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2020 | Buch

Handelspolitik und Welthandel in der Internationalen Politischen Ökonomie

Ein ideengeschichtlicher Überblick

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Über dieses Buch

​Das Ziel dieses Buches ist die Vermittlung zentraler Begriffe, Theoreme und Hypothesen zum Welthandel und der Handelspolitik aus einer ideengeschichtlichen Perspektive. Neben volkswirtschaftlichen Außenhandelstheorien und deren Blick auf Wohlstand werden Klassiker der Internationalen Politischen Ökonomie vorgestellt, die ihren Schwerpunkt auf nachholende Entwicklung, Macht und zwischenstaatliche Abhängigkeiten sowie Institutionen und den Einfluss von Interessengruppen in der Handelspolitik legen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Die Anfänge der Industriellen Revolution und des Kapitalismus

Frontmatter
Jean-Baptiste Colbert
Zusammenfassung
Jean-Baptiste Colbert, Intendant für Finanzen und Handel unter dem Sonnenkönig Ludwig XIV., gilt als Begründer des Merkantilismus. Seine Leistung liegt dabei weniger in der theoretischen Fundierung und Ausgestaltung einer merkantilistischen Wirtschaftspolitik als in ihrer praktischen Umsetzung. Colbert ist somit kein wirklicher Theoretiker, sondern vielmehr ein praktischer Wirtschaftspolitiker, der mit einer Vielzahl verschiedener Maßnahmen den Reichtum des Königreichs steigern wollte. Für den Merkantilismus besteht der Reichtum einer Nation in der Anhäufung von Edelmetallen. Da Außenhandel als Nullsummenspiel betrachtet wird, ist im Merkantilismus das Ziel der Erreichung einer positiven Handelsbilanz, indem der Import von Rohstoffen und der Export von Fertigwaren gefördert werden. Da Colbert kein zentrales Werk hinterlässt, erörtert dieser Beitrag sein wirtschaftspolitisches Denken aufbauend auf einzelnen Texten und Briefen, die Colbert hinterlassen hat.
Günther Ammon
Adam Smith
Zusammenfassung
Mit seinem Werk An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations oder kurz genannt „Reichtum der Völker“ (Wealth of Nations) erschien 1776 durch Adam Smith eines der bedeutsamsten Werke für die Begründung der Ökonomie als wissenschaftliche Disziplin. Inmitten des Zeitalters der Industrialisierung entwickelt Smith zu den bis dahin herrschenden Ideen von Merkantilismus und Physiokratie ein völlig neues, geradezu revolutionäres Verständnis für gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenhänge. Diese Ideen waren genährt vom Liberalismus und führten zu Neubewertungen beim Zusammenspiel von Staat und privatem Sektor. Wohlstand entsteht nach seiner Auffassung durch Nachfrage von industriellen Produkten und Gütern des täglichen Bedarfs, nicht alleine durch die Anhäufung von Edelmetallen. Diese Nachfrage kann aber nur durch eigenverantwortliche Unternehmer auf freien Märkten befriedigt werden. Die Rolle des Staates wird in diesem Zusammenhang immer kleiner: Ihm kommt dabei nur noch die Rolle des Setzens von Rahmenbedingungen zu. Der internationalen Handelspolitik wird hierbei eine besonders große Bedeutung bei der Entwicklung von Wohlstand zugesprochen, indem Smith zum Beispiel protektionistische Maßnahmen als schädlich bewertet und stattdessen für internationalen Freihandel plädiert.
Martin Keim
David Ricardo
Zusammenfassung
Anfang des 19. Jahrhunderts nach dem Ende des Napoleonischen Krieg sanken die Weltmarktpreise für Getreide. Infolgedessen nutzte der landbesitzende Adel seinen Einfluss, um die britische Regierung zur Verabschiedung der sogenannten Korngesetze zu bewegen. Die Korngesetze beinhalteten Einfuhrbeschränkungen und Zölle auf ausländisches Getreide, um so den Getreidepreis und damit die Getreideproduktion im Inland stabil zu halten. Die Kehrseite waren höhere Lebenserhaltungskosten für Arbeiterinnen und Arbeiter, was zu höheren Löhne und zum Widerstand der Fabrikbesitzer gegen die Korngesetze führte. Auch David Ricardo forderte die Abschaffung der Korngesetze. In seinem Hauptwerk On the Principles of Political Economy and Taxation entwickelte Ricardo mit der Idee des komparativen Kostenvorteils das wohl prominenteste Argument der Befürworter von Freihandel. Danach sollen sich Nationen auf den Export der Güter spezialisieren, die sie zu geringeren Opportunitätskosten als die anderen Länder herstellen können. Über Handel könne dann die Wohlfahrt aller Nationen gesteigert werden.
Michael Heidinger
Immanuel Kant
Zusammenfassung
Nationen auf den Export der Güter spezialisieren, die sie zu geringeren Opportunitätskosten als die anderen Länder herstellen können. Über Handel könne dann die Wohlfahrt aller Nationen gesteigert werden. Dieser Beitrag erläutert die Ideen Immanuel Kants, der sich die Frage stellt, wie ein ewiger Frieden zwischen den Nationen hergestellt werden könne. Kant betont, dass neben einer republikanischen Verfassung der Nationen und einer internationalen Föderation der Außenhandel einen Frieden zwischen den Nationen garantieren kann. Denn, so sein Argument, wenn zwei Nationen durch regen Handel miteinander verbunden sind, führe ein Krieg zu einer Unterbrechung des Handels und schade damit beiden Seiten, weshalb es in diesem Fall im Eigeninteresse der Staaten sei, einen Krieg zu vermeiden.
Volker Mittendorf

Die Erschließung des Weltmarktes und der Imperialismus

Frontmatter
Friedrich List
Zusammenfassung
Ende des 18. Jahrhunderts setzte in Großbritannien als erstem Land die Industrialisierung ein, während Deutschland in der Position einer nachholenden industriellen Entwicklung war. Vor diesem historischen Hintergrund beschäftigte sich Friedrich List mit der Frage, unter welchen Bedingungen Länder sich industriell entwickeln können und setzte sich dabei kritisch mit den Annahmen der damaligen dominierenden Nationalökonomie um Adam Smith auseinander. Unter der Bedingung asymmetrischer Interdependenz ist es nach List unabdingbar, dass weniger entwickelte Länder Schutzzölle erheben, um produktive Kräfte entwickeln und so konkurrenzfähig werden zu können. In der Debatte über das staatskapitalistische Ordnungsmodell Chinas wird die Aktualität der Annahmen von Friedrich List zur Erklärung nachholender industrieller Entwicklung deutlich.
Maria Behrens
Karl Marx & Friedrich Engels
Zusammenfassung
Im Zuge der voranschreitenden Industrialisierung Europas und dem damit einhergehenden Imperialismus des 19. Jahrhunderts werden mehr und mehr alle Regionen rund um den Globus in die kapitalistische Struktur des Weltmarktes zwangsweise integriert. Vor diesem Hintergrund lenken Karl Marx und Friedrich Engels unseren Blick insbesondere auf die historische Entwicklung verschiedener Produktionsweisen und die Rolle, die Handel etwa beim Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus gespielt hat. Handel ist für sie einerseits ein Katalysator für Modernisierung und Ausbeutung und andererseits Ausdruck des kapitalistischen Akkumulations- und Wachstumszwangs, der die Integration immer weiterer Teile der Erde in den Weltmarkt vorantreibt. Der Beitrag befragt das Manifest der Kommunitischen Partei und andere Texte von Marx und Engels auf ihren Beitrag zur Ideengeschichte der Handelspolitik und ordnet diesen zeithistorisch ein.
Sebastian Möller, Marcus Wolf
Wladimir I. Lenin
Zusammenfassung
Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges ging eine Phase der Neubestimmung der politischen und ökonomischen Machtkonstellationen im Weltmaßstab zu Ende. Dies betraf nicht nur die Kräfteverhältnisse zwischen Staaten, sondern auch innerhalb der Gesellschaften zwischen Kapital und Arbeiterklasse. Seit den 1870er Jahren hatten sich gewaltige Veränderungen abgespielt, die diese beiden gesellschaftlichen Hauptakteure verändert hatten: die einsetzende wissenschaftlich-technische Revolution, Entstehung gewaltiger Unternehmen und Kartelle, koloniale Eroberungen und Freihandel, forderten dazu heraus, diese neue Epoche analytisch zu fassen und auf dieser Grundlage politische Konsequenzen zu ziehen. Wladimir I. Lenin sieht all diese Entwicklungen als neustes Stadium der Entwicklung des Kapitalismus. Dieser Beitrag erläutert Lenins zentrale Werk Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus und verordnet dieses zugleich zeithistorisch und ideengeschichtlich.
Lutz Brangsch

Der Protektionismus in der Weltwirtschaftskrise und der Regionalismus der Zwischenkriegszeit

Frontmatter
Eli F. Heckscher & Bertil G. Ohlin
Zusammenfassung
Der stetig wachsende internationale Handel sowie die beginnende Globalisierung beeinflussten maßgeblich die Wirtschaftsstruktur zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Vor diesem historischen Hintergrund entwickelten Heckscher und Ohlin ihre Theorien mit dem Ziel, die Muster des internationalen Handels und dessen Auswirkungen auf die Wirtschaft der einzelnen Länder zu erklären. Dieser Beitrag erörtert die zentralen Werke von Heckscher The Effect of Foreign Trade on the Distribution of Income und Ohlin Interregional and International Trade. Das Heckscher-Ohlin-Theorem gilt bis heute als eine der wichtigsten Außenhandelstheorien und sieht die Ursache für internationalen Handel in der Faktorausstattung der Länder mit Arbeit und Kapital begründet. Länder, die über viel Kapital verfügen, haben bei der Herstellung kapitalintensiver Güter einen Kostenvorteil und werden diese Güter entsprechend exportieren und die arbeitsintensiven Güter importieren. Aufbauend auf dem den Gedanken von Heckscher und Ohlin entwickelten zahlreiche weitere Ökonomen wie Wolfgang F. Stolper und Paul A. Samuelson neue Theoreme und Theorien zum Außenhandel.
Nina Grönhardt
Elmer E. Schattschneider
Zusammenfassung
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und einer Rezession zu Beginn der 1920er Jahre erlebte die US-amerikanische Wirtschaft einen wirtschaftlichen Boom, auch bekannt als die Roaring Twenties. Gegen Ende der 1920er Jahre folgte jedoch die Great Depression, welche zu einem Zusammenbruch der US-amerikanischen Wirtschaft führte. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise verabschiedete der Kongress den sogenannten Smoot-Hawley Tariff Act. Dieses Gesetz erhöhte die Zölle der Vereinigten Staaten dramatisch, was einen weltweiten Protektionismus zur Folge hatte, der die Konsequenzen der Weltwirtschaftskrise verschärfte. Dieser Beitrag diskutiert die Studie Politics, Pressures, and the Tariff von Elmer E. Schattschneider, der die Verabschiedung des Smoot-Hawley Tariff Act über den Einfluss von Interessengruppen im US-Kongress erklärt. Schattschneider erklärt das Zustandekommen dieser fatalen Handelspolitik über den höheren Organisationsgrad und das stärkere Klassenbewusstsein wirtschaftlicher Interessengruppen, wodurch politische Entscheidungen im Kongress auf Kosten anderen Interessen gefällt wurden.
Holger Janusch
Albert O. Hirschman
Zusammenfassung
In Folge der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre prägte zunehmend ein wirtschaftlicher Nationalismus und Bilateralismus die Handelspolitik der Großmächte. Sinnbildlich für diesen wirtschaftlichen Nationalismus stand Deutschland nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten. So zog sich das nationalsozialistische Deutschland aus der multilateralen Wirtschaftsordnung zurück und orientierte sich stattdessen an einem Bilateralismus. Dieser Beitrag wirft einen Blick auf das politökonomische Werk National Power and the Structure of Foreign Trade von Albert O. Hirschman, der im handelspolitischen Bilateralismus ein machtpolitisches Instrument der Großmächte erkennt. So können große, reiche und industrialisierte Länder durch die Ausrichtung ihres Handels auf kleine, arme und landwirtschaftliche Länder ihren Einfluss erhöhen, da die schwächeren Handelspartner im Falle eines Handelsabbruches mit höheren Kosten konfrontiert sind, Substitute für ihre Importe und neue Märkte für ihre Exporte zu finden.
Holger Janusch

Die Nachkriegszeit und der Beginn der europäischen Integration

Frontmatter
Jacob Viner
Zusammenfassung
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges begannen die Vereinigten Staaten mit der Etablierung einer liberalen Weltordnung. Ein Baustein dieser Weltordnung war das Allgemeinene Zoll- und Handelsabkommen, das nach der national ausgerichteten Finanz- und Handelspolitik in der Zwischenkriegsperiode multilateralen Freihandel fördern sollte. Parallel zu diesen multilateralen Bestrebungen gab es jedoch vielerorts auch Bestrebungen für regionale Integrationsprojekte. Dies galt insbesondere für das durch den Krieg zerstörte Europa. Ihre Annahmen stützten die Befürworter der europäischen Integration auf die Aussagen von Ökonomen aller Couleur. Doch weder Freihandelsbefürworter noch Freihandelsgegnern hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt intensiv mit den folgen regionaler Wirtschaftsintegration auf die Weltwirtschaft befasst. Jacob Viners Studie The Customs Union Issue lieferte erstmalig umfangreiche Erkenntnisse über die weitreichenden Folgen regionaler Wirtschaftsintegration und gilt deshalb als Standardwerk in der Freihandelsforschung. Viner belegt, dass Zollunionen neben handelsschaffenden auch handelsumlenkende Effekte verursachen. Regionale Handelsabkommen können im Vergleich zu globalem Freihandel demnach sogar die globale Wohlfahrt senken.
Sarah L. Beringer
Ernst B. Haas
Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund der Europäischen Integration thematisiert Ernst B. Haas in seinen beiden Hauptwerken The Uniting of Europe und Beyond the Nation State von Gründe und Bedingungen dafür, warum sich Nationalstaaten freiwillig und friedlich regional integrieren. Haas fragt, warum politische Akteure miteinander kooperieren, neue gemeinsame Institutionen schaffen und diese mit übergeordneten politischen Kompetenzen ausstatten, denen gegenüber sie sich loyal verhalten. Im Kontext verschiedener Integrationsdebatten gilt der Neo-Funktionalismus bis heute unumstritten als eine der beiden führenden Großtheorien zur Erklärung regionaler Integration. Haas nennt für dynamische Prozesse, die initial von Nationalstaaten ausgelöst, anschließend aber im Wesentlichen von nicht-staatlichen Akteuren auf supranationaler Ebene dominiert werden, drei Prämissen: Pluralismus, Rationalismus und Funktionalismus. Mit seinen Arbeiten regt er weniger zu normativen Diskussionen an, als vielmehr weitere empirisch-analytische Forschung zum Thema. Zwischenzeitlich haben Haas‘ Schüler dessen neo-funktionalistische Theorie weiterentwickelt und modifiziert.
Julia Schwanholz, Kristina Kurze

Die Dekolonialisierung und die Nord-Süd-Beziehungen im Welthandel

Frontmatter
Raúl Prebisch & Hans W. Singer
Zusammenfassung
Für Raúl Prebisch und Hans Wolfgang Singer führt die Integration von Entwicklungsländern in den Weltmarkt keinesfalls zu deren Entwicklung, sondern zur Stabilisierung der Ungleichheiten zwischen dem Norden und dem Süden. Die Preisbildung auf dem Weltmarkt benachteiligt strukturell die Exporteure von Primärgütern, während ausländische Investitionen in Entwicklungsländern in der Regel deren Konzentration auf die Exportsektoren verstärken. Prebisch und Singer befürworten ein Durchbrechen dieses Teufelskreises durch den Aufbau heimischer Industrien und partielle Handelseinschränkungen. Damit argumentieren sie entschieden gegen die liberale Handelstheorie, richten unseren Blick auf die Peripherie des globalen Kapitalismus und legen die Grundlagen für die Dependenztheorie. Der Beitrag rekonstruiert die ökonomische Logik des Terms-of-trade-Argumentes und ordnet es in den ideengeschichtlichen und zeithistorischen Kontext ein.
Sebastian Möller
Fernando H. Cardoso und Enzo Faletto
Zusammenfassung
Nach dem Zweiten Weltkrieg erlangten viele Entwicklungsländer ihre formelle Unabhängigkeit. Trotz des neugewonnenen Status als souveräne Nation blieb eine Entwicklung der ehemaligen Kolonien jedoch größtenteils aus. Es folgte die Entwicklungshilfe seitens der Industrieländer, die vor allem durch die Vorstellungen der Modernisierungstheorie geprägt war. Die Modernisierungstheorie nahm den Entwicklungsweg der Industrieländer als Muster und erklärte die Entwicklung von Ländern ausschließlich über landesinterne Faktoren, während externe Faktoren außerhalb eines Landes vernachlässigt wurden. Dieser Beitrag wirft einen Blick auf das Werk Abhängigkeit und Entwicklung in Lateinamerika der Dependenztheoretiker Fernando H. Cardoso und Enzo Faletto, die grundlegend die Modernisierungstheorie in Frage stellten und das Hauptaugenmerk auf externe Faktoren, die eine Entwicklung verhindern, richteten. Cardoso und Faletto erklären die Unterentwicklung Lateinamerikas über die historische Abhängigkeit zu den ehemaligen Kolonialmächten, insbesondere in den Außenhandelsbeziehungen. Aus dieser Argumentation ergibt sich die Forderung einer Abschottung der Entwicklungsländer vom Weltmarkt, um so eine importsubstituierende Industrialisierung und damit autozentrierte Entwicklung in Gang zu setzen.
Daniel Lorberg
Johann Galtung
Zusammenfassung
Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte eine breite Welle der Dekolonialisierung. Zeitgleich etablierten die Vereinigten Staaten eine Weltordnung, die auf Freihandel und freier Marktwirtschaft basierten. Trotz der formellen Unabhängigkeit und der Versprechen nach dem Wohlstand im Zuge von Freihandel blieb in vielen Ländern der sogenannten Dritten Welt eine Entwicklung allerdings aus. Als Konsequenz fordern die Entwicklungsländer vermehrt eine neue Weltwirtschaftsordnung, die den Bedingungen der Entwicklungsländer Rechnung trägt. Vor diesem Hintergrund legt Johan Galtung In seinem Artikel A Structural Theory of Imperialism dar, dass trotz der Dekolonialisierung der Welthandel immer noch durch einen Imperialismus innerhalb und zwischen den Entwicklungsländern und Industrieländern geprägt wird. Die Folge ist eine Form struktureller Gewalt in der internationalen Politik, die es den Entwicklungsländern unmöglich machen, sich zu entwickeln.
Nelia Miguel Müller

Die Ölkrisen und der American Decline

Frontmatter
Charles P. Kindleberger
Zusammenfassung
Die Weltwirtschaftskrise der frühen 1930er Jahre ist wahrscheinlich der am häufigsten zitierte Referenzpunkt von Forschungen zur neueren Wirtschaftsgeschichte und zu Wirtschafts- und Finanzkrisen. Kaum eine zeitgenössische Analyse aktueller oder potenzieller wirtschaftlicher Verwerfungen kommt ohne Hinweis auf die ‚Große Depression‘, ihre katastrophalen politischen Folgen und die daraus gezogenen Konsequenzen aus. Die bekannteste Analyse dieses epochalen Ereignisses ist Charles P. Kindlebergers The World in Depression, veröffentlich im Jahr 1973. Kindleberger sieht als Ursache für die Weltwirtschaftskrise die fehlende Bereitschaft der Vereinigten Staaten, ihre Rolle als neuer Hegemon einzunehmen. Für Kindleberger ist ein Hegemon mit überlegener Wirtschaftskraft eine notwendige Bedingung für eine stabile Weltwirtschaft, da nur ein Hegemon internationale Kollektivgüter bereitstellen kann. Auch wenn Kindleberger die Zwischenkriegszeit untersuchte, hatte sein Werk hohe Aktualität im Kontext der aufkommenden Debatte über einen American decline, also dem möglichen Untergang der Vereinigten Staaten als Hegemonen in der Weltwirtschaft.
Hubert Zimmermann
Stephen D. Krasner
Zusammenfassung
Seit Ende des 19. Jahrhunderts überwogen die Exporte der Vereinigten Staaten deren Importe. Ausgeglichen wurde der daraus resultierende Überschuss zum Großteil durch Investitionen seitens der Vereinigten Staaten im Ausland. Seit Beginn der 1970er Jahre wandelte sich der Handelsüberschuss der Vereinigten Staaten jedoch in ein Defizit, das zunehmend als Zeichen für den American Decline, also den Untergang der wirtschaftlichen Vormachtstellung der Vereinigten Staaten auf dem Weltmarkt, gewertet wurde. Nach einer Phase des Wiederaufbaus als Folge des Zweiten Weltkrieges stiegen Japan, aber auch Deutschland zu neuen Handelsmächten auf. Als Reaktion werden die Stimmen nach Protektionismus lauter in Washington. Stephen D. Krasner untersucht in seinem Artikel State Power and the Structure of International Trade den Zusammenhang zwischen der internationalen Machtverteilung, insbesondere dem Auf- und Abstieg eines Hegemonen, und der Offenheit des Welthandelssystems. Nach Krasner fördert der Aufstieg eines Hegemonen den Freihandel. Ein hegemonialer Untergang führt hingegen zu einem Protektionismus im Welthandel und Schließung des Weltmarktes.
Holger Janusch
Mancur Olson
Zusammenfassung
Dieser Beitrag erläutert und diskutiert das Werk The Rise and Decline of Nations von Mancur L. Olson aus einer ideengeschichtlichen Perspektive. Nach Olson kommt es in stabilen Demokratien zu einem Erstarken partikularistischer Interessengruppen, die Verteilungskoalitionen bilden, um wirtschaftliche Ressourcen zu ihren Gunsten umzuverteilen. Der erstarkende Einfluss dieser Sonderinteressen lässt wiederum langfristig die ökonomische Effizienz und Rate technischer Innovation einer Nation sinken. Freihandel kann etablierte Verteilungskoalitionen brechen, da neue Marktteilnehmer hinzukommen können. Zur Erklärung des Erstarken partikularistischer Interessengruppen greift Olsons auf seine Theorie des kollektiven Handelns zurück, wonach kleinere Gruppen im politischen Entscheidungsprozess überrepräsentiert seien, da sie im Gegensatz zu größeren Gruppen mit weniger Trittbrettfahrern konfrontiert seien und sich deshalb besser organisieren könnten.
Thilo Bodenstein
Robert O. Keohane
Zusammenfassung
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Vereinigten Staaten die mit deutlichem Abstand führende Nation im Welthandel. Diese herausragende Stellung nutzend, etablierten die Vereinigten Staaten verschiedene internationale Regime, die ihren Handelsinteressen entsprachen und andere Staaten zur Partizipation ermutigten. Mit der Gründung der OPEC zeigte sich jedoch, dass die Vereinigten Staaten nicht nur ihren hegemonialen Anspruch verloren hatten, sondern auch, dass sich internationale Regime auch ohne einen wohlwollenden Hegemonen bilden können. In diesem Beitrag wird auf das Werk After Hegemony von Robert O. Keohane eingegangen, der die Kooperation von Staaten im internationalen System ohne die Notwendigkeit eines Hegemonen erklärt. Hierzu verweist er auf den Nutzen und die Funktionen internationaler Regime und der in ihnen bereitgestellten Normen und Regeln für den internationalen Handel.
Jens Hiller
Susan Strange
Zusammenfassung
Als Folge der Ölkrisen und des Aufstiegs Japans als Handelsmacht wird besonders in den 1980er Jahren von einem American Decline, also dem hegemonialen Abstieg der Vereinigten Staaten, gesprochen. In ihrem Artikel The Persistent Myth of Lost Hegemon widerspricht Susan Strange der These eines Machtverlustes der Vereinigten Staaten. Nach Strange hätten die Vereinigten Staaten zwar an relationaler Macht eingebüßt, verfügten jedoch immer noch über strukturelle Macht. So bestimmten die Vereinigten Staaten immer noch die Struktur und Regeln in der globalen politischen Ökonomie. In ihrem zentralen Werk States and Markets baut sie diese Argumentation weiter aus und kritisiert zugleich die Außenhandelstheorie, die den Außenhandel isoliert betrachte und deshalb Trends im Welthandel wie die ungleiche Partizipation und ungleiches Wachstum nicht erklären könnte. Der Welthandel ist nach Strange nur eine sekundäre Struktur, die ausschließlich im Kontext der Sicherheits-, Produktions-, Finanz- und Wissensstruktur der Welt verstanden werden könne.
Maria A. Gwynn

Die fortschreitende Globalisierung im Welthandel

Frontmatter
Paul R. Krugman
Zusammenfassung
Mit voranschreitender Globalisierung in der Nachkriegszeit folgte ein Wandel der Zusammensetzung des Welthandels. Anstelle des Tausches von verschiedenen Gütern zwischen Ländern mit unterschiedlicher Faktorausstattung von Kapital und Arbeit bestimmte zunehmend der Handel von gleichen Gütern zwischen Industrieländern mit ähnlicher Faktorausstattung die Zusammensetzung des Welthandels. Die klassische Außenhandelstheorie basierend auf dem Argument des komparativen Kostenvorteils konnte hierfür allerdings keine Erklärung liefern. In drei Schriften Increasing Returns, Monopolistic Competition and International Trade sowie Scale Economies, Product Differentiation, and the Pattern of Trade und Increasing Returns and Economic Geography legte Paul R. Krugman den Grundstein für seine neue Außenhandelstheorie, um eine umfassende Erklärung für die neueren Veränderungen im Außenhandel zu liefern. Krugman erklärt den zunehmenden intraindustriellen Handel zwischen den Industrieländern über die Kostenvorteile durch Massenproduktion, die sogenannten economies of scale, und den unvollständigen Wettbewerb als Folge zunehmender Produktdifferenzierung.
Daniel Lorberg
Andrew Moravcsik
Zusammenfassung
Die 1990er Jahre, in denen der US-amerikanische Politikwissenschaftler Andrew Moravcsik die Theorie des Liberalen Intergouvernementalismus zur Erklärung der europäischen Integration entwickelte, waren von großen Umbrüchen und Veränderungen in der internationalen und der europäischen Politik geprägt. In diesem turbulenten Kontext wurde auch die Europaforschung wieder en vogue, nachdem der stagnierende Integrationsprozess der 1970er Jahre die (politik-)wissenschaftliche Aufmerksamkeit und Theoriebildung ausgebremst hatte. Moravcsik ist einer der Hauptprotagonisten dieser wiederbelebten Theoriedebatte. Die von ihm entwickelte Theorie betont, dass nationale Regierungen den europäischen Integrationsprozess im Wesentlichen steuern. Staaten verfolgen dabei keine übergeordneten nationalen Interessen, sondern vielmehr (sektor-)spezifische Interessen, die sich aus einem innerstaatlichen Präferenzbildungsprozess ergeben. Damit greift Moravcsik sowohl auf den Intergouvernementalismus als auch auf liberale Theorien der Internationalen Beziehungen zurück. Der vorliegende Beitrag verdeutlicht die theoretischen Grundannahmen anhand seines Hauptwerks The Choice for Europe.
Kristina Kurze, Julia Schwanholz
Peter A. Hall und David Soskice
Zusammenfassung
Nach dem Ende des Kalten Krieges schwand das wissenschaftliche Interesse am Systemkonflikt zwischen Kommunismus und Kapitalismus zunehmend. Stattdessen gerieten ab den 1990er Jahren verstärkt die Unterschiede innerhalb des kapitalistischen Systems selbst in den Fokus politökonomischer Forschung. Mit ihrer Introduction to Varieties of Capitalism liefern Peter A. Hall und David Soskice den wohl einflussreichsten Beitrag zur Debatte um die sogenannten Kapitalismusvarianten. Sie unterteilen die Industrieländer in liberale Marktwirtschaften auf der einen und koordinierte Marktwirtschaften auf der anderen Seite – zwei idealtypische kapitalistische Spielarten mit jeweils unterschiedlichen institutionellen Arrangements. Gerade die sich gegenseitig ergänzenden Institutionen innerhalb beider Idealtypen, so das Argument von Hall und Soskice, erklären dabei auch ihren ähnlich hohen wirtschaftlichen Erfolg. Dieser sei gerade in solchen Sektoren am größten, in denen die jeweilige kapitalistische Spielart komparative institutionelle Vorteile aufweise.
Michael Franke
Metadaten
Titel
Handelspolitik und Welthandel in der Internationalen Politischen Ökonomie
herausgegeben von
Holger Janusch
Copyright-Jahr
2020
Electronic ISBN
978-3-658-28656-9
Print ISBN
978-3-658-28655-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-28656-9

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