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Erschienen in: List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik 3/2016

01.01.2016 | Aufsätze

Zur Selbstfinanzierung höherer Staatsausgaben: Gibt es den Münchhausen-Effekt und wenn Ja, wie funktioniert er?

verfasst von: Franz Seitz, Karl-Heinz Tödter

Erschienen in: List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik | Ausgabe 3/2016

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Zusammenfassung

Nach der Selbstfinanzierungsthese kann eine Volkswirtschaft durch eine schuldenfinanzierte Erhöhung der Staatsausgaben so viel Wirtschaftswachstum erzeugen, dass sich diese Staatsausgaben selbst finanzieren und die Schulden am Ende gar nicht steigen. Sinn (2014) zeigt, dass dies selbst im traditionellen keynesianischen Einkommen-Ausgaben-Modell nicht gilt. Allerdings berücksichtigt er nicht die institutionelle Struktur Eurolands, in dem mit Defizit- und Schuldenquoten und nicht absoluten Größen argumentiert wird. Wir bleiben in dem von Sinn (2014) vorgegeben Modellrahmen und zeigen, dass bereits bei einer moderaten Staatsverschuldung in der Ausgangslage eine kreditfinanzierte Erhöhung der Staatsausgaben temporär zu einem Rückgang der Schuldenquote führt. Dieser Effekt ist umso größer, je höher die Schuldenquote bereits ist und wird von einer akkommodierenden Geldpolitik unterstützt. Er wird jedoch von der endogenen Schuldendynamik überlagert, die dazu führt, dass langfristig der Münchhausen-Effekt eine Illusion bleibt. Versuche, den Effekt kurzfristig und wiederholt wirtschaftspolitisch auszunutzen führen zu einem stets höheren Niveau der Schuldenquote.

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Fußnoten
1
Sinn (2014), S. 4.
 
2
Sinn (2014), S. 3.
 
3
Vgl. Haavelmo (1945). Nun ist allerdings das Steueraufkommen eine endogene, vom Einkommen abhängige Variable [T(Y)], sodass die Bedingung für den Budgetausgleich nicht direkt implementiert werden kann. Bei einer proportionalen Steuer (T = τY) müsste beispielsweise der Steuersatz um den Betrag dτ = (1-τn)dG/Y erhöht werden, um dG = dT sicherzustellen.
 
4
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), vgl. http://​www.​aeuv.​de/​. Die Obergrenze von 3 % für die Defizitquote bedeutet eine um die Zinszahlungen reduzierte Obergrenze für das Primärdefizit.
 
5
Vgl. Sachverständigenrat (2009), S. 174. In Modellen mit vorausschauenden Erwartungen und angekündigten Ausgabenprogrammen werden tendenziell kleinere Werte erzielt, die oft unter Eins liegen und teilweise auch negativ sind, vgl. Cwik und Wieland (2011).
 
6
2014 wurden die beiden angegebenen Schwellenwerte nur von den baltischen Staaten und Luxemburg nicht übertroffen. Im Fall μ = 0 lauten die entsprechenden Werte b > 6 % resp. b > 11 %.
 
7
Eine Zinssenkung um einen Prozentpunkt ersetzt Mehrausgaben von nahezu 40 Mrd. €. Die extreme Niedrigzinspolitik der EZB hat das Realzinsniveau in Deutschland um deutlich mehr als einen Prozentpunkt gedrückt; zu den Konsequenzen vgl. Rösl und Tödter (2015a, b).
 
8
Schwachstellen und Ansatzpunkte zur Verbesserung des Ordnungsrahmens der EWU werden ausführlich diskutiert in Bundesbank (2015).
 
9
Startwerte der exogenen Variablen: G0 = 42, X0 = 45, M0,0 = 11. Gemäß (11) ist: Y0 = 1,32*(42 + 45−11) = 100.
 
10
Die exogenen Annahmen für die Expansionsphase (t = 1,10) sind im oberen Teil von Tabelle 4 angegeben.
 
11
Dass das BIP am Ende der Exitphase (in t = 20) wieder exakt beim Startwert anlangt, liegt an den stark vereinfachenden Annahmen des Modells. Wenn die Erhöhung der Staatsausgaben auch Investitionen beinhaltet, z. B. in Bildung und Infrastruktur, so können daraus auf längere Sicht positive Angebots- und Wachstumseffekte resultieren, die hier nicht berücksichtigt sind.
 
12
Wie Reinhart und Rogoff (2009) ausführlich dargelegt haben, ist die Wirtschaftsgeschichte voll von Zahlungsausfällen souveräner Staaten. Für eine Reihe von Ländern waren vor der EWU Abwertungen eine Notbremse, die häufig zum Einsatz kam, um Schlimmeres abzuwenden. Wie sich gezeigt hat, haben selbst die Zahlungsprobleme eines kleinen Landes wie Griechenland das Potenzial, einen großen Währungsraum zu sprengen (Sinn 2012).
 
13
Siehe dazu theoretisch Reis (2013), Abschn. V.
 
14
Bei einer rein geldpolitischen Expansion würde der Abwertungseffekt vermutlich höher ausfallen als bei einer Kombination mit expansiver Fiskalpolitik. In diesem Fall wäre in der vierten Rechnung der Wachstumseffekt in der Expansionsphase noch höher und die Schuldenquote würde noch stärker fallen. Für γ = 0,025 (statt 0,02) steigt bspw. das BIP in t = 10 auf Y = 120 und die Schuldenquote fällt bis t = 20 auf b = 39,8 %.
 
15
Das scheint der (inzwischen zurückgetretene) griechische Finanzminister Yanis Varoufakis ähnlich zu sehen, denn sein kürzlich publizierter „Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eurokrise“ stützt sich in erster Linie auf monetäre Strategien über die Institution EZB; vgl. Varoufakis et al. (2015).
 
16
Bundesbank (2015), S. 38.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Zur Selbstfinanzierung höherer Staatsausgaben: Gibt es den Münchhausen-Effekt und wenn Ja, wie funktioniert er?
verfasst von
Franz Seitz
Karl-Heinz Tödter
Publikationsdatum
01.01.2016
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik / Ausgabe 3/2016
Print ISSN: 0937-0862
Elektronische ISSN: 2364-3943
DOI
https://doi.org/10.1007/s41025-015-0021-3