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2019 | Buch

Verfassungsrechtsentwicklung aus rechtstatsächlicher Perspektive

Das Ausmaß und die Grenzen effektiver Verfasstheit nach rechtlicher Eigenlogik und deren soziologischen Fundamente

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Über dieses Buch

Das Buch analysiert die tragenden Säulen der Verfassungsrechtsentwicklung auf empirischer Grundlage. Es baut dabei auf den Theorien Poppers, Kuhns und Kelsens auf und passt diese an, um die theoretische Erfassung von Staatsrecht als beobachtbares soziales Phänomen zu maximieren. Dieser Ansatz findet Verwendung, um neues Licht auf verschiedene Aspekte der Verfassungsentwicklung zu werfen, konkret auf die Ursprünge in und aktuelle Verflechtung mit dem europäischen Rechtsraum; das System des Grundrechtsschutzes mit besonderer Beachtung der Kommunikations- und Religionsfreiheit; das System der Gerichtsbarkeit öffentlichen Rechts; und die generell-abstrakte Dimension gerichtlicher Rechtschöpfung. Dies erlaubt Rückschlüsse auf eine Theorie der rechtstatsächlichen Verfasstheit. Dabei wird die besondere Rolle von Paradigmen für den Ursprung, die Stabilisierung und das Ende von autopoietischen Systemen positiven Staatsrechts deutlich.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
I. Einleitung
Zusammenfassung
Allgemeine Einleitung in die Fragestellungen des Buches.
Stephan G. Hinghofer-Szalkay
II. Geistige Konstrukte als prägende Rechtstatsachen
Zusammenfassung
Eine thetisch zugespitzte, erkenntnistheoretische Reflexion soll den Blick auf die Natur von Rechts„tatsachen“ und die Grenzen rechtstatsächlicher Erkenntnis schärfen. Die Rollen geistiger Konstrukte und deren paradigmatischer Wirkung werden dabei erkennbar. Sie werden am Gerechtigkeitsproblem als prägende Rechtstatsache gespiegelt, genauer an konkreten Konstrukten und Paradigmen zur Gerechtigkeit.
Stephan G. Hinghofer-Szalkay
III. Rechtstatsächliche Wurzeln und Verankerungen des österreichischen öffentlichen Rechts im Europäischen Rechtsraum
Zusammenfassung
Der faktische Einfluss von Paradigmen zeigt sich in der Analyse des europäischen Rechtsraums. Die Entstehung und Entwicklung des österreichischen Staates, seines Rechts und seines Rechtsdenkens können nicht ohne dieses Phänomen erfasst werden. Religiöse Paradigmen schufen den Rechtsraum und ermöglichten gemeinsame Paradigmen der Jurisprudenz über heterogene Gemeinwesen hinweg. Regionale religiöse Paradigmenwechsel und europäische Paradigmenwechsel im Bereich der politischen Philosophie brachen mit dieser Einheit. Sie schufen ein staatskonstruierendes Interludium zwischen mittelalterlichem und aktuellen Rechtsraum und damit neue verbindende Elemente durch parallele Herausforderungen an eine neue Staatlichkeit. Dies ermöglichte die Entstehung des Kaiserstaats und seiner markanten rechtlichen Eigenheiten, während zugleich europäische Paradigmen in Form ethnonationaler Legitimationsvorstellungen diesen Staat untergruben. Sowohl das Recht als auch das Rechtsdenken der Republik bleiben ohne diesen Kaiserstaat und seine spezifischen Herausforderungen unverständlich. Der in der Republik erreichte Idealtyp des souveränen Nationalstaates wurde im aktuellen Rechtsraum relativiert. Letzterer entfaltet zunehmend eine transformatorische Kraft, welche keineswegs nur im positiven Recht, sondern insbesondere in Europäisierungstendenzen der nationalen Jurisprudenz begründet liegt.
Stephan G. Hinghofer-Szalkay
IV. Das österreichische Grundrechtssystem von europäischen Paradigmen legitimer Verfasstheit zur rechtstatsächlichen Verfasstheit Österreichs
Zusammenfassung
Die prägende Phase der österreichischen Grundrechtsentwicklung erklärt sich aus dem Kompromiss zwischen konkurrierenden Paradigmen der politischen Philosophie. Sowohl der Kommunikationsfreiheit als auch der Religionsfreiheit kommen eine Schlüsselfunktion für die Entwicklung jener Paradigmen zu, welche die rechtliche Verfasstheit tragen und prägen. Mit Blick auf die Religionsfreiheit wagt sich die Analyse auf ein Terrain der Erkenntnissuche, welches durch einen graduellen Paradigmenwechsel grundlegende Fragen zur künftigen Verfasstheit des österreichischen Staatswesens aufwirft: der Verbindung zwischen Islam, islamischer Jurisprudenz und der österreichischen rechtlichen Verfasstheit. Der Ansatz legt im Spiegel des historischen Entwicklungspfads österreichischer Verfassungsentwicklung die Grundlagen für aktuelle Verständnisprobleme offen: Paradigmen, welche im westlichen Verständnis des Phänomens häufig vorausgesetzt und auf ein anders strukturiertes Phänomen projiziert werden. Dies führt beobachtbar zu polarisierenden Zerrbildern.
Stephan G. Hinghofer-Szalkay
V. Gerichte des öffentlichen Rechts und die rechtstatsächliche Effektivität positivierter Rechtslogik
Zusammenfassung
Die Analyse des Rechtsraums und der Grundrechtsentwicklung warfen wiederholt die Frage nach der Rolle der Gerichte öffentlichen Rechts für die faktische Effektivität des positiven Rechts und dessen hierarchischer Verfasstheit auf. In der Analyse dieses Phänomens wird sichtbar, wie die Modelle der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des Reichsgerichts und später des VfGH nicht nur an liberales Grundrechtsdenken, sondern auch an Kompromisse legitimierender Paradigmen anknüpften. Dies trifft ebenso auf das bis heute prägende Modell der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu. Dabei wurde auch deutlich, dass der im Vergleich zum Reichsgericht leicht verzögerten Entstehung des VwGH durch maßgebliche Entwicklungen im europäischen Rechtsraum eine Schlüsselrolle zukam. Letztere hinterließ tiefe Spuren im Entwicklungspfad. Diese Ausformung des positiven Gerichtsorganisationsrechts konnte die soziale Verfasstheit maßgeblich prägen. Sie verhalf so dem positiven Recht, insbesondere in Form des Gesetzes, zur sozialen Effektivität. Wie erfolgreich diese Realisierungsfunktion war, zeigt sich daran, dass die neueren Entwicklungen nicht mehr von diesem Aspekt, sondern von der grundrechtlichen Europäisierung getrieben wurden.
Stephan G. Hinghofer-Szalkay
VI. Die generell-abstrakte Dimension gerichtlicher Rechtschöpfung: Der Einfluss legitimatorischer und positivistischer Idealtypen
Zusammenfassung
Die Analyse der Gerichtsbarkeit öffentlichen Rechts verstärkte die Frage nach der rechtstatsächlichen Bedeutung von Richterrecht. Diese Frage trat in bereits den Analysen des Rechtsraums und der Grundrechtsentwicklung wiederholt in Erscheinung. Wie kann die mangelnde Verankerung eines Phänomens von entscheidender rechtstatsächlicher Bedeutung für die rechtliche und soziale Verfasstheit in der vorherrschenden Rechtstheorie erklärt werden? Durch den entscheidenden Einfluss von Paradigmen legitimer Rechtschöpfung. Dies führt zur Annäherung an die Frage nach der Differenzierbarkeit zwischen Rechtsauslegung und Rechtschöpfung. Hierzu wird ein Idealtyp positivistischer Rechtsauslegung entwickelt. Dieser Idealtyp erlaubt es, schärfer zwischen jenem Richterrecht unterscheiden zu können, welches in Anwendung positiven Rechts erfolgt und jenem, welches das anzuwendende Recht durch seine Rechtschöpfung faktisch ersetzt. Der Idealtyp erlaubt auch, die erheblichen Abweichungen von selbigem in einem konkreten Gemeinwesen und zugleich den wichtigsten Grund für diese zu präzisieren: Die inhärente Spannung zwischen positivem Recht und außerrechtlichen Paradigmen.
Stephan G. Hinghofer-Szalkay
VII. Rückschlüsse für eine Theorie der rechtstatsächlichen Verfasstheit
Zusammenfassung
Die paradigmatische Kraft geistiger Konstrukte in konkreten gesellschaftlichen Ordnungssystemen wirkt auf deren Rechtsentwicklung prägend ein. Idealtypisch können dabei fünf rechtsrelevante Paradigmensphären ausgemacht werden, hierunter auch die Jurisprudenz. Recht selbst kann hingegen als abgegrenztes, positiviertes System geistiger Konstrukte eines bestimmten, effektiven und zwangsbewehrten gesellschaftlichen Ordnungssystems verstanden werden. Die Interdependenz paradigmatischer und positiv-rechtlicher Verfasstheit erlaubt auch eine neue Perspektive auf das Verhältnis von Gemeinwesen und Recht. Dies schließt die Frage nach Monismus, Dualismus, oder Pluralismus sowie der Frage nach dem Ursprung und den Gründen der Effektivität positiven Rechts ein.
Stephan G. Hinghofer-Szalkay
VIII. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Zusammenfassung
Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse und Schlussfolgerungen für eine rechtstatsächlich informierte Theorie des Rechts und des politischen Gemeinwesens.
Stephan G. Hinghofer-Szalkay
IX. Resultierende Thesen
Zusammenfassung
Zwölf rechtstheoretische Thesen zur Verfassungsrechtsentwicklung aus rechtstatsächlicher Perspektive als Ergebnis der Schrift.
Stephan G. Hinghofer-Szalkay
Backmatter
Metadaten
Titel
Verfassungsrechtsentwicklung aus rechtstatsächlicher Perspektive
verfasst von
Stephan G. Hinghofer-Szalkay
Copyright-Jahr
2019
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-58917-5
Print ISBN
978-3-662-58916-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58917-5

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