Institutionelle Investoren und Corporate Governance

In Deutschland ist das Volumen des von professionellen Kapitalanlegern verwalteten Vermögens — den so genannten institutionellen Investoren wie Versicherungsunternehmen, Kapitalanlagegesellschaften, Pensionsfonds, Venture-Capital-Gesellschaften und Vermögensverwaltungen der Kreditinstitute — von 1990 bis 1998 um 92% angestiegen.¹ In den USA und Großbritannien hat eine ähnliche Entwicklung in den vergangenen Jahren bereits zu einem verstärkten Engagement dieser Gruppen hinsichtlich der Gestaltung von Teilfunktionen der Unternehmen geführt, da ein potenzieller Konflikt zwischen Anteilseigner und Management besteht.

Um die Einflussnahme institutioneller Investoren bei börsennotierten Wachstumsunternehmen zu untersuchen, ist es einführend erforderlich, die wesentlichen Charakteristika von Wachstumsunternehmen aufzuzeigen, um die Unterschiede im Verhalten institutioneller Investoren im Vergleich zu etablierten Unternehmen zu erklären. Auch ist es notwendig, wesentliche Eigenschaften und unterschiedliche Arten institutioneller Investoren vorzustellen, um differenzierte Anforderungen an die Corporate Governance ableiten zu können. Abschließend werden das der Arbeit zugrunde liegende Verständnis von Corporate Governance und Unternehmensführung als Objekt der Einflussnahme von institutionellen Investoren bei Wachstumsunternehmen skizziert.

Das Bild aktiver institutioneller Investoren wird in der wissenschaftlichen und praktischen Diskussion durch eine geringe Zahl von überwiegend US-amerikanischen Marktteilnehmern geprägt. Erst in letzter Zeit wird diese Diskussion auch auf Deutschland übertragen.¹

Die bisherigen Ausführungen haben eher allgemeingültigen Charakter. Es wurde das Verhalten institutioneller Investoren länder- und unternehmensübergreifend erklärt. Deshalb ist es nachfolgend erforderlich, die analysierten Ansätze zu verknüpfen und eine Spezifizierung für Wachstumsunternehmen am Neuen Markt vorzunehmen.

Die vorausgegangenen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass ein aktives Verhalten von einer Vielzahl von Faktoren abhängt und unterschiedliche Ausprägungen annehmen kann. Jedoch haben diese Aussagen bisher nur den Charakter von Hypothesen. Aus diesem Grund wird nachfolgend das aktive Verhalten von institutionellen Investoren sowie die Wahrnehmung dieses Verhaltens auf Seiten der Unternehmen empirisch untersucht. Es sollen dadurch die aufgestellten Hypothesen hinsichtlich der Erklärung des Verhaltens institutioneller Investoren, der von ihnen eingesetzten Instrumente und der dadurch initiierten Veränderungen überprüft werden.

Die Beziehungen zwischen Unternehmen und institutionellen Investoren sind bislang unzureichend erforscht. Es gibt weder hinreichend geschlossene Erklärungsansätze für ein aktives Verhalten institutioneller Investoren, noch hat bisher eine ausreichend systematische Verknüpfung bestehender Ansätze mit den Instrumenten der Einflussnahme stattgefunden. Zum Objekt der Einflussnahme beschränken sich die Analysen bisher auf die Corporate Governance; die Unternehmensführung wird ausgeklammert. Für Wachstumsunternehmen gelten diese Defizite in noch stärkerem Umfang. Ausgehend von einem anwendungsorientierten Wissenschaftsverständnis war es deshalb Ziel dieser Arbeit, einen Beitrag zur Schließung dieser Lücke zu leisten und Handlungsempfehlungen zur Gestaltung von Corporate Governance und Unternehmensführung aus Sicht institutioneller Investoren auf Basis eines Vergleichs von Wachstumsunternehmen und etablierten Unternehmen abzuleiten.