Skip to main content

2016 | Buch

Den Diebstahl des Wohlstands verhindern

Ökonomische Politikberatung in Deutschland – ein Portrait

verfasst von: Kerstin Schneider, Joachim Weimann

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

insite
SUCHEN

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Ein Experiment

Ein Experiment
Zusammenfassung
Dieses Buch ist ein Experiment, besser gesagt, war ein Experiment. Niemand konnte voraussagen, wie es ausgeht. Die Idee war, dem Leser einen Blick hinter die Kulissen der ökonomischen Politikberatung zu gewähren. Nicht indem man Geheimnisse lüftet oder Indiskretionen verbreitet, sondern dadurch, dass man die Menschen portraitiert und miteinander diskutieren lässt, die in Deutschland ökonomische Politikberatung betreiben.
Kerstin Schneider, Joachim Weimann

Fragen zur Politikberatung

Frontmatter
Welchen Stellenwert hat die Politikberatung in der Zunft der Ökonomen?
Zusammenfassung
Ich habe den Eindruck, dass es oft nicht wirklich wertgeschätzt wird, wenn sich Leute in die Politikberatung einbringen. Es gibt natürlich herausgehobene Positionen, in denen man schon wertgeschätzt wird, zum Beispiel als Mitglied des Sachverständigenrates oder als Mitglied der Monopolkommission. Aber es gibt Ebenen der Politikberatung, da wird das gelegentlich belächelt. Aber was wäre denn die Alternative? Sollen wir die Politikberatung lieber anderen überlassen?
Kerstin Schneider, Joachim Weimann
Ist die gegenwärtige wirtschaftswissenschaftliche Forschung eigentlich als Grundlage von Politikberatung geeignet?
Zusammenfassung
Ja, natürlich ist sie relevant und geeignet, jedenfalls wenn wir die richtige Forschung machen. Das Verständnis von Anreiz-Effekten, was ja in vielerlei Hinsicht der Kern der ökonomischen Analyse ist, ist natürlich relevant für Politik. Und da gibt es tausende von Beispielen, gute wie schlechte Beispiele. Das EEG ist ein ganz hervorragendes Beispiel dafür, dass Anreize von Ökonomen verstanden und auch in der Forschung thematisiert werden. Allerdings schreibt die Politik dann ein Gesetz, das nicht viel mit Ökonomie zu tun hat, und man sieht ja, was dabei herauskommt.
Kerstin Schneider, Joachim Weimann
Ist die Politik aufnahmebereit für die Vorschläge, die die Wissenschaft macht?
Zusammenfassung
Ja! Allerdings passiert mehr hinter verschlossenen Türen als in öffentlichen Diskussionen. Das hört sich jetzt erst einmal wie ein Widerspruch an, ist aber keiner. Da es oft einen Widerspruch zwischen politischer und wissenschaftlicher Logik gibt, ist man am effektivsten, wenn man sehr offen ist. Und das kann man halt nur hinter verschlossenen Türen.
Kerstin Schneider, Joachim Weimann
Missbraucht die Politik die Wissenschaft zu Marketingzwecken?
Zusammenfassung
In der Politik hat man ein bestimmtes Ziel vor Augen, das im Widerstreit mit dem politischen Gegner erreicht werden soll. Die Politik sucht nach Argumenten, die die eigene Position stützen. Für Wissenschaftler ist dies eine Chance. Es gibt auch Situationen, in denen die Politiker noch nicht klar festgelegt sind und mögliche Argumente und Effekte diskutieren möchten.
Kerstin Schneider, Joachim Weimann
Ist es richtig, dass sich Wissenschaftler dem Ziel des Politikers, wiedergewählt zu werden, unterordnen?
Zusammenfassung
Nein, unterordnen sollten sich die Wissenschaftler nicht. Die Wissenschaft hat die Funktion, das zu sagen, was ihrer Meinung nach die richtige Politik ist, unabhängig davon, wie der Wähler das sieht. Aber natürlich ist sich der Wissenschaftler häufig bewusst, dass er erst mal vergebens Ratschläge gibt. Aber gewisse Dinge sind dann später ja vielleicht doch durchsetzbar.
Kerstin Schneider, Joachim Weimann
Beachten Wissenschaftler die Zwänge der Politiker nicht ausreichend? Klappt deshalb die Kommunikation nicht?
Zusammenfassung
Die Kommunikation kann gut funktionieren, sie kann fürchterlich danebengehen. Alles ist möglich!
Kerstin Schneider, Joachim Weimann
Wie gehen Sie mit Kritik ökonomischer Laien um?
Zusammenfassung
Was die Kritiker angeht, da gibt es ein riesiges Spektrum. Im schlimmsten Falle sind es solche, die von Sachargumenten frei sind und rein emotionale Mails schicken, wenn man zum Beispiel etwas gegen den allgemeinen flächendeckenden Mindestlohn sagt. Dann liest man halt auch irgendwelche rüden Schimpfworte in einer Mail. Das geht bis hin zu Morddrohungen oder Todeswünschen. Ich versuche, mich nicht davon beeindrucken zu lassen. Man sollte auch nicht in die Kommentarseiten der Internetforen schauen, nachdem man einen Meinungsartikel in einer Zeitung veröffentlicht hat. Man kann es manchmal nicht verhindern, dass man doch neugierig reinschaut und dann entsetzt ist über die Qualität der Argumente.
Kerstin Schneider, Joachim Weimann
Hat sich die Bedeutung der ökonomischen Politikberatung über die Zeit verändert? Hat sich der Einfluss der Wissenschaft auf die Politik verändert?
Zusammenfassung
Ich glaube, das ist eine Frage, die man nicht beantworten kann. Wissenschaft und Politik leben in einem permanenten Spannungsverhältnis. In diesem Spannungsverhältnis gibt es Phasen, in denen es eine engere Kooperation gibt und Phasen, in denen die Politik die Wissenschaft ignoriert oder die Wissenschaft sich auch umgekehrt manchmal ignorant gegenüber politischen Zwängen zeigt. Das ist ein Auf und Ab, ich würde da keinen klaren Trend ausmachen.
Kerstin Schneider, Joachim Weimann
Die Politik entwickelt zunehmend paternalistische Züge. Wie steht die Wirtschaftswissenschaft dazu?
Zusammenfassung
Das Einzige, was wir tun können, ist, auf den Wettbewerb unterschiedlicher Positionen hinzuweisen. Wir sollten dies möglichst transparent machen, um den paternalistischen Ansprüchen zu entgegnen.
Kerstin Schneider, Joachim Weimann
Wie könnte man die Politikberatung besser machen?
Zusammenfassung
Also den ersten Tipp, den ich den allermeisten meiner Kollegen für die Politikberatung geben würde, ist zuhören lernen. Lernen, die Probleme der Politik aufzugreifen und diese auch, nicht nur, aber auch aus der Sicht des betroffenen Politikers zu verstehen. Mal eine halbe Stunde still zu sein und nicht gleich zu sagen: „Aber, das geht doch nicht, weil…“. Das verschreckt Politiker: „Ja, wenn ich mit Professoren diskutiere, ich kann kaum seinen Satz sagen, da fallen sie mir schon ins Wort und sagen, warum das alles ein Blödsinn ist.“ Und dann hört weder der Wissenschaftler noch der Politiker zu. Dann können die eine Stunde reden und haben nicht wirklich miteinander gesprochen.
Kerstin Schneider, Joachim Weimann
Was muss ein guter und erfolgreicher Politikberater mitbringen?
Zusammenfassung
Ich glaube, eine wichtige Kompetenz ist die, sich einfach ausdrücken zu können. Das hört sich blöd an, aber die Übersetzung von der Wissenschaftssprache in die normale Sprache ist ganz wichtig. In der Politikberatung bewegt man sich unter Nicht-Spezialisten und deshalb muss man sich auf Leute einstellen können, die aus einer ganz anderen Perspektive kommen.
Kerstin Schneider, Joachim Weimann
Wie stark sollte der Einfluss der Wirtschaftswissenschaft auf die Wirtschaftspolitik in Deutschland sein?
Zusammenfassung
Ich würde eher von stärkerer Einbindung der Wissenschaft sprechen als von Einflussnahme. Die Wissenschaft sollte stärker eingebunden werden. Aber gleichzeitig würde ich mir wünschen, dass die Arbeitsweise der Wissenschaftler – und damit ihre Möglichkeiten und Grenzen – besser kommuniziert werden.
Kerstin Schneider, Joachim Weimann

Der Workshop

Frontmatter
Ökonomen in der Politikberatung: Vom Grundlagenforscher zum Überzeugungstäter
Zusammenfassung
Die Diskussion hat deutliche Unterschiede in den grundsätzlichen Einstellungen der Ökonomen zur Politikberatung aufgezeigt. Es lassen sich vier Typen der ökonomischen Politikberater identifizieren, die wir diskutieren möchten. Wir möchten die Diskussion mit Vertretern dieser vier Richtungen in der ökonomischen Politikberatung eröffnen.
Kerstin Schneider, Joachim Weimann
Neoliberale Sekte oder Wissenschaft?
Zum Verhältnis von Grundlagenforschung und Politikanwendung in der Ökonomik
Zusammenfassung
Wir Ökonomen haben eine schlechte Presse. Dabei kritisieren uns ausgerechnet die Medien besonders heftig, die sich ihrer Wirtschaftskompetenz rühmen, Blätter wie FAZ und Handelsblatt. Da heißt es, wir müssten den Homo Oeconomicus aufgeben und mehr Verhaltensökonomik betreiben. Und wir sollten den Ordoliberalismus stärker pflegen. Die verschiedenen Vorschläge sind nicht immer kompatibel, aber das ist den Kritikern egal. Im Übrigen heißt es, wir sollten doch gefälligst relevanter sein.
Martin Hellwig
(Er)kennen Ökonomen den Elefanten?
Zusammenfassung
Danke, Herr Hellwig. Es wurde viele Themen angesprochen. Sei haben die Relevanz der Ökonomie betont. Sie haben aber auch ganz grundsätzliche Probleme für die Anwendbarkeit von Grundlagenforschung für die Politikberatung thematisiert und die Grenzen aufgezeigt. Vielleicht bleiben wir zunächst bei der Rolle, die die Verhaltensökonomik im Zusammenspiel der Methoden spielt. Wenn wir mehr Verhaltensökonomik betreiben und den Homo Oekonomicus aufgeben sollen, sollten wir dann auch die mathematische Modellierung zurückfahren? Gibt es ein Konkurrenzverhältnis zwischen den Methoden?
Kerstin Schneider, Joachim Weimann

Das Ökonomenteam

Frontmatter
Die Sache mit der Fußballmannschaft: Sind Ökonomen teamfähig?
Zusammenfassung
Die Diskussion hat Unterschiede zwischen den politikberatenden Ökonomen gezeigt. Es gibt unterschiedliche Schwerpunkte thematischer, aber auch methodischer Art. Sind die Unterschiede so ausgeprägt, dass ein gemeinsames Ziel nicht erreicht werden kann, oder gibt es auch in der Politikberatung Raum für Arbeitsteilung? Und können wir aus den Typen der Politikberatung ein Team zusammenstellen, das die Politik effektiv berät und auch in der politischen Meinungsbildung als Korrektiv wirken kann? Wir haben die hier portraitierten Ökonomen im Jahr der aus deutscher Sicht so erfolgreichen Fußball-Weltmeisterschaft 2014 gefragt, wo sie gerne in der Fußball-Nationalmannschaft spielen würden und wer ihr Lieblingsgegenspieler aus der Politik wäre. Was dabei herausgekommen ist, möchten wir Ihnen nicht vorenthalten.
Kerstin Schneider, Joachim Weimann
Metadaten
Titel
Den Diebstahl des Wohlstands verhindern
verfasst von
Kerstin Schneider
Joachim Weimann
Copyright-Jahr
2016
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Electronic ISBN
978-3-658-09495-9
Print ISBN
978-3-658-09494-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-09495-9

Premium Partner