als Basismodell einer mikroökonomischen Theorie analysiert. Das ausführlich erläuterte Prinzip der doppelten Koinzidenz zeigt hier, dass Angebots- und Nachfragewünsche potenzieller Tauschpartner exakt entgegengesetzt sein müssen – eine Situation, in der der Dreieckstausch Abhilfe schafft. Die Einführung eines einheitlichen Zählgutes, eines Marktes und eines gemeinsamen Zeitpunktes würde Tauschgeschäfte vereinfachen. Gischer zeigt, dass bei Definitionsversuchen immer die Funktionsbeschreibung statt intrinsischer Eigenschaften des Geldes im Vordergrund stehen. Der Gebrauch des stoffwertlosen Geldes in einem ungedeckten Verfahren ist dagegen im Wesentlichen abhängig vom Vertrauen der Nutzer. Dem System ist nämlich inhärent, dass keine Garantie des Staates in Bezug auf das in seinen nationalen Grenzen im Umlauf befindliche Geld besteht. Heutige Geldsysteme, so Gischer, bieten keine Rückfallpositionen; Geld wird nicht akzeptiert, weil es Wert hat, sondern es hat Wert, weil es akzeptiert wird. Es repräsentiert keinen Wohlstand; erst die potenzielle Verfügungsgewalt – die in Geld gespeicherte Kaufkraft – macht seinen Besitzer vermögend.
Horst Gischer
Das neoliberale Geldverständnis und der Mythos der Rationalisierung
Zusammenfassung
Der Beitrag setzt sich kritisch mit dem in den Wirtschaftswissenschaften und in Teilen seiner eigenen Disziplin, der Soziologie, noch immer vorherrschenden „neoliberalen“ Verständnis des Geldes auseinander. Dazu stellt er die wichtigsten soziologischen und anthropologischen Argumente vor, die dieser Konzeption widersprechen. Auch dieser Beitrag behandelt das Problem der doppelten Koinzidenz beim Naturaltausch, und es wird bezweifelt, dass es vormonetäre Tauschgesellschaften in der Menschheitsgeschichte tatsächlich gab. Daneben wird auch eine zweite wichtige Eigenschaft des neoliberalen Geldkonzeptes diskutiert, nämlich die These, dass Geld generell neutral sei (so z. B. in der Systemtheorie Luhmanns). Fruchtmann rekurriert in der Frage, ob Geld ein Motor des Fortschritts sei, auf Weber, und charakterisiert Ansätze, die Modernisierung und Monetarisierung mit Prozessen der Rationalisierung identifizieren. Auch Simmels Philosophie des Geldes hat hier eine für die Geldsoziologie zentrale Stellung. Dabei ist die Länge der wirtschaftlichen Handlungsketten bedeutsam, denn sie führe dazu, dass die Bedeutung des Geldes immer weiter zunimmt und dass schließlich aus dem Zwischenzweck Geld ein Endzweck wird. Dabei kommt dem Geld eine Doppelrolle als Zeichen des relativen Wertes der Waren als Tauschmittel und als Wert an sich zu. Die Frankfurter Schule stellt jedoch nicht nur die Auffassung vom Geld als Modernisierungsmotor in ein kritisches Licht, sie hinterfragt auch die Überzeugung von der inhärenten Rationalität des Geldes, der vierten Grundfeste des neoliberalen Geldkonzeptes. Eine den Forschungsstand aus soziologischer Perspektive abschließende Fragestellung bezieht sich dann auf die Transzendenz des Geldes, auf die spannende Frage, ob nicht Geld im Zuge des fortschreitenden modernen Kapitalismus den Ort des sakralen, den sozialen Ort Gottes für die Gesellschaft einnimmt.
Jakob Fruchtmann
„Und es stinkt doch!“ Eine verstehende Analyse von Geld in der Alltagsökonomie
Zusammenfassung
Der Beitrag argumentiert aus soziologisch verstehender Sicht, dass in modernen Gesellschaften Geld – trotz seiner Funktion als generalisiertes Medium und jenseits der orthodoxen ökonomischen Theorie, die Geld keinen Eigenwert zuschreibt – auch gleichzeitig zum „Spezialgeld“ in verschiedenen Wertsphären werden kann. Es transportiert hier auch andere als ökonomische Werte und steht deshalb in einem Spannungsverhältnis zum ökonomischen Wert. Im Alltagshandeln spielt das Aufladen mit und Anhaften von Qualitäten an Handlungen des Gebers bzw. Nehmers moralisch nach wie vor eine wichtige Rolle. Die moralische Ökonomie des Tausches steht daher von der Anlage her der Warenökonomie entgegen, zwischen Markttausch und Gabentausch, so Schrader, existiere eine intrinsische Spannung. Während der Markttausch leistungsbezogen und der Tauschprozess selbst ergebnisorientiert ist, gilt der Gabentausch dagegen als prestigebezogen. Schraders Argumentation zielt auf die Betonung der moralökonomischen Aspekte des Geldes, denn die Moralökonomie begrenzt den Möglichkeitsraum des Geldes und erzeugt eine Spannung, die die Akteure lösen müssen. Hier wird eine klare Sphärentrennung zwischen dem Sozialen und dem Kommerziellen aufrechterhalten.
Heiko Schrader
Geld und Glück – Erkenntnisse aus der ökonomischen Zufriedenheitsforschung
Zusammenfassung
Der Beitrag widmet sich der Frage des Zusammenhangs zwischen Geld und Glück aus der Perspektive der ökonomischen Glücksforschung und bietet einen Überblick über den Stand der Forschung im Bereich der Sozialindikatoren und des subjektiven Wohlbefindens. Geld wird hier nicht im engeren wirtschaftswissenschaftlichen Sinne verstanden, sondern es geht um die individuelle Verfügungsgewalt über materielle Ressourcen, die es uns ermöglichen, unsere Wünsche und Bedürfnisse zu befriedigen. Der Logik der Wahlmöglichkeiten entsprechend führt mehr Geld zu mehr individuellem Wohlbefinden. Je wirtschaftlich leistungsfähiger eine Gesellschaft ist, um so mehr sind ihre Mitglieder grundsätzlich in der Lage, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Der Beitrag stellt Verfahren zur Messung des individuellen und gesellschaftlichen Wohlbefindens mit Hilfe psychologischer und anderer sozialwissenschaftlicher Methoden vor. Knabe vergleicht die Aussagekraft des Bruttoinlandsprodukts mit objektiven Wohlfahrtmaßen und diskutiert, wie subjektives Wohlbefinden gemessen werden kann und wie es durch Einkommen und Wirtschaftswachstum beeinflusst wird. Obwohl im internationalen Kontext ein positiver Zusammenhang zwischen Lebenszufriedenheit und Nettoeinkommen nachzuweisen ist, finden sich keine überzeugenden empirischen Hinweise, dass allgemeines Wirtschaftswachstum zu mehr Lebenszufriedenheit führen muss (Easterlin-Paradox). Daraus lässt sich aber nicht zwingend schlussfolgern, dass Wirtschaftswachstum nicht zu einem besseren Leben der Menschen beitragen kann.
Andreas Knabe
Geld in der Psychologie: Vom Homo oeconomicus zum Homo sufficiensis
Zusammenfassung
Der Beitrag ist mit der Bedeutung des Geldes in der Psychologie befasst. Hierzu werden die Rolle der Wahrnehmung und die Bedeutung von Geld für das persönliche Glück und die individuelle Zufriedenheit erörtert. Es wird diskutiert, ob Geld das individuelle Verhalten anderen gegenüber und sogar das eigene Befinden verändert. Dabei zeigt sich, dass die Einschätzung des Geldwertes subjektiv ist und sich zudem nach der Wirtschaftskraft einzelner Länder unterscheidet. Entgegen der weitläufigen Meinung, dass Geld glücklich macht, sind die Zusammenhänge zwischen Geld und Zufriedenheit eher schwach. Geld kann über die Entwertung kleiner Glücksmomente unsere Zufriedenheit sogar senken. Zudem wird gezeigt, inwiefern die Wirkung von Geld mit den Zielen psychologischer Untersuchungen konkurriert, da sie womöglich nur das Weltbild des Homo oeconomicus anspricht und damit als eine Art Gegenspieler der Psychologie fungiert. Der Beitrag diskutiert deshalb den Homo sufficiensis als einen Gegenentwurf zum Homo oeconomicus. Der Homo sufficiensis ist nachhaltigkeitsmotiviert und verzichtet auf persönlichen Gewinn, um der Umwelt, anderen Menschen und zukünftigen Generationen etwas Nützliches zu erweisen. Daher werden abschließend Möglichkeiten beleuchtet, die Nachhaltigkeitsmotivation und den freiwilligen Geldverzicht zu fördern.
Liane Hentschke, Alexandra Kibbe, Siegmar Otto
Mehr als Schall und Rauch: Namen als Kapital und wertvolles geistiges Eigentum
Zusammenfassung
Der Beitrag zeigt, dass Namen nicht nur Schall und Rauch sind, wie dies uns das Sprichwort glauben machen möchte, sondern Kapital und wertvolles Eigentum. Namen bilden vor allem in der Wirtschaft die Grundlagen für Erfolg oder Misserfolg von Produkten, und so erklärt sich auch der Handelswert von Produktnamen, die stets kundenbezogen und mit großer Sorgfalt ausgewählt oder entwickelt werden. Die Bereitschaft von Firmen, für die Namen ihrer Produkte oft sehr viel Geld auszugeben, führt uns vor Augen, wie stark die Verkaufszahlen von der richtigen Namengebung abhängen. Auch wenn die Identifikation eines Referenzobjekts als Grundfunktion aller Namen angesehen werden kann, vermitteln insbesondere Namen in der Wirtschaft suggestiv Werte und Vorstellungen. Und so stellt das mit dem Namen verbundene positive Bild von Produkten einen fundamentalen Wert dar. Bergien legt dar, dass das mit Abstand größte Kapital von Unternehmen die Marke an sich ist, obwohl sie primär durch den Verkauf ihrer Produkte Geld verdienen. Dabei kann der Wert einer Marke zwischen 20 und 94 % des gesamten Unternehmenswertes ausmachen.
Angelika Bergien
Von Mitteln, Medien und Gaben: Moderne Philosophien des Geldes
Zusammenfassung
Der Beitrag geht exemplarisch der Frage nach, welchen substantiellen Beitrag die Philosophie zum Verständnis des Geldes leisten kann, der sich einerseits nicht in kulturkritischen Invektiven erschöpft, und der andererseits über die Ergebnisse von Einzelwissenschaften hinausgeht. Einstellungen der antiken Philosophie zum Geld, die durch mehrfache Frontstellung gegen das Geld charakterisiert sind, so argumentiert Hetzel, finden ihr Echo in einer ganzen Reihe von Versuchen, den Wahrheitsbezug der Philosophie von ökonomischen Nützlichkeitserwägungen nicht nur zu trennen, sondern Geldwert und Wahrheitsgeltung als ein Verhältnis wechselseitigen Ausschlusses zu denken. Bei Aristoteles ist Geld nur ein Mittel für andere Zwecke und deswegen können nur Lust, Ehre und Wahrheit als Endziele des Menschen aufgefasst werden, nicht aber das Streben nach einem bloßen Mittel. Geld verfüge bei Aristoteles jedoch über die Kraft, alle anderen Güter in Mittel zur Vermehrung des Geldes zu verwandeln und damit zu entsubstantialisieren. Die Philosophie der Neuzeit schließe sich der antiken Skepsis in Bezug auf das Geld an, so Hetzel. Von Jean-Jacques Rousseau bis Karl Marx und Friedrich Nietzsche wird dabei immer wieder die Tendenz des Geldes kritisiert, sich in alle Selbst- und Weltverhältnisse einzuschreiben, alle Wahrheiten und Werte zu entwerten. Georg Simmels Philosophie des Geldes als Medientheorie nutzt methodisch die von Marx propagierte Verwechslung und Vertauschung aller Dinge, für die Geld verantwortlich gemacht wird. In einem zweiten Abschnitt setzt sich Hetzel dann mit jenen Theorien auseinander, die nicht bereit sind, der Diagnose von Marx und Simmel zu folgen und stellt dabei die Theorie von Marcel Mauss zur Gabe, die gerade nicht mit der Forderung einer Bezahlung oder Gegengabe einhergeht, in den Mittelpunkt. In Jacques Derridas Mauss-Rezeption bleibt die Gabe im Rahmen der Ökonomie auf die Möglichkeit einer Gegengabe bezogen. Wir sind, so Derridas Beobachtung, immer schon eingelassen in eine wirtschaftliche, libidinöse und semiotische Gabenökonomie, in einen geldförmigen Zyklus des Gebens und Empfangens. Der Beitrag endet mit der Forderung nach einer kritischen Sozialphilosophie, die nicht vorschnell ein Bild universeller und irreversibler Monetarisierung unserer Weltverhältnisse zeichnet.
Andreas Hetzel
Geld als metaphysisches Zahlungsmittel?
Zusammenfassung
Der Beitrag legt dar, wie die Rolle des Geldes bis zum Zeitalter der Aufklärung in ihrer Bedeutung weiterentwickelt wurde. Sah Nikolaus von Kues im Geld noch eine Metapher für jenes theologische Verhältnis, in dem der Mensch zu Gott steht, erfuhr die Rolle des Geldes bei Francis Bacon eine Säkularisierung: Es ging nun nicht mehr um die Transzendenz, sondern um die Immanenz menschlichen Zusammenlebens. Breunig argumentiert, dass bei Locke der Schritt in die ausschließliche Immanenz insofern ebensowenig vollzogen sei wie bei David Hume, als der Bezug auf die Menschheit als ganze doch eine unbedingte Größe einführt, wie sie auch im theosophischen Verständnis des menschlichen Lebens unter dem Verhältnis zu Gott vorlag. Auch Jean-Jacques Rousseau hat auf die Menschheit als ganze Bezug genommen, jedoch dergestalt, dass Besitzverhältnisse nicht im Naturzustand, sondern erst im Übergang zur Zivilisation stattfinden können. Damit ist bei Rousseau als einzigem der in diesem Beitrag behandelten Denker das Geld aus einer möglichen Transzendenz herausgenommen und kann eine tiefsinnige metaphorische Bedeutung nicht mehr annehmen. Adam Smith sah das wirtschaftliche Geschehen als Gestaltung eines allgemeinen Vollzugs der Menschheit, welcher das Glück meint, neigte dabei aber bisweilen zur Individualisierung dieses Vollzugs. Für Marx musste Smith immer noch in einem Zusammenhang der Transzendenz stehen, und so kritisiert er das Konzept der Arbeitsteilung bei Smith als „Apotheose der Teilung der Arbeit“, während er selbst sich in seinem ökonomischen Werk nur mit der Immanenz befasste.
Hans Werner Breunig
Zwischen avaritia und curiositas: Wahrnehmungsweisen von Geld in Mittelalter und Früher Neuzeit
Zusammenfassung
Der Beitrag geht der Frage nach, wie die Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit das Thema Geld reflektiert. Dabei stellt sie ihre Analyse des 1509 anonym gedruckten Prosaromans Fortunatus in den Mittelpunkt. Im Übergang von Mittelalter zur Frühen Neuzeit wird Geld hier im Spannungsfeld von Rationalität und einer Magie reflektiert, die dem unerklärlichen Reichtum die Kausalität eines Zauberrequisits unterstellt. Der Beitrag zeigt zunächst die historische Semantik des Wortes gelt auf, um daran eine Deutungsperspektive der höfischen Literatur um 1200 zu skizzieren. Der höfische Roman, jene Gattung, die dem adligen Selbstverständnis des 13. Jahrhunderts in symbolischer Überhöhung ein Bild zu geben sucht, reflektiert das Thema Geld in seinem ursprünglichen Wortsinn. Es geht um gelten und vergelten, und damit ist Geld im höfischen Erzählen ein Tauschmittel, das zwar die Möglichkeit der Wertaufbewahrung bietet, aber dabei nicht im Sinne materieller Güter gedacht ist, sondern von gesellschaftlicher Geltung die Rede ist. Der Beitrag wendet sich dann Personifikationen und Pseudo-Sakralisierungen des Geldes zu. Dabei werden didaktische und satirisch-polemische Ausdrucksstrukturen mit einem theologischen Bezugsrahmen verknüpft und abschließend einem mediengeschichtlichen Vergleich zwischen dem Roman Fortunatus und dem bekannten Gemälde Der Geldwechsler und seine Frau von Quinten Massys unterzogen.
Almut Schneider
Geldmangel, Kollekten und Kredite in Zeiten der Not. Ein Magdeburger Szenario 1681/1682
Zusammenfassung
Der Beitrag zeigt am Beispiel der Mittellosigkeit Magdeburgs während der Pest 1681/82 exemplarisch die Möglichkeiten der Geldbeschaffung, des Geldtransfers, des Umtauschs unterschiedlicher Währungen sowie des Kredit- und Wechselgeschäfts auf. Dabei fällt der Blick nicht nur auf Kreditunternehmen, sondern auch auf die Abwicklung von Geldgeschäften oder die Überweisung von Geldern im städtischen, kaufmännischen oder privaten Alltag. Ausgehend von Kollekten für die verarmte Stadt Magdeburg und deren Organisation in den drei Hansestädten Hamburg, Bremen und Lübeck verfolgt der Beitrag die Parallelität der zum Teil sehr schnellen ebenso wie der traditionellen Geldbeschaffung durch Vorschüsse, Kredite, Wechsel oder aber die Verschickung schwerer Geldsäcke, deren Münzen gezählt und umgewechselt werden mussten.
Eva Labouvie
„Tolles Geld“: Geld, Unternehmertum und Kommerz in der russischen Literatur
Zusammenfassung
Der Beitrag bietet einen Überblick über die Geschichte des russischen Kaufmanns und Unternehmers von den Anfängen bis in die Gegenwart. Dabei stehen die unterschiedlichen Codes im Zentrum der Betrachtung, die in der Literatur- und Kulturgeschichte genutzt werden, um Geld transparent und lesbar zu machen. Die Entwicklung der russischen Literatur im 19. Jahrhundert sei ohne die Kommerzialisierung des Buchmarktes nicht möglich gewesen, so Goes. Während in dieser Zeit eher der Vertrag zwischen dem Buchhändler und dem Dichter abgeschlossen wurde, gab es in der Sowjetepoche einen zwischen Staat und Schriftsteller. Das Geldsujet unterscheidet sich sehr stark in den künstlerischen Realisierungen in der Zeit der Romantik, des Realismus, des sozialistischen Realismus und in der postsozialistischen Zeit. Während im 16. Jahrhundert Geld noch im Zusammenhang mit Magie stand, wird es in der Zeit der Aufklärung verurteilt, weil es die Menschen korrumpieren kann. Man beginnt fiktionale Geschichten mit Geldschicksalen in Verbindung zu bringen, und damit rückt der Unternehmer als Figur ins Zentrum literarischer Aufmerksamkeit, Goes diskutiert hier Gogols Roman Die toten Seelen und das Drama Tolles Geld von Alexander Ostrowskij. Tolles, unverdientes, nicht selbst erworbenes Geld steht gegen gescheites, wohlverdientes Geld. Das ist ein Thema, das sich seit dem 18. Jahrhundert bis zum Beginn der Oktoberrevolution (und auch noch später) durch die Literatur zieht. Literatur und Buchmarkt – die Beziehungen zwischen Künstler und Kommerz – werden dann wichtiges Thema in diesem philologischen Beitrag. Ist Geld eine Triebkraft des Dichterischen? Die Ökonomisierung der Literatur wurde in der Literatur selbst aufgegriffen und reflektiert, wie die Beispiele von Alexander Puschkin, Iwan Turgenjew, Fjodor Dostojewskij, und Lew Tolstoi zeigen. Es kristallisiert sich das Argument heraus, dass Geld gar nicht neutral und jenseits von Moralvorstellungen ist, sondern „immer die Schwachen durch Geld vergewaltigt würden“ (Tolstoi).
Gudrun Goes
„,Money, O drug!‘ said I aloud, ‚what art thou good for?‘“: Geld und Ökonomie in Robinson Crusoe (1719)
Zusammenfassung
Der Beitrag befasst sich mit dem 1719 erschienenen Roman des britischen Vielschreibers Daniel Defoe, Robinson Crusoe, und stellt fest, dass vordergründig pekuniäre Gegenstände oder ökonomische Diskurse auf dem vom Protagonisten 28 Jahre bewohnten Inselreich keine Rolle zu spielen scheinen. Dennoch hat die geld-, waren- und ökonomieorientierte Mentalität des Protagonisten auf mentalitätsgeschichtlich höchst einflussreiche Weise populäre Diskurse zu Geld, Ökonomie sowie zum Menschen und seiner sozialen wie natürlichen Umwelt bestimmt. Als ‚typischer‘ Repräsentant des frühkapitalistischen Zeitalters spiegelt Defoes Romanfigur die Paradoxien und den Anpassungsdruck einer in ihrer Stabilität und Sicherheit erschütterten schnelllebigen Welt des Austauschs und Handels. Der Protagonist Robinson Crusoe schafft während seines Inselaufenthalts immerhin aus eigener Kraft sukzessiv einen Mikrokosmos der Zivilisation. Als Homo oeconomicus interessiert ihn dabei allein die rationale Nutzbarmachung von Zeit, Natur und Menschen. Diese rationalistisch-utilitaristische Einstellung wird in diesem Beitrag eingehender mit Bezug auf den höchst ambivalenten Protagonisten des Romans erörtert.
Laurenz Volkmann
The Fiction of Money: Geld im zeitgenössischen englischen Roman
Zusammenfassung
Der Beitrag versucht das Verhältnis von Literatur und Geld anders als Hörisch nicht als Konkurrenzverhältnis zu beschreiben, sondern bestenfalls als eine win-win-Situation. Ausgehend von der Iserschen Literaturanthropologie wird hier eine spannungsreiche Beziehung diskutiert, in der sich Texte wie Geld verhalten: Für beide ist ein Potenzial charakteristisch, das sich erst durch transformatorische Akte konkretisieren und realisieren läßt. Aufgrund dieser Gemeinsamkeit von literarischem Text (insbesondere des Romans) und Geld wird am zeitgenössischen englischsprachigen Roman gezeigt, wie Geld innerfiktional in dem Masse seinen virtuellen Charakter verliert, wie die Handlung wieder an traditionelle Handlungsmuster anknüpft. Geld ist nicht nur in der Realität ein Handlungskatalysator, sondern auch in der Fiktion.
Susanne Peters
Metadaten
Titel
Geld
herausgegeben von
Susanne Peters
Copyright-Jahr
2017
Electronic ISBN
978-3-658-15061-7
Print ISBN
978-3-658-15060-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-15061-7