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2004 | Buch

Governance und gesellschaftliche Integration

herausgegeben von: Stefan Lange, Uwe Schimank

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Buchreihe : Governance

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einleitung

Frontmatter
Governance und gesellschaftliche Integration
Zusammenfassung
Eine Leitorientierung des Nachdenkens über die moderne Gesellschaft wird seit jeher — sowohl im Alltagsdenken und in der politischen Öffentlichkeit als auch in den relevanten Sozialwissenschaften — in der Frage zum Ausdruck gebracht: Was sind die Formen, Bedingungen und Möglichkeiten gesellschaftlicher Ordnung? Der Ordnungsbegriff umfasst dabei nicht nur Stabilität im Sinne eines Gleichbleibens von gesellschaftlichen Strukturen, sondern schließt solche Arten des sozialen Wandels mit ein, die schrittweise einem erkennbaren Ablaufmuster folgen und eine eindeutige gewollte Richtung aufweisen — also keine erratischen, turbulenten Veränderungen oder revolutionären Umbrüche, wohl aber allmähliche Entwicklungstendenzen oder auch zyklische Schwankungen sowie inkrementalistische Reformen.
Stefan Lange, Uwe Schimank

Governance und Systemintegration

Frontmatter
Staatliche Medienpolitik und die Politik der Massenmedien: Institutionelle und symbolische Steuerung im Mediensystem
Zusammenfassung
Die Rolle, die Massenmedien in der modernen Gesellschaft einnehmen, rechtfertigt es, diese als eine „Mediengesellschaft“ zu bezeichnen. Medien durchdringen immer stärker und engmaschiger alle gesellschaftlichen Bereiche („Mediatisierung“) und erlangen aufgrund ihrer hohen Beachtungs- und Nutzungswerte gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit und Anerkennung. Sie werden mehr und mehr zur Voraussetzung für die Informations- und Kommunikationspraxis aller gesellschaftlichen Akteure. Medien ermöglichen Publizistik, d.h. öffentliche Kommunikation mittels Thematisierung i.S. eines anhaltenden und offenen Selbstverständigungsprozesses innerhalb der Gesellschaft (vgl. Jarren/Donges 2000a: 21; Donges 2000: 18/19). Durch publizistische Kommunikation über die Medien werden die Gesellschaft und ihre Teile mit einem Hintergrundwissen versorgt, das gesellschaftsweite Kommunikation — und damit den Zusammenhang von Gesellschaft überhaupt — erst ermöglicht: „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“ (Luhmann 1996: 9). Massenmedien leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Integration der Gesellschaft (vgl. Janen 2000 sowie die Beiträge in Imhof/Jarren/Blum 2002).
Otfried Jarren, Patrick Donges
Wie nützlich darf Wissenschaft sein? Zur Systemintegration von Wissenschaft, Ökonomie und Politik
Zusammenfassung
Das Problem der Systemintegration basiert auf der Denkfigur, dass die funktional differenzierten Teilsysteme der Gesellschaft die Neigung zu „operationaler Geschlossenheit“ haben und hierdurch notwendige Koordination erschwert wird. Dem Rationalitätsgewinn, der durch Differenzierung entsteht, steht ein Integrationsverlust gegenüber. Je nach Theorie werden unterschiedliche Lösungen für dieses Problem präsentiert, die von der „organischen Solidarität“ Durkheims bis zur „strukturellen Kopplung“ Luhmanns reichen.
Dietmar Braun
Governance im Gesundheitswesen: Systemintegration zwischen Verhandlung und hierarchischer Steuerung
Zusammenfassung
Die Integration verschiedener Teilsysteme der modernen Gesellschaft (Systemintegration) stand in den letzten Jahrzehnten oft nur am Rande gesellschaftswissenschaftlicher Problemanalysen (vgl. Schimank 2000: 449; Schimank/Lange 2003). Das Gesundheitswesen stellt hier einen Ausnahmefall dar: Die systemintegrativen Schwierigkeiten — vor allem im Verhältnis zum Wirtschaftssystem — werden zunehmend als Kernproblem der deutschen Gesellschaft gesehen, wie im zweiten Abschnitt gezeigt wird. Im dritten Abschnitt werden die Ursachen dieser Integrationsprobleme und mögliche systemtheoretische Therapieoptionen diskutiert. Die Probleme der Systemintegration des Gesundheitswesens hängen eng mit den speziellen Steuerungsmechanismen in diesem Bereich zusammen Im vierten Abschnitt werden daher die institutionellen Ordnungen der deutschen Gesundheitspolitik vorgestellt und im Hinblick auf ihren Beitrag für die Erklärung der Integrationsprobleme des Gesundheitswesens analysiert. Dabei wird gezeigt, dass die vorherrschenden Verhandlungsstrukturen im Gesundheitswesen aus verschiedenen Gründen zu den besonderen Integrationsproblemen beitragen. Daher werden im fünften Abschnitt die Präferenzgrundlagen und Konstellationen der wichtigsten korporativen Akteure im Hinblick auf die Möglichkeiten einer Problemlösung durch hierarchische Steuerung dargestellt. Der abschließende Ausblick diskutiert die Chancen und Probleme einer grundlegenden Umgestaltung des Gesundheitswesens mit dem Ziel einer langfristigen Reduktion der Integrationsprobleme. Leitfrage des Beitrags ist somit, ob und wie sich die Integrationsprobleme des deutschen Gesundheitswesens in Zukunft lösen (lassen) werden.
Nils C. Bandelow

Governance und Sozialintegration

Frontmatter
Die Steuerung staatlicher Inklusion: Staatsbürgerschaftsregime im Vergleich
Zusammenfassung
„Keine gesellschaftliche Figur ist dynamischer als der Bürger“. Mit dieser apodiktischen Feststellung hat Ralf Dahrendorf (2000: 133) die Erfolgsgeschichte des Bürgers auf den Punkt gebracht. Über Jahrhunderte hinweg war er „Agens und Moyens“ aufstrebender gesellschaftlicher Gruppen und stand für all jene Pate, die sich von unterschiedlichsten Formen der Abhängigkeit und Unterdrückung befreiten. Vielleicht liegt es an dieser historisch einzigartigen Stellung, dass in jüngerer Vergangenheit der Bürger zur Schlüsselfigur und die Staatsbürgerschaft zum Dreh- und Angelpunkt einer Vielzahl politischer Debatten und gesellschaftlicher Auseinandersetzungen geworden sind. Diese Konjunktur ist nicht auf den politischen Bereich beschränkt geblieben, denn längst gilt den Sozialwissenschaften Staatsbürgerschaft bzw. Citizenship 1 als zentraler Begriff der Analyse der Sozialintegration moderner Gesellschaften. Was genau aber ist die Staatsbürgerschaft?
Jürgen Mackert
Soziale Integration durch politische Kampagnen? Gesellschaftssteuerung durch Inszenierung
Zusammenfassung
Politische Herrschaft ist in liberalen Demokratien Herrschaft auf Zeit. Die politischen Repräsentanten sind im konkurrenzdemokratischen Wettbewerb um Abgeordnetensitze und Regierungspositionen gezwungen, die Stimmen der Wähler in regelmäßigen Abständen zu mobilisieren und für sich zu gewinnen. Politische Legitimation durch Wahlen setzt unabdingbar politische Vermittlungs- und Kommunikationsleistungen voraus (vgl. Sarcinelli 1998), denn die politischen Akteure sind darauf angewiesen, sich und ihre politischen Ziele und Handlungen öffentlich zu präsentieren, die Wähler über anstehende politische Planungen und Entwicklungen zu informieren und für die eigenen Handlungsprogramme Unterstützung zu generieren. Gesellschaftliche Modernisierungsprozesse haben zur fortschreitenden Auflösung traditioneller Wählermilieus und zur Zunahme von Wechselwählern geführt und damit den Bedarf an kommunikativer Überzeugungsarbeit gesteigert. Systemische Veränderungen, wie die zunehmende Komplexität gesellschaftlicher Problemlagen und die aus vielfältigen Gründen abnehmende Steuerungsfähigkeit des politischen Systems, werden von politischen Akteuren mit einer Flucht in die symbolische Politik und damit einer Aufwertung der Darstellungsebene des Politischen gegenüber der Entscheidungsebene kompensiert.
Sigrid Baringhorst
Local Governance und gesellschaftliche Integration
Zusammenfassung
Die Verstärkung gesellschaftlicher Integrationsprobleme hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Politikwissenschaft ihren Blick wieder stärker auf die lokale Ebene richtet. Offenbar wird man sich bewusst, dass die Funktionen, die die lokale Ebene für das gesamte politisch-administrative System wahrnimmt, auch zu einer Reduzierung der gesellschaftlichen Integrationsprobleme beitragen können. Drei wichtige politische Funktionen der Kommunen lassen sich unterscheiden: die soziale Integrationsfunktion, die Innovationsfunktion und die Optimierungsfunktion (vgl. Holtkamp 2001).
Jörg Bogumil, Lars Holtkamp

Governance und ökologische Integration

Frontmatter
Governance zur Bewahrung von Gemeinschaftsgütern. Grundprobleme und Institutionen der Umweltpolitik
Zusammenfassung
Umweltpolitik, einst ein marginalisiertes Themenfeld von lokalem Artenschutz und dem blauen Himmel über der Ruhr, ist aufgrund weltweiter Änderungen der menschlichen Produktion und Konsumption zur „Weltumweltpolitik“ geworden; sie ist eines der beherrschenden politischen Themen und eine Governance-Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Insbesondere die wachsende Verbrennung fossiler Öl- und Kohlevorkommen verschärft durch die Freisetzung von Kohlendioxid den natürlichen Treibhauseffekt des Erdsystems. Geophysikalische Änderungen werden wahrscheinlich, etwa ein weltweiter Anstieg des Meeresspiegels, regionale Klimaänderungen mit verheerenden Folgen für den Ackerbau und eine Zunahme von Wirbelstürmen und anderen Naturkatastrophen. Drastischere Folgen sind durchaus vorstellbar, etwa der Ausfall des Golfstroms, der Europas mildes Klima bestimmt, oder eine Richtungsänderung des asiatischen Monsuns. Diese weltweiten Umweltveränderungen werden als globalisierte Risiken durch das kollektive Verhalten aller Akteure produziert. Die ökologische Problemdimension wuchs über die reine Umweltverschmutzung und Vernutzung längst hinaus. Heute stehen die komplexen Wechselwirkungen von reflexiver Moderne, Erdsystem und menschlicher Entwicklung zur Debatte. Die Produktion globaler Risiken, so zutreffend Ulrich Beck (1986: 25–31), hat die Produktion gesellschaftlichen Reichtums abgelöst. „Atemlos und zerrissen“, so der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, stürmt die Welt ins neue Jahrhundert (WBGU 2000: 13). I.S. einer ökologischen Integration gilt nun, dass die „Reproduktionsfähigkeit der modernen Gesellschaft [...] entscheidend auch davon ab[hängt], dass sie sich innerhalb der von der Natur gesetzten Grenzen [...] auf einem langfristig bestandssicheren Pfad bewegt“ (Schimank 2000: 453).
Frank Biermann, Philipp Pattberg
Mediation und Nachhaltigkeit. Zur politischen Integration ökologischer Kommunikation
Zusammenfassung
Politik hat in der modernen Gesellschaft die Funktion, durch kollektiv bindendes Entscheiden Probleme, die von allgemeiner Bedeutung sind, zu lösen bzw. zu deren Lösung beizutragen. Kurz gefasst: Politische Systeme besitzen die universale Zuständigkeit zur Entscheidung von Problemen, die das Gemeinwohl betreffen. Dies gilt insbesondere für die heutigen Demokratien, deren Souverän nach offizieller Lesart das Volk ist. Es stellt sich allerdings die Frage, wie sich angesichts der Komplexität dessen, was politisch entschieden werden soll, herausfinden lässt, welche Probleme das Gemeinwohl betreffen. Und wodurch wird gewährleistet, dass sich auch die endgültige Problemlösung am Gemeinwohl orientiert? Wie also wird sichergestellt, dass die Selektion und Integration1 dessen, worüber letztlich entschieden wird, mehrheitlich als legitim erscheint?
Kai-Uwe Hellmann
Kultur und Institution als intervenierende Faktoren in umweltpolitischen Governance-Regimen
Zusammenfassung
Wenn man Politik vor allen Dingen als Interessenkampf verschiedener Machtkonstellationen versteht, in dem einzelne oder korporierte Akteure einem reinen Nutzenkalkül unterworfen sind, dann erscheint die Frage nach politischer Kultur oder gar nach Kultur als „intervenierender Variable“ obsolet. Die Orientierung an Werten scheint im politischen Feld dem Nutzenkalkül unterworfen zu sein. Dennoch kam in den letzten Jahren nicht nur von Seiten einer an Deutungsmustern interessierten Soziologie, sondern auch von Seiten der politikwissenschaftlichen Forschung immer stärker der Gedanke auf, kulturelle Faktoren in die Politikfeldforschung zu integrieren (vgl. Héritier 1995; Jasanoff 1987). Der wichtigste Beitrag hin zu dieser Veränderung ist dabei methodischen Erwägungen zu verdanken: Die Komparatistik versucht, durch Vergleich zu verstehen. Sollten unterschiedliche Gesellschaften bei sehr ähnlichen Problem- und Interessenlagen zu unterschiedlichen Politikoutputs gelangen, kann die Erklärung sich logischerweise nicht mehr in der Wahrnehmung von Interessenkämpfen ergehen. Zum einen wird es wichtig, in welchem gesellschaftlichen Rahmen (frame) derartige Interessenkämpfe stattfinden,1 zum anderen gewinnt aber zugleich die gesellschaftliche Definition dessen, worum es eigentlich konkret geht, an Bedeutung. Die Umweltpolitik bot sich hier sehr frühzeitig als Untersuchungsfeld an, weil alle Industrienationen in den 1970er Jahren sehr ähnliche Probleme hatten und auch die Interessenlagen nicht besonders variierten. Ist Kultur ein wichtiger Faktor um zu erklären, warum Umweltpolitik in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich gemacht wird? Diese Frage muss aus heutiger Sicht unbedingt bejaht werden.
Claudia Jauß, Carsten Stark
Backmatter
Metadaten
Titel
Governance und gesellschaftliche Integration
herausgegeben von
Stefan Lange
Uwe Schimank
Copyright-Jahr
2004
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-663-10188-8
Print ISBN
978-3-8100-4134-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-663-10188-8