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2006 | Buch

Internationale Migration hoch qualifizierter Arbeitskräfte

Die Greencard-Regelung in Deutschland

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Auszug
Im Februar 2000 kündigt Bundeskanzler Schröder auf der weltgrößten Computerfachmesse CeBIT die Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für ausländische IT-Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten durch die Greencard-Regelung an. Damit transportiert er das Thema „internationale Migration hochqualifizierter Fachkräfte“ in die nationale und internationale Öffentlichkeit. Dies geschieht damals zunächst vor dem Hintergrund eines projektierten Arbeitskräftemangels von 75.000 Computerspezialisten1 (Bitkom 2000c, 1) und der damit verbundenen negativen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Volkswirtschaft in Deutschland. Unterbindet die Politik die Zuwanderung der ausländischen Fachkräfte, so argumentieren führende Wirtschaftswissenschaftler und politische Vertreter (Müller 2000, 200; Stihl 2000, 201; Zimmermann 2000, 208; vgl. Meier-Braun 2002, 167ff), wird ein potentielles Beschäftigungswachstum in Deutschland unterdrückt. Projekte bleiben buchstäblich ‘in der Schublade liegen‚ oder werden aufgrund des Arbeitskräftemangels ins Ausland transferiert. Alternativ werden wegen der hohen Nachfrage nach Experten steigende Lohnkosten für inländische Arbeitskräfte antizipiert. Ohne eine Zuwanderung dieser Berufsgruppe befinden sich die Unternehmen in Deutschland im Wettbewerbsnachteil gegenüber einer Vielzahl von Ländern, die bereits die Öffnung ihrer Grenzen für die hochbegehrten Computerexperten beschlossen haben. Damit stellt der Vorstoß des Kanzlers eine langandauernde politische und gesellschaftliche Wahrnehmung in Frage: Die Personenfreizügigkeit und die Öffnung der Grenzen für ausländische Arbeitskräfte führt nicht zwangsweise zur einer volkswirtschaftlichen Belastung, sondern — im Gegenteil — die inländischen Unternehmen und auch Beschäftigten profitieren von einer solchen Maßnahme.
2. Theorien zur internationalen Migration von hochqualifizierten Arbeitskräften
Auszug
Die firmenorientierten Untersuchungsansätze werden in vier Schritten dargestellt. Zunächst wird das Modell des Migration Channel Approaches vorgestellt, das als Basis für die Untersuchung dient. Im zweiten und dritten Schritt folgt eine Diskussion der internationalen Mobilität innerhalb unternehmensinterner Arbeitsmärkte bzw. durch unternehmensexterne Neurekrutierungen. Diese eher konzeptionellen Darlegungen werden in einem vierten Schritt durch die Ergebnis empirischer, meist wirtschaftswissenschaftlicher Studien ergänzt und gegenübergestellt.
3. Zuwanderung ausländischer IT-Fachkräfte nach Deutschland
Auszug
Die „Greencard“ wurde als Gesetzesinitiative auf der CEbit im Februar 2000 vom Bundeskanzler Schröder als politische Antwort auf den Fachkräftemangel in der IT-Branche vorgestellt. Für die politische Diskussion war damals vor allem die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt von Bedeutung. Im Juli 2000 wurde nach intensiver politischer Debatte82 schließlich das Gesetz, die sogenannte IT-ArGV und IT-AV, verabschiedet. Zunächst ist für ein Kontingent von 10.000 ausländischen IT-Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern der Arbeitsmarkt geöffnet. Die Unternehmen in Deutschland können für IT-Fachkräfte aus den Drittstaaten eine Arbeitsgenehmigung beantragen, wenn Sie einen ortsüblichen Arbeitsvertrag83 in einem IT-Beruf und einen Hochschulabschluss in diesem Feld oder ein Gehalt von mindestens 100.000 DM Jahreseinkommen nachweisen. Erstmals wird es auch für ausländische Absolventen und Absolventinnen, die ihren Studienabschluss an deutschen Universitäten erworben haben, möglich, eine Arbeitserlaubnis in Deutschland zu erhalten. Zuvor war ihnen das aus entwicklungspolitischen Gründen versagt. Die Unternehmen bekommen in der Regel von den Arbeitsämtern innerhalb einer Woche eine vorläufige Zusicherung der Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis, die sie an die ausländischen Fachkräfte zur Beantragung eines Einreisevisas nach Deutschland weiterleiten. Innerhalb der ersten drei Monate ihres Aufenthaltes in Deutschland wird den ausländischen IT-Fachkräften anschließend eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis für fünf Jahre in Deutschland zugesichert. Die ausländischen IT-Fachkräfte erhalten auch eine Aufenthaltserlaubnis für mitreisende Familienangehörige, die jedoch erst einen kontinuierlichen zweijährigen Aufenthalt in Deutschland für eine eigene Arbeitserlaubnis nachweisen müssen.
4. Greencard für ausländische IT-Fachkräfte
Auszug
Die Bundesanstalt für Arbeit (jetzt Bundesagentur für Arbeit) stellt eine Reihe von Daten zur Verfügung. Allerdings sind einige Hinweise zur Terminologie an dieser Stelle zu machen: Die Bundesanstalt für Arbeit veröffentlicht zwei unterschiedliche Datenreihen zur Zuwanderung der ausländischen IT-Fachkräfte. In der Presse werden hauptsächlich die vorläufigen Zulassungen der ausländischen IT-Fachkräfte der Öffentlichkeit unter dem Terminus „Greencard“ vorgestellt. Diese Terminologie wird in dieser Arbeit beibehalten. Die Betriebe in Deutschland beantragen für die ausgewählten ausländischen IT-Fachkräfte eine Greencard. Sie erhalten nach einer Woche eine vorläufige Zusicherung, mit der sie im Ausland ein Visa zur Einreise beantragen können. Innerhalb der ersten drei Monate ihres Aufenthaltes müssen die ausländischen IT-Fachkräfte eine Arbeitserlaubnis in Deutschland beantragen. Die Zahlen zwischen den Zusicherungen und den Arbeitserlaubnissen für ausländische IT-Fachkräfte differieren nach dem ersten Jahr im Juli 2001 um fast 40%, im Juli in den Jahren 2002 und 2003 um fast 30%. Deswegen versucht die folgenden Analyse, wenn möglich auf die Daten zu den erstmalig erteilten Arbeitserlaubnissen zurückzugreifen. Dies ist jedoch für die Merkmale Betriebsgröße, Geschlecht und die Feststellung des Anteils der Hochschulabsolventen unter den Greencard-Inhabern nicht möglich. Bei einigen Merkmalen werden bei beiden Arbeitserlaubnissen die Merkmale erfasst. Hier wird dann ein Vergleich zwischen den Daten vorgenommen.
5. Internationale Verflechtungen informationsorientierter Dienstleistungsunternehmen
Auszug
Die Erhebung wurde im Februar bis April 2002 zusammen mit dem Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung durchgeführt. Dabei wurden in den Metropolenregionen Berlin und München je 3.000 informationsintensive Betriebe aller Betriebsgrößen befragt, was in etwa 5% des Bestandes der informationsintensiven Betriebe in den beiden Metropolenregionen darstellt (Jähnke 2002; Schmidt und Wolke 2004). Dabei dient der Datenbestand über informationsintensive Dienstleistungsbetriebe kommerzieller Adressanbieter als Quelle zur Ermittlung des Betriebsbestandes an den beiden Standorten. Bei der Versendung der Fragebögen stellte sich jedoch heraus, dass 10% der Adressen nicht korrekt sind, da die Briefe nicht zugestellt werden konnten. Damit haben nur 5.400 Fragebögen einen Betrieb erreicht. Eine Selektion bestimmter Betriebsgrößen wurde nicht vorgenommen. Damit kann gesichert angenommen werden, dass es sich bei der überwiegenden Anzahl der befragten Betriebe um kleine und mittlere Betriebe handelt.
6. Rekrutierung von ausländischen IT-Fachkräften — die unternehmensorientierte Perspektive
Auszug
Die Ergebnisse der letzten Kapitel erweisen sich für eine Erklärung der Migration von ausländischen IT-Fachkräften nach Deutschland als widersprüchlich, da sie antagonistische Indizien über die Akteurskonstellation im Migrationsprozess liefern. Zum einen finden sich Beweise dafür, die zeigen, dass eine unternehmensorientierte Untersuchungsperspektive sinnvolle Ergebnisse liefern kann, da intensive internationale Verflechtungen der Betriebe ins Ausland zu einer höheren internationalen Mobilität der Fachkräfte führen. Zum anderen wird die Erklärungskraft einer unternehmensorientierten Untersuchungsperspektive in Frage gestellt, wenn Betriebe ausländische Fachkräfte nicht mehr selbst aktiv rekrutieren und anwerben, sondern nur noch passiv Initiativbewerbungen ausländischer Fachkräfte nutzen. In diesem Fall müssen die Motive und die Migrationswege der hochqualifizierten Fachkräfte untersucht werden, um Aufschluss über den Migrationsprozess der ausländischen Fachkräfte nach Deutschland zu erhalten. Die beiden folgenden Kapitel nehmen diese unterschiedlichen Untersuchungsperspektiven auf. Während in diesem Kapitel die Migration der ausländischen IT-Fachkräfte nach Deutschland mit Hilfe einer Unternehmensbefragung analysiert wird, wird das nächste Kapitel die ausländischen IT-Fachkräfte selbst in den Mittelpunkt der Untersuchung stellen. Vor diesem Hintergrund wird zunächst die Rekrutierung der ausländischen IT-Fachkräfte mit Hilfe einer qualitativen Unternehmensbefragung analysiert. Damit kann geklärt werden, welche Rolle die Betriebe im Migrationsprozess einnehmen und welche Rolle ihre internationalen Verflechtungen für die internationale Mobilität der hochqualifizierten Fachkräfte spielen.
7. Migration ausländischer IT-Fachkräfte — qualitative Befragung der Fachkräfte
Auszug
Dieses Kapitel untersucht den Einfluss der ausländischen IT-Fachkräfte auf den Migrationsprozess nach Deutschland. Wie im vorangegangenen Kapitel dargestellt wurde, haben viele ausländische IT-Fachkräfte durch ihre Initiativbewerbungen per Internet den Kontakt mit den Arbeitgebern in Deutschland gesucht. Das Internet erlaubt als Kommunikationsmedium einen ortsunabhängigen Zugang von Arbeitssuchenden zu Arbeitgebern. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass den Fachkräften im Ausland alle potentiellen Migrationsziele aufgrund der Offenheit dieses Mediums unabhängig vom aktuellen Aufenthaltsort und vorher bestehender Informationsbarrieren zugänglich sind. Die Fachkräfte haben nun die Möglichkeit die Migrationsziele nach ihren individuellen Motiven und Interessen zu bestimmen, während ihre Mobilität früher vor allem durch das Diktat ökonomischer Notwendigkeiten ihrer Arbeitgeber bestimmt wurde. Warum haben die ausländischen IT-Fachkräfte Deutschland als Migrationsziel ausgewählt, obwohl 15 andere Länder mit ähnlichen Regelungen um ausländische Spezialisten geworben haben? Welche Motive nennen sie für die Migration? Unternehmensverflechtungen konnten — ein weiteres Ergebnis des letzten Kapitels — die Migrationsbewegung ebenfalls nicht erklären. Einige größere Unternehmen trafen jedoch die Aussage, dass mehr als die Hälfte der neu rekrutierten IT-Fachkräfte bereits über Kontakte nach Deutschland verfügt haben. Spielen nun die persönlichen Kontakte der ausländischen Fachkräfte eine Rolle bei der Wahl des Migrationsziels? Wie gingen die ausländischen IT-Fachkräfte bei der Arbeitssuche vor?
8. Zusammenfassung und Ausblick
Auszug
Die vorliegende Arbeit hat sich das Ziel gesetzt, die Migration hochqualifizierter Arbeitskräfte am Beispiel der Greencard-Regelung in Deutschland zu untersuchen. Die internationale Migration hochqualifizierter Fachkräfte wird bisher von unterschiedlichen Disziplinen mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Forschungsansätzen untersucht. Vor diesem Hintergrund gibt die Arbeit zunächst in Kapitel 2 einen kritischen Überblick über die verschiedenen Forschungsstränge. Sie zeigt dabei, dass die Forschung die Migration hochqualifizierter Fachkräfte überwiegend aus einer unternehmensorientierten Perspektive betrachtet hat. Dabei wird wiederum vorzugsweise die Funktionsweise von unternehmensinternen Arbeitsmärkten analysiert, während bisher nur wenige Erkenntnisse zur internationalen Mobilität hochqualifizierter Fachkräfte bei externen Rekrutierungen vorliegen. Diese Tatsache spiegelt sich in der Theoriebildung wider, die bei dem Thema vor allem Erkenntnisse über den Migrationsprozess und Migranten unternehmensinterner Arbeitsmärkte präsentiert. Ein Modell, das sowohl die Mobilität innerhalb transnationaler Unternehmen als auch die externe Rekrutierung von hochqualifizierten Fachkräften betrachtet, ist der von Findlay und Garrick (1990) entwickelte Migration Channel Approach. Die Forscher gehen dabei von der Prämisse aus, dass sich der internationale Migrationsprozess Hochqualifizierter durch die Untersuchung der Rekrutierungsinstrumente rekonstruieren lässt. Nach ihrer Ansicht haben bei der Migration von hochqualifizierten Fachkräften internationale Vermittler auf der Mesoebene die entscheidende Rolle inne. Sie moderieren den Migrationsprozess zwischen Mikro- und Makroebene und vermitteln grenzüberschreitend zwischen den hochqualifizierten Fachkräften und den personalsuchenden Betrieben.
Backmatter
Metadaten
Titel
Internationale Migration hoch qualifizierter Arbeitskräfte
verfasst von
Heike Pethe
Copyright-Jahr
2006
Verlag
DUV
Electronic ISBN
978-3-8350-9360-7
Print ISBN
978-3-8350-0522-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-8350-9360-7

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