Bislang steuern die Mitarbeiter in Logistikzentren motorisierte Handwagen - auch Ameisen genannt - über eine Bedienleiste mit fünf bis zehn Knöpfen. Da die vollgepackten Wagen bis zu 500 Kilogramm schwer sein können, hat eine falsche Handhabung oftmals Unfälle zur Folge, wissen die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und Automatisierung IFF in Magdeburg. Die Forscher arbeiten derzeit an einer Art Servolenkung, mit der sich die Kommissionierwagen künftig intuitiver lenken lassen sollen. Auf der Hannover-Messe vom 25. bis 29. April 2016 werden die Forscher ihre Entwicklung der Öffentlichkeit vorstellen.
Lenken durch den Druck der Hände
"Der Anwender lenkt das Gefährt allein durch den Druck seiner Hände", erläutert Professor Dr.-Ing. Klaus Richter, Kompetenzfeldleiter am Fraunhofer IFF in Magdeburg. Der entwickelte Griff verfüge über eine Art Servolenkung. Die Mitarbeiter sollen so den Wagen mit sehr wenig Kraftaufwand in die richtige Spur bringen können. Dies sollen Drucksensoren ermöglichen, die die Forscher in den Griff integriert haben. Da die Griffe für beide Hände mit Sensoren bestückt sind, erkenne der Wagen nicht nur, ob er geschoben oder gezogen wird. Indem die Software den Druck der rechten mit dem der linken Hand vergleiche, registriere der Wagen auch die jeweilige Richtung, die der Nutzer vorgibt.
Wie viele Sensoren nötig sind, um das Gefährt gut lenken zu können, erforschen die Wissenschaftler derzeit. Dafür haben sie einen Prototyp entwickelt, der zunächst mit vier Sensoren ausgestattet sei. "Wir wollen die Technik minimal halten, um auf diese Weise einen kostengünstigen Preis zu erzielen", erklärt Richter.
Car-to-Car-Kommunikation für die Logistik
Die Anweisungen, die der Mitarbeiter dem Kommissionierwagen über den Druck seiner Hände erteile, sollen an einen Motor, wie sie auch für Elektrofahrräder verwendet werden, weitergeleitet werden. Der Motor sei in der Lage, die Befehle innerhalb weniger Millisekunden umzusetzen - allerdings würde das den Menschen den Wissenschaftlern zufolge überfordern. "Wir entwickeln das System so, dass es eine maximale Schnelligkeit erreicht, und bringen dann künstliche Verzögerungen ein", erklärt Richter. Wie lang diese Verzögerungen ausfallen müssen, damit der Nutzer sich möglichst sicher und wohl mit der Bedienweise fühlt, sollen psychologische Untersuchungen mit Testpersonen zeigen.
Gemeinsam mit der Firma Cloud & Heat arbeiten die Forscher daran, alle Anweisungen von Mitarbeitern zunächst in eine Cloud zu überführen, zu sammeln und zu koordinieren. Biege ein Mensch mit dem Gefährt um eine nicht einsehbare Kurve und drohe ein Zusammenstoß mit einem anderen Fahrzeug, sollen beide Wagen automatisch gestoppt werden -analog zur Vision der Car-to-Car-Kommunikation. Die Forscher konnten laut eigenen Angaben bereits eine Latenzzeit von 10 Millisekunden erreichen. Das Signal brauche also nur 10 Millisekunden, um vom taktilen Griff über die Cloud zurück zur Motorsteuerung zu gelangen.
Der taktile Griff wird im Forschungsprojekt FAST Realtime entwickelt, das Teil der Clusterstrategie 2020 ist. Das Ziel des Projekts, das insgesamt über 50 Millionen Euro Fördergelder verfüge, sei die Entwicklung neuer Mensch-Maschine-Schnittstellen. Sollen sich die einzelnen Objekte im "Internet der Dinge" miteinander vernetzen, geht es im"taktilen Internet" darum, die Schnittstellen zum Menschen zu definieren, um sie effektiver, intuitiver und zugleich sicherer zu machen.