Skip to main content

2003 | Buch

Kriminalität, Ökonomie und Europäischer Sozialstaat

herausgegeben von: Professor Dr. Hans-Jörg Albrecht, Professor Dr. Horst Entorf

Verlag: Physica-Verlag HD

insite
SUCHEN

Über dieses Buch

Das Buch liefert aus ökonomischer, kriminologischer, rechtswissenschaftlicher und psychologischer Sicht Analysen der Ursachen von Kriminalität sowie Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Kriminalprävention. Die Beiträge des Buches behandeln u.a. die Rolle des europäischen Sozialstaats für das Ziel der Kriminalitätsvermeidung, die Problematik der Wirtschaftskriminalität, die Ursachen von Drogenabhängigkeit und ihre Auswirkungen auf die Kriminalität sowie ökonomische und kriminologische Übersichten zur Frage der Abschreckung durch Strafandrohung. Ein weiterer Artikel nutzt einen neuen Datensatz über Tat- und Wohnorte von Straftätern zum Test bekannter kriminologischer Theorien. Nicht zuletzt werden schließlich in einem innovativen Beitrag die ökonomischen Ursachen von Bürgerkriegen untersucht. Die Autoren des Bandes sind international anerkannte Experten und liefern in dieser Zusammensetzung eine einmalige Möglichkeit, sich über Kriminalität als sozio-ökonomisches und juristisches Problem umfassend und interdisziplinär zu informieren.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kriminalität, Ökonomie und europäischer Sozialstaat: Einleitung
Zusammenfassung
Kriminalität ist ein interdisziplinäres Problem. Die komplexe Interaktion sozioökonomischer, familiärer und psycho-sozialer Faktoren lehrt uns, dass es keine einfachen Antworten auf die Frage nach den Ursachen illegalen Handels gibt. Zur Kriminalitätsbekämpfung und -prävention sieht der Gesetzgeber zwar die Strafen unseres Justizsystems vor, wir wissen jedoch, dass neben diesem Instrument der Abschreckung andere Einflussfaktoren und Anreize positiver und negativer Art existieren, die gleichsam rechtstreues Verhalten begünstigen. Nun unterscheiden sich Denkmuster und Forschungsansätze von Juristen, Ökonomen, Psychologen und Sozialwissenschaftlern zum Teil so erheblich, dass in der Regel ein Informationsaustausch bzgl. der Voraussetzungen einer wirkungsvollen Kriminalpräventionnichtstattfindet. Umso dankbarer sind wir als Herausgeber dieses Bandes für die Unterstützung bei der Durchführung der Tagung „Soziale Kohäsion, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Kriminalität in Europa“ seitens des JeanMonnet-Zentrums der Universität Würzburg, deren erklärtes Ziel es ist, die Zusammenarbeit einzelner Disziplinen zu stärken. Ziel der am 28.5.2001 und 29.5.2001 an der Universität Würzburg durchgeführten Veranstaltung sollte sein, interdisziplinär über soziale und ökonomische Hintergründe und Konsequenzen von Kriminalität und Gewalt nachzudenken.
Hans-Jörg Albrecht, Horst Entorf
Umverteilung als Instrument der Kriminalitätsbekämpfung: Theoretische Grundlagen und ein europäisch — amerikanischer Vergleich
Zusammenfassung
Es wird ein Modell präsentiert, in dem ein Teil der Bevöllkerung straffällig wird. Die Neigung zur Kriminalität hängt von der Wahrscheinlichkeit ab entdeckt zu werden, sowie von den Opportunitätskosten, falls man entdeckt wird Der Staat kann diese Variablen durch Strafverfolgungsmaßnahmen und Transferleistungen beeinflussen. Wir analysieren die kostenminimierende Politik und die Anreize für wohlhabende Individuen, die Kriminalität durch Umverteilung zu bekämpfen. Diese Überlegungen können einen Beitrag zum Verständnis far die Tatsache leisten, dass man in den USA trotz grö ßeren Aufwandes für die Verbrechensbekämpfung keine niedrigeren Kriminalitätsraten beobachtet als in Europa.
Dominique Demougin, Robert Schwager
Forschungen zur Wirtschaftskriminalität in Europa: Konzepte und empirische Befunde
Zusammenfassung
Empirische und theoretische Forschungen zur Wirtschaftskriminalität in Europa haben sich in den letzten Jahrzehnten differenziert. Die Differenzierungen verlaufen entlang der Gegenstandsbereiche sowie der zentralen inhaltlichen Konzepte der Wirtschaftskriminalität. Letztere verweisen vor allem auf den Betrug, sodann auf die Ausbeutung von kostensteigernder oder profitreduzierender Regulierung, die zum Schutze menschlicher, sozialer und natürlicher Ressourcen eingeführt worden sind. Beide Formen der Wirtschaftskriminalität beziehen sich somit auf die politische Regulierung der Ökonomie. In theoretischer Hinsicht hat dies zur Folge, dass ökonomische und normative Handlungsorientierungen sowie die Beziehungen zwischen beiden die Hauptlast der Erklärung zu tragen haben. Als Folge der Ausweitung der Schattenwirtschaften entstehen Vernetzungen zwischen herkömmlicher Wirtschaftskriminalität und organisierter Kriminalität, die eine Aufhebung der Trennung der Konzepte organisierter Kriminalität und der Wirtschaftskriminalität mit sich bringen. Die empirische Forschung zur Wirtschaftskriminalität hat sich bislang konzentriert auf eine deskriptive Bilanzierung von Phänomenen, die bislang europaweit allerdings eher bescheiden ausfüllt. Dies ist bedingt durch die erheblichen Problem im Zugang zu verlässlichen empirischen Daten. Zudem hat sich als Schwerpunkt die Implementationsforschung entwickelt, deren Ertrag in dem Nachweis erheblicher Implementationsdefizite und in der Initiierung rechtspolitischer Konzepte zur Fortentwicklung der rechtlichen und außerrechtlichen Kontrolle prekärer wirtschaftlicher Prozesse besteht.Die bis-lang erörterten und erprobten Ansätze zur Überwindung der Implementationsdefi-zite und zur Stärkung der Verhaltenskontrolle beziehen sich auf Spezialisierung der Strafverfolgung,die Anpassung des materiellen Strafrechts sowie des Strafver-fahrensrechts im Hinblick auf beweiserleichternde und prozessökonomische Aus-gestaltung und die Stärkung von Mechanismen interner Verhaltenskontrolle.Ge-rade letzteres scheint-auch im Lichte der Theorie der Wirtschaftskriminalität-in Zukunft besondere Bedeutung zu erlangen.
Hans-Jörg Albrecht
Drogenkriminalität und Drogenprävention in Europa
Zusammenfassung
Der Beitrag führt zunächst in den komplexen Zusammenhang von Drogenkonsum und Drogenkriminalität ein, um anschließend die Präventionsstrategien zu erläutern. Die jeweilige Situation von Deutschland wird der von Europa gegenüber gestellt. Dabei wird deutlich, dass die Aussagekraft auf europäischer Ebene aufgrund der unterschiedlichen und zum Teil fehlenden Datenbasis sehr gering ist. Der Artikel erläutert zum einen Faktoren, die delinquentes Verhalten und Einnahme von Drogen auslösen und fordern, zum anderen stellt er gängige Hypothesen über den Zusammenhang von Drogenkonsum und Drogenkriminalität vor. Dabei ist die Wirkungsrichtung dieses Zusammenhangs nicht eindeutig und Delinquenz von Drogenkonsumenten kann nicht zwingend als drogenbezogene Delinquenz betrachtet werden. Vielmehr fördern soziale Störungen im Kindesalter antisoziales Verhalten im Erwachsenenalter. Strategien zur Drogenprävention in Europa können angebots-oder nachfrageorientiert sein. Wobei bei den Maßnahmen zur Reduktion des Drogenangebotes weniger Einheitlichkeit innerhalb der Länder existiert als bei den Maßnahmen zur Nachfragereduktion. Die möglichen Strategien werden vorgestellt, aber nicht evaluiert, sodass als Schlussfolgerung des Beitrags festgehalten werden kann, dass Drogenkonsum entweder Bestandteil oder Folge eines generell devianten Lebensstil ist und ausschließliche Maßnahmen zur Drogenprävention zu kurz greifen, wenn sie nicht an der Änderung der Ursachen des devianten Lebensstil ansetzen.
Gerhard Bühringer
Illegale Drogen und Kriminalität: Wie ausgeprägt ist der Zusammenhang?
Zusammenfassung
Drogenabhängigkeit ist ein Thema, das die Öffentlichkeit stark bewegt. Dabei steht häufig der vermutete Zusammenhang zwischen steigendem Drogenkonsum und steigenden Kriminalitätsraten im Zentrum der Diskussion. Obwohl eine Reihe von Beobachtungen einen derartigen Zusammenhang nahe legt — so ist die Häufigkeit von Gefdngnisaufenthalten far Drogenkonsumenten deutlich höher —, kann es sich dabei auch um Scheinkorrelationen handeln, wenn Drogenkonsum und kriminelle Aktivitäten durch weitere Faktoren — etwa geringe Einkommensmöglichkeiten — beeinflusst werden. In diesem Beitrag wird der Zusammenhang zwischen illegalem Drogenkonsum und Kriminalität daher in einem erweiterten Ansatz untersucht, der auf dem Becker-Ehrlich Model zur Erklärung krimineller Handlungen basiert und weitere wichtige Faktoren wie demografischen Wandel, Arbeitslosigkeit und Einkommensentwicklung berücksichtigt. Auf der Basis eines Paneldatensatzes far die deutschen Bundesländer können derartige Zusammenhänge ökonometrisch analysiert werden. Neben der Beobachtung eines schnellen Aufholprozesses far die Neuen Bundesländer ergibt sich dabei ein signifikanter Einfluss des illegalen Drogenmarktes auf die verschiedenen Ausprägungen von Kriminalität, wobei der Effekt far Eigentumsdelikte am deutlichsten ausfällt. Dies kann auf den wirtschaftlichen Effekt des Drogenmissbrauchs zurückgeführt werden, d.h. auf die sogenannte „Beschaffungskriminalität“.
Horst Entorf, Peter Winker
Befragungsstudien zur negativen Generalprävention: Eine Bestandsaufnahme
Zusammenfassung
In dem Beitrag werden methodische Probleme der Abschreckungsforschung diskutiert, wobei sich die Ausführungen auf Befragungsstudien konzentrieren. Die Frage ist, wie Diskrepanzen in den Ergebnissen empirischer Untersuchungen zu dieser Thematik erklärt werden können. Dazu werden Probleme der Messung theorierelevanter Merkmale, Vor-und Nachteile von Quer-und Längsschnittsstudien, der Einfluss zufälliger Messfehler auf die Schätzung von Abschreckungseffekten und Probleme der Modellspezifikation behandelt. Die Ergebnisse sind: (1) Der Vergleich verschiedener Studien mit ähnlichem Untersuchungsdesign, aber verschieden Operationalisierungen des Abschreckungsniveaus, legt die Vermutung nahe, dass sich die Art der Messung auf das Untersuchungsergebnis auswirkt. (2) Auch die Konzeption einer Erhebung als Quer-und Längsschnittsstudie beeinflusst das Ergebnis, wobei Längsschnittsuntersuchungen nicht notwendigerweise zu besseren Schätzungen von Abschreckungseffekten führen als Querschnittsuntersuchungen. (3) Zufällige Messfehler führen tendenziell zu einer Unterschätzung von Abschreckungseffekten. Insgesamt gesehen zeigen die Vergleiche zwischen Abschreckungsstudien, dass sich methodisch-konzeptionelle Unterschiede in Untersuchungen auf das Untersuchungsergebnis auswirken können.
Dieter Dölling, Dieter Hermann
Zur Gültigkeit der Abschreckung im Sinne der ökonomischen Theorie der Kriminalität: Grundzüge einer Meta-Studie
Zusammenfassung
Eine Vielzahl von Forschungsbeiträgen zur Quantifizierung der Präventivwirkung von Strafmaßnahmen haben gemeinsam, diese Abschreckungswirkung im Sinne der ökonomischen Theorie der Kriminalität zumindest einem der Faktoren Strafhöhe und Strafwahrscheinlichkeit zuzusprechen. Inhaltlich zeigen sich jedoch zum Teil starke Abweichungen bei der Berücksichtigung anderer für die Kriminalität entscheidender Einflussgroßen, diese Unterschiede setzen sich in der eingesetzten quantitativen Methodik fort. Es stellt sich die Frage, inwieweit sich Divergenzen in den erzielten Resultaten durch die Heterogenität in den Forschungsansätzen dieser Arbeiten begründen lassen. In diesem Beitrag sollen die Grundzüge einer meta-analytischen Vorgehensweise dargestellt werden, die in der Lage ist, die Resultate unterschiedlicher Forschungsmethoden in einem Ansatz aufzunehmen und systematische Abhängigkeiten zwischen Forschungsdesign und Forschungsergebnis aufzudecken. Die Anwendung der entwickelten Methode zeigt, dass lediglich schwache Zusammenhänge zwischen sowohl inhaltlichen Konzepten als auch technischen Merkmalen und den Resultaten der jeweils verwendeten Forschungsmethode zu finden sind.
Jürgen Antony, Horst Entorf
Gefängnis, Therapie und Bewährung: Eine ökonomische Analyse
Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht die Wahl von Sanktionsniveaus, wobei Gefängnis und Therapie die beiden Behandlungsarten des Straftäters darstellen. Eine Kombination beider Arten wird nie gewählt. Die Behandlungslänge geht zurück, wenn ihr Preis steigt oder die erwarteten Kosten eines Rückfalls sinken. An Stellen des Behandlungsartwechsels werden Kriminelle in der Regel früher entlassen, wenn sie therapiert werden. Jüngere Täter besitzen eine höhere Chance, eine therapeutische Behandlung zu erhalten. Die Auswirkungen der Änderungen anderer Parameter auf die Wahl zwischen Gefängnis und Therapie sind uneindeutig.
Volker Meier
Lokale Determinanten der Kriminalität und Tätermobilität: Eine empirische Studie mit Gemeindedaten
Zusammenfassung
Einfache Regressionen der Häufigkeitszahlen verschiedener Kriminalitätsarten auf lokale Charakteristika bestätigen einen kriminalitätsfordernden Effekt der erwarteten Erlöse aus illegalem Handeln und einen kriminalitätsreduzierenden Einfluss legaler Einkommenserzielungsmöglichkeiten. Überdies zeigt sich, dass höhere Einkommensungleichheit mehr Delinquenz nach sich zieht. Allerdings ist die Kriminalität in den untersuchten baden-württembergischen Gemeinden nicht nur auf die Gegebenheiten in den Tatortgemeinden sondern auch auf Bedingungen in den Nachbargemeinden zurückzuführen. Einblicke in die Beschaffenheit dieser räumlichen Effekte eröffnet die isolierte Betrachtung ortsfremder Täter. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass Tätermobilität mit interkommunaler Ungleichheit und der verstärkten Segregation der Bevölkerung anwächst.
Thiess Büttner, Hannes Spengler
Über die ökonomischen Ursachen von Bürgerkriegen
Zusammenfassung
Wir untersuchen die Ursachen von Bürgerkriegen wobei wir einen neuen Datensatz verwenden, der die Jahre 1960 bis 1999 umfasst. Dabei testen wir zwei Theorien: Einerseits können Bürgerkriege durch atypische Möglichkeiten erklärt werden, z.B. durch gute Finanzierungsmöglichkeiten der Rebellen und niedrige Kosten der Rekrutierung. Andererseits werden häufig Leidensfaktoren, z.B. politische Unterdrückung, Ungleichverteilung sowie ethnischer und religiöser Hass, als Ursachen von Bürgerkriegen zitiert. Unsere empirischen Ergebnisse zeigen, dass die Theorie der atypischen Möglichkeiten einen besseren Erklärungsansatz bietet als die Leid-Theorie. Reichtum an natürlichen Ressourcen und eine große Diaspora, definiert als der Anteil der Bevölkerung der im Ausland lebt, erhöhen das Bürgerkriegsrisiko erheblich, denn beide Faktoren erleichtern die Finanzierung einer Rebellion. Entgegen der häufig vertretenen Meinung, dass ethnische und religiöse Diversität das Bürgerkriegsrisiko erhöht, kommen wir zu dem Ergebnis, dass ein hoher Grad an Diversität dieses Risiko verringert, da es schwieriger ist, eine Rebellenorganisation aufzubauen. Unsere Ergebnisse sind robust in Hinsicht aufAusreißer, alternative Variablendefinitionen und Variationen in der Schätzmethode.
Paul Collier, Anke Höffler
Backmatter
Metadaten
Titel
Kriminalität, Ökonomie und Europäischer Sozialstaat
herausgegeben von
Professor Dr. Hans-Jörg Albrecht
Professor Dr. Horst Entorf
Copyright-Jahr
2003
Verlag
Physica-Verlag HD
Electronic ISBN
978-3-642-57399-6
Print ISBN
978-3-642-63259-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-57399-6