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2010 | Buch

Handbuch Bildungsfinanzierung

herausgegeben von: Heiner Barz

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einführung: Finanzierung von Bildung

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Bildungsfinanzierung: Aktualität, Grundlagen, Unschärfen

Alljährlich im Herbst wiederholt sich ein eigenartiges Ritual. Die OECD stellt ihr Zahlenwerk „Education at a Glance“ (EaG; dt.: Bildung auf einen Blick) vor und stellt der Bildungsrepublik Deutschland ein schlechtes Zeugnis aus. Neben der alljährlichen Mahnung, Deutschland müsse mehr Abiturienten und Akademiker „produzieren“ um international nicht den Anschluss zu verlieren, steht immer auch die Höhe der Bildungsausgaben am Pranger. Deutschlands Bildungsausgaben liegen unterhalb des OECD-Durchschnittswerts, diese Meldung beherrscht dann für einige Tage die Medien. Im OECD-Report vom September 2009 heißt es beispielsweise, dass in Deutschland nur 4,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung zur Verfügung stehe. Der OECD-Mittelwert liege dagegen bei 5,5 Prozent. Man muss nicht auf Gegenrechnungen deutscher Finanzminister zurückgreifen um gegenläufige Thesen zu begründen, man findet sie in ein und demselben OECDBericht: „Bei Betrachtung der Ausgaben pro Schüler/Studierenden liegt Deutschland mit 7.900 US Dollar

über

dem OECD-Durchschnitt von 7.800 US-Dollar und dem EU-19- Durchschnitt von 7.600 US-Dollar.“ Was auf den ersten Blick vielleicht wie eine Verwechslung aussehen mag, ist in der Sache durchaus richtig. Es stimmt tatsächlich beides: Die deutschen Bildungsausgaben liegen sowohl über wie unter dem OECD-Durchschnitt. Je nachdem, welche Kennziffer man betrachtet – und je nachdem, welche politischen Absichten man verfolgt. Die in der BRD höheren Pro-Kopf-Ausgaben erklären sich vor allem aus der demographischen Entwicklung: Länder mit sinkenden Schüler- und Studentenzahlen haben naturgemäß tendenziell geringere Bildungsausgaben – aber durch die Verteilung auf weniger Schüler und Studenten kann pro Kopf mehr Geld zur Verfügung stehen. Es liegt auf der Hand, dass beispielsweise die GEW oder die KMK aus demselben Datenwerk für völlig konträre Positionen Argumente beziehen können.

Heiner Barz
Das deutsche Bildungsbudget: Grundbegriffe, Eckdaten und Erweiterungen

„Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts“ – das gilt auch für das Bildungswesen. Die Bildungsausgaben, die durch Bund, Länder und Kommunen ebenso finanziert werden, wie durch private Haushalte, Unternehmen und Bildungsträger werden im Bildungsbudget zusammengefasst. Unterschieden wird dabei grundsätzlich in Ausgaben für den Bildungsprozess (Bildungsausgaben 1. Grades) und Ausgaben für den Lebensunterhalt der Bildungsteilnehmer (Bildungsausgaben 2. Grades). Letztere werden im Bildungsbudget allerdings nur soweit erfasst, wie es sich um Zuschüsse bzw. Zuwendungen aus öffentlichen Haushalten handelt.

Dieter Dohmen

Bildungsfinanzierung: Ideologie, Tradition, Innovation

Frontmatter
Nutzen und Notwendigkeit ökonomischer Perspektiven auf Bildung

Bei der Diskussion um die zukünftige Gestaltung der Bildungspolitik in der Bundesrepublik hat die Frage nach einem zeitgemäßen Bildungskonzept seit langem Hochkonjunktur. In dieser Debatte herrscht weitgehend Einigkeit in der Auffassung, dass unsere Bildungssysteme zukunftssicher, sozial gerecht und finanzierbar gestaltet werden müssen, wenn Deutschland nicht den Anschluss an seine internationalen Wettbewerber verlieren will. Diese Aufgabe erscheint umso dringender, als sich im OECD-Vergleich die Mängel des bundesdeutschen Bildungssystems offenbaren, blickt man auf die hohen Abbrecherquoten, die weit überdurchschnittlich langen Studiendauern und erkennbare Schwierigkeiten der Absolventen, sich auf dem Arbeitsmarkt adäquat zu positionieren (OECD 2008: 92ff.). Gleichzeitig besteht jedoch Dissens in der Frage, auf welchem Wege dies zu erreichen ist und welche Rolle dabei ökonomische Perspektiven spielen sollen (Krol 2006: 67-89, BIBB 2000, Stifterverband 2008, Krautz 2007, Münch 2009, Nida-Rümelin 2006).

Christian Werner
Ökonomische Perspektiven auf Bildung – Beobachtungen zu deutschen Widerständen

Seit der Veröffentlichung internationaler Leistungsvergleichsstudien Ende des 20./Anfang des 21. Jahrhunderts steht das Bildungssystem in der Öffentlichkeit unter erheblichem Entwicklungsdruck. Dieser ist zum einen normativ und zielt auf eine Erhöhung der Chancengleichheit, zum anderen verweist er auf den durch die demographische Entwicklung verschärften zunehmenden Mangel bzw. Bedarf an hoch qualifizierten Absolvent/-innen und Arbeitskräften. Lösungsmöglichkeiten durch Ökonomisierung, Privatisierung und Effizienzsteigerung stehen im Raum und werden immer vehementer gefordert. Doch soll und kann sich das deutsche Bildungswesen in Richtung Ökonomisierung entwickeln? Der Widerstand in Deutschland ist groß. „Bildung ist keine Ware“ ist dabei nur ein Schlagwort. Die Ablehnung bezieht sich dabei sowohl auf die theoretische Diskussion von Bildung unter ökonomischen Perspektiven als auch auf die reale Ökonomisierung von Bildung. Woher kommt die Ablehnung der Ökonomie in der Bildung? Als Hauptgrund für die Ablehnung ökonomischer Denk- und Handlungsweisen im Bildungsbereich wird meist die in Deutschland starke Tradition des humanistischen Bildungsideals angeführt. Es gibt jedoch noch mindestens zwei weitere Gründe: den traditionell eher konservativen Bildungsstaat mit seinem Subsidiaritätsprinzip sowie die im Bildungsbereich starken konservativen und sozialdemokratischen Interessengruppen.

Tabea Raidt
Bildungsfinanzierung neu denken! Alternative Modelle der Bildungsfinanzierung.

Das Bildungswesen steht – wie in vielen anderen Ländern so auch in Deutschland – zukünftig vor der Herausforderung, wachsende Anforderungen an die Leistungsfähigkeit mit begrenzten Haushaltsmitteln umsetzen zu müssen. Steigende Leistungsanforderungen sind dabei nicht die einzige Herausforderung, mit der sich das deutsche Bildungssystem konfrontiert sieht. Zahlreiche Gutachten und Expertisen prangern zudem die Ineffizienz der bestehenden Finanzierungsstrukturen im deutschen Bildungssystem an (Klemm 2005, IW 2006). Der Vorwurf lautet, dass der gegenwärtige Modus der Bildungsfinanzierung zu Defiziten und Fehlallokationen im Bildungssystem führt. Nicht nur die im internationalen Vergleich unterdurchschnittlichen Bildungsergebnisse, sondern auch soziale Ungleichheiten bei der Verteilung von Bildungszugängen und -abschlüssen werden als Indikatoren genannt, an welchen die Probleme in der Finanzierung und Regulierung des deutschen Bildungssystems abzulesen sind (vbw 2004: 24f.).

Iris Pfeiffer, Simone Kaiser, Manon Rani Sharm
Bildungsfinanzierung in Deutschland im Licht der Lebenszyklusperspektive: Gerechtigkeit im Widerstreit mit Effizienz?

Unterschiedliche Lebensverläufe der Menschen lassen sich zu einem gehörigen Teil darauf zurückführen, ob sie eine qualitativ hochwertige Bildung erfahren haben oder nicht. So geht längere und qualitativ hochwertigere Bildung systematisch mit geringerer Arbeitslosigkeit, höherem Erwerbseinkommen und höherem volkswirtschaftlichem Wachstum einher (vgl. Hanushek/Wößmann 2008). Insofern können Bildungsausgaben als Investitionen verstanden werden, die in Zukunft greifbare Erträge bringen.

Ludger Wößman
Gender Budgeting in der Bildungsfinanzierung

Im Kontext europäischer Gleichstellungspolitik, demografischer wie sozioökonomischer Veränderungen sowie auch bildungs- und wissenschaftspolitischer Problemlagen hat die Diskussion um Anteile und Benachteiligungen von Frauen – und neuerdings auch Jungen – in Bildung und Forschung deutlich zugenommen. Hier geht es z.B. darum, wie sich Vorbilder und das Geschlecht des pädagogischen Personals in den verschiedenen Bildungsstufen und Fachbereichen sowie Fachdidaktiken auf die Förderung und Entwicklung von Mädchen und Jungen auswirken: Die meisten Beschäftigten im Bereich der frühkindlichen Erziehung und Bildung sind weiblich, die Mehrheit der Lehrkräfte anschließend auch. Es fehlen damit oft Erziehungspartner und eine zielgruppengerechte Ansprache für Jungen, z.B. im Sprachunterricht. Mädchen und junge Frauen können dafür im Allgemeinen nicht nachhaltig für die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer begeistert werden.

Birgitt A. Cleuvers
Bildungsfinanzierung: Politische Zuständigkeiten und soziale Benachteiligungen

Beide Begriffe – Bildungsfinanzierung und Bildungspolitik – erwecken den Eindruck, als gäbe es eine Vorstellung über das, was zur „Bildung“, was zum „Bildungsbereich“ gehört, dass der Kindergarten mit der Sekundarausbildung, die Weiterbildung mit dem Studium, die Grundschule mit der Berufsausbildung verwoben ist, dass die Erfolge in dem einen Bereich das Fortkommen im anderen beeinflussen. Anders ausgedrückt: Dass der Kindergarten als Teil des Bildungswesen gestaltet werden müsste und weniger als Bewahranstalt für Kinder berufstätiger Mütter, dass die Weiterbildung und die Berufsbildung nicht vorrangig Teil der Arbeitsmarktpolitik, die Universitäten nicht Untergliederungen der Wirtschaftsministerien sind, dass die Kindergärtnerinnen eher Aufgaben haben, die denen der Grundschullehrerinnen ähneln – und deshalb auch vergleichsweise ausgebildet und bezahlt werden müssten. Eine solche Vorstellung hat keine Entsprechung in der politischen Praxis. Im vorliegenden Beitrag geht es darum, in welcher Weise dies die Bildungsfinanzierung bestimmt.

Christoph Ehmann

Bildungsfinanzierung im Spiegel der Wissenschaftsdisziplinen

Frontmatter
Von Pfründen zu Drittmitteln: Bildungsfinanzierung aus historischer Sicht am Beispiel der Universitäten

Mit der Frage nach der Bildungsfinanzierung aus historischer Sicht sind Probleme verbunden. Denn wenngleich die Relevanz des Themas unstrittig ist und an bzw. mit ihm viele Fragen verdeutlicht werden können, sei es z.B. die Frage, wer Bildung erwerben konnte oder die Frage, wie Bildung gesellschaftlich gewertet wurde, fehlen entsprechende Studien und die Quellen sind kaum aufgearbeitet, oft nicht einmal zugänglich. Angesichts dieser Problematik ist es wenig sinnvoll, lediglich beschreibend aufzuzählen, wann, wo, wie und von wem etwas finanziert wurde. Das mit dem vorliegenden Beitrag verfolgte Ziel ist es vielmehr, die Relevanz für die mit der Finanzierungsfrage verbundenen Aspekte ins Bewusstsein zu heben.

Elisabeth Zwick
Humankapital und Bildungsrendite – Die Perspektive der Wirtschaftswissenschaften

Die Wirtschaftswissenschaften dürfen als zentrale Bezugsdisziplin für Analysen zur „Bildungsfinanzierung“ betrachtet werden. Dabei haben die Wirtschaftswissenschaften – hier als Sozialwissenschaften aufgefasst, die sich mit den Zielen, Strukturen, Prozessen und Ergebnissen des wirtschaftlichen Handelns beschäftigen (vgl. Frey 1990) – im Laufe der Jahre mit der Bildungsökonomie eine eigene Spezialdisziplin für die Beobachtung von Bildung etabliert (vgl. Cohn/Geske 1990: 2), welche aus gesellschaftlicher, institutioneller sowie individueller Perspektive die Fragen analysiert, die bei der „Lenkung und Produktion der verschiedenen Bildungsinputs (allokative Analyse) und Verteilung von Bildungsoutputs und -outcomes (distributive Analyse) auftreten können“ (Hummelsheim/Timmermann 2009: 94).

Stefan Hummelsheim, Dieter Timmermann
Bildungsfinanzierung – eine staatliche Aufgabe? Die Perspektiven der Finanz- und der Verwaltungswissenschaft

Die Finanzwissenschaft analysiert die Effizienz, die Verteilungs- und die Stabilitätswirkungen öffentlicher Güter aus normativer und positiver Sicht. Nirgends auf der Welt wird Bildung ausschließlich von privaten Organisationen und Unternehmen angeboten. Überall fließen staatliche Subventionen und Zuwendungen an Bildungseinrichtungen; es werden Transfers aus öffentlichen Haushalten an Personen in schulischen und universitären Ausund Fortbildungsgängen gezahlt. Auch der rechtliche Rahmen, der festlegt, welche Leistungen von Schulen und Hochschulen angeboten werden müssen, unter welchen Bedingungen sie dies tun und welchen Umfang und welche Struktur die staatlichen Finanzierungsanteile haben, belegt das hohe Maß an Verantwortung des Staates für den Bildungsbereich.

Gisela Färber
Bildung und Ökonomisierungskritik – Die Perspektive der Erziehungswissenschaften

Vom Gesichtspunkt thematischer Affinitäten aus betrachtet, wäre die Erziehungswissenschaft eigentlich wie kein anderes Fach prädestiniert, sich mit Fragen der Bildungsfinanzierung zu befassen. Wer sich indessen die erziehungswissenschaftliche Forschung und Diskussionskultur der vergangenen Jahrzehnte vergegenwärtigt, der findet vieles – aber kaum Beiträge, die sich konstruktiv mit dem Thema Bildungsfinanzierung befassen. Dies gilt zumindest weithin für die deutsche bzw. deutschsprachige Diskussion unter Einbeziehung von Österreich und der Schweiz. Erst in den 2000er Jahren ist eine etwas größere Offenheit für Fragen im Grenzbereich von Ökonomie und Pädagogik entstanden. Gleichwohl steckt die erziehungswissenschaftliche Befassung mit wirtschaftlichen Dimensionen von Bildung und Erziehung noch in den Kinderschuhen. Welche tradierten Widerstände für die große Distanz der wissenschaftlichen Pädagogik zur wirtschaftlichen Basis der Arbeit von Bildungsinstitutionen namhaft zu machen sind und wie sich auch heute noch wirtschaftsskeptische Ressentiments im erziehungswissenschaftlichen Diskurs artikulieren, soll in diesem Beitrag erörtert werden. Schließlich soll aber auch ein Ausblick auf eine Zukunft gegeben werden, in der sich wirtschaftliche und pädagogische Perspektiven eher befruchten statt sich zu beargwöhnen und zu bekämpfen. Um die Genese des tiefen Grabens zwischen Bildung und Ökonomie zu verstehen, soll jedoch zunächst das Bildungsverständnis der Pädagogik problematisiert werden.

Heiner Barz
Bildungsungleichheit – Eine deutsche Altlast. Die bildungssoziologische Perspektive

Schul- und Hochschulabschlüsse sind in einer modernen Bildungs- und Wissensgesellschaft eine zentrale Ressource für Lebenschancen. Es ist vielfach empirisch belegt, dass die Chancen auf beruflichen Erfolg, auf Lebensstandard, soziale Sicherheit, gesellschaftliches Ansehen und Gesundheit, auf politische, gesellschaftliche und kulturelle Teilnahme sowie auf Selbstbestimmung und Freiheit mit dem Niveau der Bildungsabschlüsse zusammenhängen. Das erworbene „Bildungskapital“ – der französische Soziologe Pierre Bourdieu nennt die Bildungsabschlüsse zu Recht „capital scolaire“ – minimiert soziale Risiken wie Arbeitslosigkeit, Armut, Krankheit oder Straffälligkeit bzw. Kriminalisierung. Gleiche Bildungschancen – d. h. gleiche Chancen für alle, eine Bildung und Ausbildung zu erhalten, die den individuellen Fähigkeiten und Leistungen entspricht – sind daher ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit.

Rainer Geißler, Sonja Weber-Menges
Bildungspolitik – Perspektiven der Politikwissenschaft

Die Politikwissenschaft ist eine Wissenschaftsdisziplin, die sich wie keine andere mit Macht beschäftigt. Als Kronzeuge kann sie Max Weber rufen. Politik heißt bei Weber bekanntlich „Streben nach Machtanteil oder nach Beeinflussung der Machtverteilung“ (Weber 1988a: 506). Und Macht bedeutet für ihn „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eignen Willen auch gegenüber Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht" (Weber 1972: 28). Zum Machtstreben gehört in der Regel die Werbung von Bundesgenossen und von freiwilliger Gefolgschaft, um Weber erneut ins Spiel zu bringen, aber eben auch Konfliktregelung und Konsensbildung. Zudem ist Politik mehr als nur „

Kampf

“, so Webers Zuspitzung (1988b: 329). Vielmehr hat Politik neben ihrer prozessualen Dimension (im Englischen „politics“) auch institutionelle („polity“) und entscheidungsinhaltliche Komponenten („policy“). Mit diesem dreiteiligen Politikbegriff beschreibt, erklärt, bewertet und prognostiziert die Politikwissenschaft ihre Untersuchungsfelder einschließlich der Bildungspolitik.

Manfred G. Schmidt
Bildungsfinanzierung aus der Perspektive des Bildungsrechts

Das deutsche Schulwesen ist seit dem Preußischen Allgemeinen Landrecht „Veranstaltung des Staates“

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„Privaterziehungsanstalten“ sind ebenfalls der staatlichen Aufsicht unterworfen und benötigen eine Genehmigung für ihren Betrieb (II 12 § 3 ff). Diese Abschwächung eines auch denkbaren staatlichen Schulmonopols lässt sich bis in die Gegenwart verfolgen. So heißt es im Grundgesetz in der Tradition der Paulskirchen-Verfassung und der Weimarer Reichsverfassung.

Johann Peter Vogel

Finanzierung einzelner Bildungsbereiche in der Bundesrepublik Deutschland

Frontmatter
Finanzierung der Elementarbildung

Die frühkindliche Bildung und Betreuung ist nach jahrzehntelangem Mauerblümchendasein auch in Deutschland zu einem Topthema auf den politischen Agenden nicht nur der Länder und Kommunen, sondern auch des Bundes avanciert. Auch in der bundesdeutschen Forschung lässt sich in den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen die (Wieder)- Entdeckung der Bildungsphasen vor der Schule beobachten (Blomeyer et al. 2008, Pfeiffer/Reuß 2008).

Kathrin Bock-Famulla
Finanzierung des allgemeinbildenden Schulwesens

Das Schulwesen ist von zentraler gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Bedeutung und verkörpert den Kern der Kulturhoheit der Bundesländer. Dieser Position entsprechend stellt die Finanzierung des Schulwesens das Zentrum der gesamten Bildungsfinanzierung dar und wirkt als ein wichtiger bildungspolitischer Gestaltungsparameter. Dabei bleibt die Abgrenzung des Begriffs der Allgemeinbildung unscharf, wird dieser doch verbreitet für in nichtberufsbezogenen Schulen vermittelte Kompetenzen verwendet, wenngleich grundsätzlich auch vorschulische Bildung der Allgemeinbildung zugerechnet werden kann, und überdies allgemeinbildende Abschlüsse nicht ausschließlich in allgemeinbildenden, sondern zunehmend auch in beruflichen Schulen vergeben werden (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008: 87f.).

Yvonne Brückner, Claudia Böhm-Kasper
Hochschulfinanzierung

Die Hochschulsteuerung in Deutschland durchläuft eine tiefgreifende Umbruchphase. In allen Bundesländern lösen Autonomie und Wettbewerb traditionelle Steuerungsansätze wie kameralistische Budgetierung, Fortschreibung von Haushalten und staatliche Detailsteuerung ab. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang neben der gesetzlichen Deregulierung die Neuordnung staatlicher Finanzierungsmechanismen, die in einem gewandelten Verhältnis von Staat (d.h. Land) und Hochschule resultiert. Dieser Beitrag fragt nach den wichtigsten Trends im Bereich der Hochschulfinanzierung, ihren normativen Grundlegungen und ihren Wirkungen. Er fokussiert sich auf die Finanzquellen der Hochschulen, schlägt an einigen Stellen aber auch die Brücke zu Fragen der hochschulinternen Budgetierung.

Frank Ziegele
Finanzierung beruflicher Bildung

Die Bildungsaufwendungen der Gesellschaft werden in Deutschland im Bildungsbudget dargelegt, das vom Statistischen Bundesamt (2008) erstellt wird und das auch Informationen zur Beruflichen Bildung enthält. Während das deutsche Bildungswesen durch ein öffentlich finanziertes Bildungsangebot im Schul- und Hochschulbereich geprägt ist, sind in der Beruflichen Bildung private Haushalte (in ergänzenden und kompensatorischen Bereichen), aber vor allem die Einrichtungen der Wirtschaft stark an der Finanzierung beteiligt. Allerdings haben Aussagen zur Beruflichen Bildung die Differenzierung und Dynamik des Berufsausbildungssystems zu berücksichtigen. Für Deutschland sind heute drei Teilsysteme unterhalb der Hochschulebene zu unterscheiden (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006): Das duale System gilt in der internationalen Diskussion als hochinteressant. Es garantiert Qualifizierung in anerkannten Ausbildungsberufen und wird nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) oder der Handwerksordnung in Betrieben und im berufsbegleitenden Berufsschulunterricht realisiert.

Florian Kainz, Rudolf Tippelt
Finanzierung von Weiterbildung

Angesichts einer nicht mehr umkehrbaren Entwicklung hin zu einer wissensbasierten Gesellschaft wird von wissenschaftlicher und politischer Seite vermehrt die Forderung nach der Etablierung eines Systems Lebenslangen Lernens vorgebracht, wobei der Weiterbildung eine zentrale Rolle zugewiesen und von den Weiterbildungsakteuren ein vermehrter Ressourceneinsatz erwartet wird. Gleichzeitig ist hervorzuheben, dass sich eine systematische Beschreibung der Finanzierung von Weiterbildung schwierig gestaltet, weil die Weiterbildung wegen der föderalen Struktur, des Pluralismus von Anbietern und Trägern, der subsidiären Rolle des Staates und der daraus folgenden dominierenden Marktallokation im Vergleich zu vorgelagerten Bildungssegmenten sehr heterogen und vielschichtig ist (vgl. Expertenkommission 2002: 53ff.). Erschwerend kommt hinzu, dass die Datenlage zur Weiterbildungsfinanzierung als äußerst defizitär eingeschätzt werden muss. Vor diesem Hintergrund stellt der Beitrag die Grundzüge und die in jüngerer Zeit umgesetzten wie auch bildungspolitisch diskutierten Reformvorschläge der Weiterbildungsfinanzierung vor.

Stefan Hummelsheim, Sabine Weiß
Privatschulfinanzierung

Die Zahl der Schulen in freier Trägerschaft (Privatschulen) ist in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren stetig gestiegen. Im Schuljahr 2006/07 wurden 4.637 solcher Bildungseinrichtungen statistisch erfasst, was seit 1992 einer Zunahme von 43,5 Prozent entspricht. De facto besuchen hierzulande 7,3 Prozent der schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen allgemeinbildende bzw. 21 Prozent berufsbildende Privatschulen, was zusammen etwa 892 000 Schülerinnen und Schüler im Jahr 2006 ausmacht – und damit 42 Prozent mehr als im Jahr 1995 (Statistisches Bundesamt 2008). Der größte Anteil bei den allgemeinbildenden Privatschulen fällt mit ca. 30 Prozent auf Gymnasien, gefolgt von Schülern in Berufsfachschulen (14 Prozent), Realschulen (13 Prozent) und Freien Waldorfschulen (9 Prozent). Im Verhältnis zur Gesamtschülerzahl gibt es die meisten Privatschüler im allgemeinbildenden Bereich in Sachsen (11,4 Prozent), gefolgt von Bayern (9,8 Prozent, bezogen auf das Schuljahr 2006/07). Insofern stellen private Bildungseinrichtungen keine Randerscheinung mehr in der hiesigen Bildungslandschaft dar, was sich im europäischen Vergleich allerdings wieder relativiert. So lag der Anteil der Privatschüler bei den allgemeinbildenden Schulen im Schuljahr 2001/02 in Dänemark bei 11,1 Prozent, in Frankreich bei 21 Prozent und in den Niederlanden gar bei 76,3 Prozent.

Bernd Eisinger, Dirk Randoll, Peter K. Warndorf
Finanzierung der Jugendbildung jenseits von Schule und Beruf

Öffentlich organisierte und verantwortete Jugendbildung findet in der Bundesrepublik in unterschiedlichen politischen Arenen, an verschiedenen pädagogischen Orten sowie in zum Teil erheblich voneinander abweichenden Kontexten statt. „Die“ Jugendbildung gibt es also nicht. Jugendbildung ist weder ein geschützter noch ein konsensuell verwendeter Begriff, sondern steht für verschiedene Bildungsmodalitäten in unterschiedlichen institutionellen Settings. Daher hilft auch der Versuch einer Annäherung auf Basis der Formel, „Jugendbildung ist die Bildung von Jugendlichen“, nur bedingt weiter. In diesem Fall müsste folgerichtig auch die Schule sowie der hierfür verantwortliche Lehrkörper ebenso mit einbezogen werden wie auch die berufliche Bildung zu den allgemeinen Formen der Jugendbildung hinzu käme. Neben Schule und Beruf ist die Kinder- und Jugendhilfe mit ihren vielfältigen Leistungen und ihrem heterogenen Angebotsspektrum als zentraler Bildungsort für Jugendliche zu nennen. Jenseits einer öffentlich organisierten und verantworteten Jugendbildung müsste die Aufzählung ferner um die Familien sowie die Peergroups ergänzt werden, wobei die Grenzen zwischen öffentlich und privat hierbei nicht immer eindeutig sind (Deutscher Bundestag 2005: 121ff.).

Jens Pothmann, Thomas Rauschenbach
Zur Finanzierung von kulturellen Bildungsangeboten – Zwischen den Stühlen oder eine ressortübergreifende Querschnittsaufgabe

Das Wort kulturelle Bildung impliziert die Zuständigkeit mindestens zweier Fachbereiche: der Kultur und der Bildung. Und in der Tat findet man kulturelle Bildungsangebote sowohl im Kultur- als auch im Bildungsbereich. So gibt es beispielsweise in den Kultureinrichtungen Malkurse, Themenworkshops oder Theater-AGs und in der Schule den klassischen Musik- und Kunstunterricht, Schulorchester oder in einzelnen Bundesländern das Wahlpflichtfach Darstellendes Spiel. Schule und Kultureinrichtungen sind jedoch nicht die ausschließlichen und primären Orte der kulturellen Bildungsarbeit. Kulturelle Bildung ist auch stark im non-formellen Bildungsbereich verankert. Viele kulturelle und künstlerische Bildungsangebote finden sich daher (noch) im außerschulischen kulturellen Bildungsbereich in Deutschland, in Musik- und Jugendkunstschulen, aber auch Kulturvereinen, Laienorchestern, -chören oder freien Tanz- und Theatergruppen.

Susanne Keuchel
Finanzierung kirchlicher Bildung

Seit Bestehen der Weimarer Reichsverfassung von 1919 versuchen die beiden traditionellen Kirchen in Deutschland den dort unterschiedslos gebrauchten Begriff „Religionsgesellschaften“ in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit so aufzuspalten, dass zwischen „Kirchen“ und anderen Religionsgemeinschaften scharf unterschieden wird. Seit 1919 ist es den Kirchen auch gelungen, weite Teile religiöser Bildung unter ihrer Verantwortung zu behalten bzw. unter ihre Verantwortung zu bringen. Insofern ist „religiöse“ Bildung in Deutschland weithin gleichbedeutend mit konfessionsgebundener „kirchlicher“ Bildung – auch dann, wenn sie unter „religiöser“ Bildung firmiert.

Gerhard Besier

Bildungsfinanzierung in der Bundesrepublik Deutschland nach Kostenträgern

Frontmatter
Beiträge privater Haushalte

Private Akteure, also vornehmlich Haushalte und Firmen, aber auch Stiftungen, tragen jährlich 35 Mrd. Euro zur Finanzierung des deutschen Bildungswesens bei, also ein knappes Viertel des gesamtgesellschaftlichen Bildungsbudgets (BMBF 2008: 15). So zumindest lehrt es uns die offizielle Statistik. Bevor deren Zahlen genauer aufgeschlüsselt und das Profil der privaten Bildungsfinanzierung in Deutschland (auch international vergleichend) eingehender analysiert werden, ist jedoch eine kurze Diskussion der Reichweite und Qualität der Erfassung privater Bildungsausgaben vonnöten: Nicht enthalten sind in den genannten Zahlen die Aufwendungen der Privathaushalte für „Bildungsausgaben 2. Grades“ (Lünnemann/ Hetmeier 1996: 170), also die Lebenshaltungskosten von Bildungsteilnehmern, und erst recht nicht die Einkünfte, die diese Bildungsteilnehmer erzielen könnten, wenn sie anstelle ihrer Bildungsanstrengungen einer Erwerbstätigkeit nachgingen. Würden diese ebenso als Bildungsinvestitionen definiert, wäre das Ausmaß der von der Statistik nicht erfassten Bildungsausgaben noch einmal weitaus höher (vgl. hierzu Becker 1993: 118). Außerdem werden Teile der privaten Bildungsausgaben im Gegensatz zu den öffentlichen) von den statistischen Ämtern nur mit großen Zeitabständen von fünf, sieben oder gar zehn Jahren erhoben und in der Zwischenzeit bloß auf der Basis von Faustformeln fortgeschrieben, wobei es zu durchaus beträchtlichen Divergenzen zwischen den fortgeschriebenen und den neu erhobenen Werten kommen kann.

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Wenn im Folgenden von den privaten Bildungsausgaben in Deutschland die Rede ist, so haben wir es also bloß mit einem Ausschnitt eines Bildes zu tun, das zudem unscharf ist. Dennoch lohnt ein näherer Blick auf die vorliegenden Daten.

Frieder Wolf
Beiträge der Wirtschaft

Das Bildungsniveau hat positive Auswirkungen auf den Wohlstand einer Volkswirtschaft. Es bestehen in gesellschaftlicher Perspektive förderliche Effekte auf den sozialen Zusammenhalt sowie die Akzeptanz einer marktwirtschaftlichen und demokratischen Ordnung. Aus individueller Perspektive korreliert das Bildungsniveau mit der Gesundheit (Diekmann et al. 2008), der beruflichen Position sowie dem Einkommen und geht zudem mit einem niedrigeren Arbeitslosigkeitsrisiko einher (Schultz 1961, Becker 1964, Mincer 1974). Aus ökonomischer Sicht spielt insbesondere die Wirkung von Bildungsinvestitionen auf das Wachstum einer Volkswirtschaft eine zentrale Rolle. So zeigen Mankiw et al. (1992), dass das Bildungsniveau einen erheblichen Einfluss auf die Wachstumsdynamik hat. Barro et al. (1995) betonen, dass bei einem offenen Kapitalmarkt vor allem das Niveau des Humankapitals entscheidend für Realkapitalzuflüsse und -abflüsse ist.

Michael Hüther, Dirk Werner
Beiträge von Verbänden und Kirchen zur Bildungsfinanzierung

Die Klage darüber, dass die Datenlage hinsichtlich der Finanzströme im Bildungsbereich unübersichtlich, lückenhaft und mit vielen Unwägbarkeiten behaftet sei, ist nicht neu. Weit mehr als bei den öffentlichen Bildungsausgaben gilt dies aber für den privaten Sektor. Hier basieren die Angaben im Wesentlichen auf Stichprobenerhebungen, so dass allenfalls von einer näherungsweisen Abbildung gesprochen werden kann (vgl. Klös/Plünnecke 2006: 17). Eine detaillierte Aufgliederung hinsichtlich der Beiträge von Verbänden und Kirchen zur Bildungsfinanzierung kann auch das Statistische Bundesamt derzeit nicht liefern (Statistisches Bundesamt 2008a: 4). Pauschal ist zu konstatieren, dass Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften neben den privaten Haushalten und Unternehmen zu den großen privaten Bildungsfinanciers gerechnet werden. Verfolgt man die Diskussion in den Medien, wird suggeriert, dass das finanzielle Engagement von kirchlichen und wirtschaftsnahen Institutionen in allen Bildungsbereichen sprunghaft zugenommen hat. Als Indikatoren für diese Annahme gelten die Zunahme der Nachfrage sowie die Etablierung neuer Bildungseinrichtungen. Die Wartelisten privater Kindergärten und –tagesstätten sind lang. Die Schülerzahlen an Schulen, die sich in kirchlicher bzw. privater Trägerschaft befinden, steigen seit Jahren kontinuierlich; viele Kinder müssen aus Kapazitätsgründen abgelehnt werden (vgl. Stoll 2004). Seit den 90er Jahren erlebt Deutschland einen Hochschul- Gründungsboom. Im Oktober 2009 gibt es laut Hochschulrektorenkonferenz 131 staatlich anerkannte Privathochschulen, 41 davon in kirchlicher Trägerschaft. Die übrigen Träger sind u.a. wirtschaftsnahe Organisationen, einzelne Wirtschaftsunternehmen, Stiftungen, aber auch einige Verbände. Der Anteil privater und kirchlicher Hochschulen beträgt mehr als ein Drittel, allerdings bilden sie nur etwa 5 Prozent aller Studierenden aus (vgl. Mommsen-Henneberger 2009). Doch wie umfangreich das finanzielle Engagement von Kirchen und Verbänden im Bildungssektor tatsächlich ist, lässt sich anhand solcher Zahlen nicht ablesen.

Dajana Baum
Beiträge staatlicher Stellen

Bildungsfinanzierung ist in Deutschland ganz überwiegend eine öffentliche Angelegenheit. Von den 146 Mrd. Euro, die in Deutschland derzeit jährlich für Bildung (inklusive Kinderbetreuung und Weiterbildung) ausgegeben werden, kommen 110 Mrd., also ziemlich genau drei Viertel, von staatlichen Stellen (BMBF 2008: 15). Betrachtet man nur den Kernbereich des Bildungswesens, wie er durch die von der UNESCO vorgegebene und im internationalen Vergleich üblicherweise verwendete ISCED-Klassifikation definiert ist, sind es sogar 80 Prozent bzw. 101 von 127 Mrd. (ibid.). Entsprechend der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung – Bildungspolitik ist als Teil der Kulturhoheit weitestgehend Ländersache – tragen die Bundesländer wiederum rund 70 Prozent der öffentlichen Bildungsausgaben. Weitere 20 Prozent schultern, vornehmlich erwachsend aus ihrer Rolle als Schulträger und den damit einhergehenden Bau- und Sachinvestitionen, die Kommunen. Die verbleibenden 10 Prozent bezahlt der Bund, während die Bedeutung der EU-Ebene als Bildungsfinanzierer verschwindend gering ist.

Frieder Wolf

Internationale Perspektiven

Frontmatter
Bildungsinvestitionen im internationalen Vergleich

Den Zugang zu Bildung zu verbessern und gleichzeitig die Qualität der Bildungsleistungen zu verbessern stellt hohe Anforderungen an die Finanzierung von Bildungssystemen. Dieser Beitrag vergleicht den Umfang der Bildungsinvestitionen der OECD Staaten, die Struktur der Bildungsausgaben, sowie den Mix der Finanzierungsquellen. Die Daten sind der Publikation

Bildung auf einen Blick 2009

entnommen. Bildungsausgaben werden in folgenden anhand von drei Dimensionen klassifiziert:

Die erste Dimension bezieht sich auf den Ort, an dem Ausgaben anfallen. Die eine Komponente dieser Dimension sind Ausgaben in den Schulen und Hochschulen sowie in den Bildungsministerien und anderen Einrichtungen, die direkt an der Bereitstellung und Unterstützung von Bildung beteiligt sind. Ausgaben für Bildung außerhalb von Bildungseinrichtungen sind eine weitere Komponente die aber in diesem Beitrag nicht näher betrachtet werden.

Die zweite Dimension kennzeichnet die für Bildungszwecke erworbenen Sach- und Dienstleistungen.

Die dritte Dimension nimmt eine Einteilung der Mittel nach ihrer Herkunft vor. Zu diesen Quellen zählen die öffentliche Hand und internationale Organisationen sowie die privaten Haushalte und andere private Einheiten.

Andreas Schleicher
Globalisierung und Kommerzialisierung von Bildungsmärkten – Stand und Perspektiven

Die sich langsam formierende Weltgesellschaft stellt eine Herausforderung für das Bildungssystem dar: Stärker als bei vielen anderen gesellschaftlichen Teilsystemen ist das Bildungssystem in den meisten Ländern dieser Erde symbiotisch eng mit dem (National-) Staat verbunden. Der Staat finanziert in hohem Umfang die Beschäftigten dieses Bereiches, die wiederum im Gegenzug zu wichtigen Stützen dieser Ordnung geworden sind. Seit einigen Jahren dringen aber auch in diese Segmente gesellschaftlichen Lebens zunehmend weltgesellschaftliche Elemente ein: Während wissenschaftliche Forschung sich schon seit der frühen Neuzeit international formiert hat (Stichweh 2000), kursieren in den letzten Dekaden vermehrt Bildungsmodelle zwischen den Ländern (Meyer 2005), akzentuiert in jüngster Zeit durch internationale Vergleichsstudien, die Evaluation von Bildungssystemen zunehmend in einen weltgesellschaftlichen Rahmen verlegt haben. Im letzten Jahrzehnt tauchte die Vorstellung auf, dass nicht nur Autos auf einem Weltmarkt gehandelt werden, sondern dass es auch einen Weltbildungsmarkt gibt, dessen faire Austauschrelationen Teil des neuen Welthandelsabkommens GATS werden sollten (Scherrer 2007, Larsen/Vincent- Lancerin 2002).

Reinhold Sackmann
Bildungsfinanzierung durch internationale Organisationen

Das Recht auf Bildung ist Inhalt der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948. Aktuell befinden wir uns in der

UN-Dekade zur Alphabetisierung

(2003-2012) und der

UN-Dekade für nach nachhaltige Entwicklung

(2005-2014). In der Milleniumserklärung der Vereinten Nationen und den internationalen Entwicklungszielen ist politisch festgehalten, dass bis 2015 jedes Kind dieser Welt eine Grundbildung erhalten soll. Diese internationalen Zielvorgaben reflektieren die hohe Relevanz von Bildung für die menschliche Entwicklung. Bildung ist ein Instrument der Bekämpfung von Armut (BMZ 2004). Sie befähigt Menschen, ihre soziale, kulturelle, gesellschaftliche und ökonomische Situation zu verbessern. Sie ist Bedingung für selbstbestimmtes Handeln und das Einfordern eigener Rechte. Sie bedeutet Steigerung der Arbeitsproduktivität und der Qualität von Arbeitsleitung. Sie schafft Bewusstsein für Gesundheit, für Umwelt und eine nachhaltige Nutzung von Ressourcen und legt durch eine Förderung von Lern- und Kommunikationsfähigkeit die Grundlage für lebenslanges Lernen – kurz, Grundbildung ist das Fundament für die Entfaltung menschlicher Potentiale (Delors/UNESCO-Kommission 1997).

Sabine Weiß, Sylva Liebenwein
Privatwirtschaftliche Finanzierung beruflicher Erstausbildung

Die duale Berufsbildung stellt im Bildungssystem bezüglich der Finanzierung eine Besonderheit dar, da ein Großteil der Kosten der Ausbildung durch die Privaten, d.h. sowohl Unternehmen wie auch Auszubildende getragen wird. Die vollschulischen Ausbildungsgänge hingegen werden in den meisten Industrienationen bis zur und in den deutschsprachigen Ländern auch inklusive der tertiären Ausbildung durch öffentliche Mittel voll finanziert. Wer sich also ein Bild der gesamten, d.h. der öffentlichen und privaten Ausgaben für Bildung machen will, kommt nicht umhin, die privaten Aufwendungen für die duale Berufsbildung auch zu erheben und auszuweisen. Diese Differenzierung ist aus der Sicht der Bildungsfinanzierungsstatistik auch deshalb von Interesse, weil die privaten Ausgaben für die berufliche Grundbildung eine Idee vermitteln, welche Ausgaben auf die öffentliche Hand zukommen würden, falls immer mehr Betriebe aus der dualen Berufsbildung aussteigen. In der Schweiz gibt die öffentliche Hand beispielsweise jährlich fast 2 Mrd. Euro für die berufliche Grundbildung aus (Vollzeit- und Teilzeit-Berufsschulen), während die Unternehmen rund 1,6 Mrd. Euro aufwenden. Mit anderen Worten: ein Ausstieg der Privatwirtschaft aus der dualen Berufsbildung würde die öffentlichen Aufwendungen für die berufliche Grundbildung um 80 Prozent verteuern. In Deutschland werden die privaten Aufwendungen für die Berufsbildung seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts regelmäßig erhoben und zwar relativ standardisiert auf der Basis des Berichtes der sogenannten Edding Kommission.

Stefan C. Wolter
Studiengebühren und -subventionen im internationalen Vergleich

Die erheblichen Unterschiede bei den privaten Bildungsausgaben im Tertiärbereich, die sich im internationalen Vergleich zeigen (vgl. den Beitrag dazu i.d.B.), lassen eine nähere Betrachtung von Studiengebühren und deren Finanzierung reizvoll erscheinen. Entscheidungen über die Höhe der Studiengebühren von Bildungseinrichtungen wirken sich sowohl auf die Kosten eines Studiums im Tertiärbereich für die Studierenden aus als auch auf die Mittel, die Bildungseinrichtungen des Tertiärbereichs zur Verfügung stehen.

Andreas Schleicher

Interfaces: Themen an der Schnittstelle von Ökonomie und Bildung

Frontmatter
Bildungsmarketing

Die Beschäftigung mit Problemen des Marketings hat allenthalben auch im deutschen Bildungswesen Einzug gehalten. Damit werden Entwicklungen nachgeholt, die im angelsächsischen Raum längst vollzogen sind und dort auch im Wissenschaftsbetrieb – etwa durch entsprechend ausgerichtete Lehrstühle oder Fachzeitschriften (vgl. Barz/Wolf 2006) – ihren Niederschlag gefunden haben. Immerhin finden sich auch im deutschsprachigen Raum seit den 90er Jahren vereinzelt Fachpublikationen und Studiengänge, die sich offensiv mit Fragen des Bildungsmanagements und des Bildungsmarketings auseinandersetzen (Geißler 1993, 1997, Meisel u.a. 1994). Ohne betriebswirtschaftliche Grundeinsichten und Basiskenntnisse in den klassischen Marketinginstrumenten lassen sich Bildungseinrichtungen im Hinblick auf die Finanzierung ihrer Angebote immer weniger führen.

Heiner Barz
Bildungscontrolling

Die Situierung dieses Beitrags an der Schnittstelle zwischen Ökonomie und Bildung ist charakteristisch für das „Bildungscontrolling“. Steht doch die etwas umständliche Begriffsetikette für den Anspruch, traditionell getrennte oder gar gegensätzliche Denkweisen in Kontakt zu bringen. Im aktuellen bildungspolitischen Spannungsfeld sind indes Deutungen rasch zur Hand, die dem Bildungscontrolling unterstellen, entweder die rigide Ökonomisierung der Bildung weiter vorantreiben oder aber mit vordergründigen Begriffsanleihen aus der Betriebswirtschaft einen Modetrend nutzen zu wollen. Gegen solche Zuschreibungen verfolgt der Beitrag das Ziel, Bildungscontrolling als Disziplin im Rahmen des Bildungsmanagements zu profilieren. Bildungscontrolling befasst sich mit der Planung, Steuerung und Kontrolle von Bildungsprozessen. Es basiert auf wissenschaftlichen Konzepten und Methoden und unterstützt die Reflexion des Bildungsgeschehens im jeweiligen Kontext.

Walter Schöni
Bildungsgutscheine zwischen Theorie und Empirie

Die Idee, Bildungsgutscheine einzuführen, soll auf Thomas Paine (18. Jh.) und John Stuart Mill (19. Jh.) zurückgehen; sie wurde 1955 von Milton Friedman erneut in die Diskussion über Bildungsfinanzierung eingebracht.

Dieter Dohmen
Anreizstrukturen in der Finanzierung von Hochschullehre

Die Hochschulfinanzierung steht vor der Herausforderung, gleichzeitig verschiedene Aufgaben zu verfolgen. Neben guter Forschung und Lehre müssen weitere Ziele wie Internationalisierung oder Gleichstellung erreicht werden. Von den in Deutschland über Jahrzehnte etablierten Steuerungs- und Finanzierungssystemen im Hochschulbereich gingen wenige Anreize für eine effizientere und an Qualitätsverbesserungen orientierte Gestaltung der Aufgaben aus. Die Reformen der Hochschulfinanzierung und -steuerung in der jüngeren Vergangenheit wurden auch durchgeführt, um Verhaltensänderungen der verschiedenen Akteure zu erreichen: Mehr Transparenz und Autonomie sollen zu mehr Effizienz und zur adäquaten Lösung neuer Herausforderungen befähigen.

Ruth Kamm
Bildungsfundraising – private Mittelbeschaffung als Zukunftskonzept?

„If you want money, you have to ask for it“, diese vielzitierte Grundregel des Fundraising der amerikanischen Fundraising-Beraterin und Autorin Kim Klein mag sehr simpel klingen (u.a. Klein 2009, vgl. auch Haibach 2008: 21). Gleichzeitig ist das die zentrale Aufgabe für alle, die nicht-staatliche Mittel für Bildungs- und Forschungszwecke bei Einzelpersonen, Stiftungen oder Unternehmen einwerben möchten: den potenziellen Förderern bedarfsgerecht und verständlich ihre Leistungen und Konzepte zu kommunizieren und Erstkontakte wie langjährige Beziehungen professionell zu pflegen und sich stets für die Zuwendungen zu bedanken. Aufgrund begrenzter staatlicher Finanzmittel für das Bildungssystem bei gleichzeitig zunehmender Bedeutung von Bildungspolitik hat das Bildungsfundraising in den letzten Jahren deutlich an Relevanz für Gesellschaft und Wirtschaft gewonnen. Die Kosten für Lehre, Forschung und Weiterbildung an Hochschulen sind erheblich, ein Mehr an Qualität in Schule und Unterricht erfordert mehr Ressourcen, der Ausbau im Bereich der Kinderbetreuung geht mit Maßnahmen zur zielgruppenspezifischen Frühförderung einher etc. All dies bringt zusätzlichen Ressourcenbedarf mit sich, für den die Verantwortung in Deutschland traditionell in erster Linie dem Staat zugewiesen wird. Im Gegensatz dazu ist in den USA die Philanthropie, der Grundsatz des freiwilligen, nicht gewinnorientierten Handelns für das Gemeinwohl – auch aufgrund eines anderen Sozialsystems – viel tiefer verwurzelt und steht vor staatlicher Aktivität. Öffentliche Mittel sollten hierzulande die Ausstattung der Bildungsinstitutionen auf allen Ebenen weiterhin sicherstellen. Aber selbst wenn man vom staatlichen Vorrang ausgeht, können private Spendengelder, Stiftungsmittel oder Sponsoring-Einnahmen helfen, die Lern- und Lehr-Möglichkeiten von Kindertageseinrichtungen, Schulen, Hochschulen zu erweitern. Dadurch können z. B. besondere Förderungen und Angebote motiviert oder einfach bessere Leistungen erbracht werden. Fundraising im Bildungsbereich kann Gelder für zusätzliche Unterrichtsmaterialien, Computer und Software einbringen, vielfältige Kultur-, Lehr-Lern- oder Forschungs-Projekte, Stiftungslehrstühle oder Veranstaltungen finanzieren, Bau, Ausstattung und Betriebskostenübernahme sowie die Modernisierung von Bibliotheken, Forschungsanlagen und Spezialinstituten ermöglichen, unternehmerische Labore öffnen etc.

Birgitt A. Cleuver
Hochschulbildung als Geschäftsfeld?

Die deutsche Hochschullandschaft ist in den letzten Jahren von verschiedenen Entwicklungen und tiefgreifenden Umbrüchen gekennzeichnet. Auffallend ist dabei, dass der Wettbewerb zwischen den Einrichtungen auf breiter Basis beschworen wird und dass vielfältige Maßnahmen ergriffen werden, um Wettbewerbselemente in ein staatlich reglementiertes System zu bringen. Wettbewerb soll, quasi als Universalinstrument, Optimierungsprozesse in allen Bereichen der Hochschullandschaft anstoßen und die Akteure zu Höchstleistungen anspornen.

Christian Werner, Eberhard Steiner
„Weiterbildungsindustrie“: Geschäftsmodell ohne Geschäftsgrundlage?

Der Ruf nach einem Ausbau der Weiterbildung wird wieder lauter. Mit begrifflichen Übergängen vom lebenslangen Lernen zum Lernen im Lebenslauf versucht man die Notwendigkeit zum Weiterlernen virulent zu machen (BMBF 2008). Clevere Berater und Interessenvertreter von Bildungsanbietern springen auf den rollenden Zug auf und haben ihre konfektionierten Lösungsstrategien gleich mitgebracht und mit alten Vorschlägen für neue Initiativen unterlegt. Viele dieser Ansätze sind – gut gemacht – sicher richtig und wichtig. Dennoch muss es irritieren, dass sich die Bemühungen zur Umsetzung des Weiterlernens kaum von den Versuchen der letzten Hochphasen der Weiterbildungsprogrammatik unterscheiden. Die aktuellen Argumentations- und Aktionsmuster gleichen denen der 1980er und 1990er Jahre.

Bernd Kriegesman
Steuerrecht und Bildungsfinanzierung

Der Staat fördert Bildungsmaßnahmen sowohl durch direkte finanzielle Hilfen, z.B. in Form von Zuwendungen und Zuschüssen, als auch durch vielfältige steuerliche Vergünstigungen. Während direkte Förderungen statistisch dokumentiert werden, verschwimmen die indirekten Erleichterungen weitestgehend, da die Akteure – sowohl die Bildungsanbieter als auch die Bildungsteilnehmer – entweder in vermindertem Umfang zur Zahlung von Steuern herangezogen werden oder sich gänzlich der Besteuerung entziehen. Berechnungen zur staatlichen Subventionierung liegen nur für einzelne Teilbereiche der Bildungsfinanzierung vor. So ist der Bereich der Geltendmachung von Aufwendungen für Bildungsmaßnahmen im Bereich der Einkommensteuererklärung der Steuerpflichtigen statistisch erfasst. Allerdings sind die notwendigen Daten für eine Quantifizierung der indirekten Bildungsförderung durch steuerrechtliche Regelungen derzeit nicht oder nur in Teilbereichen verfügbar. Eine Gesamtbetrachtung der Subventionen – also einschließlich der Begünstigungen durch Umsatz- und Ertragsteuerbefreiungen, z.B. für staatliche Schulen oder gemeinnützige Bildungseinrichtungen – fehlt jedoch.

Karsten Baum

Support

Frontmatter
Supportstrukturen: Studiengänge – Institutionen – Ressourcen

Die Veränderungen in der Arbeits- und privaten Lebenswelt wie auch der übergreifende Weg hin zu einer dienstleistungsbasierten Wissensgesellschaft führen dazu, dass Fragen der Bildungsfinanzierung für die individuelle, betriebliche und gesellschaftliche Entwicklung immer wichtiger werden (vgl. Expertenkommission 2004). Gleichzeitig ist angesichts des erkennbaren Bedeutungszuwachses auffällig, dass für diesen Forschungsgegenstand – so die Ausgangsthese des Beitrages – im Vergleich zu anderen Arbeits-, Themen- und Forschungsfeldern nur begrenzte Supportstrukturen existieren. Dabei werden hier unter Supportstrukturen alle diejenigen institutionellen Rahmenbedingungen und standardisierten Verfahren verstanden, welche als Unterstützungsleistungen einen direkten oder indirekten Einfluss auf die institutionelle Verankerung und Entwicklung der Bildungsfinanzierung in Deutschland ausüben.

Stefan Hummelsheim
Backmatter
Metadaten
Titel
Handbuch Bildungsfinanzierung
herausgegeben von
Heiner Barz
Copyright-Jahr
2010
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-92520-2
Print ISBN
978-3-531-16185-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-92520-2