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2008 | Buch

Immobilienbewertung im Kontext der IFRS

Eine deduktive und empirische Untersuchung der Vorziehenswürdigkeit alternativer Heuristiken hinsichtlich Relevanz und Zuverlässigkeit bei der Fair Value-Ermittlung von Investment Properties

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einleitung

1. Problemstellung
Auszug
Seit dem 1. Januar 2005 sind ca. 7.0001 in der EU ansässige kapitalmarktorientierte Unternehmen dazu verpflichtet, ihren Konzernabschluss nach International Financial Reporting Standards (IFRS) aufzustellen.2 Darüber hinaus ist eine freiwillige Anwendung der IFRS im Konzernabschluss sowie im informatorischen Einzelabschluss möglich.3 Eine Vielzahl dieser Unternehmen hat Immobilien im Bestand. Immobilien gelten heutzutage aufgrund ihres dominierenden Anteils am volkswirtschaftlichen Gesamtvermögen als ein wesentlicher Faktor für die gesamtwirtschaftliche Stabilität und Entwicklung.4 Viele dieser von kapitalmarktorientierten Unternehmen gehaltenen Immobilien dienen nicht Produktions- oder Verwaltungszwecken, sondern der Vermietung an Dritte oder Wertsteigerungszwecken. Letztere fallen als so genannte „Investment Properties“5 in den Anwendungsbereich von IAS 40.6 Zu den betroffenen Unternehmen zählen sowohl reine Immobilienaktiengesellschaften7 (einschließlich der Real Estate Investment Trusts (REITs))8 als auch alle anderen Unternehmen beliebiger Branchen9 mit entsprechendem Immobilienbesitz.10 Die Anwendung des IAS 40 verschafft diesen Unternehmen die Möglichkeit, die Effekte aus einer Neubewertung der Immobilien des Anlagevermögens jedes Jahr ergebniswirksam in die Gewinn- und Verlustrechnung einfließen zu lassen. Sie können somit ihre Jahresergebnisse sowie ihre Bilanzsummen durch „Höherbewertung von Immobilien aufpeppen. Experten bezweifeln jedoch, ob sich damit die Transparenz für die Anleger verbessert.“11
2. Thematische Einordnung und Abgrenzung
Auszug
Die Betriebswirtschaftslehre wird als anwendungsorientierte Wissenschaft verstanden, die praxisrelevantes Wissen hervorbringt. Hierzu muss sie sich mit dem Erkennen der Realität sowie deren Gestaltung beschäftigen.32 Jedoch gibt es über die Funktion von Theorien, über die Anforderungen, die an die Struktur von Theorien zu stellen sind sowie das Verhältnis wissenschaftlicher Theorien zu anderen Aussagen unterschiedliche Auffassungen.33 So reicht das Spektrum der inhaltlichen Füllung des Begriffs Theorie von einer Erkenntnis ohne Ziel, einem empirischen Befund in einem bestimmten Bereich über die Ableitung allgemeiner Aussagen (= nomologische Aussagen) mit empirischem oder normativem Informationsgehalt bis hin zur umgangssprachlichen Beschreibung in der menschlichen Praxis.34 Es ist nicht das vorrangige Ziel, den Ergebnissen wissenschaftlichen Denkens durch Verankerung in ein sicheres Fundament eine Wahrheitsgarantie zu verschaffen (da es eine solche für Theorien niemals gibt),35 sondern vielmehr die Schwächen bisheriger Problemlösungen aufzudecken, die Entdeckung alternativer Lösungen zu begünstigen und die Weiterentwicklung von Problemstellungen und Lösungen zu fördern.36
3. Gang der Untersuchung
Auszug
Die Arbeit gliedert sich in den einleitenden Teil (Teil I) sowie zwei Hauptteile (Teil II und Teil III). In Teil II erfolgt die Herleitung und Festlegung des konzeptionellen Rahmens sowie Vorüberlegungen bezüglich des methodischen Vorgehens zur Problemlösung. Die hierauf aufbauende empirische Untersuchung ist Gegenstand des Teils III.

Konzeptioneller Rahmen und methodische Vorüberlegungen

1. Abbildung von Investment Properties nach IAS 40
Auszug
Der Herausgeber der IFRS, das IASB, bezweckt mit den IFRS die Entwicklung eines qualitativ hochwertigen, verständlichen und durchsetzbaren Systems internationaler Rechnungslegungsnormen sowie die Bereitstellung qualitativ hochwertiger, transparenter und vergleichbarer Informationen zur Unterstützung der Kapitalmarktteilnehmer bei ihren wirtschaftlichen Entscheidungen.69
2. Problemkonkretisierung und -definition
Auszug
Betrachtet man ausschließlich Barwertverfahren,261 so lassen sich diese in zwei Gruppen unterteilen: Einperiodische und mehrperiodische Barwertverfahren. Zu den einperiodischen Verfahren zählen das in Deutschland normierte Ertragswertverfahren nach WertV262 und die angelsächsischen einperiodischen Verfahren („income approach“, „investment method“, „direct capitalization method“). 263 Das DCF-Verfahren dagegen zählt zu den mehrperiodischen Barwertverfahren.264 Beide Verfahrenstypen können grundsätzlich zur Fair Value-Ermittlung gemäß IAS 40265 Anwendung finden.266
3. Problemlösungsrahmen für die Abbildung von Investment Properties zum Fair Value
Auszug
Wissenschaftliche Arbeiten lassen sich grundsätzlich in eher deskriptiv ausgestaltete Arbeiten (welche vorwiegend ein bestehendes System von Regeln beschreiben und kritisch hinterfragen) und normativ ausgestaltete Arbeiten unterscheiden. Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit ist ein konkretes Rechnungslegungsproblem innerhalb der IFRS, für das Lösungsansätze und/oder Handlungsempfehlungen entwickelt werden sollen. Hierzu lassen sich zwei grundlegende Vorgehensweisen, die logische Deduktion und die Induktion, unterscheiden. Logische Deduktion beschreibt die Ableitung einer Lösung aus einem zuvor gegebenen oder zu konstruierenden Bezugsrahmen durch Nachdenken. Bei der Induktion dagegen erfolgt ein Schlussfolgern der Lösung aus der Betrachtung der Realität (hier Vorgehensweise bei der Ermittlung des Fair Value in der Bewertungspraxis).415
4. Induktive und deduktive Überlegungen zur Problemlösung
Auszug
Die Vermittlung entscheidungsnützlicher Rechnungslegungsinformationen setzt deren Relevanz und Zuverlässigkeit voraus.665 Zwischen den Anforderungen der Relevanz und Zuverlässigkeit besteht jedoch ein Spannungsverhältnis, dem insbesondere im Kontext der Abbildung von Investment Properties zum Fair Value eine besondere Bedeutung zukommt.666 Dieses Spannungsverhältnis führt nach überwiegender Auffassung des Schrifttums zu einem Zielkonflikt zwischen den Anforderungen der Relevanz und Zuverlässigkeit (sog. „Trade-Off“).667 Das Problem eines Trade-Off zwischen einer möglichst hohen Relevanz und einer möglichst hohen Zuverlässigkeit ist dem IASB durchaus bewusst.668 Da das IASB nicht angibt, welche Bandbreite einer Schätzung (des Fair Value eines Investment Property) als zuverlässig erachtet wird,669 stellt sich für den Rechnungslegenden somit die Frage, welche Anforderung in welchem Maße Berücksichtigung finden sollte, damit im Ergebnis das Informationsbedürfnis der Adressaten auch befriedigt wird.670 Aus diesem Grund erachtet wohl auch das FASB das Spannungsverhältnis „relevance versus reliability“ im Zuge der Angleichung der Rahmenkonzepte des FASB und des IASB als „key concern“.671

Empirische Untersuchung

1. Einordnung und Zielsetzung
Auszug
In der vorangegangenen Betrachtung möglicher Erkenntnisquellen zur Problemlösung wurde herausgearbeitet, dass weder das IASB Framework noch die Verlautbarungen anderer Rechnungslegungsnormen setzender Standardsetter eine konkrete Hilfestellung zur Ermittlung des Fair Value von Investment Properties bieten. Auch die Verlautbarungen des IVSC und der TEGoVA sind (mitunter bewusst) allgemein gehalten, sodass auch diese keinen konkreten Problemlösungsansatz bieten können. Die Betrachtung empirischer Forschungsansätze hat aufgezeigt, dass kapitalmarktorientierte Studien aufgrund des Messverfahrens zwar Aussagen zur Entscheidungsnützlichkeit einzelner Rechnungslegungsinformationen evaluieren können, jedoch keinerlei Aussage zum Beitrag und zur Gewichtung der einzelnen qualitativen Anforderungen der Relevanz und Zuverlässigkeit geben können.919 Die mangelnde Eignung dieser Forschungsansätze liegt in dem methodeninhärenten Messverfahren begründet, mit dem nur die Entscheidungsnützlichkeit, nicht aber der Beitrag einzelner qualitativer Anforderungen wie Relevanz und Zuverlässigkeit gemessen werden können.
2. Methodenauswahl und theoretische Grundlagen
Auszug
In Anlehnung an Backhaus et al. erfolgt eine Einteilung der statistischen Analyseverfahren nach dem Anwendungsbezug. Obwohl nicht in allen Fällen eine überschneidungsfreie Zuordnung möglich ist, bietet sich eine Einteilung in hauptsächlich strukturen-entdeckende Verfahren und hauptsächlich strukturen-prüfende Verfahren an. Strukturen-entdeckende Verfahren dienen in erster Linie der Entdeckung von Zusammenhängen zwischen Variablen oder zwischen Objekten. Typischerweise besteht vor Anwendung des jeweiligen Verfahrens noch keine Kenntnis über die Beziehungszusammenhänge im untersuchten Datensatz. Strukturen-prüfende Verfahren dienen dagegen in erster Linie der Überprüfung von Zusammenhängen zwischen Variablen. Es existiert eine auf sachlogischen Überlegungen basierende Vorstellung über die Zusammenhänge zwischen Variablen. Diese Zusammenhänge sollen mit Hilfe eines statistischen Verfahrens überprüft werden.933
3. Datenauswertung
Auszug
Die Fragebögen wurden am Montag, 14. November 2005 versandt. Der Kontrollumschlag traf am Mittwoch, 16. November 2005 ein, sodass von einem Zugang des Fragebogens bei den Probanden am Mittwoch, 16. November 2005 auszugehen ist. Die ersten Antworten sind bereits am Freitag, 18. November 2005 eingetroffen. Als Stichtag für eine eventuelle Nachfassaktion wurde der Donnerstag, 1. Dezember 2005, d.h. zwei Wochen nach dem Zugang der Fragebögen gewählt.1010
4. Ergebnisinterpretation und Implikationen
Auszug
Der derzeitige IAS 40 enthält zur Ermittlung des Fair Value mit Hilfe von Bewertungsverfahren (d.h. auf der letzten Stufe der Bewertungshierarchie in IAS 40)1116 auf den ersten Blick einen relativ eindeutigen Wortlaut: „discounted cash flow projections based on reliable estimates of future cash flows“.1117 Die Wortwahl „discounted cash flow projection“ lässt vermuten, dass hierunter ausschließlich ein DCF-Verfahren zu verstehen ist. Aufgrund der weitgehend übereinstimmenden Definition des dem Ertragswertverfahren nach WertV zu Grunde liegenden Verkehrswertbegriffs mit dem Fair Value-Begriff in IAS 401118 erachtet das deutschsprachige Schrifttum1119 dieses auch als normenkonform. Teilweise wird sogar das Ertragswertverfahren nach WertV gegenüber dem DCF-Verfahren präferiert.1120 Ursächlich hierfür könnte zum einen ein fehlerhaftes Verständnis vom DCF-Verfahren dergestalt sein, dass dieses ausschließlich bei der Ermittlung von Entscheidungswerten anwendbar ist, und zum anderen die deutliche Dominanz des Ertragswertverfahrens in der deutschen Bewertungspraxis.
Backmatter
Metadaten
Titel
Immobilienbewertung im Kontext der IFRS
verfasst von
Christian Huschke
Copyright-Jahr
2008
Verlag
Gabler
Electronic ISBN
978-3-8350-5555-1
Print ISBN
978-3-8350-0957-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-8350-5555-1