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2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

Gleichwertigkeit im Reich der Ungleichheit – Bildung als komparativer Berufs- und Lebensvorteil

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Zusammenfassung

Der folgende Aufsatz über die gesellschaftliche Bedeutung von Bildung ist eine Geschichte der Ungleichwertigkeit. Bildung hat einen schwankenden Eigenwert, abhängig von ihrem Gebrauchs- und Tauschwert. Ihr Gebrauchswert bewirkt zunehmende Ungleichheit, ihr Tauschwert zumindest zeitweilige Gleichheit.

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Fußnoten
1
Der bekannte Kinderreim illustriert dies. „Haste was, biste was. Biste was, haste was.“ – Und: „Haste‘ nichts, biste nichts. Biste nichts, haste nichts.“ Betrachtet man jenen kausalen Zusammenhang, dann stellt sich die Frage, wie man von dem einen zu dem anderen Zustand gelangen könne. Die Antwort ist: Durch Bildung.
 
2
Es ist bildungstheoretisch schwierig, einen (absolut) neutralen Maßstab für die Feststellung von Gleich- oder Ungleichwertigkeit von Bildungsabschlüssen einzuhalten – „relativ“ neutrale Maßstäbe gibt es ohnehin nicht. Diese Nichtneutralität betrifft auch den Einfluss des Arbeitsmarktes. Man mag zeitweilig mit einem spezifischen Ausbildungsabschluss einen komparativen Konkurrenzvorteil haben, dies sagt aber lediglich etwas über eine aktuale Verwertbarkeit von Bildung aus, nichts über ein Gebildetsein. Wettbewerbsvorteile sind konjunkturellen Umständen unterworfen, wirkliche Bildung konjunkturunabhängig und zeitlos. Dennoch hat eine angemessene Spezialisierung und Spezifizierung in der Geschichte immer ihre Berechtigung gehabt. Zugleich gilt: Auch eine hohe allgemeine Bildung kann ein komparativer Vorteil sein (…) Der Streit um eine Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung erhält eine Wendung. Wer hat womit die höheren Wettbewerbsvorteile?
 
3
Welcher Art diese Rechtfertigung ist, erweist sich als soziologisches Problem. Es ist nicht allein das juristisch kodifizierte Recht, welches als Maßstab gilt. Es gibt Sachverhalte, für die es keine direkte Rechtsprechung gibt. Luhmann erwähnt u. a. den „gleichen Zugang aller Schichten zur Rechtsprechung (…) gleiche oder ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen für gleiche Arbeit; Gleichheit der Bildungschancen“ (Luhmann 1992: 409). Darüber zu befinden, sei nur insofern möglich, „wenn und soweit Gleichheit als solche einen Wert darstellt“ (1992: 409). Jede Entscheidung ist anfechtbar – ein Plädieren für Gleichheit kann m. E. ebenso falsch sein wie ein Beharren auf Ungleichheit. Es kommt zu einer „leichten und festen Allianz von Ideologie und Empirie, indem ein Ungleichheitsfeststellungs- und -beklagungsbedarf“ je nach den Umständen beurteilt werden (Luhmann 1992: 409).
 
4
Die Übersicht markiert den semantischen Spannungsbogen und veranschaulicht, dass sich Gleichwertigkeitsentscheidungen über Bildungsabschlüsse zumeist in einem subjektiven Spielraum bewegen.
 
5
Solche, wie auch viele andere „Ent-Scheidungen“ sogenannter Entscheidungsträger sind pragmatisch. Sie folgen nicht dem Kriterium wahr/falsch, sondern der Maxime der Notwendigkeit: Der Dogmatismus fordere, dass man endlich entscheiden müsse. Oder er warnt, dass man nicht entscheiden darf. Der Skeptizismus ist Beidem gegenüber zurückhaltend, abwägend, zögerlich. Jede Entscheidung könnte zu einem Präzedenzfall werden (…) Entscheidungen wohnt ein skeptisches und dogmatisches Moment inne – offen, welches sich durchsetzen wird.
 
6
Ein Absolvent der in der DDR üblichen „Berufsausbildung mit Abitur“ würde hier möglicherweise antworten: „Meine Bücher waren – neben Mathematik, Physik, Chemie und Deutsch – jene Jahre, die ich als Lehrling im Betrieb gearbeitet habe. Dabei habe ich mehr gelernt als aus zehn gymnasialen Lehrbüchern.“ Allein dies verweist auf das Dilemma, das mit aller Gleichwertigkeit verbunden ist. Ein Abitur kann man nachholen, Bildung nicht.
 
7
Im „Revisionswerk“ wirft Peter Villaume (1785) jene alternative Frage auf, „ob und in wie fern bei der Erziehung die Vollkommenheit des einzelnen Menschen seiner Brauchbarkeit aufzuopfern sey?“ – Eine Frage, auf die es keine endgültige Antwort geben kann, nur subjektive Annäherungen von geschichtlicher Geltung.
 
8
Zweckfreiheit ist ein absoluter – Zweckmäßigkeit ein relativer Begriff. Zweckfreie Bildung muss sich in einem übermächtigen „Reich der Zwecke“ behaupten – in einer Welt herrschender Zweck-Mittel-Rationalität (Kant 2008: 76 ff.). Folgt man der Philosophie Kants, dann hat Bildung keinen Zweck außer sich, sondern immer nur in sich selbst (2008: 76 f.). Bildung ist deshalb auch kein Mittel zur Erreichung anderer Zwecke. Sie ist die subjektive Voraussetzung rationalen Handelns, aber nicht dessen Zweck selbst.
 
9
Studienbewerber:innen, die einen Facharbeiter- oder Meisterabschluss, jedoch kein Abitur haben, werden (versuchsweise) für ein Ingenieurstudium immatrikuliert, obwohl bereits von vornherein Bedenken bestehen. Es gibt wohl wenige Fälle, wo ohne Hochschulreife erfolgreich ein Diplom erlangt werden konnte. Dennoch gibt es gute Gründe, an einer solchen Chancengerechtigkeit – nicht Chancengleichheit – festzuhalten.
 
10
Unter anderem Niklas Luhmann hat sich mehrfach mit der Soziologie des Entscheidens beschäftigt. Die Betrachtungen zur „Legitimation durch Verfahren“ (1969) werden mit „Ausdifferenzierung des Rechts“ (1981) vertieft. Demnach werden Legitimierungen von Entscheidungen durch Verfahren begründet, in denen eine Abstimmung in einer Kommission herbeigeführt worden ist, so dass sich eine gewisse Mehrheit ergibt. Die Rechtfertigung dieser Legitimation geht von dem Glauben aus, dass intersubjektive Meinungen weniger subjektiv seien als eine unerreichbare Interobjektivität. Wer die alltägliche Arbeitsweise von Kommissionen kennt, weiß, dass diese niemals frei sind von subjektiver Befindlichkeit, vom Einfluss von Hierarchie und Rhetorik. Neben sachlogischen Zwängen und juristischen Gegebenheiten spielen nicht selten „psychische Mechanismen“ eine Rolle (Luhmann 1983: 35). Das Verfahren entwickelt eine sich selbst legitimierende Funktion: Tendenzen zunehmender Erträge sowie bestehende Fremderwartungen beeinflussen das Zustandekommen einer Entscheidung. Die Verfahrenslogik erhält eine Entlastungsfunktion, eine Pilotentscheidung eine Orientierungsfunktion. Luhmann selbst nennt das Verfahren ein „soziales System“, welches durch eine Entscheidungstheorie gestützt wird (1983: 38 f.; 1999: 448 f.). Theorie wirkt entlastend, da ansonsten schwelende Konflikte zwischen Dogmatismus und Skeptizismus zu bleibender Entscheidungslosigkeit führen würden. Gesetze unterliegen einer Rechtsdogmatik, Kommissionsentscheidungen einem Rechtsskeptizismus.
 
11
Zu dieser eigentümlichen eher impliziten Logik gehört der Umstand, dass positive Entscheidungen keiner ausführlichen Rechtfertigung bedürfen, während negative Bescheide einem Begründungszwang ausgesetzt sind. Damit wird nicht nur die Entscheidung selbst, sondern auch deren Begründung auf einen rechtlichen oder moralischen Prüfstand gestellt. Diese Transparenz bewirkt einen objektivierenden Einfluss auf den Entscheidungsprozess.
 
12
Bereits Adam Smith stellt 1776 fest, dass ein Unterricht in den mechanischen Künsten und der Geometrie für manchen sinnvoller sei als ein stümperhaftes Latein (vgl. Smith 1984, S. 169).
 
13
Gelehrte, die in Deutschland für Physik und Chemie berufen werden sollen, weisen eine Art Zusatzstudium bei Gay-Lyssac an der Sorbonne oder bei Berzelius in Stockholm nach – ein komparativer Vorteil, der ihre Berufungschancen vergrößert. Die Bildungsbiographien von Justus Liebig, Friedrich Wöhler, Eilhard Mitscherlich und anderen Chemikern und Physikern bestätigen diese tendenzielle Entwicklung, gleichermaßen üblich u. a. in Preußen, Baden, Hessen und Bayern.
 
14
Zu den wenigen, die die Einrichtung einer Handelshochschule befürworteten, gehörten die Leipziger Professoren Wilhelm Roscher und Abraham Adler sowie Viktor Böhmert von der TH in Dresden.
 
15
Bei den üblichen berufspädagogischen Erwähnungen der von Johann Julius Hecker 1747 in Berlin gegründeten Realschule wird oft vergessen, dass neben der Kgl. Realschule auch ein Gymnasium zu dessen Ressort gehörte. Hecker will nach dem Vorbild des Pädagogiums in Halle ein ebenso würdiges Gymnasium entfalten. Indes: August Hermann Francke genoss die Förderung durch den preußischen König, diese Gunst muss sich Hecker erst erdienen. Sowohl seit 1698 in Halle existierende Kgl. Pädagogium, das 1766 in Züllichau eingerichtete Kgl. Pädagogium sowie das 1836 in Putbus/Rügen gegründete Kgl. Pädagogium erfreuen sich einer Finanzierung durch das preußische Ministerium – städtische Gymnasien haben es insofern schwerer, so dass beim Personal und den Laborräumen keine Gleichwertigkeit bezüglich der Trägerschaft besteht. Finanziell bewirkte Wettbewerbsvorteile erscheinen ungerecht – gleichzeitig erscheinen Gleichverteilungen als keine Alternative.
 
16
Auch die mittleren Gewerbeschulen definierten häufig für ihre Bewerber eigene Zulassungsbestimmungen, die einer Art Abitur gleichkamen. So legte die 1832 gegründete Gewerbeschule Kassel fest, dass den dortigen Bewerbern für ein „Lehrfach an mittleren Gewerbeschulen“ eine Ergänzungsprüfung abverlangt wurde, „die derjenigen eines Abituriums eines Realgymnasiums entspricht“ (Lipsmeier und Münk (Hrsg.) 2019: 206 ff.). Dahinter verbergen sich mithin nicht nur eine, sondern gleich mehrere Gleichwertigkeitsbestrebungen.
 
17
Die Diskussionen über das Bildungsniveau der lateinlosen Oberrealschule belegen die Untersuchungen von Detlef K. Müller (1987: 97, 2003: 141), wonach sich drei Zeiträume unterscheiden lassen: 1883–1892, 1893–1925 und 1926–1936 (Müller 2003; 151).
 
18
Die curricularen Unterschiede sind unübersehbar, das Latein wird zum Fetisch (Paulsen 2015: 750 ff.).
 
19
Die 1850 in Hamburg gegründete „Hochschule für das weibliche Geschlecht“ ist ohne Zweifel originär und von symbolischer Bedeutung, wenngleich sie aus verschiedenen Gründen bereits nach zwei Jahren wieder geschlossen wird. Von vornherein erhält hier das Moment gleichwertiger „universitärer“ Studieninhalte und gleichrangiger akademischer Prüfungen einen hohen Stellenwert. Hinzu kommt die wissenschaftliche Anerkennung des Lehrkörpers, das wohl schwierigste Problem für eine Akzeptanz als Hochschule. Die Vorlesungsinhalte sind denen der Universitäten ähnlich: Philosophie, Mathematik, alle üblichen Naturwissenschaften, Englisch, Französisch, Literatur sowie Erziehungslehre, verteilt auf jeweils sechs Wochentage (Conrad und Michalik 1999: 239).
 
20
In den USA sind Frauen bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts zum Studium an Universitäten zugelassen, u. a. in Utah (1850), Iowa (1860), Kansas (1866), Minnesota (1869), Kalifornien (1870) (Bebel 1950: 344).
 
21
Ein chronologischer Überblick über die entsprechende Hochschulpolitik in den damaligen Staaten im 19. Jahrhundert findet bei Bebel (1950: 342 ff.).
 
22
Edith Stein richtet ab 1919 nach ihrer Promotion (1916) bei Edmund Husserl mehrere Anträge an verschiedene Universitäten, um sich zu habilitieren (u. a. Göttingen, Freiburg, Breslau und Kiel). Ein letzter vergeblicher Versuch folgt 1931 bei dem Philosophen Martin Honecker (1888–1941) in Freiburg. Nach mehreren Ablehnungen richtet sie 1919 an das Hessische Ministerium für Volksbildung eine Anfrage. Antwort: „Die Zulassung einer Dame zur Habilitation begegnet immer noch Schwierigkeiten“ (Stein 2008, Band 2: 51). Husserl selbst schreibt in seinem Gutachten: „Sollte die akademische Laufbahn für Damen eröffnet werden, so könnte ich sie an allererster Stelle u. aufs wärmste für die Zulassung zur Habilitation empfehlen.“ Letztlich wird Heidegger dessen Nachfolger, Husserl wird 1933 die Lehrbefugnis entzogen, Edith Stein kommt 1942 im Konzentrationslager Auschwitz um. Ein Kapitel des Kampfes um Gleichwertigkeit ist zu Ende.
 
23
Schlüter nennt es eine „ungleiche Gleichheit“. Eine formale Feststellung von Gleichwertigkeit behält den bleibenden Makel einer Zuerkennung einer nicht durch Leistung erworbenen Gleichrangigkeit (Schlüter 1987b: 194). Die historisch-kritische Analyse trägt dazu bei, die „Ungleichheit in der Gleichheit“, u. a. in einer „patriarchalisch-kapitalistischen Gesellschaft“ transparent zu machen (Schlüter: 199).
 
24
Aus einer Arbeiterfamilie zu stammen, ist ein politisches Privileg. Nach einer Quotenreglung wurden Arbeiterkinder bei der Auswahl für einen zum Abitur führenden Bildungsgang und eine Zulassung zum Studium bevorzugt. Immer wieder hat es – wenn auch statistisch wenige – Fälle gegeben, wo Kindern u. a. aus einer Pfarrerfamilie beides versagt war. Nur auf Umwegen gelang es den Betreffenden zum Teil, das Abitur zu erlangen und studieren zu dürfen. Ein heute wenig bekannter Weg war damals auch, das Abitur durch einen mehrere Jahre dauernden Abendunterricht an einer Volkshochschule zu erwerben. Die postulierte Chancengleichheit war zumindest in den ersten Jahren der DDR eine ungleiche Gleichheit: Gleiches Recht auf Bildung für diese, vorenthaltenes Recht auf Individualität für jene.
 
25
Die Entwicklung der Vorstudienanstalt ist nachgezeichnet in der Dissertation des damaligen Direktors Heinz Kursitza der ABF an der TH-Dresden (Kursitza 1953: 183 ff.).
 
26
Allein an den in der DDR verschiedenen Formen der Hochschulreife lassen sich polemische Gleichwertigkeitsüberlegungen anstellen. Auch zeigt sich hier der historische Kontext einer vermeintlichen Gleichwertigkeit. Da nach Ende des Krieges dringend Techniker und Ingenieure sowie Gewerbelehrer für die Berufsschulen benötigt werden, ist man zu Kompromissen geradezu gezwungen. Die DDR-Geschichte durchläuft folgende Phasen: 1945–1959: Acht Jahre Grundschule plus vier Jahre Oberschule; 1959–1965: Acht Jahre Polytechnische Oberschule plus vier Jahre „Erweiterte Oberschule“, später zehn plus zwei Jahre. Seit Mitte der 60er Jahre besteht die Möglichkeit des Besuchs der zehnklassigen Polytechnischen Oberschule und einer sich anschließenden insgesamt dreijährigen Berufsausbildung mit Abitur: in bildungstheoretischer Hinsicht keinerlei Gleichwertigkeit – in historischer Hinsicht eine sich mehr oder weniger praktisch bewährte Gleichrangigkeit. Es gibt mithin eine rechtlich garantierte Gleichrangigkeit von Bildungsgängen und es gibt eine sich praktisch durchsetzende Gleichwertigkeit – unterschiedlich in Zugangsvoraussetzung und Schulzeitdauer – oft relativ gleichwertig im praktischen Leben.
 
27
Der fragwürdige Kompromiss ist mit mehreren Einschnitten verbunden: Für einen Facharbeiterabschluss waren normalerweise zwei Jahre erforderlich, für die 11. und 12. Klasse bis zum Abitur ebenfalls zwei Jahre. Durch eine Reihe inhaltlicher und zeitlicher Abstriche werden die eigentlich notwendigen vier Jahre auf drei Jahre reduziert. Abstriche beim Abitur betreffen die Fächer Kunst und Musik sowie die Fremdsprachen Russisch und Englisch, während an den Erweiterten Oberschulen auch Französisch und Latein angeboten werden. Da die Abiturprüfungen zentralisiert waren, gab es keine Abstriche in den sogenannten Hauptfächern. Die Vorbereitungen auf das Abitur leiden zudem unter den Unterbrechungen durch die Arbeitswochen der berufspraktischen Ausbildung im Betrieb. Offensichtlich nur mit einem hohen individuellen Engagement ist es gelungen, den schulischen und späteren universitären Anforderungen gerecht zu werden. Allerdings kann nicht festgestellt werden, dass zwischen den Studierenden mit unterschiedlichen Abiturformen qualitative Unterschiede bezüglich der Studienleistungen beobachtbar gewesen wären. Eine dreijährige Form, die nach der 10. Klasse eine Berufsausbildung und gleichzeitig ein Abitur einschließt, bleibt eine Illusion und wäre m. E. unter heutigen Anforderungen erfolglos. Die in der DDR ideologisch behauptete Gleichwertigkeit war ein wirtschaftliches Erfordernis der Heranbildung u. a. von Hochschulingenieuren – ein politisches Zeichen, dass der wissenschaftlich-technische Nachwuchs vor dem Studium eine betriebliche Ausbildung durchlaufen hat. Diese eigentliche Ungleichwertigkeit zu den Absolventen der Erweiterten Oberschulen war gewollt.
 
28
So üblich es ist, dem Arbeitsmarkt fiktiv jene Entscheidungskompetenzen zuzuschreiben, so üblich sind Formulierungen der Art: „Das Weiße Haus hat entschieden …“, „Der Heilige Stuhl …“ oder neuerdings: „Das politische Berlin …“ Solcherart Substantivierungen suggerieren einen fragwürdigen Mythos an Macht.
 
29
Nach Bourdieu gibt es ein ökonomisches, ein soziales und kulturelles Kapital – und schließlich ein „Bildungskapital“ (dazu Bourdieu 1982: 179 ff.). Wissen ist ein Kapital, dessen Zinsen Bildungskapital bringt.
 
Literatur
Zurück zum Zitat Bebel, A. (1950). Die Frau und der Sozialismus. Berlin: Dietz Bebel, A. (1950). Die Frau und der Sozialismus. Berlin: Dietz
Zurück zum Zitat Bourdieu, P. (1982). Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Bourdieu, P. (1982). Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp
Zurück zum Zitat Conrad, A., Michalik, K. (Hrsg.) (1999). Quellen zur Geschichte der Frauen. Neuzeit (Bd. 3). Stuttgart: Reclam Conrad, A., Michalik, K. (Hrsg.) (1999). Quellen zur Geschichte der Frauen. Neuzeit (Bd. 3). Stuttgart: Reclam
Zurück zum Zitat Kant, I. (2008). Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Köln: Anaconda Kant, I. (2008). Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Köln: Anaconda
Zurück zum Zitat Kursitza, H. (1953). Die Arbeiter-und-Bauern-Fakultät. In K. Koloc (Hrsg.), 125 Jahre Technische Hochschule Dresden (1828–1953) (S.183–190). Dt. Verlag der Wissenschaft Kursitza, H. (1953). Die Arbeiter-und-Bauern-Fakultät. In K. Koloc (Hrsg.), 125 Jahre Technische Hochschule Dresden (1828–1953) (S.183–190). Dt. Verlag der Wissenschaft
Zurück zum Zitat Lipsmeier, A, Münk, D. (Hrsg.) (2019). Biographisches Handbuch der Berufs- und Wirtschaftspädagogik sowie des beruflichen Schul-, Aus-, Weiterbildungs- und Verbandswesens. Stuttgart: Franz Steiner Lipsmeier, A, Münk, D. (Hrsg.) (2019). Biographisches Handbuch der Berufs- und Wirtschaftspädagogik sowie des beruflichen Schul-, Aus-, Weiterbildungs- und Verbandswesens. Stuttgart: Franz Steiner
Zurück zum Zitat Luhmann, N. (1983). Legitimation durch Verfahren. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Luhmann, N. (1983). Legitimation durch Verfahren. Frankfurt a.M.: Suhrkamp
Zurück zum Zitat Luhmann, N. (1992). Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Luhmann, N. (1992). Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp
Zurück zum Zitat Müller, D. K. (1987–2003). Datenhandbuch zur deutschen Bildungsgeschichte (2 Bde.). Göttingen: Vandenhoeck Müller, D. K. (1987–2003). Datenhandbuch zur deutschen Bildungsgeschichte (2 Bde.). Göttingen: Vandenhoeck
Zurück zum Zitat Münk, D. (2020). Komparative Wettbewerbsvorteile der Berufsbildung gegenüber der Allgemeinbildung. Anmerkungen zu einem schwierigen Trade-Off aus nationaler, europäischer und internationaler Perspektive. Bildung und Erziehung, 73(4), 394–406 Münk, D. (2020). Komparative Wettbewerbsvorteile der Berufsbildung gegenüber der Allgemeinbildung. Anmerkungen zu einem schwierigen Trade-Off aus nationaler, europäischer und internationaler Perspektive. Bildung und Erziehung, 73(4), 394–406
Zurück zum Zitat Paulsen, F. (2015). Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten. Norderstedt: Vero Paulsen, F. (2015). Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten. Norderstedt: Vero
Zurück zum Zitat Schlüter, A. (1987a). Quellen und Dokumente zur Geschichte der gewerblichen Berufsbildung von Mädchen. Köln, Wien: Böhlau Schlüter, A. (1987a). Quellen und Dokumente zur Geschichte der gewerblichen Berufsbildung von Mädchen. Köln, Wien: Böhlau
Zurück zum Zitat Schlüter, A. (1987b). Neue Hüte, alte Hüte? Gewerbliche Berufsbildung für Mädchen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Düsseldorf: Schwann Schlüter, A. (1987b). Neue Hüte, alte Hüte? Gewerbliche Berufsbildung für Mädchen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Düsseldorf: Schwann
Zurück zum Zitat Smith, A. (1984). Eine Untersuchung über das Wesen und die Ursachen des Reichtums der Nationen (Bd. 3). Berlin Smith, A. (1984). Eine Untersuchung über das Wesen und die Ursachen des Reichtums der Nationen (Bd. 3). Berlin
Zurück zum Zitat Stein, Edith (2008). Edith-Stein-Gesamtausgabe (ESGA). Freiburg: Herder Stein, Edith (2008). Edith-Stein-Gesamtausgabe (ESGA). Freiburg: Herder
Metadaten
Titel
Gleichwertigkeit im Reich der Ungleichheit – Bildung als komparativer Berufs- und Lebensvorteil
verfasst von
Dieter Grottker
Copyright-Jahr
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-37897-4_10

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