2008 | OriginalPaper | Buchkapitel
Geschichte der Armut im abendländischen Kulturkreis
verfasst von : Gerhard K. SchäferSchäfer
Erschienen in: Handbuch Armut und Soziale Ausgrenzung
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Armut ist eine relative, in den jeweiligen politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Kontext eingebettete Größe. Im abendländischen Kulturkreis, dessen Einheit im Christentum wurzelte, war Armut allgegenwärtig und eine ständige Bedrohung. Abgesehen davon, wie der biblischen Überlieferung in der Praxis entsprochen wurde, konnte es innerhalb der kulturellen Einheit des Abendlandes eine breite Skala sozialer Einstellungen im Blick auf die Armut geben, weil der metaphorische Charakter der religiösen Sprache und die Vielschichtigkeit des biblischen Verständnisses von Armut eine Anpassung an veränderte Situationen und unterschiedliche Interpretationen neuer Phänomene ermöglichten. Armut trat in der Geschichte des Abendlandes unterschiedlich in Erscheinung. Dies zeigt sich terminologisch darin, dass die Begriffe pauper und paupertas (arm, Armut) verschiedene Bedeutungen gewannen: Stand seit dem 6. Jahrhundert zunächst die fehlende Teilhabe an der gesellschaftlichen Macht im Vordergrund, so bildete seit der Jahrtausendwende die ökonomische Not den Kern dessen, was durch den Begriff Armut bezeichnet wurde. „Arm“ konnte sich in der mittelalterlichen Gesellschaft sowohl auf fehlende Ressourcen für ein angemessenes ständisches Leben beziehen als auch auf Gruppen, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst sichern konnten. Freiwillige und unfreiwillige Armut wurden unterschieden, aber auch aufeinander bezogen. In der abendländischen Geschichte der Armut lassen sich Wendepunkte grob markieren: Bis ca. 1100 dominierte ein in der Feudalordnung verankertes Verständnis von Armut im Sinne der Abhängigkeit der „Armen“ von den potentes. Mit dem Widererstehen der Stadtkultur und dem Vordringen der Geldwirtschaft in Mittel- und Westeuropa seit dem 11.