Skip to main content

2019 | OriginalPaper | Buchkapitel

IV. Das österreichische Grundrechtssystem von europäischen Paradigmen legitimer Verfasstheit zur rechtstatsächlichen Verfasstheit Österreichs

verfasst von : Stephan G. Hinghofer-Szalkay

Erschienen in: Verfassungsrechtsentwicklung aus rechtstatsächlicher Perspektive

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Zusammenfassung

Die prägende Phase der österreichischen Grundrechtsentwicklung erklärt sich aus dem Kompromiss zwischen konkurrierenden Paradigmen der politischen Philosophie. Sowohl der Kommunikationsfreiheit als auch der Religionsfreiheit kommen eine Schlüsselfunktion für die Entwicklung jener Paradigmen zu, welche die rechtliche Verfasstheit tragen und prägen. Mit Blick auf die Religionsfreiheit wagt sich die Analyse auf ein Terrain der Erkenntnissuche, welches durch einen graduellen Paradigmenwechsel grundlegende Fragen zur künftigen Verfasstheit des österreichischen Staatswesens aufwirft: der Verbindung zwischen Islam, islamischer Jurisprudenz und der österreichischen rechtlichen Verfasstheit. Der Ansatz legt im Spiegel des historischen Entwicklungspfads österreichischer Verfassungsentwicklung die Grundlagen für aktuelle Verständnisprobleme offen: Paradigmen, welche im westlichen Verständnis des Phänomens häufig vorausgesetzt und auf ein anders strukturiertes Phänomen projiziert werden. Dies führt beobachtbar zu polarisierenden Zerrbildern.

Sie haben noch keine Lizenz? Dann Informieren Sie sich jetzt über unsere Produkte:

Springer Professional "Wirtschaft+Technik"

Online-Abonnement

Mit Springer Professional "Wirtschaft+Technik" erhalten Sie Zugriff auf:

  • über 102.000 Bücher
  • über 537 Zeitschriften

aus folgenden Fachgebieten:

  • Automobil + Motoren
  • Bauwesen + Immobilien
  • Business IT + Informatik
  • Elektrotechnik + Elektronik
  • Energie + Nachhaltigkeit
  • Finance + Banking
  • Management + Führung
  • Marketing + Vertrieb
  • Maschinenbau + Werkstoffe
  • Versicherung + Risiko

Jetzt Wissensvorsprung sichern!

Springer Professional "Wirtschaft"

Online-Abonnement

Mit Springer Professional "Wirtschaft" erhalten Sie Zugriff auf:

  • über 67.000 Bücher
  • über 340 Zeitschriften

aus folgenden Fachgebieten:

  • Bauwesen + Immobilien
  • Business IT + Informatik
  • Finance + Banking
  • Management + Führung
  • Marketing + Vertrieb
  • Versicherung + Risiko




Jetzt Wissensvorsprung sichern!

Fußnoten
1
Vgl dazu etwa die Feststellung im 3. Protokoll des Unterausschusses des Verfassungsausschusses vom 23. August 1920: Die Ausscheidung der Grund- und Freiheitsrechte wurde so gedeutet, dass „keine vollständige Verfassung“ vorliegen werde, weswegen die feierliche Einleitung gestrichen wurde. Ermacora, Quellen 336.
 
2
Wie dies in Folge am Beispiel islamischer Jurisprudenz verdeutlicht wird.
 
3
Dazu näher Kapitel VII.3.
 
4
Anmerkung: Dieses Kapitel baut teilweise auf dem Beitrag des Autors, Nationale oder europäische Rechtsgeschichte? Die prägenden Einflüsse auf Österreichs Grundrechtsschutzsystem in FS Pichler (2017) 189 auf, wobei hier einerseits eine Vertiefung, andererseits eine Zuspitzung auf das Generalthema sowie die in diesem Buch eingeführten Begriffe erfolgt.
 
5
Sonnenfels, Handbuch der inneren Staatsverwaltung I (1798) xii.
 
6
Dazu näher Berka, Grundrechtsgeschichte im Vorgriff auf eine Grundrechtsdogmatik: Anmerkungen zu einer der ersten wissenschaftlichen Arbeiten von Theo Mayer-Maly, in GedS Mayer-Maly (2011) 101 (102).
 
7
Vgl Eisfeld, Naturrecht, HRG III, Sp 1857–1868, www.​HRGdigital.​de/​HRG.​naturrecht.
 
8
Schmidt-Jortzig in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, 416.
 
9
Hinzuweisen ist auf die Gegenüberstellung zwischen dem revolutionären Gegensatz der ständischen Ordnung in Frankreich und der amerikanischen Entwicklung „am Beginn einer sich neu formierenden Gesellschaftsordnung“, im Ergebnis also einer Zäsur gegenüber einer Fortsetzung. Würtenberger in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, 55.
 
10
Würtenberger in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, 52.
 
11
Für eine kompakte Darstellung aus staatsrechtlicher Perspektive Wiederin, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789 als universelle Staatsverfassung, in FS Berka (2013) 289.
 
12
Anmerkung: Nicht zuletzt, weil diese alle Menschen adressierte und sich so von Systemen (geburts)ständischer Freiheitsrechte wie der englischen Magna Charta 1215 oder der ungarischen Goldenen Bulle 1222 deutlich unterschied. Zu diesem Unterschied im Detail Brauneder in Machacek/Pahr/Stadler 192 ff.
 
13
Anmerkung: Diese Entwicklungen in einer gerade unabhängig gewordenen britischen Siedlungskolonie können als klarer Ausfluss des europäischen Rechtsraums diesem zugerechnet werden.
 
14
Stern, Die Idee der Menschen- und Grundrechte, in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, 3 (17).
 
15
Welche insbesondere durch die Cahiers de doléance erfolgte. Diese waren den Abgeordneten mitgegeben wurden und sollten die Leitlinie für die Diskussion darstellen, siehe Würtenberger in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, 54.
 
16
Gneist, Rechtsstaat 77 f.
 
17
Vgl Würtenberger in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, 65.
 
18
Sonnenfels, Handbuch xivf (veraltete Schreibweisen durch den Autor angepasst).
 
19
Würtenberger in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, 59.
 
20
Diese näher aufzuzeigen kann als das Verdienst von Jellinek, Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte: Ein Beitrag zur modernen Verfassungsgeschichte (1895) 7 ff. bezeichnet werden.
 
21
Eckhardt, Die Grundrechte vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart (1913) 14 f.
 
22
Schäffer in Merten/Papier, Handbuch VII/12, 9.
 
23
Dazu im Detail Brauneder in Machacek/Pahr/Stadler 221 ff.
 
24
Die zudem zentrale gemeinschaftsbezogene Grundrechte wie insbesondere die Meinungsäußerungsfreiheit nicht enthielt. Siehe III. Abschnitt, Von dem Reichsbürgerrechte, Kaiserliches Patent vom 4. März 1849, die Reichsverfassung für das Kaisertum Oesterreich enthaltend, RGBl 1849/150.
 
25
Anmerkung: Er wies auf den Ursprung in und die Entwicklung während der französischen Revolution aber auch in der belgischen Verfassung von 1831 hin. Gumplowicz, Das österreichische Staatsrecht3 (1907) 264.
 
26
Fischel, Protokolle XVI.
 
27
Sonnenfels, Handbuch xxvii erklärte den Umstand, dass er unter den „neueren Werken“ häufig den „Contract social“ anführe dadurch, dass Rousseaus Worte nicht als Autorität sondern als Geständnis stünden „wie in einem Prozesse oft die Worte oder das Zugeben des Gegners zum Behufe aufgenommen werden.“
 
28
Zur aktuellen Besetzung dieses Terminus vor neuem paradigmatischem Hintergrund Kumm, The Cosmopolitan Turn in Constitutionalism: An Integrated Conception, Indiana Journal of Global Legal Studies (2013) 605.
 
29
So bereits treffend C. Schmitt, Verfassungslehre 36.
 
30
Kapitel III.2.2.
 
31
Diese Kompromissnatur schließt nicht aus, dass dieser Kompromiss in Form der Paradigmen der konstitutionellen Monarchie selbst für Individuen zum eigentlichen Paradigma legitimer Herrschaft werden konnte, siehe dazu bereits oben.
 
32
Hierbei kann ganz allgemein auf die in Gosewinkel/Masing, Verfassungen zusammengetragenen Verfassungen zwischen 1814 und 1867 verwiesen werden, wobei neben den zahlreichen Verfassungen Frankreichs (281 ff.) auf die norwegische Verfassung aus 1814 (702 ff.), die niederländische Verfassung in ihrer Entwicklung ab 1815 (867 ff.) und insbesondere die belgische Verfassung von 1831 (1307 ff.) hinzuweisen ist.
 
33
Stern in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, 18.
 
34
Brauneder in Machacek/Pahr/Stadler 203.
 
35
StenProt AH, IV. Session, 780.
 
36
StenProt AH, IV. Session, 778.
 
37
Auch dieser Aspekt der Grundrechtsentwicklung fügt sich nahtlos in die europäische Verfassungsrechtsentwicklung, vgl dazu bereits Jellinek, Erklärung 3.
 
38
Art 1 Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 über die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt, RGBl 1867/145; davor § 8 Verfassungs-Urkunde des österreichischen Kaiserstaates, Allerhöchstes Patent vom 25. April 1848, PGS 1848/49; § 14 Kaiserliches Patent vom 4. März 1849, die Reichsverfassung für das Kaisertum Oesterreich enthaltend, RGBl 1849/150.
 
39
Art. 2 Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 über die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt, RGBl 1867/145 spricht von der ausgeübten „Regierungsgewalt;“ davor § 8 Verfassungs-Urkunde des österreichischen Kaiserstaates, Allerhöchstes Patent vom 25. April 1848, PGS 1848/49; § 84 Kaiserliches Patent vom 4. März 1849, die Reichsverfassung für das Kaisertum Oesterreich enthaltend, RGBl 1849/150.
 
40
Bluntschli, Lehre vom modernen Staat II6 (1965) 93.
 
41
Beachtlich ist aber die Stoßrichtung und Radikalität von Satz 2 des § 130 der Deutschen Verfassung von 1849 Hansemann, Deutsche Verfassung 46: „Sie (die nachstehenden Grundrechte) sollen den Verfassungen der deutschen Einzelstaaten zur Norm dienen, und keine Verfassung oder Gesetzgebung eines deutschen Einzelstaates soll dieselben je aufheben oder beschränken können.“ Mangels Verwirklichung dieser Verfassung muss unklar bleiben, ob diese Bestimmung ihr radikales Potential entfalten hätte können.
 
42
Vgl auch Adamovich (Jr), Grundrechte heute, in Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg), 70 Jahre Republik. Grund- und Menschenrechte in Österreich I (1991) 13.
 
43
Gumplowicz, Staatsrecht3 257.
 
44
Vgl Kapitel III.2.4.
 
45
So prägnant Gschließer in Santifaller 51, auf dessen Gegenüberstellung der Bestimmungen des StGG mit jenen der Märzverfassung und der Kremsierer Entwurfs aber auch andere einschlägige Vorbilder (51–60) diesen Punkt überzeugend unterstreicht.
 
46
Die französische Verfassungsentwicklung war durch verschiedene Entwicklungsstadien gegangen und zu jenem Zeitpunkt nach kurzem republikanischen Zwischenspiel durch das Empire Napoleons III verfasst – welches nur drei Jahre später einer vergleichbaren doppelten, externen (bismarcksche Realpolitik) und internen (veränderte vorherrschende Paradigmen legitimer Herrschaft, wenngleich das Paradigma monarchischer Legitimität in Frankreich bereits ungleich schwächer war und sich letztlich nicht mehr durchsetzen konnte) Erschütterung zum Opfer fallen sollte.
 
47
Janet/Cotelle, Charte 11 ff.; vgl auch Gschließer in Santifaller 45.
 
48
Janet/Cotelle, Charte 11.
 
49
RGBl 1867/142.
 
50
Janet/Cotelle, Charte 11.
 
51
RGBl 1867/142.
 
52
Merkl, Die Beschränkung der Vereins- und Versammlungsfreiheit, in D. Mayer-Maly/Schambeck/Grussmann (Hrsg), Adolf Julius Merkl. Gesammelte Schriften II/2 (2002) 215 (215). Beachtlich ist auch, die 1933 betonte liberale Tradition, welche „(e)rst fremdnationale politische Strömungen, namentlich die trotz taktischen Gegensatzes so ideenverwandten Bewegungen des Bolschewismus und Faschismus, haben den in Österreich bis weit in das konservative Lager hinein verbreiteten Sinn für persönliche und politische Freiheit in weiten Volkskreisen ertötet und in der Überzahl der Jugend nicht mehr entstehen lassen.“ Hier wird (gleich, ob man diese liberale Perspektive der Verwandtschaft geistiger Konstrukte von Marxismus-Leninismus und [wohl: italienischem] Faschismus teilt) nicht nur der Einfluss von transnational wirkenden Paradigmen der politischen Philosophie auf das Recht, sondern auch auf die emotionale Besetzung von rechtsrelevanten geistigen Konstrukten.
 
53
Anmerkung: Art. 15–33, BGBl 1934 I/239, BGBl 1934 II/1.
 
54
Dazu näher Kapitel V.2.1.
 
55
Beachte zu dieser jedoch, dass auf Grundlage des Grabenwarter/Jabloner Entwurfs zuvor bereits im Österreich-Konvent weitgehender Konsens über die Einrichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz bestanden hatte. Zudem wurden die verschiedenen Szenarien erörtert und das später positivierte Modell ungeachtet verschiedener Abweichungen in entscheidenden Strukturelementen vorbereitet. Büro des Österreich-Konvents (Hrsg), Bericht des Österreich-Konvents I (2005) 58 f., 212 ff.
 
56
Bezemek, Grundrechte in der Rechtsprechung der Höchstgerichte (2016) 59.
 
60
Jabloner/Grabenwarter/Rzeszut, Die Gesetzesbeschwerde als systematische Fortentwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit, in 609/AVORL-K idF 28. 9. 2004, 5 f.; http://​www.​konvent.​gv.​at/​K/​DE/​AVORL-K/​AVORL-K_​00609/​fname_​027753.​pdf.
 
61
Jabloner/Grabenwarter/Rzeszut, Gesetzesbeschwerde als systematische Fortentwicklung 6.
 
62
Vgl zum damaligen Diskurs Büro des Österreich-Konvents (Hrsg), Bericht I (2005) 206 ff.
 
63
Dazu näher Kapitel III.2.
 
64
Zur rechtshistorischen Kontextualisierung des Begriffs Seif, Absolutismus, HRG I, Sp 30–38, https://​www.​hrgdigital.​de/​.​download/​_​sid/​GCKB-499705-wpCm/​pdf/​absolutismus.​pdf.
 
65
Die Entstehung eines Staates aus einer Ländergruppe war im europäischen Vergleich noch keine österreichische Eigenheit, wohl aber die Komplexität der österreichischen Ländergruppen, vgl Ogris, The Habsburg Monarchy in the Eighteenth Century: The Birth of the Modern Centralized State, in Padoa-Schioppa (Hrsg), Legislation and Justice (1997) 313 (315 f.), sowie zuvor bereits Ogris, ZRG GA 98 (1981) 1 (2 ff.).
 
66
Dazu, insbesondere zur Zurückdrängung von Ständerechten und der Rolle der Organe des werdenden Staates näher Ogris in Padoa-Schioppa 313.
 
67
PGS 1804/20 (PGS 1804 II, 71–77), worin jedoch auch festgelegt war, „daß unsere sämtlichen Königreiche, Fürstentümer, und Provinzen ihre bisherigen Titel, Verfassungen, Vorrechte und Verhältnisse fernerhin unverändert beibehalten sollen“ und die „dauerhafte Befestigung.“ Betont wurde die „dauerhafte Bestätigung“ der Ranggleichheit mit den Russischen und Französischen Kaiserreichen, welche sich diesen Titel „gegeben“ hätten. (Ebenda 72 f.).
 
68
Vgl Hoke, Der Kaiser von Österreich und der Römische Kaiser, in Brauneder (Hrsg), Heiliges Römisches Reich und moderne Staatlichkeit (1993) 111.
 
69
So nicht nur der Titel sondern auch § 1 Verfassungs-Urkunde des österreichischen Kaiserstaates, Allerhöchstes Patent vom 25. April 1848, PGS 1848/49, der über das Bekenntnis zur konstitutionellen Organisation der Monarchie hinaus jene Länder für „untrennbar“ erklärt, welche zum österreichischen Kaiserstaat „gehören“ – und somit diesen Staat und nicht etwa eine durch Personalunion verbundene Union von Staaten bereits voraussetzt.
 
70
Gumplowicz, Das Österreichische Staatsrecht (1891) 265.
 
71
Beachtlich hierzu bereits in einer Sammlung von Verfassungsurkunden aus dem Revolutionsjahr 1848: „Dass mit Großbritannien der Anfang einer solchen Sammlung am angemessensten zu machen war, liegt für jeden Kundigen auf der Hand, weil hier sechs Jahrhunderte an der Verfassung gearbeitet haben, ohne die erste Grundlage in sehr wesentlichen Puncten aufzugeben. Es bietet also die Britische Verfassung ein vollständiges Bild einer historischen Entwicklung dar auf der festgehaltenen Basis.“ Schubert, Die Verfassungsurkunden und Grundgesetze der Staaten Europa’s, der Nordamerikanischen Freistaaten und Brasiliens I (1848) V.
 
72
Jellinek, Erklärung 49 f.
 
73
Ein Gegensatz, für den erneut auf Gumplowicz, Staatsrecht3 266 f. verwiesen werden kann.
 
74
Dazu näher Ewald Wiederin, Denken vom Recht her. Über den modus austriacus in der Staatsrechtslehre, in Helmuth Schulze-Fielitz (Hrsg), Staatsrechtslehre als Wissenschaft (2007) 293–317.
 
75
Kelsen, Autobiographie (1947), in Jestaedt, Werke I, 59 f. Beachtlich ist auch der Hinweis auf die „ganz offenbar(en)“ Fiktionen, als welche sich vor diesem Hintergrund „Theorien, die die Einheit des Staates auf irgendeinen sozial-psychologischen oder sozial-biologischen Zusammenhang der juristisch zum Staat gehörigen Menschen zu gründen versuchten“ erwiesen hätten.
 
76
Dazu näher Kapitel VI.2.1.2.
 
77
Dabei kann das Bild von Somek in IPE II, 640 eines „halbierten“ Kelsens aufgegriffen werden: Nicht nur mit Blick auf dessen Ideologie- und Dogmatikkritik, sondern gerade durch die logisch inkonsistente Verbindung der Methoden der Wiener Schule und einer Tradition der Jurisprudenz, welche auf die Lösung rechtspolitischer Probleme durch Anwendung ihrer Methode ausgerichtet war. Die konnte zu etwas Neuem führen: Einer grundsätzlichen Aversion gegenüber politischer Philosophie als rechtlichem Argument, nicht aber gegenüber kaschierter Metaphysik als Element von Rechtsdogmatik, deren faktisch paradigmatische Stellung Rechts„wissenschaft“ epistemisch legitimiert.
 
78
Vgl C. Schmitt, Verfassungslehre 31 ff.
 
79
Beachtlich ist auch, dass Kelsen auch als politischer Philosoph auftrat. Er maß jedoch seinen (oder alternativen) Vorstellungen zur Gerechtigkeit jedoch keinen Anspruch auf wissenschaftliche Richtigkeit bei.
 
80
Vgl Kapitel III.2.4.
 
81
So Merkl, Das doppelte Rechtsantlitz, in WRS I2, 893 (908), den Titel von Stark, Die jungösterreichische Schule der Rechtswissenschaft und die naturwissenschaftliche Methode, JBl 1918, 428 aufgreifend als Beschreibung jener Gruppe von Rechtstheoretikern, welche später als Wiener rechtstheoretische Schule bekannt werden sollte, hier noch Fritz Sander einschließend.
 
82
Kelsen, Was ist Gerechtigkeit? (1953).
 
83
Kelsen, Reine Rechtslehre 13 ff.
 
84
Kelsen, Reine Rechtslehre2 355 ff.
 
85
Berka in GedS Mayer-Maly (2011) 104 ff.
 
86
Hierfür prägend Merkl, Das doppelte Rechtsantlitz, in WRS I2, 893. Vgl dazu näher Kapitel VI.2.1.2., als analytisches Instrument zur Erfassung der Scharia und ihres Einflusses siehe Kapitel IV.3.2.2.
 
87
Wie bereits ein Blick auf die in Kelsen, Reine Rechtslehre2 501 ff. enthaltene Publikationsliste auch ohne Einschluss von Kelsens Spätwerken deutlich macht.
 
88
Stern in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, 46.
 
89
Stern in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, 47.
 
90
Vgl dazu Öhlinger, Hans Kelsen – Vater der österreichischen Bundesverfassung?, in FS Brauneder (2008) 407 (418).
 
91
VfSlg 2319/1952.
 
92
Merkl, Deutsch-Österreich als Bundesfreistaat, in D. Mayer-Maly/Schambeck/Grussmann, Merkl II/1, 239 (242).
 
93
Ermacora, Die österreichische Bundesverfassung und Hans Kelsen (1982) 37.
 
94
Vgl dazu auch Schäffer in Merten/Papier, Handbuch VII/12, 27 f.
 
95
Seipel, Der Kampf um die österreichische Verfassung (1930) 96.
 
96
Seipel, Kampf 96.
 
97
Merkl, Bundesfreistaat, in Mayer-Maly/Schambeck/Grussmann Merkl II/1, 242. Für den Konnex zur Sphäre politischer Philosophie und insbesondere der von Parteien angenommenen Paradigmen ist der folgende Hinweis von Interesse: „Man wird wohl in der Annahme nicht fehlgehen, dass die Einigung zwischen dem deutschen Zentrum und der deutschen Sozialdemokratie über diesen Gegenstand ein auch bei den deutsch-österreichischen Parteiverhältnissen verwendbares Paradigma geschaffen hat.“
 
98
Merkl, Ein Jahrzehnt republikanischer Verfassung, in Mayer-Maly/Schambeck/Grussmann, Merkl II/1, 675 (679).
 
99
Kelsen, Der Drang zur Verfassungsreform, Neue Freie Presse, Nr 23.370/1929, 6 (6).
 
100
RGBl 1867/142.
 
101
BGBl 1920/1.
 
102
StenProt AH, IV. Session, 780.
 
103
Dazu und zu den Hintergründen im Detail Hasiba, Das Notverordnungsrecht in Österreich (1848–1917) (1985).
 
104
Art. 147: „Im Falle einer dringenden Gefahr für den Staat oder seine Bürger können die im zweiten Abschnitte aufgeführten Freiheitsrechte mittels Verordnung der Bundesregierung den durch besonderes Gesetz vorgesehenen Beschränkungen unterworfen werden. Eine solche Verordnung ist dem Bundestage binnen drei Tagen und, falls er nicht versammelt ist, sogleich nach seinem Wiederzusammentritt vorzulegen und unverzüglich außer Kraft zu setzen, wenn es der Bundestag beschließt.“ Ermacora, Quellen 231.
 
105
Merkl, Die Verfassung der deutschösterreichischen Republik, in Mayer-Maly/Schambeck/Grussmann, Merkl II/1, 449 (486).
 
106
Vgl Schmidt-Jortzig in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, 429 sowie die dort in FN 40 angeführte Weimarer Literatur.
 
107
Zuvor hatte Art. 7 1. Satz Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 über die richterliche Gewalt, RGBl 1867/144 eine denkbare einschlägige richterrechtliche Entwicklung verhindert. Beachtlich ist zudem, dass Art. 7 2. Satz im Gegensatz zum späteren Art. 89 Abs. 1 B-VG keine konzentrierte Normenkontrolle hinsichtlich Verordnungen vorsah.
 
108
Zu beidem näher Kapitel V.2.1.
 
109
Vgl dazu StGBl 1919/212.
 
110
Dazu näher Wiederin, Der österreichische Verfassungsgerichtshof als Schöpfung Hans Kelsens und sein Modellcharakter als eigenständiges Verfassungsgericht, in Simon/Kalwoda (Hrsg), Schutz der Verfassung (2014) 283 (296).
 
111
Dazu im Detail Wiederin in Simon/Kalwoda 283.
 
112
Art. I § 60 Bundesverfassungsgesetz vom 7. Dezember 1929, betreffend einige Abänderungen des Bundes-Verfassungsgesetzes vom 1. Oktober 1920 in der Fassung des B.G.Bl. Nr. 367 von 1925, BGBl 1929/392; Art. I Z 8 Bundesverfassungsgesetz vom 15. Mai 1975, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz von 1920 in der Fassung von 1929 durch Bestimmungen über die Erweiterung der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes geändert wird, BGBl 1975/302.
 
113
Anmerkung: Dazu näher unten.
 
114
So die Stellungnahme des VfGH zur Gesetzesbeschwerde 399/SN XXIV. GP, 2, https://​www.​parlament.​gv.​at/​PAKT/​VHG/​XXIV/​SN/​SN_​00399/​index.​shtml.
 
115
Adamovich (Jr) in Machacek/Pahr/Stadler 24.
 
116
VIII.GP 63. Sitzung Nationalrat am 10.07.1958, 2945.
 
117
Marcic, Die Menschenrechte und der Formalismus, JBl 1962, 303 (304).
 
118
BGBl 1964/59.
 
119
Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 (2016) Rn. 2 f.
 
120
Büro des Österreich-Konvents (Hrsg), Bericht I (2005) 82 f.
 
121
Korinek, Gedanken zur Lehre vom Gesetzesvorbehalt bei Grundrechten, in FS Merkl (1970) 171 (172).
 
122
Nach der, wie gezeigt, in grundrechtssensiblen Bereichen kein Verwaltungshandeln ohne gesetzliche Grundlage erfolgen oder überhaupt erst eine gesetzliche Grundlage in grundrechtssensiblen Bereichen erreicht werden kann (so der „Ausgestaltungs“vorbehalt der Vereins- und Versammlungsfreiheit, vgl Art. 12 StGG, RGBl 1867/142).
 
123
Korinek in Imboden 177.
 
124
Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 über die Einrichtung eines Reichsgerichtes, RGBl 1867/143, darin Art. 3 lit b zur „entgiltigen Entscheidung“ über „Beschwerden der Staatsbürger wegen Verletzung der ihnen durch die Verfassung gewährleisteten politischen Rechte“ nach Ausschöpfung des administrativen Instanzenzugs. Zu den Details siehe Kapitel V.1.1. und V.2.1.
 
125
Vgl dazu VfSlg 552/1926 zum Bedeutungswandel des ebenfalls wortgleich übernommenen BPNV.
 
126
Vgl dazu Merkl, Die Wende des Verfassungslebens, in Mayer-Maly/Schambeck/Grussmann, Merkl II/2, 263 (265) zur fatalen Rolle des Fehlens dieses „Stabilisierungsmittels“ des monarchischen Prinzips für die „beiden deutschen Demokratien“ aus der Perspektive des Jahres 1934.
 
127
Art 8 Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 über die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt, RGBl 1867/145.
 
128
§ 9 Verfassungs-Urkunde des österreichischen Kaiserstaates, Allerhöchstes Patent vom 25. April 1848, PGS 1848/49.
 
129
§ 43 Entwurf der Konstitutionskunde für die österreichischen Staaten, siehe Bernatzik, Verfassungsgesetze 117.
 
130
§ 13 Kaiserliches Patent vom 4. März 1849, die Reichsverfassung für das Kaisertum Oesterreich enthaltend, RGBl 1849/150.
 
131
Artikel 74, Janet/Cotelle, Charte 21.
 
132
Kelsen, Staatsrecht 59.
 
133
StenProt AH, IV. Session, 778.
 
134
Vgl dazu im Privatentwurf Mayr Art. 109 zur Freizügigkeit der Personen und Gütern innerhalb des Bundesgebietes (Art. 110 im Linzer Entwurf, Art. 120 Sozialdemokratischer Entwurf, Art. 148 Renner-Mayr Entwurf), Art. 110 zum Verlust der Staatsbürgerschaft infolge Auswanderung (Art 111 Abs. 2 im Linzer Entwurf, Art. 121 Abs. 2 Sozialdemokratischer Entwurf, Art. 149 Abs. 2 Renner-Mayr Entwurf), Art. 111 zur freien Wahl des Aufenthalts und des Wohnsitzes (Art. 112 Abs. 1 des Linzer Entwurfs, Art. 122 Abs. 1 Sozialdemokratischer Entwurf, Art. 150 Abs. 1 Renner-Mayr Entwurf), Art. 113 zur Hausdurchsuchung (Art. 114 des Linzer Entwurfs, Art. 125 Sozialdemokratischer Entwurf, Art. 142 Renner-Mayr Entwurf), Art. 115 Abs. 2 zum Postverbot gegen ausländische Druckschriften (Art. 116 Abs. 2 des Linzer Entwurfs, Art 127 Abs. 2 Sozialdemokratischer Entwurf letzter Satz schloss dieses hingegen kategorisch aus, im Renner-Mayr Entwurf tritt es in Art. 146 Abs. 3 wieder in Erscheinung); Art. IX (Preßfreiheit), X (Missbrauch der Vereins- und Versammlungsfreiheit) und XIII (Handels- und Gewerbefreiheit, wobei in diesem Fall auch auf Grund von Bundesgesetzen erlassene Verordnungen genannt sind) des Tiroler Verfassungsentwurfes; Art. 15 (Brief-, Post-, Telegraphen-, und Fernsprechgeheimnis), Art. 17 (Pflichten bei Ausübung der Auswanderungsfreiheit) und Art. 19 Abs. 2 (Einschränkung der Pressefreiheit zur Bekämpfung von „Schundliteratur und ähnliche Erzeugnisse und zum Schutze der Jugend“, beachtlich auch mit Blick auf verfassungsrechtlich normierte legitime Ziele, wofür sich im selben Entwurf auch in Art. 38 Abs. 2 Ansätze finden) des Entwurfs der Großdeutschen. Ermacora, Quellen 60 f., 68 f., 83 f., 89, 131 f., 178 f., 230 ff.
 
135
So in Art. 115 Abs. 1 Privatentwurf Mayr zur Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 116 Abs. 1 des Linzer Entwurfs, Art. 127 Abs. 1 Sozialdemokratischer Entwurf, Art. 146 Abs. 1 Renner-Mayr Entwurf) sowie Art. 116 zur Vereinsfreiheit (Art. 117 Abs. 1 des Linzer Entwurfs, Art. 131 Abs. 1 Sozialdemokratischer Entwurf, Art. 144 Abs. 1 Renner-Mayr Entwurf), Art. 115 Abs. 2 fügte im Fall der Beschlagnahme von Druckschriften noch die Strafprozessordnung und das Preßgesetz hinzu und band sie an die gleichzeitige Verfolgung des Täters (so auch Art. 127 Abs 2 Sozialdemokratischer Entwurf, Art. 146 Abs. 2 Renner-Mayr Entwurf), Art. 133 Abs. 2 Sozialdemokratischer Entwurf sah zudem nur Einschränkungen der Glaubens- und Gewissensfreiheit nur durch das Strafgesetz vor. Siehe ferner Art. 19 Abs. 1 (Verantwortung für Missbrauch des Rechts auf freie Meinungsäußerung) des Entwurfs der Großdeutschen Ermacora, Quellen 61, 84, 131, 179 f., 230 f.
 
136
So in Art. 110 Privatentwurf Mayr und Artikel 111 Linzer Entwurf zur Auswanderungsfreiheit. Ermacora, Quellen 60, 131.
 
137
Siehe Art. 133 Abs. 1 S 2 und 3 Privatentwurf Mayr; Art. 34 Abs. 1 des Entwurfs der Grossdeutschen Vereinigung, 1920. Ermacora, Quellen 64, 88.
 
138
Diese wurden in Art. 155 Abs. 2 des späteren Renner-Mayr Entwurfs besonders deutlich: „Der Bund hat das Recht, zu diesem Zwecke einzelne Wirtschaftsbetriebe oder einzelne Zweige der Volkswirtschaft in das Gemeineigentum zu überführen und ihre Verwaltung unter der Mitwirkung der im Betrieb tätigen Arbeiter und Angestellten sowie der Verbraucher der Betriebserzeugnisse zu organisieren.“ Spuren dieser Tendenzen finden sich bereits in Art 32 Abs. 3 des Entwurfs der Grossdeutschen Vereinigung, 1920: „Durch Bundesgesetz kann festgestellt werden, inwieweit zu diesem Zwecke (Dienste der Gesamtheit) für gewisse wirtschaftliche Zweige die Vereinigung von Betrieben oder eine gemeinsame Planwirtschaft vorzusehen ist, durch welche gesellschaftlichen Organe unter Mitwirkung und Mitbeteiligung des Staates diese Planwirtschaft durchzuführen ist.“ Ermacora, Quellen 87, 234.
 
139
Art. 148 Abs. 1, Ermacora, Quellen 182.
 
140
Ermacora, Quellen 232.
 
141
VfSlg 3118/1956.
 
142
„In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.“ dBGBl 1949/1.
 
143
Vgl Häberle in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, 329.
 
144
Korinek, Das Grundrecht der Freiheit der Erwerbsbetätigung als Schranke für die Wirtschaftslenkung, in FS Wenger (1983) 243. Diese Ergänzung zur Habilitationsschrift geht auf den Hinweis des Habilitationsgutachtens von Univ.-Prof. MMag. Dr. Schulev-Steindl (Seite 7) zurück, welcher hiermit dankbar aufgegriffen wird.
 
145
Insbesondere Art. 2 Abs. 1, Art. 3 und Art. 4 Abs. 1 und 2 EMRK, BGBl 1958/210.
 
146
So etwa im Beschluss der Provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918, StGBl 3/1918 iVm Art. 149 Abs. 1 B-VG, BGBl 1920/1.
 
147
Vgl die Abs. 2 der Art. 8–11 EMRK, BGBl 1958/210.
 
148
Vgl dazu etwa EGMR 25.5.1993, Kokkinakis v Greece, Nr 14307/88, Rn. 40.
 
149
Grabenwarter, Verfassungsinterpretation, Verfassungswandel und Rechtsfortbildung, in FS Mantl I (2004) 35 (39).
 
150
Dazu klassisch das BVerfG in „Solange I“ (BVerfGE 37, 271 ff.) aus 1974 und „Solange II“ aus 1986 (BVerfGE 73, 339) als Motor der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsentwicklung. Für die potentiell zukunftweisende rechtsdogmatische Fruchtbarmachung dieser Logik gegenüber den Mitgliedstaaten der EU siehe von Bogdandy u. a., Ein Rettungsschirm für europäische Grundrechte. Grundlagen einer unionsrechtlichen Solange-Doktrin gegenüber Mitgliedstaaten, ZaöRV (2012) 45–78, beachtlich darin auch der Überblick über Leiturteile nationaler Verfassungs- und Höchstgerichte hinsichtlich nationaler Grundrechtsschranken für den unionsrechtlichen Vorrang in FN 124.
 
151
„(B)ei der Durchführung des Rechts der Union“ nach Art. 51 Abs. 1 GRC, 2010/C 83/02.
 
152
Anmerkung: Welche auch in der Anwendung des Unionsrechts durch Trennung des Grundrechtsschutzes vor unionsrechtlichen Richtlinien oder Verordnungen einerseits und der über deren normativen Gehalt hinausreichenden nationalen Ausführungsnormen andererseits möglich geblieben wäre. Das gemeinsame Dach (und der gemeinsame Mindeststandard) der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR hätte allzu weite Judikaturdifferenzen verhindert, was jedoch mangels Anwendungsvorrang und unmittelbarer Anwendbarkeit der Urteile des EGMR in allen 28 nationalen Rechtsordnungen gegenseitiges Vertrauen auf Schutz der Grundrechte vorausgesetzt hätte.
 
153
VfSlg 19632/2012.
 
154
Vgl dazu Grabenwarter, Verfassungsrecht, Völkerrecht und Unionsrecht als Grundrechtsquelle, in Merten/Papier (Hrsg), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa VII/12 (2014) 51 (63), mit einem selektiven Überblick über die umfangreiche Literatur in FN 57.
 
155
Vgl dazu die Kritik bei Merli, Umleitung der Rechtsgeschichte, JRP 2012, 355–361 (357 f.), näher zu den Wurzeln und Zielen österreichischer Verfassungsgerichtsbarkeit siehe Kapitel V.2.1.
 
156
OGH 17. 12. 2012, 9 Ob 15/12i.
 
157
VfSlg 19.632/2012.
 
158
Vgl aber konkret EuGH 11. 9. 2014, C-112/13, welche keine Verletzung des Unionsrechts erkannte.
 
159
Hervorzuheben ist die Einschätzung, wonach „(e)ine innerstaatlich orientierte Normenbeschwerde […] ein mittlerweile von der Rechtsentwicklung längst überholtes Modell“ (Hervorhebung in der Stellungnahme) sei und es bereits eine „Kontrolle der Gerichtsbarkeit durch einen besonderen Rechtszug an ein auf Grundrechte spezialisiertes Gericht“ gäbe, „nämlich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg“. 378/SN XXIV. GP, https://​www.​parlament.​gv.​at/​PAKT/​VHG/​XXIV/​SN/​SN_​00378/​fname_​266819.​pdf.
 
160
Büro des Österreich-Konvents (Hrsg), Bericht I (2005) 208; Büro des Österreich-Konvents (Hrsg), Bericht II (2005) 374 ff.; vgl dazu auch Art. 233 Abs. 1 des Bundesverfassungsentwurfs des Vorsitzenden; Büro des Österreich-Konvents (Hrsg), Bericht III (2005) 98.
 
161
Vgl dazu Jarass, Zum Verhältnis von Grundrechtscharta und sonstigem Recht, EuR 2013, 29 (39); Ders, Charta der Grundrechte der EU3 (2016) Rn. 31 ff.; Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 (2016) Rn. 10; Grabenwarter, Die Charta der Grundrechte für die Europäische Union, DVBL 2001, 1 (11); Ders, Europäisches und Nationales Verfassungsrecht, VVDStL 60 (2001) 290 (298); Ders, Auf dem Weg in die Grundrechtsgemeinschaft, EuGRZ 2004, 563 (566); A. Weber, Einheit und Vielfalt der europäischen Grundrechtsordnung(en), DVBl 2003, 220 (224).
 
162
VIII.GP 63. Sitzung Nationalrat am 10.07.1958, 2932.
 
163
VIII.GP 63. Sitzung Nationalrat am 10.07.1958, 2935.
 
164
VIII.GP 63. Sitzung Nationalrat am 10.07.1958, 2938.
 
165
Zitiert nach R. Pfefferle/H. Pfefferle, Glimpflich entnazifiziert: Die Professorenschaft der Universität Wien von 1944 in den Nachkriegsjahren (2014) 224.
 
166
Zweifel daran scheint der nachredende Abgeordnete Czernetz gehegt zu haben: „Ich muss nicht näher ausführen, warum es mir schwerfällt, gerade ihm zuzustimmen.“ VIII.GP 63. Sitzung Nationalrat am 10.07.1958, 2938. Dies könnte sich auch bei vollzogener Hinwendung zu einer neuen politischen Philosophie auf dessen Vergangenheit beziehen.
 
167
Anmerkung: Dies verleiht der rechtstatsächlichen Analyse ein erhebliches Ausmaß an Unsicherheit, insbesondere da bis heute wesentliche Zweckrationalitäten gegen eine Offenbarung der Annahme und positiven Besetzung nationalsozialistischer Konstrukte vorliegen und ein erheblicher Teil der österreichischen Bevölkerung einst von diesen erfasst war.
 
168
VIII.GP 63. Sitzung Nationalrat am 10.07.1958, 2941.
 
169
VIII.GP 63. Sitzung Nationalrat am 10.07.1958, 2942.
 
170
VIII.GP 63. Sitzung Nationalrat am 10.07.1958, 2942 f.
 
171
VIII.GP 63. Sitzung Nationalrat am 10.07.1958, 2945.
 
172
VIII.GP 63. Sitzung Nationalrat am 10.07.1958, 2945.
 
173
VIII.GP 63. Sitzung Nationalrat am 10.07.1958, 2943.
 
174
VIII.GP 63. Sitzung Nationalrat am 10.07.1958, 2948.
 
175
VIII.GP 63. Sitzung Nationalrat am 10.07.1958, 2943.
 
176
VIII.GP 63. Sitzung Nationalrat am 10.07.1958, 2932.
 
177
VIII.GP 63. Sitzung Nationalrat am 10.07.1958, 2948.
 
178
Vgl Öhlinger in FS Brauneder 422 f.
 
179
European Court of Human Rights, Overview 1959–2016 ECHR (2017) 8, https://​www.​echr.​coe.​int/​Documents/​Overview_​19592016_​ENG.​pdf.
 
180
European Court of Human Rights, Overview 5.
 
181
European Court of Human Rights, Overview 8.
 
182
Vom 01.01.2013 bis zum 31.12.2017 waren dies VfSlg 19.742/2013; 19.768/2013; 19.854/2014; 19.860/2014; 19.915/2014; 20014/2015; 20015/2015; VfGH 6.6.2013, B1359/2012; 7.6.2013, B168/2013; 20.2.2014, B1021/2013; 5.6.2014, B184/2014; 11.3.2015, E134/2014; 11.3.2015, E134/2014; 14.10.2016, E552/2016; 13.12.2016, E729/2016; 29.11.2017, G223/2016.
 
183
VfGH 6.6.2013, B1359/2012; 20.2.2014, B1021/2013; 5.6.2014, B184/2014.
 
184
Merkl, Pressefreiheit – unsere Existenzbedingung, in Mayer-Maly/Schambeck/Grussmann, Merkl II/2, 427 (427).
 
185
Milton, Areopagitica (1644).
 
186
Für eine strukturierende Reflexion der Bedeutung der Wahrheitsfrage in der heutigen europäischen und US-amerikanischen Rechtsprechung und Jurisprudenz siehe Bezemek, Freie Meinungsäußerung (2015) 119 ff.
 
187
Savigny, System des Römischen Rechts I (1840) XVII.
 
188
Genesis 1:6 f., 14–17.
 
189
Dieses Beispiel ist für den Koran beachtlich, der als Wort Gottes Unfehlbarkeit beansprucht und ebenfalls einschlägige Beschreibungen enthält, vgl Koran 15:14, 21:32, 22:65, 54:11, 55:7, 69:16, 78:19. Doch auch in diesem Fall ist eine allegorische Lesart möglich. Damit liegt keine Tatsachenbehauptung mehr vor. Dennoch: Die Deutung einer Falsifikation eines geistigen Konstrukts kann insbesondere bei einem Verständnis als konkrete Beschreibung der Welt den Glauben an eine ewiggültige Offenbarung Gottes erschüttern – und damit wiederum die tragenden Paradigmen von Ordnungssystemen und deren Normensystemen, die von diesen Paradigmen legitimiert und geprägt sind.
 
190
Abrams v. United States, 250 US 616 (1919) 630: „But when men have realized that time has upset many fighting faiths, they may come to believe even more than they believe the very foundations of their own conduct that the ultimate good desired is better reached by free trade in ideas – that the best test of truth is the power of the thought to get itself accepted in the competition of the market, and that truth is the only ground upon which their wishes safely can be carried out. That, at any rate, is the theory of our Constitution.“
 
191
Abrams v. United States, 250 US 616 (1919) 630.
 
192
Die strukturellen Unterschiede zu US-amerikanischem Recht und Jurisprudenz im Detail herauskristallisierend und dabei zugleich gemeinsame rote Fäden aufzeigend Bezemek, Freie Meinungsäußerung (2015).
 
193
Melichar, ZÖR 1966, 256.
 
194
Melichar, ZÖR 1966, 256 f.
 
195
Dazu im Detail mit Gegenüberstellung zu den entsprechenden Texten der Charte.
 
196
RGBl 1867/142.
 
197
Janet/Cotelle, Charte 12.
 
198
Bluntschli, Lehre II, 136 f.
 
199
Siehe dazu Kapitel IV.1.
 
200
Bluntschli, Lehre II, 137.
 
201
Dazu näher in 2.3.
 
202
StGBl 1918/3.
 
203
2. Sitzung der provisorischen Nationalversammlung für Deutschösterreich, StenProt NV (1919) 57 f.
 
204
StenProt NV (1919) 57.
 
205
StenProt NV (1919) 57.
 
206
StenProt NV (1919) 58.
 
207
StenProt NV (1919) 57.
 
208
BGBl 1920/1.
 
209
VIII.GP 63. Sitzung Nationalrat am 10.07.1958, 2935.
 
210
VIII.GP 63. Sitzung Nationalrat am 10.07.1958, 2938 ff.
 
211
Büro des Österreich-Konvents (Hrsg), Bericht III (2005) 24; Büro des Österreich-Konvents (Hrsg), Bericht II (2005) 51. Beachtlich ist der Konsens im Präsidium, dem Schutz der Moral seine Stellung als legitimes Ziel eines Eingriffs in das Grundrecht zu nehmen. Im Bundesverfassungsentwurf des Vorsitzenden des Konvents schien dieses legimite Ziel nicht mehr auf.
 
212
Siehe RGSlg 212/1880; 213/1880; 214/1880; 215/1880; 252/1882; 261/1882; 272/1883; 273/1883; 274/1883; 287/1883; 305/1884; 330/1885; 331/1885; 371/1886; 382/1886; 393/1887; 394/1887; 395/1887; 396/1887; 397/1887; 403/1887; 404/1887; 412/1887; 417/1887; 428/1888; 432/1888; 436/1888; 524/1891; 530/1891; 571/1892; 627/1893; 645/1893; 659/1894; 665/1894; 684/1895; 716/1895; 730/1896; 746/1896; 782/1897; 843/1898; 854/1898; 855/1898; 897/1898; 898/1898; 899/1898; 917/1898; 932/1899; 933/1899; 934/1899; 949/1899; 957/1899; 971/1900; 982/1900; 985/1900; 1007/1900; 1375/1905; 1500/1907; 1534/1907; 1764/1910; 1950/1912. Beachtlich ist an diesen Erkenntnissen auch der hohe Anteil an Sachverhalten zur Nationalitätenfrage. Dies zeigt wie sehr die Spannung zwischen liberaler Ideologie und monarchischer Legitimität von einer neuen Rolle ethnonationalistischer Paradigmen und den daraus resultierenden Spannungen verdrängt wurde.
 
213
So erblickte das Reichsgericht in der Untersagung der Vollziehung eines Gemeinderatsbeschlusses der Stadt Graz betreffend der Nichtteilnahme des Gemeinderates an der Fronleichnamsprozession nur die Äußerung eines Willens und keiner durch Art 13 StGG geschützten Meinung oder Ansicht. RGSlG 371/1886. Ein dringendes Ersuchen der Gemeinde Troppau an deutsch(sprachig)e Reichstagsabgeordneten, „alles aufzubieten, um die Verstaatlichung des tschechischen Privatgymnasiums in Troppau hintanzuhalten“ und die Mittel im Parlament zu verweigern, stellte nach RGSlG 855/1898 bereits eine Umsetzung der Meinung in die Tat dar und war somit nicht vom Schutz freier Meinungsäußerung nach Art 13 StGG erfasst. Vgl auch RGSlG 982/1900 zum Beschluss einer Gemeindevertretung durch welchen an die Abgeordneten „die Aufforderung gerichtet wird, mit allen gesetzlichen Mitteln gegen bestimmte Regierungsmaßregeln zu wirken.“ Dieser Fall war insofern brisant, als der Grazer Gemeinderat damit seinen Unmut über den Missbrauch des § 14-Notverordnungsregimes zum Ausdruck brachte.
 
214
RGSlg 843/1898; vgl dazu auch 1534/1907.
 
215
RGSlg 273/1883; 274/1883.
 
216
RGSlg 393/1887. Beachtlich ist in diesem Fall die Begründung mit dem historischen Telos des Verfassungsgesetzgebers auf Grundlage der Wahl des „möglich weitesten und umfassendsten Ausdruck ‚Jedermann‘“ sowie auf Grundlage eines systematischen Vergleichs mit Art 11 StGG. Eine Erörterung der Materialien ist jedoch nicht erkennbar.
 
217
Vgl etwa VfSlg 775/1927; 1089/1928 (zum BPNV); 1207/1929; 1332/1930; 1359/1930.
 
218
VfSlg 32/1919.
 
219
VfSlg 552/1926.
 
220
Adamovich (Sr), Zur Judikatur des österreichischen Verfassungsgerichtshofes, ZÖR 1927, 128 (147 f).
 
221
Siehe dazu den letzten Satz von Art. 115 Abs. 2 Privatentwurf Mayr: „Jede Zensur ist aufgehoben; doch können für Theater und Lichtspiele durch Gesetz abweichende Bestimmungen getroffen werden.“ Ermacora, Quellen 61, 231.
 
222
Vgl die verkürzte Fassung in VfSlG 7498/1975: „die gedankliche (…) Stellungnahme zu irgendwelchen Fragen.“ Betonung durch den Autor.
 
223
VfSlg 2060/1950.
 
224
Basierend auf dem Suchergebnis der Datenbank https://​www.​ris.​bka.​gv.​at/​Vfgh/​.
 
225
EGMR (Pl) 7.12.1976, Handyside, Nr 5493/72.
 
226
EGMR (Pl) 8.7.1986, Lingens, Nr 9815/82.
 
227
EGMR (Pl) 26.11.1991, Observer and Guardian, Nr 13585/88.
 
228
VfSlg 14.218/1995, 17.852/2006, 13.694/1994.
 
229
EGMR (Pl) 26.4.1979, Sunday Times, Nr 6538/74.
 
230
EGMR (Pl) 23.5.1991, Oberschlick, Nr 11662/85.
 
231
VfSlg 13.725/1994.
 
232
VfSlg 12.086/1989.
 
233
New York Times Co. v. Sullivan, 376 U.S. 254 (1964).
 
234
Curtis Publishing Co. v. Butts, 388 U.S. 130 (1967).
 
235
Für eine detailliertere Kontextualisierung des historischen Entwicklungspfads siehe S.G. Hinghofer-Szalkay, Die Freiheit der politischen Meinungsäußerung (2011).
 
236
Ausnahmen sind der Hinweis auf Miltons Areopagitica und dessen Argument eines Marktplatzes der Ideen als Instrument einer freien Wahrheitssuche durch eine von Vorzensur befreite Presse und ihre historischen Umstände im Appendix zur Joint Dissenting Opinion der Richter Sajó und Tsotsoria im EGMR (GK) 16.6.2015, Delfi As, Nr 64569/09, sowie die Ausführungen zur „political philosophy underlying this case-law“ in der Dissenting Opinion von Richter Pinto de Albuquerque im Fall EGMR (GK) 13.7.2012, Mouvement raëlien suisse, Nr 16354/06, Anmerkung 28.
 
237
Dazu näher in Kapitel III.3.2.
 
238
Dazu näher Kapitel III.1.1. und III.1.2.
 
239
Dazu näher Kapitel III.1.3.
 
240
Toleranz Cirkular, Nr 133, Von Trattner (Hrsg), Sammlung der Kaiserlich-Königlichen Landesfürstlichen Gesetze und Verordnungen in Publico-Ecclesiasticis (1782) 137.
 
241
Landau, Zu den geistigen Grundlagen des Toleranz-Patents Kaiser Josephs II in Landau (Hrsg), Grundlagen und Geschichte des evangelischen Kirchenrechts und des Staatskirchenrechts (2010) 348 (352 ff.).
 
242
Landau in Landau 353.
 
243
Dazu näher Landau in Landau 358; Riegger, Institutionum Jurisprudentiae Ecclesiasticae I (1774) 154.
 
244
Riegger, Institutionum 154.
 
245
Landau in Landau 358 f.
 
246
Zitiert nach Landau in Landau 362 f.
 
247
Mantl, Öffentliches Schulwesen im Spannungsfeld von Staat und Kirche: Länderbericht Österreich, in Riedel (Hrsg), Öffentliches Schulwesen im Spannungsfeld von Staat und Kirche (1998) 107 (108).
 
248
Zitiert nach der Zusammenstellung durch Mantl und Poier bei Mantl in Riedel 108.
 
249
Goujon/Jurasszovich/Potančoková, Demographie und Religion in Österreich (2017) 13.
 
250
Goujon/Jurasszovich/Potančoková, Demographie 13.
 
251
Goujon/Jurasszovich/Potančoková, Demographie 17.
 
252
Zitiert nach der Zusammenstellung durch Mantl und Poier bei Mantl in Riedel 108.
 
253
Goujon/Jurasszovich/Potančoková, Demographie 13.
 
254
Anmerkung: Schätzung nach Goujon/Jurasszovich/Potančoková, Demographie 14.
 
255
Siehe BGBl 1934 I/239 sowie BGBl 1934 II/1.
 
256
Depenheuer, Grundrechte und Konservativismus, in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, 441 (455).
 
257
Vgl auch zu den Einflüssen gesellschaftlich dominanter katholischer Paradigmen auf die Politik die protestantische Perspektive bei Naumann, Das blaue Buch von Vaterland und Freiheit (1913) 77: „Das katholische Menschenrecht heißt Schutz, das protestantische Menschenrecht heißt Freiheit.“
 
258
Vgl zur aktuellen Verfassungsentwicklung Grote/Röder (Hrsg), Constitutionalism in Islamic Countries: Between Upheaval and Continuity (2012) (fortan: Grote/Röder, Constitutionalism) und Grote/Röder (Hrsg), Constitutionalism, Human Rights, and Islam after the Arab spring (2016).
 
259
Wie er bereits vor der aktuellen Krise auf dem Höhepunkt einer laizistischen Türkei de facto existierte, siehe im Detail Yilmaz, Secular Law and the Emergence of Unofficial Turkish Islamic Law, Middle East Journal (2002) 113. Trifft dies auf das säkularste muslimische Land in jener Zeit zu ist nicht erkennbar, warum derartige Rechts- oder vielmehr Gerechtigkeitsvorstellungen mit der Migration nach Österreich in allen Fällen automatisch erlöschen sollen – ohne zu negieren, dass ein solcher Wandel fundamentaler Annahmen möglich ist. Diese Frage kann letztlich ohne empirische Sozialforschung nicht beantwortet werden. Die politische Forderung nach rechtlichem Pluralismus stößt gegenwärtig auf Grenzen in der Rechtsprechung des EGMR (Refah Partisi), was jedoch ein mögliches künftiges Bedürfnis danach auf der Grundlage bestimmter Auslegungen des Islam nicht ausschließt.
 
260
K.K. Statistische Central-Commission, Bevölkerung 118 f.
 
263
Goujon/Jurasszovich/Potančoková, Demographie 15.
 
264
So das Maximalszenario „Starke Zuwanderung“ nach Goujon/Jurasszovich/Potančoková, Demographie 18.
 
265
Anmerkung: Auch diese faktische Besetzung und emotionale Besetzung ist von hoher rechtstatsächlicher Relevanz, nicht zuletzt für die Entwicklung des Migrationsrechts.
 
266
Pew Research Center, The World’s Muslims: Religion, Politics and Society (2013) 15 f., 46, http://​www.​pewforum.​org/​files/​2013/​04/​worlds-muslims-religion-politics-society-full-report.​pdf. Russland wird hierbei in der Kategorie Südosteuropa, die Türkei in der Kategorie Zentralasien geführt, doch passen die Ergebnisse zur Türkei (12 % Unterstützung) in das südosteuropäische Muster. Diese ermittelte Unterstützung fällt sogar geringer aus als jene in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo.
 
267
Pew Research Center, The World’s Muslims 55.
 
268
Pew Research Center, The World’s Muslims 15, 55.
 
269
53 BlgHH, XIX. Session 6.
 
270
RGBl 1867/142.
 
271
Jellinek, Erklärung 42.
 
272
Jellinek, Erklärung 42.
 
273
Vgl dazu im Kontext des Staatswerdungsprozesses Kapitel III.2.
 
274
Vgl die von Wahlberg, Reform 6 festgestellte dahingehende Einheitlichkeit in den Vergleichsjahren 1753 und 1853.
 
275
Dazu näher Kapitel VI.1. und VII.1.2.3.
 
276
So Fischel, Protokolle XXII.
 
277
Fischel, Protokolle 127.
 
278
„§ 12. Keine Religionsgesellschaft (Kirche) genießt vor anderen Vorrechte durch den Staat. (…)
§ 13. Das Verhältnis des Staates zu den einzelnen Religionsgesellschaften (Kirchen) ist durch ein organisches Gesetz zu regeln, welchem folgende Bestimmungen zur Grundlage dienen sollen: (…)
2. Jede Kirche ordnet und verwaltet ihre inneren Angelegenheiten selbstständig.“
Fischel, Protokolle 200.
 
279
§ 147 der Deutschen Verfassung von 1849.
„Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen.
Jede Religionsgesellschaft genießt vor anderen Vorrechte durch den Staat; es besteht fernerhin keine Staatskirche.
Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; eine Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht.“ Hansemann, Deutsche Verfassung 51.
 
280
Anmerkung: Art 149 Abs. 1 B-VG, BGBl 1920/1 hob neben dem StGG auch Abschnitt V des III. Teils des Staatsvertrags von St. Germain vom 10. September 1919 in Verfassungsrang.
 
281
Vgl Kapitel IV.1.2.
 
282
Vgl Kapitel IV.1.3.1.
 
283
Büro des Österreich-Konvents (Hrsg), Bericht II (2005) 44 f.; vgl dazu auch Art. 50 des Bundesverfassungsentwurfs des Vorsitzenden Büro des Österreich-Konvents (Hrsg), Bericht III (2005) 23 f.
 
284
Vgl hierzu Melichar, ZÖR 1966, 256 (277 ff.).
 
285
VfSlg 15.394/1998.
 
286
Vgl Lienbacher, Religiöse Rechte, in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte VII/12, 445 (454).
 
287
Vgl dazu die kritisch-differenzierende Einschätzung bei Grabenwarter, Art. 9 EMRK, in Korinek u. a. (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Loseblatt (6. Lieferung, 2003) 8.
 
288
Anmerkung: Innerstaatlicher Verfassungsrang, völkerrechtliche Norm sowie Norm des Unionsrechts.
 
289
Dazu wie auch zur heutigen Bedeutung nationaler Grundrechte und dem Zusammenspiel beider Lienbacher in Merten/Papier, Handbuch VII/12, 453 ff.
 
290
Dies könnte einen beobachtbaren, geradezu manichäischen Dualismus von positiv besetztem Islam und negativ besetzter Scharia erklären. Ein solcher ergibt sich nicht aus der islamischen Tradition sondern aus Paradigmen der europäischen/westlichen politischen Philosophie. Dies ist gerade aus der Perspektive westlicher Gerechtigkeitsphilosophie paradox, da das Ziel der Scharia Gerechtigkeit auf der Basis islamischer Normativität ist.
 
291
Dazu näher Kapitel IV.3.3.1.
 
292
VfSlg 11.574/1987, dazu näher Kapitel IV.3.3.2.
 
293
EGMR (GK) 13.2.2003, Refah Partisi, Nr 41340/98, Rn. 123, zum Kontext siehe unten.
 
294
Dazu unter Einschluss des schiitischen Iran Grote/Röder, Constitutionalism.
 
295
Anmerkung: Islamische Jurisprudenz kann nicht unmittelbar die rechtsrelevanten Annahmen jedes Mitglieds der Umma (der Gemeinschaft der Gläubigen) definieren. Umso wichtiger ist die Differenzierung des konzeptionellen Gebäudes islamischer Jurisprudenz von Mitgliedern der nach verschiedenen legalen, religiösen oder ethno-indentitären Kriterien potentiell stark divergierenden Gruppe der „Muslime.“
 
296
Dieses wird in Bayrakli/Hafez (Hrsg), European Islamophobia Report 2017 (2018) http://​www.​islamophobiaeuro​pe.​com/​wp-content/​uploads/​2018/​04/​EIR_​2017.​pdf deutlich: Einerseits durch die angeführten Vorurteile gegen Muslime, andererseits aber auch durch die starken Wertungen des Berichts selbst. Beachtlich ist die Schlussfolgerung eines „even more authoritarian form of political behaviour, as initiated by the 2015 Act“ in der Executive Summary von Hafez (Ebenda 52) zu Österreich. Dies erscheint mit Blick auf den österreichischen Grundrechtsstaat und das in enger Rücksprache mit der islamischen Gemeinde entstandene IslamG 2015 als Wertungsexzess, auch die implizierte Islamophobie durch Kritik am politischen Islam fällt auf (Ebenda 57).
 
297
Sollen alle (Idealtyp ideologischen Islamismus) oder doch wesentliche (nach den Rechtsschulen vor allem familien-, erb-, vertrags-, straf-, und kriegs-)rechtliche Bereiche Ausfluss islamischer Jurisprudenz sein und wird zudem der Staat mit Kelsen „als Ordnung, und zwar als Rechtsordnung“ begriffen (Ders, Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts2 (1928) V)) wird die inhärente politische Dimension deutlich.
 
298
Anmerkung: Die entspricht nicht zwingend dem, was aus Perspektive konkreter inner- und außerislamischer Vorstellungen als „richtiger“ Islam erscheint. Erkenntnisgegenstand ist folglich das überprüfbare rechtstatsächliche Antlitz eines intersubjektiv kommunizierten Konstruktgebäudes, welches auf metaphysischen Annahmen ruht und dessen faktisch paradigmatische Wirkung das rechtsrelevante Handeln von Personen beeinflusst.
 
299
Besonders deutlich vor dem Hintergrund des US-amerikanischen Verfassungsrechts in United States Supreme Court, Engel v. Vitale, 370 U.S. 421, 431 (1962): „But the purposes underlying the Establishment Clause go much further than that. Its first and most immediate purpose rested on the belief that a union of government and religion tends to destroy government and to degrade religion. The history of governmentally established religion, both in England and in this country, showed that whenever government had allied itself with one particular form of religion, the inevitable result had been that it had incurred the hatred, disrespect and even contempt of those who held contrary beliefs.“
 
300
Dieser resultiert unmittelbar aus der mangelnden Differenzierung zwischen überprüfbaren und nicht überprüfbaren geistigen Konstrukten. Dass dies kein neues Problem ist, zeigt Kelsens Reine Rechtslehre: Dieser Versuch einer analytisch-deskriptiven Erfassung des Rechts wurde von verschiedensten Ideologien als angeblicher Ausdruck konträrer ideologischer Ansätze angegriffenKelsen, Reine Rechtslehre2 V. Einprägsam dessen Ausführungen: „Aber nicht minder häufig kann man hören: Die Reine Rechtslehre sei gar nicht imstande ihre methodische Grundforderung zu erfüllen und sei selbst nur der Ausdruck einer bestimmten politischen Werthaltung. Aber welcher? Faschisten erklären sie für demokratischen Liberalismus, liberale oder sozialistische Demokraten halten sie für einen Schrittmacher des Faschismus. Von kommunistischer Seite wird sie als Ideologie eines kapitalistischen Etatismus, von nationalistisch-kapitalistischer Seite bald als krasser Bolschewismus, bald als versteckter Anarchismus disqualifiziert. Ihr Geist sei – versichern manche – der katholischen Scholastik verwandt, andere wiederum Glauben in ihr die charakteristischen Merkmale einer protestantischen Staats- und Rechtslehre zu erkennen. Und auch solche fehlen nicht, die sie als atheistisch brandmarken möchten. Kurz, es gibt überhaupt keine politische Richtung, deren man die Reine Rechtslehre noch nicht verdächtigt hätte. Aber das gerade beweist besser, als sie es selbst könnte: ihre Reinheit.“
 
301
Anmerkung: Dies wird in besonderer Klarheit in der Einleitung von Bowen, ‚Religion in the proper sense of the word‘, Anthropology Today (1996) 12 (12) deutlich.
 
302
Anmerkung: Zwar ist der Autor nicht frei von den Einflüssen metaphysischer Paradigmen oder deren emotionalen Besetzung. Doch bleiben sämtliche Hypothesen überprüfbar und postulieren auf Grundlage des gewählten erkenntnistheoretischen Ansatzes kein objektives Sollen.
 
303
Anmerkung: Der einschlägige theologische Diskurs in der islamischen Theologie zur Frage nach der Erschaffung des Korans verdeutlicht dies: Eine Frage, welche von der Mu’tazila bejaht wurde und der in Folge politisch-ideologisch konnotiert war. Vgl dazu Shah, Classical Islamic Discourse on the Origins of Language: Cultural Memory and the Defense of Orthodoxy, Numen (2011) 314 (317 ff.).
 
304
Vgl Koran 10:37 f., 39:1.
 
305
Vgl Koran 2:97.
 
306
Vgl etwa Rahim, Principles of Muhammadan Jurisprudence (1911) 19 f.
 
307
Näher zum Begriff und dessen möglichen Bedeutungen Kamali, Principles of Islamic Jurisprudence2 (1991) 44 ff.
 
308
Schacht, An Introduction to Islamic Law (1982) 17; Hallaq, History 10 f.; Kamali, Principles 44.
 
309
Zu der Rolle der Hadithe im frühen Islam und dem Authentizitätsproblem siehe Hallaq, Shari’a: Theory, Practice, Transformations (2009) 45 ff. Sehr kritisch zur Authentizität Goldziher, Vorlesungen über den Islam (1910) 41: „Wir wollen nicht vollends ausschließen, dass in den Hadith-Mitteilungen, die uns in den Überlieferungen späterer Generationen vorliegen, hin und wieder ein Körnchen alten Gutes, wenn auch nicht direkt aus dem Munde des Propheten (…) erhalten ist.“ Beachte auch Ebenda 47.
 
310
Für den in Folge diskutierten engen Konnex zwischen islamischer Theologie und Jurisprudenz ist auf die explizite Nennung von „Hadithwissenschaft“ unter den zu vermittelnden Kenntnissen islamischer theologischer Ausbildung in den Erläuterungen zu § 24 Islamgesetz 2015 (446 der Beilagen (fortan: Blg) XXV. GP – Regierungsvorlage – Erläuterungen) hinzuweisen.
 
311
Beachtlich Hallaq, The Authenticity of Prophetic Hadith: A Pseudo-Problem, Studia Islamica 1999, 75.
 
312
Vgl Hallaq, Introduction 18.
 
313
Beachte die Andeutung vergessener Suren in Sahih Muslim 1050, 12:156, 5:2286. Zur Erstellung der einheitlichen Version des Korans bei gleichzeitiger Vernichtung aller früheren Exemplare siehe Sahih al-Bukhari 4986, 66:8, 6:61:509.
 
314
Zur derogatorischen Kraft grundlegend Merkl, Prolegomena einer Theorie des rechtlichen Stufenbaus, in FS Kelsen (1931) 252 (276 ff.). Das Begriffsverständnis dieses Beitrags folgt Grabenwarter, Die Verfassung in der Hierarchie der Rechtsordnung, in Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg) Verfassungstheorie (2010) 391 (392 f., 399 ff.).
 
315
Vgl dazu die entsprechende Anweisung Mohammeds an einen für den Jemen bestellten Richter nach Abu Dawud 3592, 25:22, 24:3585. Zum Kontext vgl Rohe, Das islamische Recht 23, 44, beachtlich sind die innerislamischen Strömungen zur Rückkehr zu den Verhältnissen zur Zeit Mohammeds Gefährten, dazu unten. Dies lässt den alleinigen Blick auf die Scharia durch den Filter der Rechtschulen (und umso mehr durch den zusätzlichen Filter modernen westlichen Grundrechtsdenkens) verkürzt und in letzterem Fall auch verzerrt erscheinen. Andererseits wurde diese Überlieferung als schwach kritisiert, vgl http://​sunnah.​com/​abudawud/​25.
 
316
BGBl II 2011/234.
 
317
Wiederin, Theorien als Methoden der Kompetenzinterpretation ZfV 1A/2015, 236 (237).
 
318
Anmerkung: Wenn auch der Person oder der Begleiter des angenommenen Propheten.
 
319
Vgl B. Weiss, Interpretation in Islamic Law: The Theory of Ijtihād, in Baderin (Hrsg), Islamic Legal Theory I (2014) 483 (485).
 
321
So Asad, The Principles of State and Government in Islam (1980) 12.
 
322
Sunan Abu Dawud 2641, 15:165, 14:2635.
 
323
Vgl von Bogdandy/Hinghofer-Szalkay, ZaöRV (2013) 209 (226 ff.).
 
324
Vgl dazu Mahmoudi, Islamic Approach to International Law, in MPEPIL, http://​opil.​ouplaw.​com, wobei das Publikationsforum die ungebrochene Aktualität dieser Frage aufzeigt.
 
325
Unter Berufung auf Aischa selbst Bukhari 5133, 67:69, 7:62:64; 5134, 67:70, 7:62:65.
 
326
Dazu kritisch Schacht, Introduction 34.
 
327
Hallaq, History 3. Zur Rolle dieses Begriffs bei den Traditionalisten siehe Hallaq, Studia Islamica 1999, 75 (84 ff.).
 
328
So scheint die zitierte Überlieferung etwa unter http://​sunnah.​com/​bukhari/​67 unter „(69) Chapter: Giving one’s young children in marriage“ auf und kann so die Rechtsvorstellungen eines Gläubigen beeinflussen.
 
329
Beachtlich ist allerdings die sowohl von sunnitischen als auch schiitischen Schulen klassisch angenommene Vermutung des Erreichens der Volljährigkeit/Pubertät mit neun Jahren, siehe Rohe, Das islamische Recht 79. Dem steht jedoch eine starke Anhebung des gesetzlichen Mindestalters für Ehemündigkeit in islamischen Staaten während des 20. Jahrhunderts gegenüber, siehe Hallaq, Sharī’a (2009) 463.
 
330
Schacht, Introduction 34 ff. Siehe dazu im Detail Ders, The Origins of Muhammadan Jurisprudence4 (1967) sowie kritisch zu dessen Dichotomie zwischen Traditionalisten und „rationalistic jurisprudence“ unter Betonung der Rolle der „traditionalist-jurisprudents“ Melchert, Traditionist-Jurisprudents and the Framing of Islamic Law, Islamic Law and Society (2001) 383.
 
331
Diese durch Luthers Assertio omnium articulorum Martini Lutheri per Bullam Leonis X. novissimam damnatorum (siehe etwa H. Schmidt (Hrsg), D. Martini Lutheri Opera Latina V (1868) 157, 162: „sed solam Scripturam regnare“) bekannte Formel beschreibt bei veränderten Schriften akkurat den Zugang aktueller puritanisch-fundamentalistischer Auslegungen des Islam.
 
332
Beispielsweise http://​islamische-datenbank.​de/​index.​php, beachtlich ist die wertende thematische Sortierung unter https://​www.​alhadith.​de, welche jedoch unter Homosexualität nicht jene Hadithe anführt, aus welchen traditionell die Todesstrafe abgeleitet wurde und teilweise noch wird. Unter den zahlreichen englischsprachigen Onlinetools kann auf http://​sunnah.​com/​ hingewiesen werden.
 
333
Wobei es sich um einen mehrfach besetzten Terminus handelt welcher historisch keineswegs auf eine puritanische Auslegung des sunnitischen Islam beschränkt war. Siehe zur konzeptionellen Geschichte Lauzière, The Construction of Salafiyya, Int.J.Middle East Studies 2010, 369.
 
334
Vgl Rohe, Das islamische Recht 22.
 
335
Vgl Hallaq, History 13; Nagel, Das islamische Recht (2001) 166 f.
 
336
Vgl hingegen Rohes These eines unveränderlichen Wesenskerns, Ders, Das islamische Recht 22. Die Frage ist allerdings, ob die Nachahmung der in den Hadithen überlieferten Handlungen und Aussagen Mohammeds zu diesem Wesenskern gehören bzw ob diese nur ein Beispiel einer Anwendung unabänderlicher Prinzipien für einen sehr spezifischen Kontext sind, welche sich nicht oder nur sehr eingeschränkt auf die heutige Zeit übertragen lassen.
 
337
Anmerkung: Welche alle nach einem zentralen Rechtsgelehrten benannt sind und in Regionen der islamischen Welt vergleichsweise stabil dominieren. Zu Entstehung und Verbreitung dieser Schulen siehe Schacht, Introduction 57 ff., Hallaq, Introduction 31 ff., Rohe, Das islamische Recht 27 ff.
 
338
Dazu allgemein Rohe, Das islamische Recht 59. Für eine Kritik von Schachts Position Hallaq, On the Origins of the Controversy about the Existence of Mujtahids and the Gate of Ijtihad, Studia Islamica 1986, 129 Siehe auch Ali-Karamali/Dunne, The Ijtihad Controversy, Arab Law Quarterly 1994, 238.
 
339
Dass diese Einflüsse kein rein rechtshistorisches Phänomen sind zeigen Debatten im Irak, siehe Fordham, Iraq Debates Law That Would Allow Men To Marry 9-Year-Old Girls, http://​www.​npr.​org/​sections/​parallels/​2014/​05/​13/​312160466/​iraq-debates-law-that-would-allow-men-to-marry-9-year-old-girls; sowie Tarabay, Iraqi law would legalize marital rape, child marriage for country’s Shia, http://​america.​aljazeera.​com/​articles/​2014/​4/​27/​iraqi-shiites-protestproposedf​amilylaw.​html, welche zugleich erneut demonstrieren, wie umstritten diese Rechtsansicht aus Sicht islamischer Jurisprudenz ist.
 
340
Vgl dazu Hallaq, Juristic Authority vs State Power: The Legal Crises of Modern Islam, Journal of Law and Religion 2004, 243 (245): „hermeneutically God did not reveal a law but only textual signs or textual indications that were to remain empty of legal significance had they been left unexplored.“
 
341
Siehe Kapitel III.1.
 
342
Beachtlich ist so auf Grund der potentiellen Spannung zu Art 7 B-VG und Koran 4:34 („Die Männer stehen für die Frauen in Verantwortung ein, mit Rücksicht darauf wie Allah den einen von ihnen mit mehr Vorzügen als den anderen ausgestattet hat, und weil sie von ihrem Vermögen (für die Frauen) ausgeben. Die rechtschaffenen Frauen sind demütig ergeben und sorgsam in der von Allah gebotenen Wahrung ihrer Intimsphäre. Diejenigen aber, deren Widerspenstigkeit ihr fürchtet, warnt sie, meidet sie in den Schlafgemächern und schlagt sie. Und wenn sie euch gehorchen, unternehmt nichts weiter gegen sie; siehe Allah ist erhaben und groß.“ Zitiert nach M.W. Hofmann, Koran (2001) 84.) Beachte zur Gleichberechtigung der Geschlechter im Islam vor dem Hintergrund (früherer) arabischer verfassungsrechtlicher Entwicklungen Ebert, Arabische Verfassungen und das Problem der „islamischen Menschenrechte“ VRÜ 1997, 520 (522 ff.).
 
343
Anmerkung: Selbst wenn die Kriterien für eine Bewertung der überliefernden Personen dem Koran unzweifelhaft entnommen werden könnten, entziehen sich diese historischen Personen heute einer intersubjektiv feststellbaren Bewertung, ihre Beschreibungen in historischen Dokumenten können bereits von menschlichem Willen geprägt oder irrig sein.
 
344
Vgl Koran 33:21, ebenfalls hinzuweisen ist auf 59:7 sowie 4:80.
 
345
Die Grenze der relevanten Sunna kann weit gezogen werden und selbst das umfassen, worin sich die wichtigen Vertreter der nachfolgenden Generation einig waren. Nagel, Das islamische Recht 162. Auf die besondere Rolle der Aussagen und Taten Alis in schiitischen Konzeptionen kann hier nur hingewiesen werden.
 
346
Das Ausmaß der möglichen Bedeutung der Hadithe für das Recht wird in folgendem Zitat deutlich: „The Prophet’s precepts and usages were likewise guided by God, and, in the same way as the texts of the Qur‘án, furnished an index of what was right and lawful. (…) If, for instance, a certain usage or course of action was followed by the Muslims within his knowledge, and the Prophet expressed no disapproval thereof, its legality was presumed. Similarly, if the Prophet studiously avoided a certain course of conduct, it has to be presumed that he disapproved it.“ Rahim, Principles 18.
 
347
Deren Rolle Goldziher, Vorlesungen 59 ff. bereits für die frühe islamische Jurisprudenz unterstrichen hatte.
 
348
Auf Abweichungen in sufistischen und schiitischen Ansätzen kann hier nur verwiesen werden.
 
349
Erklärt werden kann dies historisch mit der prästaatlichen Herrschaft Mohammeds oder religiös mit der notwendigen Flexibilität eines für alle Gesellschaften und Gefilde anwendbaren Rechts (vgl zu Letzterem Al-Ghazali, Introduction to a Draft Islamic Constitution, Islamic Studies (1981) 153 (153), der allerdings auch in diesem Bereich unveränderliche und ewige Prinzipien annimmt.) Zudem vermied die islamische Jurisprudenz Fragen nach der legitimen politischen Organisation der Umma in Folge der Streitigkeiten über die Nachfolge Mohammeds, eine Tradition mit der Theoretiker des politischen Islam brechen, siehe Botiveau, Contemporary Reinterpretations of Islamic Law: The Case of Egypt in Mallat (Hrsg), Islam and Public Law (1993) 261 (261).
 
350
Vgl dazu in Abgrenzung von westlichen Rechtstraditionen Kamali, Principles xv.
 
351
Dieses griff, wie gezeigt, auf tradierte römische Jurisprudenz zurück, um seine im engeren Sinn moralisch-religiösen Normen zu verwirklichen. So wurden das derart transportierte römische Recht und dessen Aufarbeitung durch eine gemeineuropäische Jurisprudenz zum Fundament einer gemeineuropäischen Rechtskultur. Doch handelte es sich hierbei keineswegs um offenbartes Recht oder das Handeln Jesu. Beachte dazu erneut Blackstone, Commentaries 17 f.: „A copy of Justinian’s pandects (…) soon brought the civil law into vogue all over the west of Europe, where before it was quite laid aside and in a manner forgotten; (…) This now became in a particular manner the favorite of the popish clergy, who borrowed the method and many of the maxims of their canon law from this original.“ Blackstones Kritik richtete sich folglich gegen den Import des antiken prächristlich-römischen Rechtsdenkens, welches die katholische Kirche mittelbar durch ihr kanonisches Rechts verbreitete. Der Gegensatz zum islamischen Privatrechtsdenken könnte deutlicher nicht sein.
 
352
BGBl 1934 I/239; BGBl 1934 II/1.
 
353
Wobei dies wiederum ein in Europa vorherrschendes Verständnis von Christentum widerspiegelt, welches die ebenfalls konkreten Rechtslehren des Alten Testaments auf Grund der christlichen Heilslehre nicht länger als solche auffasst. Werden diese Teile der Bibel (insb. Levitikus) als göttlich gesollte Rechtslehre verstanden, verschwimmt diese Grenze, welche im Gegensatz der überlieferten Aussagen und Taten von Jesus und Mohammed beruht.
 
354
Anmerkung: Um den insbesondere durch Jellinek, Das Recht des modernen Staates I2 (1905) 130 ff. konzeptionell aufgeladenen Staatsbegriff zu vermeiden.
 
355
Auf die komplexere Situation im schiitischen Islam kann hier nur verwiesen werden. Beachtlich ist die These, wonach der Islam in dieser Hinsicht dem Judentum folgte, welches im Gegensatz zum Christentum über ein umfassendes theokratisches Rechtssystem verfügte (beachte Wegner, Islamic and Talmudic Jurisprudence: The Four Roots of Islamic Law and Their Talmudic Counterparts, The American Journal of Legal History (1982) 25 (29, 33)). Zwar kann die westliche politische Ideengeschichte schwer ohne jüdische Autoren gedacht werden. Die rechtlich-politische Dimension des traditionellen Judentums blieb ihr hingegen weitgehend fremd, was aktuelle Verständnisprobleme der Scharia zu erklären hilft.
 
356
Sahih al Bukhari 1329, 23:85, 2:23:413; 3635, 61:139, 4:56:829; 65:4556, 6:60:79; 6819, 86:48, 8:82:809, Sahih Muslim 1699 a, 29:40, 17:4211; 1699 b, 29:41, 17:4212; 1701 a, 29:45, 17:4216; Abi Dawud 4452, 40:102, 39:4437; 4453, 40:103, 39:4438.
 
357
Mit einem moralischen Argument, ohne jüdischem Recht explizit zu derogieren. Vgl Evangelium nach Johannes 8:7.
 
358
Vgl Hallaq, The Origins and Evolution of Islamic Law (2005) 19 f. Die rechtlich-politische Dimension kann aus dieser Sicht als Reaktion auf die neue Situation in Medina und nicht als ursprüngliches Telos gesehen werden. In den Worten Hallaqs: „a new reality forced himself upon him.“ Doch waren auch spätere Offenbarungen, nicht nur Handlungen Mohammeds rechtlich-politischer Natur. Dies wirft in Verbindung mit der angenommenen Rolle als Siegel der Propheten die Frage auf, ob es sich um eine ewig für alle Menschen gültige juristische Normativität handelt (da kein weiterer Prophet erwartet wird).
 
359
Rahim, Principles 16.
 
360
Aus der Einleitung von Rahim, Principles vii.
 
361
Damit soll nicht die disziplinäre Grenze bestritten werden, welche nach Nagel, Das islamische Recht 8 zwar bei Abu Hanifa noch nicht vorlag, wohl aber bereits im 10. Jahrhundert abgeschlossen war. Vielmehr soll zum Ausdruck gebracht werden dass das, was in diesem Kontext als fiqh bezeichnet wird, das offenbarte Wort Gottes hinsichtlich juristischer Fragen studieren soll. Es soll nicht nur logisch auf einem religiösen System ieS moralischer Normen aufbauen, sondern die offenbarten und vorbildhaften Rechtsregeln selbst eruieren, systematisieren und anwendbar machen. Aus dieser Sicht liegt nicht eine Trennung von Jurisprudenz und Theologie sondern eine Jurisprudenz als Disziplin der Theologie iwS, mit anderen Worten und zurückkommend auf Nagel, Das islamische Recht 9: „Recht (nach der hier gewählten Terminologie: Jurisprudenz) ist gewissermaßen angewandte Theologie.“
 
362
J.N.D. Anderson, The Significance of Islamic Law in the World Today, The American Journal of Comparative Law (1960) 187 (187).
 
363
Anmerkung: Annäherungen erfolgen wenn das im Alten Testament transportierte System jüdischen Rechts (man bedenke Levitikus Kapitel 20 oder 24) auslegungsbedingt partiell auflebt; zum Naheverhältnis zwischen islamischen und jüdischen Recht siehe oben.
 
364
Beachtlich ist hierbei die These von Bernard Lewis, selbst Orientalist mit jüdischen Wurzeln, wonach der bekannte Orientalist Ignaz Goldziher auf Grund seiner jüdischen Herkunft und Erziehung eine bessere Ausgangslage für das Studium des Islam und für ein Verständnis von Muslimen genoss als seine christlichen Zeitgenossen, nicht zuletzt da „(t)o know rabbinic law and submit to its rules makes it easier to understand the Holy Law of Islam and those who obey it“ siehe dessen Einleitung zur englischen Übersetzung von Goldziher, Introduction to Islamic Theology and Law (1981) xif.
 
365
Was auch dem islamischen Selbstverständnis entspricht, wonach die Propheten des Judentums Propheten des Islam sind und das Judentum eine korrumpierte Version des Islam darstellt, welche durch Mohammed als letzter der Propheten korrigiert wurde. Zum historischen Kontext siehe Hallaq, Origins 19.
 
366
Aus jüdischer Perspektive kann hingegen mit Judith Romney Wegner von einem „Islamic ‚borrowing‘ of fundamental Talmudic concepts“ gesprochen werden. Dieselbe, The American Journal of Legal History (1982) 25 (26).
 
367
Hallaq, Sharī’a (2009) 31.
 
368
Hierzu etwa Hallaq, History 4, was auch die weitreichende rechtliche Autonomie von Juden und Christen nach islamischem Recht als gottgläubige Gemeinschaften mit Zugang zu offenbartem Recht erklärt (Ebenda 5).
 
369
So explizit Koran 33:7. Beachte den Prophetenstatus Jesu im Islam, Ebenda 19:30 und die Ablehnung der Dreifaltigkeitslehre in Ebenda 19:35.
 
370
Wobei beispielsweise die Erbteile bereits im Koran 4:11 einer erstaunlich präzisen Regelung unterworfen sind. Auch hier ist jedoch das Gesamtsystem beachtlich, etwa die Spiegelung geringerer Erbteile für Frauen mit der vom Mann zu stellenden Mitgift für die Ehegattin (mahr). Ein System positiven Rechts ohne verpflichtende mahr (wie das österreichische) wirft folglich Fragen hinsichtlich der religiösen Normativität des islamischen Erbrechts innerhalb der vom österreichischen Recht gesetzten Grenzen (Pflichtteilsrecht) auf.
 
371
Zu diesen etwa Rohe, Das islamische Recht 58 ff.; Kamali, Principles 168 ff.
 
372
Schacht, Introduction 69, 71.
 
373
Nagel, Das islamische Recht 102 f. weist allerdings auf die koranischen Wurzeln (und die erforderliche historische Kontextualisierung) hin. Für die aktuelle Migrationsdebatte ist interessant, wie islamische Rechtsgelehrte im Licht dieser Einteilung der Welt traditionell Migration beurteilten. Abu-Sahlieh, The Islamic Conception of Migration, The International Migration Review (1996) 27 (39 ff.). Die Übertragung auf die heutige Zeit ist doppelt problematisch: Einerseits ist das positive Recht der beiden traditionellen Herkunftsstaaten von Muslimen in Österreich – der Türkei sowie Bosnien und Herzegowina – nicht von der Scharia geprägt, deren Einordnung als dar-al-Islam folglich nicht eindeutig (vgl das historische Beispiel von Mardine in Ebenda 49). Andererseits konnten diese historischen Rechtsgelehrten nicht die Möglichkeit einer friedlichen demokratischen Erweiterung des dar-al-Islam durch Migration vorhersehen.
 
374
Vgl dazu und zu deren Überwindung von Bogdandy/Hinghofer-Szalkay, ZaöRV (2013) 209 (226 ff.), diese Überwindung als faktische Notwendigkeit ohne Fruchtbarmachung „für eine entsprechende Auslegung und Umarbeitung der eigenen Überlieferung“ Nagel, Das islamische Recht 105.
 
375
Dahingehend beachtlich Rahim, Principles 383 ff.
 
376
Vgl Akbarzadeh, The paradox of political Islam, in Akbarzadeh (Hrsg) Routledge Handbook of Political Islam (2011) 1.
 
377
Vgl Scott, The Challenge of Political Islam (2010) 12.
 
378
Beachte die bei Goldziher, Vorlesungen 60 angeführten Beispiele.
 
379
Rousseau, Du contract social, ou principes du droit politique (1762) 48.
 
380
Vgl aber die Rechtsdefinition nach § 1 des „Ur-Entwurfs“ des ABGB, „Recht ist alles, was an sich selbst gut ist, was nach seinen Verhältnissen und Folgen etwas Gutes enthält, oder hervorbringt, und zur allgemeinen Wohlfahrt beiyträgt“ (Ofner, Der Ur-Entwurf und die Berathungs-Protokolle des Österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches I (1889) III). Nach dieser Rechtsdefinition ist Scharia dem Selbstverständnis nach durchaus Recht.
 
381
Zum Begriff Kelsen, Reine Rechtslehre2 34 ff. sowie bereits zuvor die Definition von Jhering, Der Zweck im Recht I5 (1916) 399: „Recht ist der Inbegriff der mittels äußeren Zwanges durch die Staatsgewalt gesicherten Lebensbedingungen der Gesellschaft im weitesten Sinne des Wortes.“ Den Staat selbst begriff Kelsen bereits „als Ordnung, und zwar als Rechtsordnung“, Ders, Problem der Souveränität V.
 
382
Sehr deutlich kommt dies in der iranischen Verfassung von 1906 zum Ausdruck, welches das Ziel verfolgte (in englischer Übersetzung) „to (…) give effect to the enactments of the Sacred Law of His Holiness the Prophet.“ Röder, The Separation of Powers in Muslim Countries: Historical and Comparative Perspectives (Annex A), in Grote/Röder, Introduction, in Grote/Röder, Constitutionalism 321/359 (Annex C) (359).
 
383
Dies wird durch den weiten Rechtsstaatsbegriff des BVerfG deutlich, wonach zur Rechtsstaatlichkeit „nicht nur die Rechtssicherheit, sondern auch die materielle Gerechtigkeit“ gehört (BVerfGE 7, 89 (92)). Derart absolutierte Vorstellungen von Gerechtigkeit finden aktuell ihre Quelle in der westlichen politischen Ideengeschichte deutscher Prägung. Der mögliche Einfluss der Scharia auf die Entwicklung positiven Rechts wird deutlich, wenn dem Rechtsstaatsbegriff des BVerfGs islamische Rechtsschulen als metaphysische Brücke zur (göttlichen) Gerechtigkeit gegenübergestellt werden. Vgl dazu auch Joseph Essers Beispiel des Grundsatzes der körperlichen Unversehrtheit im damaligen bundesdeutschen Kontext: „Wo aber ‚steht‘ dieser Grundsatz? Er ist ein Stück jener vor-gesetzlichen Wertordnung und Kultur, die im Wege der politischen Legislative Recht bildet, nicht minder aber in der Rechtsprechung wirkt;“ Ders, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts3 (1974) 4 f.
 
384
Somek in IPE II, 644 f. Der Blick auf konkrete Ermächtigungsnormen und rechtsrelevante Willensäußerungen negiert idealistische und offen metaphysische Perspektiven und Ziele keineswegs. Umgekehrt vermag jedoch ein idealistischer oder offen metaphysischer Blick auf das Recht dessen funktionsnotwendige Ermächtigungsnormen und rechtsrelevante Willensäußerungen nicht zu beseitigen.
 
385
So bereits Merkl, Das Recht im Lichte seiner Anwendung, zitiert nach WRS I, 1167 (1171).
 
386
Hierbei darf an Dreier, Hans Kelsens Wissenschaftsprogramm, in Schulze-Fielitz (Hrsg), Staatsrechtslehre als Wissenschaft (2007) 81 (113) erinnert werden: „Der Entpolitisierung der Rechtswissenschaft korrespondiert die Einsicht in den politischen, nämlich: rechtsschaffenden, -erzeugenden, -produzierenden Charakter der Rechtsanwendung jeglicher Stufe.“
 
387
Vgl dazu das frühere Beispiel Nordnigeriens bei Weimann, Islamic Law and Muslim Governance in Northern Nigeria, Islamic Law and Society (2010) 375 (417).
 
388
Vgl Kelsen, Wesen und Wirklichkeit der Staatsgerichtsbarkeit, in WRS II2, 1485 (1506) mit dem Unterschied, dass dieser negative Gesetzgeber nicht „bei seiner Funktion wesentlich durch die Verfassung“ sondern durch Koran und Hadithe oder die islamische Rechtsgelehrsamkeit insgesamt oder einer bestimmten Schule derselben bestimmt ist.
 
389
Auf das aus vergleichender Perspektive beachtliche Alter dieses Modells im iranischen Staatsrechtsdenken wurde bereits hingewiesen. Für deren aktuelle Entwicklung in Form des iranischen Wächterrats siehe neben Arjomand, The Kingdom of Jurists, in Grote/Röder, Constitutionalism 147 (159 ff.) auch Shirvani, A Different Approach to the Control of Constitutionalism: Iran’s Guardian Council, in Grote/Röder, Constitutionalism 279.
 
390
Vgl dazu die Ablehnung eines „islamischen Staates“ durch An-Na’im, einem islamischen Rechtsgelehrten sudanesischer Herkunft, in Shari’a and Positive Legislation: is an Islamic State Possible or Viable?, in Cotran/Malla (Hrsg), Yearbook of Islamic and Middle Eastern Law 5 (2000) 29, da „whatever norms are enforced as positive law is the political will of that state, and can never be shari’a as commonly understood by Muslims to mean the expression of divine will.“ Ebenda 30. Hieraus ist zwar noch nicht zwingend die Ablehnung eines „islamischen“ Staates abzuleiten, welcher mit den in Folge näher auszuführenden Mitteln eine weitestgehende inhaltliche Konvergenz zwischen Scharia und positivem Recht herzustellen versucht. Erstaunlich ist dennoch die positivistische Klarheit der Trennung.
 
391
Beachtlich ist, dass der entsprechende Begriff im Arabischen erst als Reaktion auf westlichen Einfluss geprägt wurde und heute in allen muslimischen Ländern anzutreffen ist. Abdal-Haqq, Islamic Law: An Overview of its Origin and Elements, Journal of Islamic Law and Culture 2002, 27 (32).
 
392
Treffend zur bekanntesten „Kodifikation“ Ballantyne, The Majella: Introduction, Arab Law Quarterly 1986, 364 (366): „the very nature of the Shari’a militates against the Majella being designated a Code.“
 
393
Vgl R. Peters, From Jurists’ Law to Statue Law or What Happens When the Shari’a is Codified, in Baderin (Hrsg) Islamic Law in Practice III (2014) 3.
 
394
Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft 399.
 
395
Hervorzuheben ist, dass eine einschlägige spezialisierte (präventive) Normenkontorolle im Iran bereits 1907 beschlossen (wenn auch nicht verwirklicht) wurde und damit älter als das österreichisch-tschechoslowakische Modell ist. Arjomand, The Kingdom of Jurists, in Grote/Röder, Constitutionalism 145 (150).
 
396
Genauer: Art 1 des Grundgesetzes von 1992. Siehe Saudi Arabia: The New Constitution: Kingdom of Saudi Arabia, Arab Law Quarterly (1993) 258 (258).
 
397
Asad, Principles 11 ff., unter Berufung auf die Gefährten Mohammeds und spätere Gelehrte.
 
398
Asad, Principles vi, vgl auch x.
 
399
Asad, Principles vi f, 18 ff.
 
400
Asad, Principles 1 ff.
 
401
BGBl II 2011/234.
 
402
Übersetzt ins Englische bei Röder, The Separation of Powers in Muslim Countries: Historical and Comparative Perspectives (Annex A); Grote/Röder, Introduction, in Grote/Röder, Constitutionalism 321/365 (Annex D) (366).
 
403
Arjomand, The Kingdom of Jurists, in Grote/Röder, Constitutionalism 150.
 
404
Arjomand, The Kingdom of Jurists, in Grote/Röder, Constitutionalism 147, 157 ff.
 
405
Beachtlich ist auch, dass dessen Verfassungsauslegungskompetenz über den Bereich islamischer Jurisprudenz hinaus geht. Arjomand, The Kingdom of Jurists, in Grote/Röder, Constitutionalism 159 f.
 
406
Asad, Principles 5 f.
 
407
Asad, Principles 22.
 
408
Asad, Principles 23.
 
409
Asad, Principles 4.
 
410
Teil des Problems ist die Natur der Scharia, welche sich nicht leicht in eine generell-abstrakte Norm des positiven Rechts im Sinne eines Gesetzes des modernen Staates gießen lässt. Durch die Verbindung mit westlichem Verfassungsdenken wurde eine mögliche Lösung gefunden, welche in verschiedenen Verfassungen der islamischen Welt Anwendung findet: Die Einbindung der religions- und rechtsgelehrten Sphäre durch Verweis im positiven Recht selbst. Wird die Scharia auf Koran und Hadithe reduziert, wird zudem die Setzung positiven Rechts über deren Positivierung hinaus aus Gründen der notwendigen Ergänzung ersichtlich.
 
411
Dies gilt explizit ungeachtet von physischen Charakteristika des Organwalters, so explizit zum verkrüppelten Sklaven Sahih Muslim 20:4525 (Sahih Muslim 20:4528 sowie 4532) bzw zum verkrüppelten abessinischen/schwarzen Sklaven (20:4529) Sklaven Sahih Muslim 20:4526.
 
412
Sahih Muslim 20:4517 ff.
 
413
Vgl auch Sahih Muslim 20:4533.
 
414
Sahih Muslim 20:4541.
 
415
Sahih Muslim 20:4569 f.
 
416
Sahih Muslim 20:4573.
 
417
Asad, Principles 40, zur Folgefrage nach der Diskriminierung von Nichtmuslimen 40 ff.
 
418
Vgl speziell zu diesem Asad, Principles 41 f.
 
419
Asad, Principles 45 f.
 
420
Zur Frage nach der Offenheit von dessen Toren siehe unten.
 
421
Asad, Principles 14.
 
422
Abu Dawud 4447, 40:97, 39:4432.
 
423
Shalakany, Berkely Journal of Middle Eastern & Islamic Law (2008) 2 (43 ff.).
 
424
Dazu und zur Spannung mit einschlägigen Bestimmungen der Scharia siehe Shalakany, Islamic Legal Histories, Berkely Journal of Middle Eastern & Islamic Law (2008) 2 (52 ff.).
 
425
Anmerkung: Durch Enthauptung und anschließendem Verbrennen des Körpers, Art. 74 § 6 Anderstens, Constitutio Criminalis Theresiana (1769) 208.
 
426
Anmerkung: Indem die in III.2. genannten Faktoren auch auf die islamische Welt wirkten oder moderne Staatlichkeit realpolitisch erforderlich wurde – nicht zuletzt in Reaktion auf europäischen Imperialismus.
 
427
Ehrlich, Grundlegung 116.
 
428
Beachtlich auch C. Müller, Islamisches Recht, HRG II, Sp 1312–1316, www.​HRGdigital.​de/​HRG.​islamisches_​recht, welcher im Kontext der „Kodifikation“ ab Mitte des 19. Jahrhunderts von einer „Rationalisierung der Rechtsanwendung“ spricht, die aber zugleich den „Rückgriff auf die vielschichtigen Quellen islamischer Normativität“ beschnitt.
 
429
Forte, Islamic Law: The impact of Joseph Schacht, Loy. L.A. Int’l & Comp. L. Ann. (1978) 1.
 
430
Grote/Röder, Introduction, in Grote/Röder, Constitutionalism 4 f.
 
431
Grote/Röder, Introduction, in Grote/Röder, Constitutionalism 12.
 
432
J.N.D. Anderson, The American Journal of Comparative Law (1960) 187 (187).
 
433
Nach Schacht, Introduction 1 die „science of the Shari’a“. Dabei ist jedoch genauer betrachtet zwischen uṣūl al-fiqh und fiqh selbst zu unterscheiden. So kann uṣūl al-fiqh als die Methode des Rechts und fiqh als deren Ergebnis betrachtet werden kann, siehe Kamali, Principles 1 ff. In Folge wird Schacht gefolgt um den Text nicht konzeptionell zu überladen. Die Differenzierung ist jedoch bei näherer Beschäftigung mit der Scharia beachtlich.
 
434
Beachtlich hierzu Cardinal, Islamic Legal Theory: Are the Classics Taught Today?, Islamic Law and Society (2005) 224. Die über zehn Jahre alten Ausführungen zu Syrien sind von aktuellem Interesse: Die erfolgte Renaissance der Scharia in Rebellengebieten mit Ausnahme des kurdischen Nordens und die neue Stärke salafistischer Auslegungen spiegeln aktuelle Entwicklungen in der islamischen Welt wider.
 
435
So etwa die nach Art. 87 den Schariatribunalen eingeräumte Stellung im Grundgesetz des Osmanischen Reichs von 1876, zitiert nach Röder, The Separation of Powers in Muslim Countries: Historical and Comparative Perspectives (Annex A), in Grote/Röder, Introduction, in Grote/Röder, Constitutionalism 321/341 (Annex A) (349). Beachtlich ist zudem, dass sich hierbei deren Kompetenz rechtslogisch erst aus einer positiven Verfassungsnorm ableitet.
 
436
Hallaq, Sharia (2010) 500.
 
437
Asad, Principles 16.
 
438
Vgl Grote/Röder, Introduction, in Grote/Röder, Constitutionalism 10 f., wo von einer „substantial number“ von Staaten mit über 50 % muslimischer Bevölkerung die Rede ist, welche die Scharia entweder als die oder eine Quelle der Gesetzgebung verankerten um „a central tenet of fundamentalist constitutional thought“ nachzugeben oder präventiv entgegenzukommen. Es handelt sich somit zumindest teilweise um die Anpassung an faktisch vorhandenes, religiös informiertes Legitimitätsdenken zur Stabilisierung der betroffenen Ordnungssysteme.
 
439
Zum Begriff siehe Backer, Theocratic Constitutionalism: An Introduction to New Global Legal Ordering, Indiana Journal of Global Legal Studies (2009) 85.
 
440
J.N.D. Anderson, The American Journal of Comparative Law (1960) 187 (197).
 
441
Dazu und zu den Hintergründen Weimann, Islamic Law and Society (2010) 375 (417). Zur Scharia in Nigeria generell siehe auch Sodiq, A History of Islamic Law in Nigeria: Past and Present, Islamic Studies (1992) 85, zur Scharia in jüngeren Verfassungsentwicklung in der islamischen Welt siehe Grote/Röder, Constitutionalism, hierin zur nigerianischen Entwicklung Ebeku, The Limited Applicability of Sharī’ah under the Constitution of Nigeria, 89 (zur Renaissance der Scharia in Nordnigerien 95 ff.).
 
442
So etwa VfGH 16.9.2013, U1268/2013.
 
443
Da die Scharia nach tradierter Vorstellung auch den weltlichen Herrscher bindet, welcher nicht frei über öffentliches Eigentum verfügen und gegen welchen ein Kadi entscheiden kann, dazu Rahim, Principles 383 ff. Erneut erweist sich die mangelnde Flexibilität des religiösen Rechts als zweischneidiges Schwert.
 
444
Die Spannung mit aktueller Grundrechtsmetaphysik erinnert an Merkl: „So verschieden kann die Beurteilung derselben Tat und desselben Mannes durch das Naturrecht sein, dass ihm je nach dem Standpunkt des Betrachters die Kugel des Standgerichts oder die Heldenverehrung gebührt.“ Ders, Einheit oder Vielheit des Naturrechts?, ZÖR 1953, 257 (297).
 
445
Grote/Röder, Introduction, in Grote/Röder, Constitutionalism 11. Weniger deutlich ist, ob dies Ergebnis der Auslegung islamischer Quellen oder der Verbreitung westlicher oder nichtwestlich-areligiöser politischer Philosophie war und ist.
 
446
Anmerkung: Die Beschreibung „modern“ für diese Juristen bezeichnet letztlich nichts anderes als ihre konzeptionelle Verankerung in einer Sphäre der Jurisprudenz, deren Struktur und deren neues Paradigmenfundament von dem übernommen wurde, was im europäischen Rechtsraum historisch gewachsen war.
 
447
Hallaq, Sharia (2010) 500.
 
448
Dazu näher Hallaq, Introduction 39 ff.
 
449
Vgl dazu VfSlg 11574/1987.
 
450
Erneut ist auf EGMR (GK) 26.4.2016, Izzettin Doğan and Others v. Turkey, Nr 62649/10 hinzuweisen, konkret zum Versuch einer auch für alevitische Auslegungen (so diese dem Islam zugerechnet werden können, siehe aus juristischer Sicht Abschnitt 4 des Islamgesetzes 2015, BGBl I 2015/39) verbindlichen behördlichen Definition des Islam und Orten islamischer Religionsausübung, wobei auch frühere Judikatur bestätigt wurde wonach „the right of a religious community to an autonomous existence“ „at the very heart of the guarantees in Article 9 of the Convention“ sei und dieses Recht auf autonome Existenz „indispensible for pluralism in a democratic society“ sei (Rn. 93).
 
451
Hooker/Othman, Malaysia: Islam, Society and Politics (2003) 275.
 
452
Dazu und zu den Folgeproblemen auch Akbarzadeh in Akbarzadeh 1 ff.
 
453
Vgl Shepard, Islam and Ideology: Towards a Typology, International Journal of Middle East Studies (1987) 307 (315), auch zum Reaktionscharakter des Islamismus auf Verwestlichungstendenzen. Zu den Grundlagen des modernen Islamismus sind die Ausführungen des prominenten österreichischen (jüdisch-galizischen) Konvertiten Muhammad Asad/Leopold Weiss in Ders, The Principles of State and Government in Islam (1980) 37 ff. beachtlich. Obwohl diese Ausführungen keinen (inexistenten) allgemeinen Konsens widerspiegeln, zeigen sie sehr klar die aus Koran und Hadithen denkmöglich ableitbaren Vorbehalte gegenüber einer westlichen Demokratiekonzeption auf.
 
454
Der Islam kannte niemals, weder in seinen Texten noch in seiner Geschichte, eine Trennung zwischen Religion und Politik oder zwischen dem weltlichen und geistlichen Leben (Übersetzung durch den Autor). https://​libnanews.​com/​tunisie-ennahdha-et-les-illusions-perdues-par-fatma-benmosbah/​.
 
455
EGMR (GK) 13.2.2003, Refah Partisi, Nr 41340/98, Rn. 123.
 
456
EGMR 14.3.2013, Kasymakhunov and Saybatalov, Nr 26261/05 und 26377/06, Rn. 111.
 
457
EGMR 14.3.2013, Kasymakhunov and Saybatalov, Nr 26261/05 und 26377/06, Rn. 113. Damit wurde die frühere Kritik des Autors in Extreme Meinungen und Meinungsäußerungsfreiheit: Die Schranke des Artikel 17 EMRK, JRP 2012, 106 (112 ff.) hinfällig.
 
458
So kann die konzeptionelle Geschichte des Salafismus zumindest teilweise auf Ibn Hanbal zurückgeführt werden, siehe Lauzière, The Construction of Salafiyya: Reconsidering Salafism from the Perspective of Conceptual History, International Journal of Middle East Studies (2012) 369 (371 f., 375, 383).
 
459
Vgl Rahim, Principles 29: „more traditionalist than jurist.“
 
460
Anmerkung: Also einschließlich der hanbalitischen Schule und ihrer problematisierten Rolle.
 
461
Die Auslegung einer Todesstrafe für den Abfall vom Islam kann sich auf eine beachtliche Zahl von Hadithen stützen, beschränkt auf drei besonders bedeutsame Hadithensammlungen: Sahih Bukhari 3017, 56:226, 4: 52:260; 4344 f., 64:372, 5:59:632; 6922, 88:5, 9:84:57; 6923, 88:6, 9:84:58; 6930, 88:12, 9:84:64; 7157, 93:21, 9: 89:271; Muslim 1733, 33:18, 20:4490; Abu Dawud 4355, 40:5, 39:4341. Indirekt gestützt wird dies zudem dadurch, dass Apostasie zu den drei Ausnahmen zählt, auf Grund derer Muslime getötet werden können (neben Mord und außerehelichem Sex) Bukhari 6878, 87:17, 9:83:17; Muslim 1676, 28:34, 16:4152; 1676, 28:36, 16:4154; Abu Dawud 4502, 41:9, 39:4487. Dies ist nicht als normatives Argument für eine solche Strafe zu verstehen sondern zeigt lediglich auf, dass eine solche religiös normierte Strafe im Licht der Quellen jedenfalls keine denkunmögliche Auslegung ist. Für mögliche Einflüsse auf die Entwicklung positiven Rechts beachte Knust Rassekh Afshar, The Case of an Afghan Apostate – The Right to A Fair Trial Between Islamic Law and Human Rights in the Afghan Constitution, Max Planck UNYB (2006) 591.
 
462
Vgl dazu etwa den Fall eines möglichen afghanischen Konvertiten zum Christentum, VfGH 22.9.2014, U2193/2013 und die dem Erkenntnis vorangehende Länderfeststellung des Asylgerichtshofs: „Konversion wird nach der Scharia als Verbrechen bretrachtet, auf das die Todesstrafe steht.“
 
463
Dazu etwa Hallaq, Shari’a (2009) 310 ff. zu den ḥudūt Strafen, welche als göttliches Recht aufgefasst werden können.
 
464
Beachte die von Shepard, International Journal of Middle East Studies (1987) 307 (316) verortete Tendenz, wonach radikale Islamisten in der (damaligen) sunnitischen Welt Laien des islamischen Rechts waren, welche im Vergleich zu tradierten Rechtsgelehrten nicht mit der Komplexität und den Ressourcen früherer Tradition vertraut gewesen seien.
 
465
Diese Einschätzung des Autors beruht auf einem informellen Treffen mit Deradikalisierungsexperten der belgischen Polizei am Rande einer Lehrveranstaltung zum islamischen Recht an der Universität Antwerpen.
 
466
Was nach manchen Auslegungen über Rechtsgehorsam hinaus bis zur Erlaubnis des Handels mit Wein und Schweinen geht, siehe Nagel, Das islamische Recht 107.
 
467
Für eine derartige Auslegung (vor schiitischem Hintergrund) etwa https://​www.​al-islam.​org/​a-code-of-practice-for-muslims-in-the-west-ayatullah-sistani/​migration-non-muslim-countries. Beachtlich ist auch Shavit, Shari’a and Muslim Minorities (2015).
 
468
Beachte Baderin, International Human Rights and Islamic Law (2003) und den darin verfolgten Zugang.
 
469
In the Court’s view, a political party whose actions seem to be aimed at introducing sharia in a State party to the Convention can hardly be regarded as an association complying with the democratic ideal that underlies the whole of the Convention.” EGMR (GK) 13.2.2003, Refah Partisi, Nr 41340/98, Rn. 123.
 
470
Interessant ist das Postulat die Scharia „zu entjuridifizieren“ mit Berufung auf Koran 45:18, mit dem „offensichtlich eine Moralität, kein Rechtssystem gemeint“ sei. Tibi, Euroislam (2009) 116. Dies mag eine korrekte religiöse Auslegung sein, sie steht jedoch in einer offensichtlichen Spannung zum traditionell dominanten Schariaverständnis. In gewisser Weise sind hier Parallelen zum Salafismus erkennbar: Beide Strömungen wollen einen korrekten Islam entgegen lange dominanten Strömungen islamischer Jurisprudenz wiederherstellen, divergieren jedoch massiv im Zugang zur Auslegung und den Ergebnissen.
 
471
M. Weber, Die „Objektivität“ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, zitiert nach Ders (Hrsg) Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre (1922) 146 (190 ff.).
 
473
Man bedenke allein den Bereich der Kommunikationsfreiheit, EGMR 25.11.1996, Wingrove, Nr 17419/90, Rn. 58: „Whereas there is little scope under Article 10 para. 2 of the Convention for restrictions on political speech or on debate of questions of public interest (…), a wider margin of appreciation is generally available to the Contracting States when regulating freedom of expression in relation to matters liable to offend intimate personal convictions within the sphere of morals or, especially, religion.“
 
474
Anmerkung: Die Grenzen des Grundrechtsstaates und insbesondere der EMRK voraussetzend.
 
475
In dieser Hinsicht problematisch ist daher die Implikation der Recommendation 1927 (2010) of the Parliamentary Assembly of the Council of Europe on Islam, Islamism and Islamophobia in Europe Abs. 20, wonach das Problem des Islamismus auf mangelndes Wissen über den Islam reduziert und somit implizit die Kenntnis des „wahren“ Islam vorausgesetzt wird.
 
476
Vgl Hallaq, Introduction 27.
 
477
Wenn auch im Gegensatz zu jenem, welcher zur korrekten Schlussfolgerung kommt, nur einfach, siehe Hallaq, History 119 f. Vgl auch Kamali, Principles xvii.
 
478
Aktuell ebenfalls beachtlich ist die Verbreitung radikaler Auslegungen, wo diese historisch nie oder kaum existierten, zB der Salafismus in Zentralasien. Zu den Hintergründen Naumkin, Radical Islam in Central Asia: Between Pen and Rifle (2005).
 
479
Wahlberg, Reform 18.
 
480
51 BlgHH, XXI. Session, 2.
 
481
Allgemeine Zeitung v. 16. August 1876, Nr 229, 3497 f.
 
482
Neue Freie Presse v. 13. Juli 1878, 2.
 
483
Landesregierung für Bosnien und die Hercegovina, Die Ergebnisse der Volkszählung von Bosnien und der Hercegovina (1912) XXXVIII.
 
484
Anmerkung: Worin wiederum die Bedeutung religiöser Paradigmen für das Ordnungssystem deutlich wird.
 
485
Landesregierung für Bosnien und die Hercegovina, Ergebnisse XXXVIII.
 
486
Landesregierung für Bosnien und die Hercegovina, Ergebnisse XXXVIII, XL.
 
487
„La liberté et la pratique extèrieure muselman seront assureés, comme par le passé, aux personnes habitant ou séjourant en Bosnie et Herzégovine.“ Artikel 4 Abs. 1, Protocole entre Autriche-Hongrie et la Turquie relatif à Bosnie-Herzégovine et le Sandjak de Novi-Bazar, etc., etc., Signé à Constantinople, le 26.2.1909, zitiert nach Ministère des Affaires étrangères, Documents complémentaires cités dans le traité de paix avec l’Autriche signé à Saint-Germain-en-Laye le 10 Septembre 1919 (Tokio 1919) 74 f.
 
488
Artikel 4 Abs. 2 prot cit.
 
489
Artikel 4 Abs. 3 prot cit.
 
490
Džaja, Bosnien-Herzegowina in der österreichisch-ungarischen Epoche (1878–1918) (1994) 58.
 
491
1 BlgHH, XX. Session, 6. Beachtlich ist die vorangehende Anerkennung der „islamitischen“ Religionsgenossenschaft in § 8 (4) Z1 des Landesstatuts für Bosnien und die Hercegovina, Gesetz- und Verordnungsblatt für Bosnien und die Hercegovina 1910/19, 23.
 
492
Anmerkung: Auch die damaligen geostrategischen Ambitionen der Doppelmonarchie sind in diesem Kontext zu bedenken.
 
493
Džaja, Bosnien-Herzegowina 60.
 
494
Goldziher, Vorlesungen 69.
 
495
Zu dessen Hintergründen Potz, Das Islamgesetz 1912 und der religionsrechtliche Diskurs in Österreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in FS Ogris (2010) 385.
 
496
RGBl 1912/159.
 
497
Vgl aber Goldziher, Vorlesungen 51, welche in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem IslamG 1912 erschienen waren: „Man nennt sie maḏāhib (sing. maḏhab), d.i. Richtungen oder Riten, durchaus nicht Sekten.“
 
498
Siehe 1 BlgHH, XX. Session, 6. „Damit (dem hanefitischen Ritus) ist jene religiöse Richtung innerhalb der vielgestaltigen Entfaltung des Islams bezeichnet, welche auf der von Abu Hanifa im VIII. Jahrhundert unserer Zeitrechnung gegründeten Rechtsschule fußend, die religiösen Anschauungen der weit überwiegenden Anzahl der Bekenner des Islams im osmanischen Reiche beherrscht und insbesondere in Bosnien und der Hercegovina ausschließlich vertreten ist.“
 
499
1 BlgHH, XX. Session, 7.
 
500
RGBl 1912/159.
 
501
1 BlgHH, XX. Session, 6, wobei auch auf die konkreten Ausführungen zu § 6 in Ebenda 8 hinzuweisen ist. Dabei diente die Polygamie als Beispiel für „manche Auffassung und manche(n) Satz, dem der volle gesetzliche Schutz wegen seines Gegensatzes zur einschlägigen staatlichen Gesetzgebung nicht eingeräumt werden kann“ andererseits wurde aber auf die faktische Bedeutungslosigkeit der Polygamie „im Legen der hierzulande befindlichen Anhänger des Islams“ hingewiesen.
 
502
Die „Schwierigkeiten, welche sich aus der Anpassung eines staatlichen Eherechtes an die religiösen Einrichtungen des Islam ergeben“ hätten wurden als „so bedeutende“ erachtet, „dass die Schaffung einer solchen Rechtsordnung wohl daran scheitern würde.“ 1 BlgHH, XX. Session, 8.
 
503
Beachte insbesondere in der Stammfassung des ABGB JGS 1811/946 das auf Katholiken beschränkte Scheidungsverbot des § 111 ABGB, oder die „Bey der Judenschaft“ „mit Rücksicht auf ihr Religionsverhältnis“ normierte „Abweichungen“ (§ 123) der §§ 125 ff. (Anmerkung: die diskriminierende Bestimmung einer Bewilligung jüdischer Ehen durch die Kreisämter in § 124 war bereits durch RGBl 1859/217 aufgehoben worden). Zeiller betonte hierbei die Berücksichtigung der „abweichenden religiösen Meinungen und Gebräuche“ und verweist in einer Fußnote auf ein Werk zum „Mosaischen Recht.“ (Ders, Commentar 307). Der Scheidungsbrief des Ehemanns in § 133 ist hervorzuheben, der jedoch durch die Voraussetzung der „wechselseitigen freien Einwilligung“ (und die Bindung an ein schriftliches Zeugnis des Rabbiners oder Religionslehrers) keine Verstoßungsscheidung darstellte.
 
504
Allgemeines Verwaltungsarchiv, Präs.d.k.k.Min.F.K.u.U. Nr 1025, K.U.M., 1909, zitiert nach Potz in FS Ogris 400.
 
505
Hervorzuheben sind die bereits von Potz festgestellten Parallelen mit der umstrittenen Argumentation des Erzbischofs von Canterbury hinsichtlich der Scharia für Muslime in England. Potz in FS Ogris 400 f. Zwar hat die Rede England zum Gegenstand, sie bezieht sich jedoch explizit auf das britische Rechtssystem. Die Rede ist unter http://​rowanwilliams.​archbishopofcant​erbury.​org/​articles.​php/​1137/​archbishops-lecture-civil-and-religious-law-in-england-a-religious-perspective verfügbar.
 
506
Zu deren Entstehung siehe statt vieler Wiederin in Simon/Kalwoda 283 und Grabenwarter, Der österreichische Verfassungsgerichtshof, in von Bogdandy/Grabenwarter/Huber (Hrsg), Handbuch Ius Publicum Europaeum VI (2016) (fortan: IPE VI) 413.
 
507
Zu deren Struktur im spezifisch islamischen Kontext siehe Marko, Autonomie und Integration. Der Islam in der Rechtsprechung europäischer Höchstgerichte in FS Brünner (2007) 615.
 
509
Bescheid des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 2. Mai 1979 betreffend die Erteilung der Genehmigung zur Errichtung der ersten Wiener Islamischen Religionsgemeinde und der Verfassung der Glaubensgemeinschaft in Österreich, zitiert nach ÖAKR (1979) 451.
 
510
Anmerkung: Der islamischen Revolution im Iran, dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan und der mit diesen Ereignissen verbundenen Paradigmenwechsel.
 
511
VfSlg 11.574/1987.
 
512
Melichar, Zum Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes über das Islamgesetz, ÖAKR (1990) 194 (199).
 
513
Zu den Zahlen siehe oben, Kapitel IV.3.1.1.
 
514
Anmerkung: Mit einer nunmehr beachtlichen Spannung zwischen der offenen Verwendung des Begriffs Jihad für eine Offensive gegen säkulare syrische Kurden in Afrin durch den türkischen Parlamentspräsidenten https://​www.​turkishminute.​com/​2018/​01/​28/​turkish-parliament-speaker-calls-afrin-offensive-jihad/​ und dem unabänderlich säkularen Verfassungsrecht nach Art. 2 iVm Art. 4 der Verfassung der Türkei, zur Verfügung gestellt von eben jenem Parlament unter https://​global.​tbmm.​gov.​tr/​docs/​constitution_​en.​pdf.
 
515
Filzmaier/Perlot, Muslimische Gruppen in Österreich (2017), ÖIF-Forschungsbericht 2017, https://​www.​donau-uni.​ac.​at/​imperia/​md/​images/​econet/​logos/​forschungsberich​t_​neu.​pdf.
 
516
Filzmaier/Perlot, Muslimische Gruppen in Österreich 27. Zu berücksichtigen ist auch der Kontext der Befragung in einem Land, in welchem die Scharia weitgehend negativ besetzt ist: Dies schafft zweckrationale sowie mit Blick auf Taqiyya auch wertrationale Motive, einem Wunsch nach Implementierung derselben nicht offen Ausdruck zu verleihen. Ob und wenn bei wie vielen der befragten Personen diese Rationalitäten faktisch eine Rolle spielen ist vor diesem Hintergrund schwer empirisch erfassbar.
 
517
Dazu aus der jüngeren Judikatur EGMR (GK), 26.4.2016, Izzettin Doğan and Others v. Turkey, Nr 62649/10.
 
518
Filzmaier/Perlot, Muslimische Gruppen in Österreich 27.
 
519
Dazu etwa Othman/al-Mutī’ī, ‘Urf as a Source of Islamic Law, Islamic Studies 1981, 343.
 
520
Beachte hierzu die Dissenting Opinion von Richter Pinto de Albuquerque in Vgl EGMR (GK), 13.7.2012, Movement Raëlin Suisse, Nr 16354/06: „If streets and parks of a city are the historical quintessential public fora, the Internet is today’s global marketplace of ideas.“
 
521
Hinsichtlich der konzeptionellen Abschottung gegenüber ausländischen Predigern und Gelehrten des islamischen Rechts hallen die Diskussionen des Konstitutionsausschusses aus 1848 zur Frage wider, ob die Meinungsfreiheit als Jedermanns- oder als Staatsbürgerschaftsrecht ausgestaltet werden sollte. Die verwendete Metapher einer neuen „chinesischen Mauer“ gegenüber Ideen aus dem Ausland (dazu näher S. Hinghofer-Szalkay, Die Freiheit der politischen Meinungsäußerung (2011) 61) trifft auch auf diese neue Problematik zu.
 
522
Vgl EGMR (Pl), 8.7.1986, Lingens, Nr 9815/82, Rn. 41.
 
523
Anmerkung: Für den Aufbau einer solchen österreichischen Islamgelehrsamkeit („Theologische Studien“) schuf § 24 Islamgesetz 2015, BGBl I 2015/39 die Grundlage.
 
524
Anmerkung: Hierbei kann auf die Diskurse im muslimischen Raum verwiesen werden, insbesondere auf das genannte tunesische Beispiel.
 
Literatur
Zurück zum Zitat Kelsen, Hans, Wer soll der Hüter der Verfassung sein? Abhandlungen zur Theorie der Verfassungsgerichtsbarkeit in der pluralistischen, parlamentarischen Demokratie, Wien 1931. Kelsen, Hans, Wer soll der Hüter der Verfassung sein? Abhandlungen zur Theorie der Verfassungsgerichtsbarkeit in der pluralistischen, parlamentarischen Demokratie, Wien 1931.
Zurück zum Zitat Sonnenfels, Joseph von, Handbuch der inneren Staatsverwaltung. Bd. 1, Wien 1798, Joseph Camesina und Comp. Sonnenfels, Joseph von, Handbuch der inneren Staatsverwaltung. Bd. 1, Wien 1798, Joseph Camesina und Comp.
Zurück zum Zitat Wahlberg, Wilhelm E., Die Reform der Rechtslehre an der Wiener Hochschule seit deren Umwandlung zu einer Staatsanstalt. Wien 1865, Carl Gerolds Sohn. Wahlberg, Wilhelm E., Die Reform der Rechtslehre an der Wiener Hochschule seit deren Umwandlung zu einer Staatsanstalt. Wien 1865, Carl Gerolds Sohn.
Zurück zum Zitat Korinek, Karl (Hrsg), Beiträge zum Wirschaftsrecht. Festschrift für Karl Wenger zum 60. Geburtstag, Wien 1983, Orac. Korinek, Karl (Hrsg), Beiträge zum Wirschaftsrecht. Festschrift für Karl Wenger zum 60. Geburtstag, Wien 1983, Orac.
Metadaten
Titel
IV. Das österreichische Grundrechtssystem von europäischen Paradigmen legitimer Verfasstheit zur rechtstatsächlichen Verfasstheit Österreichs
verfasst von
Stephan G. Hinghofer-Szalkay
Copyright-Jahr
2019
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58917-5_4

Premium Partner