2007 | OriginalPaper | Buchkapitel
Interessenverbände als intermediäre Organisationen. Zum Wandel ihrer Strukturen, Funktionen, Strategien und Effekte in einer veränderten Umwelt
verfasst von : Dr. phil Ulrich Willems, Dipl.-Soz., Dr. Thomas von Winter, Dipl.-Pol.
Erschienen in: Interessenverbände in Deutschland
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.
Wählen Sie Textabschnitte aus um mit Künstlicher Intelligenz passenden Patente zu finden. powered by
Markieren Sie Textabschnitte, um KI-gestützt weitere passende Inhalte zu finden. powered by
Der Interessenverband als Typus politischer Organisation hat in Deutschland ebenso wie in vielen anderen westlichen Gesellschaften eine einzigartige Erfolgsgeschichte aufzuweisen. Die Zahl der Interessenverbände ist seit der Herausbildung dieses Akteurstypus im 19. Jahrhundert in mehreren Mobilisierungswellen enorm gestiegen (vgl. dazu Kleinfeld in diesem Band). Die jüngste und bis heute andauernde Welle begann in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts mit einem regelrechten Gründungsboom, der eine Phase geradezu exponentiellen Wachstums organisierter Interessen einleitete. Heute existiert kaum ein gesellschaftliches Interesse, das nicht direkt oder stellvertretend auch seinen organisatorischen Ausdruck finden würde. Die Bundesrepublik wird daher mit Recht als eine „verbandsstrukturierte Gesellschaft“ (Weippert 1985) oder auch als eine „organisierte Gesellschaft“ (von Alemann 1989) bezeichnet. Sie ist damit wie andere westliche Demokratien auch maßgeblich geprägt von komplex strukturierten Organisationen, die einen festen Platz als Mittler zwischen Gesellschaft und Staat einnehmen. Ihr wesentliches, lange Zeit übersehenes Merkmal ist dabei ihre Multifunktionalität. Die Rolle der Interessenverbände erschöpft sich nämlich nicht in der Einflussnahme auf den politischen Entscheidungsprozess und die Beteiligung an der Umsetzung seiner Ergebnisse. Verbände erbringen vielmehr auch Dienstleistungen für Mitglieder und Klienten, übernehmen staatliche Aufgaben in Eigenregie und prägen als Orte politischer Sozialisation und Kommunikation die politische Kultur (vgl. Kleinfeld et al. 1994: 1). Gleichwohl hat sich die Aufmerksamkeit von Politikwissenschaft und Öffentlichkeit bis heute auf die Beteiligung der Verbände an politischen Entscheidungen, ihren Einfluss auf Politikergebnisse und Implementationsprozesse sowie auf die Voraussetzungen und Folgen dieser Beteiligung und Einflussnahme konzentriert. Dies ist insofern angemessen, als die Bedeutung der Interessenverbände für die politischen Entscheidungsprozesse im Zeitverlauf eher noch zugenommen hat und die Politik ihrerseits die moderne Gesellschaft nach ihrer Fundamentalpolitisierung, durch die virtuell alles politisch werden kann (Greven 1999), immer weiter und tiefer durchdringt.