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2000 | OriginalPaper | Buchkapitel

Lebensbegleitendes Lernen aus Sicht eines Industrieunternehmens

verfasst von : Peter Haase

Erschienen in: Lebenslanges Lernen im Beruf — seine Grundlegung im Kindes- und Jugendalter

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Von den Mitarbeitern im Betrieb wird ein lebenslanger Lernprozess verlangt, angefangen bei der Aus- und Weiterbildung, fortgesetzt im Prozess der Arbeit und übergreifend auf die arbeitsfreie Zeit. Das Unternehmen, in dem sie arbeiten, versteht sich selbst als ein „Lernendes System“. Die Gesellschaft, mit der das Unternehmen verwoben ist, trägt das Etikett der Dienstleistungs-, Kommunikations- oder Informationsgesellschaft. In diesem Szenario ist die Frage nach dem lebensbegleitenden Lernprozess der Mitarbeiter zugleich eine Frage nach der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und eine Frage nach den Bezugsgruppen des Unternehmens, nach der individuellen Akzeptanz bei den Mitarbeitern. Lernfähigkeit ist heute nicht mehr eine unter vielen Eigenschaften eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter. Sie ist zu einem konstitutiven Faktor des Unternehmens im globalen Wettbewerb geworden. Lernfähigkeit ist eine entscheidende Kompetenz, der Schlüssel zum Erfolg in einer sich ständig wandelnden Problemlandschaft: nach außen gegenüber den Kunden, den Zulieferern, den Kapitalgebern, der natürlichen wie sozialen Umwelt, nach innen in den Teamorganisationen, am Arbeitsplatz und im Prozess der Arbeit, während der Arbeitszeit und in der Freizeit. Die entscheidenden Lernprozesse des lernenden Unternehmens — im Unterschied zur tayloristischen Fabrik des 19./20. Jahrhunderts — sind die Lernprozesse seiner Mitarbeiter. Das Lernen, das ihr Arbeitsleben begleitet, ist das Lernen in Nähe des Arbeitsplatzes, ein Lernen, das aus den täglichen Erfahrungen des Lebens und Arbeitens kleine Erfahrungen und Einsichten zu einem kontinuierlichen Prozess der Verbesserung zusammenfügt. Auf diesen konstanten Lern- und Verbesserungsprozess kann heute kein Unternehmen mehr verzichten. Lebensbegleitendes Lernen ist mehr als was in Schule, Hochschule und Weiterbildung stattfindet: „Lernen um zu wissen, Lernen um zu agieren, Lernen um zusammenleben zu können, Lernen um zu sein“ (J. Delors) ist angewiesen auf Schlüsselqualifikationen und das Zusammenspiel von sozialen, fachlichen und individuellen Kompetenzen. Die Schlüsselqualifikation des lebensbegleitenden Lernens hat Friedrich Schleiermacher (1768–1834) als erster prägnant formuliert: Das Ziel des Lernens sei nicht einzelne Wissensinhalte, Fertigkeiten oder Verfahren, sondern, wie er es nannte, das Aufwachen des Prinzips des Erkennens, das „Lernen des Lernens“. Das Menschenbild der betrieblichen Bildung gleicht sich wieder dem humanistischen Menschenbild an, zielt auf Persönlichkeitsbildung, entwickelt Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen und versteht sich als Einstieg in einen lebenslangen, lebensbegleitenden Prozess des Lernens. Dabei rücken Aus- und Fortbildung nicht nur organisatorisch näher zusammen. Sie müssen fachliche, soziale und individuelle Kompetenzen bündeln und kontinuierlich auf den Arbeitsprozess beziehen. Beispiele: Das VW-Ausbildungskonzept und seine Reform („Geschäfts- und arbeitsorientierte Ausbildung in ausgewählten Industrieberufen“) sowie die neuen Verfahren für die Einstellung, Entwicklung und Förderung von Auszubildenden und das Meister- oder Ausbilderrekrutierungsprogramm. Die Bildungsarbeit des Unternehmens muss vor dem Hintergrund einer tradierten, tayloristisch orientierten Bildungshierarchie gesehen werden: Elternhaus, Sozialpolitik, Kirchen und Kommunen vermitteln in der Erziehungsphase Werte und Haltungen: das allgemein bildende Schulsystem Allgemeinbildung, Kulturtechniken und soziale Kompetenzen, das betriebliche Ausbildungssystem Fachkompetenz und berufliche Entwicklungsperspektiven. In der Arbeitspraxis wird hingegen das harmonische Zusammenspiel aller Fähigkeiten gefordert und gefördert.

Metadaten
Titel
Lebensbegleitendes Lernen aus Sicht eines Industrieunternehmens
verfasst von
Peter Haase
Copyright-Jahr
2000
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-663-10175-8_5